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BY 4.0 license Open Access Published by De Gruyter Oldenbourg August 5, 2023

Der „Flairneur“ und sein Gegenüber: Über den genussvollen Umgang mit migrationsbezogener Diversität im urbanen Raum

The “Flairneur” and his Counterpart: On the pleasurable Handling of Migration-related Diversity in Urban Space
  • Jörg Hüttermann

    Jörg Hüttermann, geb. am 11.3.1962; Studium der Geschichtswissenschaften und der Soziologie in Bonn, Madrid und Bielefeld. Wissenschaftlicher Mitarbeiter am interdisziplinären Institut für Konflikt- und Gewaltforschung (IKG). Zuvor u. a. wissenschaftlicher Mitarbeiter am Göttinger Max-Planck-Institut zur Erforschung multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften (MPI MMG) sowie am Institut für Islamische Theologie der Universität Osnabrück (IIT).

    Wichtigste Publikationen: Figurationsprozesse der Einwanderungsgesellschaft: Zum Wandel der Beziehungen zwischen Alteingesessenen und Migranten in deutschen Städten. Bielefeld: transcript 2018; Erfolgskarrieren muslimischer Migrant*innennachfahren aus der Arbeiterklasse: Eine figurationssoziologische Analyseperspektive auf Wechselwirkungen zwischen sozialer Mobilität und sozialem Wandel, Soziale Welt 73(1), 2022: 34–66. Zuletzt in dieser Zeitschrift: Mit der Straßenbahn durch Duisburg: Der Beitrag indifferenzbasierter Interaktion zur Figuration urbaner Gruppen (mit T. Minas), ZfS 44, 2015: 63–79.

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Zusammenfassung

Die von Steven Vertovec angeregte Erforschung migrationsbezogener Diversität in urbanen Räumen hat es mit zwei Herausforderungen zu tun: Zum einen mit der Schwierigkeit, angesichts der behaupteten Kontinuitätsbrüche der weltgesellschaftlichen Migration neue Formen der urbanen Diversitätsbewältigung nachzuweisen; zum andern mit der Frage, wie Struktur und Handlung, Makro und Mikro, soziale Schichtung und lebensweltliche Diversitätsbewältigung aufeinander einwirken. Angesichts dieser beiden Herausforderungen schlägt der Autor vor, dass die ethnographisch ansetzende urbane Diversitätsforschung einen konsequent von Sozialfiguren und ihrer Figuration ausgehende Theoriebildung betreiben sollte. Um die Tür zu einem solchen Forschungsprogramm zu öffnen und um das Potenzial dieses Lösungswegs zu veranschaulichen, legt der Autor eine an den Forschungsstil der Grounded Theory angelehnte empirisch generierte Theorie urbaner Diversitätsbewältigung vor, die von der sozialen Figur des „Flairneurs“ ausgeht. Seine Analyse basiert auf Daten, die durch teilnehmende Beobachtungen, Gruppen- und Experteninterviews sowie problemzentrierte Interviews, aber auch durch statistische Erhebungen generiert und im Rahmen einer komparativen Städtestudie erhoben wurden.

Abstract

Steven Vertovec’s research on migration-related diversity in urban spaces faces two challenges: On the one hand, the difficulty of demonstrating new forms of urban diversity management in the face of the alleged breaks in the continuity of migration in global society; on the other hand, the question of how structure and action, macro and micro, social stratification and lived diversity interact. In view of these two challenges, the author proposes that ethnographically based urban diversity research should pursue a consistent theorization of social figures and their figurations. To open the door to such a research program and to illustrate the potential of this approach, the author presents an empirically generated theory of urban diversity management based on the social figure of the “flairneur”. His analysis is based on data generated through participatory observations, group and expert interviews as well as problem-centered interviews, but also through statistical surveys and collected within the framework of a comparative urban study.

1 Herausforderungen der ethnographischen Diversitätsforschung

Der zunehmenden Ausdifferenzierung moderner Gesellschaft folgend haben sich Diversitätsdebatten seit den 1990er Jahren in die unterschiedlichsten Felder der Gesellschaft verzweigt (Sport, Erziehung, Arbeit, Kultur, Politik, Wirtschaft, Verwaltung etc.). Die ausgeprägte Resonanz, die Diversitätsthemen finden, ist auf unterschiedliche Gründe zurückzuführen. Zunächst einmal können sie unmittelbar an Werte und Verfassungsnormen des demokratischen Rechtsstaates und der Antidiskriminierungsgesetzgebung, aber auch an wirtschaftliche Semantiken wie z. B. „Produktdiversität“ anschließen. Ein weiterer Grund ist, dass Worte für Diversität in vielen europäischen Sprachen positiv besetzt sind, so dass Slogans wie „Vielfalt tut gut!“ sich gewissermaßen von selbst verstehen. So kann das Diversitätsthema schnell zum Dreh- und Angelpunkt normativer Leitbilddiskussionen werden und die Selbstvermarktung von Städten, Unternehmen und Organisationen inspirieren. Ein weiteres kommt hinzu: Anders als der Multikulturalismus-Begriff, der sich auf ausformulierte Theorien und Philosophien stützt (z. B. von Charles Taylor), ist selbst der migrationswissenschaftliche Diversitätsbegriff relativ anspruchslos. Er verweist zunächst nur darauf, dass migrationsbedingte Diversität zu einem sozialen Tatbestand geworden ist. Zudem verbindet er die Anerkennung unabweisbarer Gegebenheiten mit dem Ziel, ein neues explorativ angelegtes Forschungsprogramm zu skizzieren und auszuflaggen.

Dem migrationswissenschaftlichen Diversitätsdiskurs geht es darum, neue soziale Strukturen migrationsbezogener Diversität und neue Mechanismen urbaner Diversitätsbewältigung zu erschließen (Vertovec et al. 2015: 255). Interdisziplinäre Diversity- und Superdiversity-Perspektiven sollen die Komplexität einer sich wandelnden Migrationsgesellschaft explorieren und die wissenschaftliche Neugier auf Kontinuitätsbrüche und strukturelle Innovationen lenken. Der zurzeit wohl meistgehörte und -gelesene Diversitätsforscher, Steven Vertovec, strebt denn auch nicht danach, eine geschlossene und für Diversitätsfragen allzuständige Großtheorie zu formulieren. Vielmehr will er sich selbst und andere für das soziale Phänomen der migrationsbedingten Vervielfältigung von Vielfalt öffnen und auf eine für diese Thematik geeignete interdisziplinäre Haltung der konstruktiven Irritierbarkeit hinarbeiten. Gerade weil dieser Anspruch im Vergleich etwa mit klassischen soziologischen Theorien nicht bis ins Einzelne ausformuliert ist, können diverse sozial- und kulturwissenschaftlichen Disziplinen ihn aufgreifen und interdisziplinäre Zusammenarbeit pflegen.

