OGH: KZ-Überlebende sind keine Landplage

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OGH: KZ-Überlebende sind keine Landplage
Thiele, Clemens

From the journal ZIIR Zeitschrift für Informationsrecht, Volume 9, November 2021, issue 4

Published by Verlag Österreich

Judikatur, 3193 Words
Original language: German
ZIIR 2021, pp 474-479
https://doi.org/10.33196/ziir202104047401

Abstract

Zum Schutz des Privatlebens sind die österreichischen Mediengerichte zur Wahrnehmung der positiven Verpflichtungen nach Art 8 EMRK angehalten. Jede negative Stereotypisierung einer Gruppe, die ein bestimmtes Maß erreicht, beeinträchtigt das Identitätsgefühl der Gruppe bzw den Selbstwert und das Selbstbewusstsein der Mitglieder der Gruppe. Derartige Beeinträchtigungen (hier: Gleichstellung von KZ-Überlebenden mit einer Landplage) wirken sich negativ auf das durch Art 8 EMRK geschützte Privatleben eines Mitglieds der Gruppe aus und können medienrechtlich von den Betroffenen geahndet werden. Der Bedeutungsgehalt einer inkriminierten Textpassage ist – im Medienstrafverfahren als feststellungsbedürftige Tatsachenfrage – stets aus der Sicht jenes Rezipienten zu beurteilen, an den sich die Publikation nach ihrer Art und Aufmachung richtet. Der Äußerungsinhalt selbst ist nach dem Wortsinn, seinem Gesamtzusammenhang und den damit gedanklich im Zusammenhang stehenden übrigen Ausführungen zu ermitteln, sodass auf den situativen Kontext abzustellen ist, in den der fragliche Aussagegehalt einzuordnen ist. Der medienrechtliche Entschädigungsanspruch des Opfers besteht unabhängig von einer fehlenden Beschwer zur Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363b Abs 3 StPO nach Anerkennung der Grundrechtsverletzung durch den EGMR. Redaktionelle Leitsätze

Author information

Clemens Thiele