Schlenther, Paul (1854-1916), Journalist, Schriftsteller und Theaterdirektor

Schlenther Paul, Journalist, Schriftsteller und Theaterdirektor. * Insterburg, Ostpreußen (Černjahovsk, UdSSR), 20. 8. 1854; † Berlin, 30. 4. 1916. Sohn eines Apothekers, ab 1892 Gatte der Folgenden; evang. Religion. Nach Gymnasialbesuch in Königsberg (Kaliningrad) stud. S. an den Univ. Leipzig, Heidelberg, Berlin, Königsberg und Straßburg vorzüglich Germanistik, wobei ihn als Lehrer bes. W. Scherer (s. d.) prägte. 1880 Dr. phil. und Mag. art. der Univ. Tübingen mit einer 1886 zum Buch erweiterten Diss. über „Frau Gottsched und die bürgerliche Komödie“. Ab 1881 wieder in Berlin, war S. für verschiedene Journale (wie „Deutsche Literaturzeitung“ und „Die Nation“) publizist. tätig, bis er – 1883 durch seine polem., jedoch auch bereits seine Kunstauffassung ausdrückende Streitschrift „Botho von Hülsen und seine Leute“ bekannt geworden – 1886 in den Red.Verband der „Vossischen Zeitung“ eintrat und hier, eine zeitlang neben Fontane, das Schauspielreferat und die Leitung der Sonntagsbeilage übernahm. Die nächsten Jahre standen im Zeichen seines Eintretens für Ibsen und die dt. Naturalisten, sowohl als Kunstkritiker und Publizist – u. a. gab er gem. mit anderen die Werke Ibsens in dt. Übers. heraus sowie 1898 die erste (später mehrfach aufgelegte und umgearbeitete) Biographie Gerhart Hauptmanns – als auch, gem. mit Otto Brahm, als einer der wesentlichsten Protagonisten des 1889 gegründeten Ver. Freie Bühne und dessen gleichnamigen Publ.Organs. S., dessen Ruf als einer der führenden Berliner Kunstkritiker weit über diese Stadt hinausging, übernahm 1898 als Nachfolger Burckhards (s. Burckhardt) die Dion. des Hofburgtheaters in Wien, die er trotz heftiger, machmal außerordentlich gehässiger und polem. Kritik durch zwölf Jahre innehatte. Wohl am erforderlichen Ausgleich zwischen der Moderne, als deren Vertreter er von manchen begrüßt worden war (immerhin öffnete er das Burgtheater für Karl Schönherr und erhielt die Urauff.-Rechte für Hauptmanns „Armer Heinrich“, 1902), und den veralteten Theaterstrukturen scheiternd, reichte er nach einem Theaterskandal (1909) seinen Rücktritt ein, 1910 HR und Ende seiner Dion.-Tätigkeit. Nach Berlin zurückgekehrt, wirkte er bis zu seinem Tod als Theaterkritiker am „Berliner Tageblatt“, ohne jedoch seine vorherige Geltung wieder zur Gänze erreichen zu können.

W.: Wozu der Lärm? Genesis der Freien Bühne, 1889; Der Frauenberuf im Theater, 1895; Zwischen Lindau und Memel während des Krieges ( = Smlg. von Schriften zur Zeitgeschichte 11), 1915; Theater im 19. Jh. Ausgewählte theatergeschichtliche Aufsätze, hrsg. von H. Knudsen ( = Schriften der Ges. für Theatergeschichte 40), 1930; Beitrr. in Z., Ztg., Sammelwerken, Hrsg.: Dän. Schaubühne, gem. mit J. Hoffory, 2 Bde., 1888; Das 19. Jh. in Deutschlands Entwicklung, 9 Bde., 1899–1914; B. Baumeister, 50 Jahre Burgtheater 1852–1902, 1902; Th. Fontane, Causerien über Theater, 1905; O. Brahm, Krit. Schriften über Drama und Theater, 2 Bde., 1913–15, Bd. 1, 2. Aufl. 1915.
L.: F. Zweybrück, in: Dt. Rundschau 168, 1916, Bd. 2, S. 480ff.; Dt. Bühnen-Jb. 28, 1917, S. 164f.; H. Wagner, in: Mitt. des Österr. Staatsarchivs 14, 1961, S. 394ff.; J. Hüttner – P. Stefanek, in: Maske und Kothurn 9, 1963, S. 203ff.; Biograph. Jb., Überleitungsbd. 1, 1925, S. 258f.; Die Fackel, s. Reg.; Enc. dello spettacolo; Nagl-Zeidler-Castle 3–4, s. Reg. (mit Bild); Bibl. P. S. s, mit einem Vorwort von O. Pniower, 1917 (Kat.); F. Rosenthal, Unsterblichkeit des Theaters, 1927, S. 233ff.; E. Frank, Das Burgtheater unter der Dion. von P. S. (1898–1910), phil. Diss. Wien, 1931; R. Lothar, Das Wr. Burgtheater, 1934, s. Reg. (mit Bild); K. Bohla, P. S. als Theaterkritiker, 1935; L. Salzer, G. Hauptmann und das Burgtheater, phil. Diss. Wien, 1935, bes. S. 167ff.; H. Thimig erzählt . . ., ausgewählt und eingeleitet von F. Hadamowsky, 1962, s. Reg. (mit Bild); F. Schreyvogl, Das Burgtheater, (1965), s. Reg. (mit Bild); H. Kindermann, Theatergeschichte Europas 8, (1968), s. Reg.; E. Haeussermann, Das Wr. Burgtheater, 2. Aufl. (1975), s. Reg. (mit Bild); Das Burgtheater und sein Publikum 1, hrsg. von M. Dietrieh ( = Sbb. Wien, phil.-hist. Kl. 305), 1976, s.Reg.; H. Ester, in: Th. Fontane im literar. Leben seiner Zeit ( = Beitrr. aus der Dt. Staatsbibl. 6), 1987. S. 216ff.; F. Hadamowsky, Wien. Theatergeschichte ( = Geschichte der Stadt Wien 3). (1988), s. Reg.; A. Schnitzler, Tagebuch . . . (1893–1902, 1902–09, 1909– 12, 1913–16), 1989, 1991 (im Druck), 1981, 1983, s. Reg.; Zeitungsausschnittsmlg. S., Theatersmlg., Österr. Nationalbibl., Wien; UA Tübingen, Deutschland.
(E. Lebensaft)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 10 (Lfg. 47, 1991), S. 187f.
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>