Betrachtet man den von Vertovec und Mitstreiter*innen beschrittenen Weg, wird deutlich, dass der interdisziplinäre Gebrauch des Diversitätsbegriffs auf einer zentralen Grundannahme beruht, die alle diese Diversitätsforscher*innen miteinander teilen: dass der Diversifizierungsprozess ein gerichteter Prozess ist, der das Potenzial in sich birgt, von relativ geringer zu hoher Komplexität voranzuschreiten und zunehmend (soziale) Probleme zu bereiten. Schon Vertovecs begriffliche Unterscheidung von Diversity und Superdiversity bringt diese Steigerungsdynamik zum Ausdruck. Damit ist allerdings nicht gesagt, dass die Diversity-Forschung teleologisch ist. Vertovec unterstellt nicht, dass sein Forschungsgegenstand, aus sich selbst heraus einer inhärenten oder von außen einer aufgezwungenen Entwicklungslogik folgend, bestimmte in ihm angelegte Sequenzen durchlaufen muss, um dann zu seinem guten oder bösen Abschluss zu gelangen. Wohl aber suggeriert er, dass die Erforschung migrationsbezogener Diversität angesichts rezenter Kontinuitätsbrüche der weltgesellschaftlichen Entwicklung Neuland erschließe.

Ungeachtet dieses Anspruchs haben Vertovec und seine Mitarbeiter*innen – abgesehen von Ausnahmen (z. B. Wessendorf 2014) – mit ihren ethnographisch ansetzenden Forschungen bislang wenig dazu beigetragen, neue Formen der Anpassung an migrationsbezogene städtische Vielfalt zu entdecken. Im Hinblick auf die alltagsweltliche Bewältigung von migrationsbezogener Urbanität gehen die derzeitigen Befunde und Herangehensweisen ihrer urbanen Ethnographien nicht wesentlich über das hinaus, was die in der Tradition der Chicago School stehende Stadtsoziologie in den letzten hundert Jahren hervorgebracht hat.

Zwar klingt Vertovecs (2015) Feststellung, dass in unterschiedlichen Regionen der Weltgesellschaft trotz gewisser Pfad- und Kontextvariationen im Wesentlichen identische Muster der urbanen Diversitätsbewältigung angewandt werden, auf den ersten Blick vielversprechend. Doch schaut man sich die in der ethnographisch ausgerichteten Studie präsentierten Muster genauer an, stellt sich die Frage, ob hier wirklich Neuland erschlossen worden ist. Das betrifft beispielsweise den Befund, dass Städter mit migrationsbedingter Diversität umgehen, indem sie bei der Navigation ihrer Körper durch urbane Sozialräume und Sozialzeiten Routinen entwickeln und darauf aufbauend in ihrer urbanen Lebenswelt Vertrautheit und Selbstverständlichkeiten sedimentieren. Dass Vertovec (2015: 171–192) diesen altbekannten Tatbestand, den Lin Lofland mit dem Konzept des „urban learnings“ (1973: 96–117) und Elijah Anderson mit dem der „Folk Ethnography“ (2011) verbanden, nun mit dem neuen Begriff der „route-ines“ belegt, erscheint vor Hintergrund bisheriger wissenschaftlicher Einsichten in den urbanen Alltag eher als begriffliche Innovation denn als substanzieller Erkenntnisfortschritt.[1] Daraus ergibt sich die Herausforderung, genauer bestimmen zu müssen, ob und inwieweit die mit dem route-ines-Begriff belegten Forschungsergebnisse – sowie auch andere zentrale Befunde Vertovecs (vgl. voranstehende Fußnote) – über den einst von Simmel, Park, Wirth, Benjamin, Goffman, Lofland und de Certeau aufgespannten Horizont der Urbanitätsforschung hinausragen.

Zu dieser Herausforderung kommt ein weiteres ungelöstes Problem auf die Diversitätsforschung hinzu: Die konkretistisch anmutende Empirie und ihre theoretische Rahmung finden bei Vertovec (noch) nicht zusammen. Zwar geht Vertovec davon aus, dass das, was seine Ethnographien ans Licht bringen, durch strukturelle Settings gerahmt ist. Doch er gibt keinen Anhaltspunkt für die Beantwortung der Frage, ob bzw. wie Struktur und Handlung, Makro und Mikro, soziale Schichtung und lebensweltliche Diversitätsbewältigung aufeinander einwirken. Die analytisch getrennten Ebenen werden nicht durch eine auf Kausalverhältnisse zielende Sozialtheorie, sondern von der impliziten Annahme zusammengehalten, dass all das, was die Feldforscher beobachten, irgendwie mit all dem zusammenhängt, was sich aus der sozialwissenschaftlichen Vogelperspektive als regionale und/oder globale Struktur fassen lässt. Diese sozialtheoretische Lücke offenbart sich darin, dass die ethnographisch ansetzende Diversitätsforschung Vertovec’scher Prägung ihre deskriptive Empirie präsentiert, indem sie diese, der Logik einer additiven Textanordnung folgend, einen Textblock (oder ein Kapitel) über Makro-Strukturen und -Prozesse (die so genannten „configurations“) hinzufügt.[2]

Vielleicht ließen sich die beiden noch unbewältigten Herausforderungen der Diversitätsforschung –die Schwierigkeit, qualitativ neue Formen der urbanen Diversitätsbewältigung nachzuweisen sowie die fehlende sozialtheoretische Ausarbeitung des Mikro-Makro-Problems – lösen, wenn die ethnographisch ansetzende (Super)Diversitätsforschung noch konsequenter eine von der Akteurs-Perspektive ausgehende Theoriebildung betriebe. Indem ich mich im Folgenden mit der sozialen Figur des Flairneurs und der Praxis des Flairnierens befasse, gehe ich im vorliegenden Beitrag einen Schritt auf diesem Weg.[3] Ich lege ein Stück empirisch generierter Theorie urbaner Diversitätsbewältigung vor, die auf die soziale Figur des „Flairneurs“ zugespitzt ist. Ohne den Anspruch, damit ein Passepartout-Konzept vorlegen zu können, schäle ich so aus dem ethnographischen Material ein sensitizing concept heraus, das anzeigt, welche Richtung die auf migrationsbezogene Diversität zielende Theoriebildung einschlagen könnte, um die genannten Herausforderungen bewältigen zu können.

