Wie wollen wir miteinander arbeiten? Welche Vision treibt uns an? Welchen Grundsätzen und Werten verpflichten wir uns? Diese Fragen treiben jeden Kulturbetrieb, jede künstlerische und kulturelle Organisation an. Bewahren, erforschen und vermitteln sind die zentralen Aufgaben eines Museums, soviel ist klar. Doch wir müssen auch dorthin sehen, wo Dinge falsch laufen: Fehlende Teamfähigkeit, respektloses Verhalten, soziale Exklusion, Übergriffigkeiten – all das lässt sich als toxisches Arbeitsklima zusammenfassen. Das ist auch der Nährboden, auf dem sich Grenzen auflösen und Übergriffe bis hin zu sexueller, körperlicher oder psychischer Gewalt begünstigt werden. 

Für ein gelingendes Miteinander im Museum ist es wichtig, sich rechtzeitig mit dem Ernstfall auseinander zu setzen: Wie wollen wir nicht miteinander umgehen? Wo setzen wir als Betrieb Grenzen? Wie werden diese Grenzen kommuniziert? Wann und von wem? Kennt jede Person im Haus die Möglichkeiten, Beschwerden einzureichen, unangenehmes Verhalten von Kolleg:innen und Vorgesetzten in einem sicheren Rahmen zu melden? Ein resilienter Museumsbetrieb kennt die Bedürfnisse seiner Mitarbeiter:innen, die möglichen Herausforderungen und die Ressourcen, die in der Konfliktsituation angezapft werden können. Ein resilientes Museum verfügt über ein professionelles Schutzkonzept, das alle Menschen im Haus im Ernstfall unterstützt.

Bisher gab es im Kunst- und Kulturbereich wenig Austausch darüber, wie mit Fällen von Machtmissbrauch, Belästigung und Gewalt umgegangen wird. Statt Offenheit gibt es oft Gerüchte und Warnungen hinter vorgehaltener Hand. Ein professioneller Umgang mit der Problematik der sozialen Unverträglichkeit mancher Verhaltensweisen in Kunst und Kultur sieht anders aus. 

Wie aber soll man mit missbräuchlichen Erfahrungen im Kolleg:innenkreis tatsächlich umgehen? Was, wenn die vorhandenen Sicherungssysteme nicht ausreichend sind? Was, wenn die eigene Karriere auf dem Spiel steht? Dann ist es vielleicht leichter, sich an eine neutrale Stelle zu wenden, die Vertraulichkeit garantiert und hilft, das Geschehen einzuordnen und Strategien zum Umgang damit zu entwickeln. 

Vera* wurde nach einer Entschließung des Nationalrates 2022 als Vertrauensstelle für die Bereiche Kunst, Kultur und Sport initiiert. Das Angebot: Betroffene von Machtmissbrauch, Gewalt und Belästigung können sich direkt, anonym, kostenlos und vertraulich an die Mitarbeiter:innen von vera* wenden und erhalten kompetente psychosoziale Beratung.
In mehreren  Gesprächen wird versucht, die individuelle Situation zu verstehen und adäquate Bewältigungsstrategien und Lösungsansätze gemeinsam mit der betroffenen Person zu entwickeln. Während der Sportnbereich seit über zehn Jahren vom Verein 100% Sport ausgeführt wird, wurde für den Kulturbereich der Verein Vertrauensstelle ins Leben gerufen. Im ersten Jahr (September 2022 – September 2023) konnte vera*  Kunst und Kultur neunzig Personen mit Erfahrungen von Belästigung und Gewalt unterstützen.

Ein Rückblick auf das erste Jahr der Vertrauensstelle im Bereich Kunst und Kultur zeigt, vera*  wirkt! 90 Personen aus ganz Österreich und allen Sparten haben sich im Zeitraum September 2022 bis September 2023 an vera*  gewandt. Nach den Bereichen Theater, Musik, Film und Bildende Kunst liegen die Museen mit knapp unter fünf Prozenz an siebter Stelle in der Spartenverteilung („Sonstige“ und „Keine Angabe“ liegen noch vor dem Bereich Museen). In der Verteilung der Sachverhalte zeigt sich, dass oft Mehrfachbetroffenheit vorliegt: Strukturelle Gewalt, sexualisierte Gewalt und psychische Gewalt treten häufig gemeinsam auf. Über 70 Prozent der Betroffenen waren weiblich, 20 Prozent männlich und ein Prozent divers.

Wir haben gesehen, dass vera*  wirkt. Von unseren Kooperationspartner:innen aus Kunst/Kultur und Gewaltschutz/Soziales wissen wir außerdem, dass vera*  als Schnittstelle von hoher Bedeutung ist. So können wir auch etwa Gewaltschutz-Organisationen in deren Arbeit mit unserem Wissen von den Besonderheiten des Arbeitsfelds Kunst/Kultur unterstützen. vera*  ist ein Puzzleteil, durch das Gewaltschutz und Kunst/Kultur ineinandergreifen.

Die Belegschaft eines Museums besteht aus mehr als der Summe der Einzelpersonen, die an einem Haus beschäftigt sind. Aus der Makroperspektive sehen wir Abteilungen, Altersgruppen, Menschen mit unterschiedlichen Dienstverträgen und Beschäftigungsverhältnissen. Wir sehen Gruppen von Gremien (Aufsichtsräte, Beiräte, Fokusgruppen). Wir sehen Künstler:innen, Expert:innen, Kurator:innen (oftmals externe Mitarbeitende). Und: Wir sehen Publikum in verschiedenster Ausprägung.

An einem Museum treffen also ganz unterschiedliche Menschen aufeinander. Wie kann  das Zusammensein gelingen, wenn wir doch alle so verschieden sind?

Aus dem Community Building kommend, sind für mich die wesentlichen Faktoren guter Zusammenarbeit:

Gute Zusammenarbeit gelingt, wenn alle Mitarbeiter:innen wissen, was sie tun, wie sie es tun und vor allem – warum sie es tun. Gleichzeitig wissen wir, dass der Bereich der Kunst und Kultur im Allgemeinen – auch der Bereich der Museen – nicht frei von Machtmissbrauch, Gewalt und Belästigung ist. Und das obwohl es zunehmend hausinterne Schutzkonzepte und Codes of Conduct (Regeln der Zusammenarbeit) gibt, Vertrauenspersonen eingesetzt und Ombudsstellen eingerichtet werden. Offenbar braucht es also mehr als das, und da scheint vera*  als neutrale Stelle, die absolute Vertraulichkeit garantiert, eine Lücke zu schließen.

vera*  bietet psychosoziale Beratung für Menschen in Kunst und Kultur an, die direkt oder indirekt von Machtmissbrauch, Belästigung und Gewalt betroffen sind. Dabei sind weder die Art der Beschäftigung, das Geschlecht, die Nationalität, Herkunft oder die Zeit, die zwischen dem Vorfall und Heute vergangen ist, relevant. vera*  bietet allen – Betroffenen und Zeug:innen – ein offenes Ohr.

Wir stellen gerne Plakate, Flyer und Broschüren zur Verfügung, damit Sie Ihre Mitarbeiter:innen auf unser Angebot hinweisen können.

Beteiligen Sie sich am Kulturwandel! Machen auch Sie Ihr Museum zu einem sicheren und inspirierenden Arbeitsplatz für alle!