KG Berlin: Kein berechtigtes Interesse an Preisanpassungsklauseln eines Video-Streamingdienst-Betreibers
Abstract
Preisanpassungsklauseln erlauben einen einseitigen Eingriff in ein bestehendes Vertragsverhältnis und sind nach § 307 Abs 1 BGB nur zulässig, wenn ein berechtigtes Interesse des Verwenders der Klausel besteht und sowohl Anlass, Voraussetzungen als auch Umfang des Leistungsbestimmungsrechts so hinreichend konkretisiert sind, dass die Vertragspartner eine Entgeltänderung vorhersehen können. An einem berechtigten Interesse fehlt es, wenn es dem Verwender der Klausel ohne nennenswerten Aufwand technisch möglich ist, die Zustimmung der Vertragspartner zur Preiserhöhung einzuholen und das Vertragsverhältnis innerhalb kurzer Frist zu kündigen. Ist die Berechtigung vorgesehen, bei gestiegenen Kosten eine Preiserhöhung vorzunehmen, nicht aber eine Verpflichtung, nach denselben Maßstäben bei gesunkenen Gesamtkosten eine Preisreduktion durchzuführen, liegt ein Verstoß gegen das Gebot der Reziprozität vor, was zur Unwirksamkeit der Klausel nach § 307 Abs 1 Satz 1 BGB führt. Dies gilt auch bei Verträgen über Streaming-Dienste. Nach der im Verbandsprozess vorzunehmenden „kundenfeindlichsten“ Auslegung ist bereits dann, wenn eine Preisanpassungsklausel nicht deutlich auch als Pflicht des Verwenders zur Preisanpassung ausgestaltet ist, zu seinen Lasten davon auszugehen, dass sie eine solche Verpflichtung auch nicht beinhaltet. Redaktionelle Leitsätze