Zu diesem Zweck stelle ich zunächst den Flairneur in seinem Habitat vor: in diesem Fall das Frankfurter Quartier Berger-Ost (Kapitel 2). Daraufhin zeige ich, wie urbane Akteure die Kompetenz aufbauen, um in die Rolle des Diversität bewältigenden Flairneurs schlüpfen und eine auf Genuss ausgerichtete Welteinstellung einnehmen zu können (Kapitel 3). Im nächsten Schritt stelle ich den konstitutiven signifikanten Anderen des Flairneurs vor, den sich selbst exotisierenden Kaufmann mit Migrationsbezug. Ich zeige, wie die beiden Akteure eine ihre Beziehung charakterisierende Intimitäts-Indifferenz-Balance entwickeln und dabei wechselseitigen spielerischen Genuss und Nutzenkalküle verknüpfen (Kapitel 4). Abschließend ziehe ich Bilanz und gebe Anregungen dazu, wie auf der Basis der Ergebnisse mit den einleitend angeführten Herausforderungen der Diversitätsforschung umzugehen wäre. Ich werbe dafür, die empirische Genese sozialer Figuren zum Ansatz- und Ausgangspunkt für eine Theoriebildung zu nehmen, die zum einen das Kausalverhältnis zwischen alltäglichem Umgang mit Diversität und relevanten Struktureben aufhellt (bzw. ein Weg zur Lösung Mikro-Makro-Problem der Diversitätsforschung auslotet), und die zum anderen erkennen lässt, inwieweit ethnographisch analysierte Phänomene oder Muster der alltäglichen urbanen Diversitätsbewältigung tatsächlich für etwas stehen, dessen soziale Natur eine neue Etappe der gesellschaftlichen Entwicklung markiert (Kapitel 5).

Anstoß und Gelegenheit zu der vorgelegten Analyse bot ein von Karen Schönwälder geleitetes interdisziplinäres Forschungsprojekt, das zwischen 2007 und 2015 am Max-Planck-Institut zur Erforschung multiethnischer und multireligiöser Gesellschaften (MPI/MMG) durchgeführt worden ist (Schönwälder et al. 2016). Ich war von 2012 bis 2015 Teil des Forschungsteams, genauer gesagt des qualitativ bzw. ethnographisch ansetzenden Teils dieses Teams.

Die am MPI/MMG intern als „DivCon-Studie“ bezeichnete Untersuchung, zielte darauf ab, den Alltag urbaner Räume der deutschen Einwanderungsgesellschaft zu erforschen. Dazu ging sie mit Hilfe eines Mixed-Method-Ansatzes vor, der eine sozialökologisch ansetzende quantitative Längsschnittbefragung mit qualitativen Erhebungsmethoden verbindet – insbesondere mit teilstandardisierten Interviews, Experteninterviews, Gruppeninterviews und teilnehmenden Beobachtungen (Schönwälder et al. 2016: 15–32). Der Umfrageforschung lagen 50 statistische Gebietseinheiten zugrunde, die auf der Grundlage eines stratifizierten Verfahrens aus tausenden statistischen Gebietseinheiten in Städten mit mehr als 50 000 Einwohner*innen ausgewählt worden waren. Von den ausgewählten Gebietseinheiten sind 24 in den beiden Metropolen Hamburg und Frankfurt am Main verortet. Jeweils drei befinden sich in den mittelgroßen Städten Bochum, Ingolstadt, Krefeld, Leverkusen, Lübeck und Mannheim, und jeweils eine Gebietseinheit ist den kleineren Städten Emden, Delmenhorst, Dormagen, Gießen, Herten, Konstanz, Schweinfurt und Viersen zuzuordnen. Diese Auswahl repräsentiert in etwa die geographische, infrastrukturelle und migrationsbezogene Vielfalt urbaner Räume auf dem Gebiet der ehemaligen Bundesrepublik (mit Ausnahme Berlins).[4]

Der Begriff Migrant*in wurde in den 50 für die quantitative Längsschnittuntersuchung ausgewählten Gebieten operationalisiert, indem Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft und „Eingebürgerte“ zu „Bürger*innen mit Migrationshintergrund“ zusammengefasst wurden. Während das DivCon-Team mit Blick auf Ausländeranteile auf Aggregatdaten zurückgriff, wurde die Zahl der Bürger*innen mit Migrationshintergrund ermittelt, indem zu den Ausländeranteilen jedes Untersuchungsgebiets die Anteile der Eingebürgerten qua daten- und erfahrungsbasierter Einschätzung addiert wurden. Dagegen operationalisierten die qualitativen Interviewer*innen den Begriff Migrant*in nicht. Denn hier wurden nicht gezielt Migrant*innen interviewt, sondern Bewohner*innen, die sich selbst ggf. als migrantisch oder nichtmigrantisch kategorisierten. Ausnahmen bildeten Angehörige migrantischer Organisationen, von denen wir aufgrund der Namen (Personen- und Organisationsnamen) annehmen durften, dass es sich um Migrant*innen oder Nachfahren von Migrant*innen handelte.

Nach der ersten Befragungswelle wurde deutlich, dass die Höhe der Intergruppenkontakte mit Blick auf die Gesamtheit der 50 Gebietseinheiten aus statistischer Sicht zum großen Teil durch den Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund erklärt wird. Je mehr Menschen mit Migrationshintergrund in einer Gebietseinheit leben, desto mehr Intergruppenkontakte sind dort messbar. Aber es gibt Ausnahmen. Während die Bevölkerungsanteile mit Migrationshintergrund in Hamburg-Sinstorf (27 %) und Frankfurt Berger-Ost (33 %) vergleichbar sind, weisen Intergruppenkontaktraten sehr unterschiedliche Werte auf. In Hamburg-Sinstorf berichten 27 % und in Frankfurt Berger-Ost 82 % der Bewohner*innen (mit deutschem Ausweis) wöchentliche oder tägliche Begegnungen mit Migrant*innen. Um die Gründe für diese Abweichungen von jener Regressionskurve zu ermitteln, in deren Nähe die meisten der 50 Gebietseinheiten angesiedelt sind, und um damit auch bislang ungesehene sozialräumliche Ursache-Wirkungs-Beziehungen auszuspüren, die mit statistischen Methoden nicht einfach zu messen sind, wurden u. a. in den beiden genannten Gebietseinheiten ethnographische Feldforschungen durchgeführt. Im Zuge dieser Feldforschungen wurden Daten generiert, die ich in Anlehnung an den Forschungsstil der Grounded Theory (Charmaz 2006; Strauss 1998) ausgewertet und nun auf die Begriffe des Flairneurs und des Flairnierens gebracht habe.

