Einvernehmliche Auflösung unmittelbar nach Entlassung: Anfechtung wegen Willensmangels beseitigt auch Rücknahme der Entlassung

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Einvernehmliche Auflösung unmittelbar nach Entlassung: Anfechtung wegen Willensmangels beseitigt auch Rücknahme der Entlassung

From the journal JBL Juristische Blätter, Volume 136, October 2014, issue 10

Published by Verlag Österreich

Rechtsprechung, 2862 Words
Original language: German
JBL 2014, pp 669-672
https://doi.org/10.33196/jbl201410066901

Abstract

Schließt ein Arbeitnehmer unter dem Eindruck einer bereits ausgesprochenen Entlassung die ihm gleichzeitig angebotene Auflösungsvereinbarung ab, so kommt es für die Redlichkeit des Arbeitgebers darauf an, ob für ihn zu diesem Zeitpunkt plausible und objektiv ausreichende Gründe für einen Entlassungsausspruch gegeben waren. Ist dies der Fall, kann nicht von der Ausübung ungerechtfertigten psychologischen Drucks die Rede sein. Ist der Arbeitgeber von der Haltbarkeit seiner Rechtsposition nicht überzeugt und will er den Arbeitnehmer gerade deswegen zur einvernehmlichen Auflösung drängen, ist die Auflösungsvereinbarung schon aus diesem Grund anfechtbar. Bei dieser Beurteilung kommt es auf den Wissensstand des Arbeitgebers ex ante und nicht darauf an, ob seine Ansicht ex post aufgrund der Ergebnisse eines förmlichen Beweisverfahrens auch von den befassten Gerichten geteilt wird. Eine erfolgreiche Anfechtung einer solchen Auflösungsvereinbarung wegen Willensmangels kann nicht nur einseitig zum Wegfall der Austrittserklärung des Arbeitnehmers führen, sondern beseitigt auch die damit untrennbar verknüpfte Rücknahme der Entlassung. Eine Anfechtung bloß desjenigen Teils der Vereinbarung, der dem Arbeitnehmer zur Last fällt („Rosinentheorie“), ist nicht möglich. Die Fürsorgepflicht begründet keine Verpflichtung des Arbeitgebers, einen entlassenen Arbeitnehmer, dem er noch eine gesichtswahrende einvernehmliche Auflösung ermöglichen will, zuvor über mögliche rechtliche Schwachstellen des Entlassungsausspruchs und die Möglichkeiten einer Anfechtung aufzuklären. Vorsätzlich herbeigeführte Fehleintragungen in der der Erfassung der Arbeitszeit dienenden Zeitstempelkarte können eine Entlassung begründen.