Deutscher Suchtkongress
Bd. 1 Nr. 1 (2023): Deutscher Suchtkongress
https://doi.org/10.18416/DSK.2023.1072

Problematischer Alkoholkonsum: Welche Bedeutung haben biologisches und soziales Geschlecht? (S55)

Interagierende Einflüsse von Geschlecht und aversiven Kindheitserfahrungen auf Alkoholkonsum

Hauptsächlicher Artikelinhalt

Sarah Gerhardt (Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI), Mannheim), Katharina Eidenmüller (Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI), Mannheim), Sabine Hoffmann (Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI), Mannheim), Patrick Bach (Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI), Mannheim), Nina Bekier (Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI), Mannheim), Derik Hermann (Therapieverbund Ludwigsmühle gGmbH, Landau in der Pfalz)

Abstract

Hintergrund und Fragestellung
Während im Jahr 2016 85% aller Europäischen Männer über 15 Jahren angaben, Alkohol zu konsumieren, taten dies nur 61% aller Frauen. Hingegen berichten Frauen von stärkerem Alkoholverlangen und es zeigt sich ein Zusammenhang zwischen Alkoholverlangen und negativem Affekt. Gleichzeitig besteht eine erhöhte Prävalenz schwerer traumatischer Kindheitserfahrungen bei Frauen im Vergleich zu Männern in der allgemeinen Bevölkerung. Traumatische Kindheitserfahrungen, wie Missbrauch und Vernachlässigung erhöhen zudem Risiko einer Alkoholgebrauchsstörung, beispielsweise über Veränderungen in neurobiologischer Stress- oder Belohnungsverarbeitung. Während Frauen einerseits schwerer von alkoholbezogenen Konsequenzen betroffen sein können, schreitet andererseits beim Vorliegen von traumatischen Kindheitserfahrungen die Entwicklung einer Alkoholgebrauchsstörung schneller voran als bei Männern. Es wird somit die Frage untersucht, inwiefern das Geschlecht in Interaktion mit traumatischen Kindheitserfahrungen sich auf Alkoholkonsum und damit assoziierte Faktoren wie Alkoholverlangen.


Methoden
Im Rahmen einer Studie zu Einflüssen traumatischer Kindheitserfahrungen bei Substanzgebrauchsstörungen (doi 10.3389/fpsyt.2022.866019) wurden unter anderem N = 264 Menschen mit Alkoholgebrauchsstörung untersucht, welche sich diesbezüglich in (teil-)stationärer Behandlung befanden. Traumatische Kindheitserfahrungen wurden retrospektiv mittels des Childhood Trauma Questionnaire erfasst. Zudem wurde das Alkoholverlangen zu Beginn und im Verlauf einer (teil-)stationären Behandlung mittels der Mannheimer Craving Scale bestimmt.


Ergebnisse
Patientinnen in Behandlung einer Alkoholgebrauchsstörung berichteten signifikant schwerere Erlebnisse bezüglich emotionalem und sexuellem Missbrauch und emotionaler Vernachlässigung. Unter allen Subtypen traumatischer Kindheitserfahrungen zeigte sich ein signifikanter Einfluss von emotionaler Vernachlässigung auf das Alkoholverlangen bei Behandlungsbeginn – sowohl bei Männern als auch bei Frauen. Allerdings wirkte sich depressive, Angst- und Stresssymptomatik geschlechtsspezifisch bezüglich des Einflusses von sexuellem, körperlichem und emotionalem Missbrauch auf das Alkoholverlangen aus


Diskussion und Schlussfolgerung
Die Befunde verdeutlichen die Wichtigkeit nicht nur traumatische Kindheitserfahrungen bei Prävention und Therapie von Alkoholgebrauchsstörung zu beachten, sondern gleichzeitig geschlechtssensitive Strategien zu implementieren.


Offenlegung von Interessenskonflikten sowie Förderungen
Ich und die Koautorinnen und Koautoren erklären, dass während der letzten 3 Jahre keine wirtschaftlichen Vorteile oder persönlichen Verbindungen bestanden, die die Arbeit zum eingereichten Abstract beeinflusst haben könnten.


Erklärung zur Finanzierung: DFG (Projekt-Nr.: 324164820, 402170461)

Artikel-Details

Zitationsvorschlag

Gerhardt, S., Eidenmüller, K., Hoffmann, S., Bach, P., Bekier, N., & Hermann, D. (2023). Interagierende Einflüsse von Geschlecht und aversiven Kindheitserfahrungen auf Alkoholkonsum. Deutscher Suchtkongress, 1(1). https://doi.org/10.18416/DSK.2023.1072