Insgesamt wurden im Rahmen der diesem Aufsatz zugrunde liegenden ethnographisch ansetzenden Feldforschungen 60 problemzentrierte Interviews, zehn Gruppeninterviews und 30 Experteninterviews durchgeführt. Die Interviewerhebung der dafür zuständigen fünf Kolleg*innen verlief in allen fünf Städten synchron und nahm ein halbes Jahr in Anspruch. Hinzu kamen schriftlich und fotographisch dokumentierte Feldbegehungen und schriftlich dokumentierte teilnehmende Beobachtungen, zu denen neben den fünf Feldforscher*innen auch das gesamte Forschungsteam beigetragen hat. Ich selbst war nicht an diesen Feldforschungen beteiligt, da ich erst später (2012–2014) zum DivCon-Team stieß.

Um Missverständnisse zu vermeiden, sei der Lektüre die folgende Bemerkung vorangestellt: Die Wortschöpfungen „Flairneur“ und „Flairnieren“ erinnern zwar an jenen Modus des inspirierenden und zugleich genussvollen Beobachtens urbaner Räume, mit dem sich Walter Benjamin beschäftigt hat, als er für seine Soziologie der Metropole die soziale Figur des Flâneurs entwickelte (Benjamin 1983). Der sich der Wechselwirkung seiner äußeren und inneren Wahrnehmungen hingebende Flâneur wäre aber allenfalls die „halbe Wahrheit“ des mich hier beschäftigenden Flairneurs.

Als soziologische Konzepte verweisen Flairneur und Flairnieren nämlich auf eine Form der beiläufigen spielerisch-genussvollen Geselligkeit, die zwar dem Modus des räumlichen und zeitlichen Vorübergehens bzw. des Sich-Treibenlassens verbunden bleibt, aber im Gegensatz zum Flânieren ein spielerisch-kommunikatives, interaktives Engagement impliziert. Hinzu kommt, dass der Flairneur nicht nur wenige ausgewählte Bühnen einer Metropole, sondern, wenn es denn Flair hat, auch das eigene Wohnumfeld durchstreift. Obwohl also der Begriff des Flairneurs weiter und auch anders, nämlich ausgesprochen interaktionistisch gefasst ist, ist die nachstehende Analyse unübersehbar auch von Benjamins Passagen-Werk inspiriert. Dessen ungeachtet verdankt sich die Begriffsprägung Flairneur/Flairnieren zuallererst dem ethnographischen Befund, dass Bewohner*innen, denen die Feldforscher*innen begegneten, ihr genüssliches Herumstreifen, ihr lustvolles Beobachten und ihre spielerisch-flüchtigen geselligen Episoden selbst, ganz ohne Anstoß der Interviewer*innen, mit Begriffen wie „Flair“ oder „Atmosphäre“ artikulieren. Dennoch gewinnt das Profil des Flairneurs gerade in dem im Nachhinein aufscheinenden Gegenlicht von Benjamins Flâneur-Konzept an begrifflicher Klarheit.

So ergeben sich für den hier interessierenden Gegenstand die beiden folgenden Definitionen: Das Flairnieren bezeichnet ein im Modus der vorübergehenden, episodischen Gesellung erfolgenden spielerisch-interaktiven Diversitätsgenuss, der in solchen urbanen Räumen erfolgt, denen Städter migrationsbezogene Diversität und ein migrationsbedingtes Flair zuschreiben. Der Begriff Flairneur bezeichnet einen Akteurstypus, der flairniert und dabei auf die Begegnung mit dem durch seinen Migrationshintergrund authentifizierten, vorvertrauten und kulissenkompatiblen Anderen setzt. Der bietet ihm Waren, Dienstleistungen, Gespräche sowie gute Gefühle und einen Teil des Flairs, welches der Flairneur entweder seinem eigenen Wohnumfeld oder dem von ihm frequentierten urbanen Raum zuschreibt. Als soziale Figur verweist der Flairneur nicht auf konkrete Personen oder Personengruppen, deren Wesensnatur etwa das Flairnieren wäre, sondern er verweist auf eine idealtypisch zugespitzte Haltung zum urbanen Raum, die urbane Akteure zu gegebener Zeit und an geeignetem Ort zu ihrer sozialen Umwelt einnehmen (aber auch wieder ablegen) können.[5] Der Flairneur und sein Gegenüber sind keine exklusiv „männlichen“ Sozialfiguren; was sich nicht zuletzt darin zeigt, dass zu ihrer empirischen Genese auch Interviews mit Frauen herangezogen werden.

2 Frankfurt Berger-Ost: Habitat des Flairneurs

Im Folgenden wird das am Rande der Frankfurter Innenstadt an einer zentralen Einkaufsstraße gelegene Wohnviertel Frankfurt Berger-Ost (2920 Einwohner*innen) vorgestellt. Das hier zugrunde liegende DivCon-Projekt hat dort eine seiner insgesamt fünf ethnographischen Tiefenbohrungen unternommen, um zu explorieren, warum hier überdurchschnittlich viele Begegnungen zwischen Nichtmigrant*innen und Migrant*innen stattfinden. Berger-Ost bildet also nicht die Selbstverortung der dort lebenden Bewohner*innen ab, sondern ist eine Bezeichnung, die das DivCon-Team unter Rekurs auf kommunalstatistisch definierte Grenzen vorgenommen hat – nämlich den so genannten „statistischen Gebietseinheiten“ der „Innerstädtischen Raumbeobachtung“ (IRB).[6]

Als statistische Gebietseinheit gehört das Wohnviertel Berger-Ost zwar zum Stadtteil „Nordend-Ost“ und liegt außerhalb des „Alleenrings“, einer Ringstraße, welche die Innenstadt umfasst. Aber auch Nordend-Ost spielt für die Selbstverortung der Bewohner*innen keine Rolle. Sie lokalisieren sich vielmehr unter Bezugnahme auf Bornheim, einem anliegenden Stadtteil, der ein historisch verankertes Image (als Ausflugsziel der guten Stadtgesellschaft) aufzuweisen hat, mit dem man sich auch in Berger-Ost gerne identifiziert. Dass die ethnographischen Feldforschungen dennoch weitgehend auf das Terrain der Berger-Ost genannten statistischen Gebietseinheit begrenzt waren, ist darin begründet, dass die Analyse der qualitativen Daten nun mit einem Seitenblick auf die eigenen Survey-Daten und die zur Verfügung stehenden Aggregatdaten des IRB erfolgen konnte.

Von einer der beiden U-Bahnstationen des Berger-Osts sind es nur vier Haltestellen bis zum unmittelbaren Stadtzentrum, das auch für Radfahrer*innen und Fußgänger einfach zu erreichen ist. Bis zum Hauptbahnhof sind zwei weitere Stopps zu absolvieren. Unter den 50 ausgewählten Gebietseinheiten bzw. Wohnvierteln der DivCon-Studie sticht Berger-Ost sowohl durch seine außerordentlich hohe Dichte (Häufung) an Intergruppenkontakten als auch durch die positiven Einstellungen seiner Bewohner*innen zu verschiedenen Aspekten migrationsbezogener Diversität hervor. Mit dem geflügelten Wort der „guten Mischung“ wird Diversität zum alltäglichen Referenzpunkt für das gute Image, das die Berger-Ostler*innen sich und ihrem Quartier zuschreiben. Anlass genug, einmal genauer hinzusehen.

Die Demographie des Gebiets weist eine prononcierte migrationsbezogene Diversität auf. Mit 26 % übertrifft der Ausländeranteil das Mittel aller 50 Untersuchungsgebiete; an Frankfurter Verhältnissen gemessen ist dies jedoch ein eher unterdurchschnittlicher Wert. Ein Drittel der Bewohner*innen haben einen Migrationshintergrund (Stadt Frankfurt[7]). Auch damit liegt das Gebiet unterhalb des entsprechenden, auf die Gesamtstadt bezogenen Referenzwerts von 38 % (Stadt Frankfurt 2009b: 38). Etwa ein Drittel der Ausländer sind im Jahre 2009 Westeuropäer. Rund 18 % der Migrant*innen stammen aus dem ehemaligen Jugoslawien, und relativ wenige (14 %) aus der Türkei.

Im Gegensatz zu dem, was man angesichts dieser Zahlen vielleicht erwarten mag, ist die migrationsbezogene Diversität im Untersuchungsgebiet kaum augenfällig. Man findet zwar Geschäfts- und Restaurantnamen sowie Türschilder, die auf die Anwesenheit von zugewanderten Bewohner*innen bzw. auf deren Nachkommen verweisen; so unter anderem das Schreibwarengeschäft „Bayar“, das „Ashtanga-Yoga-Center“, das Massage-Studio „Suksabai“. Die Anwesenheit von Migrant*innen und ihren Nachfahren schlägt sich aber nicht in baulich-architektonischen Merkmalen des Stadtteils nieder. Anders als in vielen anderen Städten findet sich hier kein einziges Gebäude, das migrationsbezogene Diversität symbolisiert. Weder ein Tempel noch eine Moschee oder auch nur ein Minarett ragt aus der Gesamtkulisse des Gebietes heraus. Die migrationsbezogene Diversität des Viertels drückt sich auch nicht in prägnanten Lebensstilattributen, geschweige denn im Phänotypus seiner Bewohner*innen aus.

Mit Blick auf den sozio-demographischen Status der Bewohner*innen zeichnet sich das Gebiet dadurch aus, dass ein relativ hoher Anteil seiner Population im erwerbsfähigen Alter ist. Der Anteil der Unter-18- und Über-65-Jährigen liegt entsprechend unter dem Durchschnitt Frankfurts. Im Gebiet gibt es im Verhältnis zur Gesamtstadt einen geringeren Bevölkerungsanteil von Bezieherinnen wohlfahrtsstaatlicher Leistungen (8,7 % zu 12,6 %). Auch die unterdurchschnittliche Arbeitslosigkeit (5,1 % zu 6,6 %) spricht dafür, dass es den Bewohner*innen im Stadtteil im Untersuchungszeitraum (vor allem zwischen 2009 und 2013) relativ gut geht.

Ein Blick auf die Ergebnisse der Bundestagswahlen des Jahres 2009 fügt weitere Details hinzu: Der Anteil der Partei „Die Grünen“ beträgt 28,5 %; Sozialdemokraten und Linke erreichen (zusammen) 32 %. Dem entsprechend ist der Anteil der Wähler*innen des Mitte-Rechts-Spektrums verhältnismäßig klein (Stadt Frankfurt am Main 2009a: 30–31).

Das Viertel bietet seinen Bewohner*innen gute Bedingungen, um Kontakte zu knüpfen oder zu pflegen. So handelt es sich um ein relativ dicht besiedeltes Gebiet, das durch mehrstöckige Blockrandbebauung charakterisiert ist, die um einen 500 Meter langen, Fußgängern vorbehaltenen Abschnitt der Berger Straße angeordnet ist. Die Berger Straße ist eine bekannte Einkaufsstraße, die sich von der innerstädtischen Einkaufszone dadurch unterscheidet, dass sie eine Vielfalt und Dichte solcher Geschäfte aufweist, die nicht bloß Filialen der populärsten Warenketten sind. Vielmehr bewahren sie sowohl ihren individuellen Charakter als auch einen höheren Grad der Spezialisierung auf eher hochwertige Warengruppen und die dazu passenden Klientele. Zweimal in der Woche wird auf der Berger Straße inmitten des hier interessierenden Gebiets ein Wochenmarkt abgehalten. Das weitgefächerte Warenangebot in den Geschäften und auf diesem Markt dient nicht nur der Versorgung der Bewohner*innen Berger-Osts, sondern zieht auch Frankfurter*innen aus benachbarten Stadtteilen an. Im Verein mit den lokalen Cafés, Restaurants und dem Wochenmarkt tragen die historischen bürgerlichen Fassaden – einige repräsentative, um die vorletzte Jahrhundertwende errichtete Gebäude haben den Zweiten Weltkrieg weitgehend überstanden – zu einem Ambiente bei, das Bewohner*innen und Besucher*innen schätzen gelernt haben.

Vor allem aber bietet die lokale Melange von geschäftlicher Vielfalt und bürgerlichem Ambiente eine Infrastruktur, die mannigfaltige Gelegenheiten zu alltäglichen Begegnungen in sich birgt. In diesem Zusammenhang ist auch der unmittelbar angrenzende Günthersburgpark zu erwähnen. Zwar liegt dieser Park außerhalb des Untersuchungsgebiets bzw. des betreffenden statistischen Gebiets; er wird aber von seinen Bewohner*innen als Teil ihres Wohnumfeldes betrachtet und entsprechend stark frequentiert, so dass sich hier zusätzliche Gelegenheiten der Begegnung ergeben.

Das Besondere des Viertels

„Es gibt viele traditionelle Stadtteile in Frankfurt, wie Bockenheim, Sachsenhausen und so. Aber diese Ecke Bornheim/Nordend ist insofern anders, als es hier Infrastruktur gibt. Im Nordend gibt es auch andere Ecken, da ist reine Wohnbebauung, da gibt’s keine Geschäfte, keine Schulen und gar nix. Da wohnen die Leute in schönen Häusern. Aber wo trifft man sich dann? Und hier [ist es] so intensiv, weil hier so viele öffentliche Einrichtungen sind. Also gibt es Möglichkeiten, sich zu begegnen. Wenn ein [Wohn-]Haus neben dem anderen steht, dann kann ich meinen Nachbarn kennen, aber was hab‘ ich mit dem in der nächsten Straße zu tun? Man kann hier [in Bornheim] sein komplettes Leben verbringen. Im Gegensatz zu anderen Stadtteilen, wo getrennt ist: Arbeiten – Leben – Einkaufen, ist hier alles zusammen (…) Also man kann hier in seinem Kiez leben. Das ist wie in Berlin.“

(Auszug aus Interview mit Bewohner, kein Migrationshintergrund)

Ein anderes Charakteristikum des Gebiets ist dessen Vereinsstruktur. Wenn wir etwa die Zusammensetzung des im Untersuchungsgebiet agierenden und auch für dessen angrenzende Quartiere zuständigen „Vereinsring Bornheim e. V.“ betrachten und mit dem „Vereinsring Sachsenhausen e. V.“ vergleichen, der das Gebiet rund um den Henniger Turm abdeckt, dann zeigt sich, dass die Vereine in und rund um Berger-Ost sich in prononcierter Form dem Multikulturalismus verpflichtet fühlen und ein positives Verständnis von Diversität vermitteln. So finden wir unter anderem den „Spanischer Elternverein Frankfurt-Ost 1979 e. V.“, der den schulischen Erfolg von Kindern der spanischsprechenden Minderheit flankiert, oder die „Nachbarschaftshilfe Bornheim e. V.“, die mitten im Untersuchungsgebiet liegt und sich als interkulturelle Begegnungsstätte für Kinder unterschiedlicher ethnisch-kultureller Herkunft versteht. Ein anderer Verein, „berami berufliche Integration e.V.“, unterstützt die Arbeitsmarktintegration junger Menschen diverser Herkunft.

Die Bewohner*innen des Untersuchungsgebiets zeichnen ein ausgesprochen positives Bild von ihrem Stadtteil. Wenn es darum geht zu beschreiben, was sie an ihrem Viertel mögen, verweisen sie nicht nur auf die fußläufig erreichbare Vielfalt von Konsumangeboten des täglichen Gebrauchs oder auf die gute Einbettung in das urbane Personentransportsystem, sondern auch auf sogenannte weiche Faktoren wie „Flair“ und „Atmosphäre“. Der Nachbarschaft scheint eine gewisse Vertrautheit mit Mitbewohner*innen, Plätzen und ethnisch-kultureller Vielfalt anzuhaften. Bewohner*innen schätzen insbesondere die lokale Leichtigkeit der Kontaktanbahnung und Kontaktpflege.

Niedrige Kontaktschwelle

„Was mir auffällt – auch im Sommer – hier gibt es unglaublich viele Kneipen, die mehr diese Bierbänke haben. Im Vergleich zu Darmstadt. Wenn ich hier mal abends weggehe, dann sitzt man eben da und da kommt man ja auch leichter in Kontakt. (…) es ist einfach unkomplizierter. Das erlebe ich als lockerer.“

(Auszug aus Interview mit Bewohner, kein Migrationshintergrund)

Die Survey-Ergebnisse zeigen: Trotz des für Frankfurter Verhältnisse bescheidenen Anteils von Migrant*innen im Untersuchungsgebiet betrachten es die meisten Bewohner*innen als ein durch Migration geprägtes Gebiet. Und der überwältigende Anteil dieser Befragten gibt an, genau dies zu schätzen. Ein geflügeltes Wort, mit dem die Bewohner*innen ihr Wohngebiet charakterisieren, ist denn auch das der „guten Mischung“. Es kommt in vielen Interviews, aber auch im lokalen Marketing-Diskurs zur Sprache und bringt zum Ausdruck, dass Diversität hier längst wertgeschätzt wird.

Was ist nun genau mit „guter Mischung“ gemeint? Der „Gewerbeverein Bornheim-Mitte“ behandelt die Diversität des lokalen Warenangebots und der ethnisch kulturellen Vielfalt gewissermaßen als die zwei Seiten ein und derselben Medaille. Das folgende Zitat entstammt der Website des Gewerbevereins aus dem Jahre 2012. Es wurde mit einem Foto begleitet, das eine Gruppe von Menschen zeigt, die ihre Getränke auf der Berger Straße an Tischen genießen.

Die gute Mischung aus der Sicht des lokalen Marketing

„Das Besondere ist die Mischung: Wohndesign und Haushaltswaren, Caipi und Äppler, Bio, Fair Trade und Supermarkt: Auf der Oberen Berger Straße in Bornheim ist es die Mischung, die das Besondere ausmacht“

(http://www.bornheim-frankfurt.de; zuletzt im Oktober 2012 aufgerufen)

Die durch lokale Waren- bzw. kommerzielle Verweilangebote bewerkstelligte symbolische Zusammenführung von Produktdiversität und ethnisch-kultureller Diversität ist für die Analyse lokaler Kontakte deshalb von Bedeutung, weil sie alltäglich präsent ist. Durch die Alltäglichkeit des lokalen Konsums bzw. durch entsprechende Wiederholungen und Kontaktroutinen kann sie zur Normalisierung ethnisch-kultureller Diversität beitragen. Im Medium häufiger Begegnung und redundanter beiläufiger Beobachtungs- und Konsumakte wird genau das verbunden und lebensweltlich sedimentiert, was andernorts im Nebel radikaler Indifferenz oder ausgeprägten Gegeneinanders verschwindet.

Das „Flair“ der guten Mischung als Kontaktbeschleuniger

„Der Wochenmarkt, ja. Also, ich glaube, beim Wochenmarkt ist mir zum ersten Mal die bunte Mischung hier aufgefallen, der unterschiedlichen Leute, die hier sind und war einer der Faktoren, der mir sehr gut gefallen hat, den ich eben als Flair auch bezeichne tatsächlich hier. So die Leute, die auf den Markt kommen, dann die, die bei Café Wacker (…) mal ein Käffchen trinken. Dass man auch offensichtlich (…) dass man sich auch trifft auf dem Markt, dass man dann mal ein Schwätzchen hält usw., dann wieder weitergeht.

(Auszug aus Interview mit Bewohnerin, kein Migrationshintergrund)

In den qualitativen Interviews bringen die Interviewten unterschiedliche Diversitätskonzepte zur Sprache. Viele Bewohner*innen äußern, dass sie die lokale Mischung von Alt und Jung, arm und wohlhabend, immigriert und deutschstämmig mögen. Bewohner*innen wertschätzen auch die Anwesenheit von Nachbarn, die aus ihrer Sicht nicht in den urbanen Mainstream passen. Nicht nur andere Migrant*innen, sondern auch Punks, Bettler und andere vermeintliche „Freaks“, die sich nicht den gängigen Normen des urbanen Lebensstils entsprechend kleiden und/oder verhalten, sind aus dieser Sicht bis zu einem gewissen Grade – trotz (oder gerade wegen) ihrer Stigmatisierung – in die lokalen Interaktionen und in die mehr oder weniger geselligen Begegnungen der Nachbarschaft eingeschlossen; denn sie alle stehen aus dieser Sicht für unverbogene Authentizität. Einzige Vorbedingung dafür ist allerdings, dass sie nicht aktiv „stören“.

Im folgenden Zitat werden drei der lebensweltlichen Diversitätskonzepte narrativ miteinander verknüpft – nämlich 1. soziale Vielfalt in einem umfassenderen Sinne, der z. B. auch die Heterogenität der sexuellen Orientierung oder der Altersgruppen einschließt, 2. migrationsbezogene Diversität, und 3. Diversität als Produktvielfalt:

Junge, Alte, „Schwule“ und „Ausländer“ auf dem Wochenmarkt

„Und dann habe ich festgestellt (…), dass mir das echt gut gefällt hier in der Ecke und habe daraufhin gezielt auch hier in Bornheim [nach einer Wohnung] gesucht. Ich habe zwar auch in Bockenheim und Sachsenhausen mir das angeguckt, aber ich muss sagen, ich fand bei weitem das hier, das Umfeld mit der Berger Straße tausend Mal praktischer auch als die Leipziger [Straße und] auch als irgendwie Schweizerstraße. Ja, war alles ganz nett, aber ich fand das hier so vom Flair her echt am Schönsten. Besonders gut hat mir gefallen also, dass es hier diesen Wochenmarkt gibt samstags. Die Tatsache, dass hier viele Cafés und Geschäfte sind, das kleine Kino, dass man auch schnell in der Innenstadt ist zu Fuß und dass eben insgesamt in der Tat auch eine nette Mischung ist, finde ich so von den Leuten her, also dass man die alteingesessenen Frankfurter hat, dass man viele Ausländer hat, dass man Schwule hat und dass man … – keine Ahnung – Jüngere, Ältere, also ganz schön fand ich so. Und nachdem ich am Anfang überhaupt nicht begeistert war nach Frankfurt zu kommen und mir das also ganz grässlich vorgestellt habe, muss ich sagen, war ich echt sehr, sehr positiv überrascht über dieses Flair hier in der Umgebung. – Und ich muss auch sagen, also ich nutze das Viertel schon. Also, ich gehe samstags eigentlich immer hier auch auf den Markt einkaufen, verabrede mich ganz oft [mit] Leuten auch, die jetzt nicht in Bornheim/Nordend wohnen.“

(Auszug aus Interview mit Bewohnerin, kein Migrationshintergrund)

Die explizite Wertschätzung der migrationsbezogenen Diversität wird insbesondere dann greifbar, wenn Bewohner*innen (mit und ohne Migrationshintergrund) ihr Quartier mit anderen Stadtteilen in Frankfurt und darüber hinaus vergleichen. Im Rahmen solcher Vergleiche werden andere Stadtteile entweder als zu homogen oder als zu konfliktbelastet wahrgenommen. Die Wertschätzung des eigenen „Kiezes“ drückt sich darin aus, dass Bewohner*innen die besondere „Atmosphäre“ oder das „mediterrane Flair“ zur Sprache bringen, das auf der für Kontakte förderlichen lokalen Infrastruktur beruhe und sich vor allem im Sommer einstelle.

„Südländisches Flair“, „wenn man (…) hier so langflaniert“

„Aber es gibt auch auf der Berger Straße immer mal wieder so Sitzgelegenheiten auf dem Bürgersteig und da sehe ich also insbesondere die (…) Also zum Beispiel gibt es – wenn ich ein Stück weiter runterlaufe – da gibt es (…) offensichtlich. Jetzt weiß ich nicht woher die kommen, aber ganz viel Ausländer auch drin, und die treffen sich gerade im Sommer immer unten auf diesen Parkbänken. Und das finde ich eine ganz nette Geschichte. Das hat echt so ein südländisches Flair, dass man sich eben auf der Straße trifft, wenn es gerade irgendwie stickig ist, auch in den Wohnungen oder so im Sommer, und man da einfach Freunde und Verwandte usw. trifft und sich unterhält. Und das finde ich, ist echt ein ganz netter … Also das finde ich auch das, was mir gut gefällt, eben wenn man gerade, ich sag ja, im Frühling, Sommer hier so langflaniert, dass die Leute auf der Straße sitzen und sich unterhalten, was trinken.

(Auszug aus Interview mit Bewohnerin, Migrationshintergrund)

Aus der Sicht von Nichtmigrant*innen trägt zudem der im Vergleich mit anderen Stadtteilen als hochstehend wahrgenommene soziale Status der im Wohnumfeld lebenden Migrant*innen dazu bei, die migrationsbezogene Diversität im Quartier als gute Mischung zu bewerten. Das vermeintlich hohe sozialstrukturelle Ranking der „eigenen“ Migrant*innen mag schließlich auch dazu beitragen, das gemeinhin unter Nichtmigrant*innen eher schlechte Ansehen insbesondere muslimischer Gruppen zu relativieren.

Zwar „Moslems“, aber „hochwertiger Mix“

„Man sieht auch mal Moslems natürlich. Aber die sprechen Englisch mit ihren Kindern, Französisch hört man oft. Oder italienisch, spanisch auch. Und dann ist das natürlich auch ein sehr hochwertiger Mix, wenn man das mal so sagen kann (…) Ja und wenn ich nicht nur arabisch und türkisch höre, ne…“

(Auszug aus Interview mit Bewohner, kein Migrationshintergrund)

Die implizit negative Klassifikation der „Moslems“ durch den Bewohner im gerade angeführten Zitat wird durch das „Aber“ zur Sprache gebracht. Interessant ist an diesem Zitat jedoch etwas anderes: In ihm werden zwei Klassifikationsweisen miteinander verknüpft – nämlich zum einen die Klassifikation qua Zuschreibung von Moslem-Sein und zum anderen die Klassifikation qua Zuschreibung von Bildung bzw. Sprachkompetenz. Im Unterschied zur kategorialen Klassifikation als Moslem ist Bildung (oder auch Sprachkompetenz) keine askriptive Zuschreibung, denn sie verweist auf selbst erbrachte Leistungen der Klassifizierten. Zudem sind diese individuellen Leistungen anders als das Moslem-Sein prinzipiell graduell unterscheidbar. Die Wesensunterscheidung bzw. Entweder-Oder-Unterscheidung (Moslem/Nichtmoslem) wird durch die hier angeführte narrative Verlinkung mit einer Mehr-Oder-Weniger-Unterscheidung relativiert (zu den Unterschieden kategorischer gradueller Klassifikationen Neckel & Sutterlüty 2008). Geht man nämlich davon aus, dass das Substanzielle sowohl im philosophischen als auch im umgangssprachlichen Sinne das Wesentliche einer Sache ist, dann impliziert jede weitere narrativ hinzugesetzte Klassifizierung des Wesens – phänomenologisch gesehen – seine De-Substanzialisierung. Mit anderen Worten: Kategorische Klassifizierungen (wie z. B. Islam/Nichtislam) werden durch die hinzugesetzte Verwendung einer auf Bildung und individuelle Leistungen zurückgreifenden graduellen Klassifikation dem Reich des Mehr-oder-Weniger anverwandelt.[8] Wer also Muslime in der Vergleichsdimension des Mehr-oder-Weniger verortet, dem erscheint die islamische Identität nicht länger als das allein Wesentliche, Wesenhafte oder einzig Bestimmende der als solche klassifizierten Menschen(-Gruppen). Genau diese De-Substanzialisierung bringt das zitierte Narrativ zustande. Das in Berger-Ost kursierende Narrativ der „Guten Mischung“ mag mithin – zumindest im Lichte der oben zitierten Aussage – das Ergebnis einer lokalen Klassifikationspraxis sein, die den Fremden ein Stück weit vertrauter macht, indem sie die Klassifizierung des kategorisch Fremden mit einer graduellen Klassifikationen verlinkt, auf der sich die Klassifizierenden selbst verorten.

Der Befund, dass die sonst in der deutschen Einwanderungsgesellschaft verbreitete Befremdung von Zugewanderten durch Nichtmigrant*innen im Gebiet in Berger-Ost durch die narrative Verlinkung unterschiedlicher Klassifikationsweisen relativiert oder abgemildert wird, bedeutet nicht, dass seine sich als gut gemischt verstehende Bewohnerschaft allen symbolischen Grenzziehungen abschwört. Dies schon deshalb nicht, weil diejenigen, die das Narrativ pflegen, sich mittels seiner von anderen Stadtteilen abgrenzen. Zudem ist denkbar, dass das Narrativ der guten Mischung im Untersuchungsgebiet die Erleichterung einer bürgerlichen Mehrheit Ausdruck bringt, nicht unter Nachbar*innen leben zu müssen, die einen niedrigeren sozialen Status aufweisen. Diversitätsnarrative, wie etwa das der guten Mischung, sind denn auch nicht immer so allinklusiv gemeint, wie sie auf den ersten Blick erscheinen mögen. Nach Jahren der öffentlichen Debatte um „political correctness“ können sie auch als sublime Schleier kulturalistischer oder rassistischer Botschaften verstanden werden (Berrey 2005).

Stellt man aber die vielfältigen Gelegenheitsstrukturen für Intergruppen-Begegnungen im Untersuchungsgebiet sowie die positive Wertschätzung des Viertels durch seine Bewohner*innen in Rechnung und berücksichtigt man ferner das lokale Selbstbild der eigenen Aufgeschlossenheit gegenüber Anderen, dann ist es nicht sehr erstaunlich, dass die Häufigkeit der Intergruppenkontakte in Berger-Ost außerordentlich hoch ist. Mehr als die Hälfte seiner Bewohner*innen (56 %) haben nach eigenen Angaben tagtäglich Kontakt zu Nachbarn, deren nationale Herkunft sich von der eigenen unterscheidet. Und 46 % der Befragten in Berger-Ost haben Freunde, die anderer migrationsbezogener Herkunft sind als sie selbst. Dies kontrastiert mit dem Durchschnittswert von 26 % in allen 50 Stichprobengebieten des Surveys. Eine relativ große Zahl von Bewohner*innen unterhält zudem Intergruppenbeziehungen zu Freunden oder zu Familienmitgliedern (rund 43 % in Nordend-Ost und 17 % in allen Stichprobengebieten). Die hohe Rate der Intergruppen-Interaktionen korrespondiert in Nordend-Ost mit einer außerordentlich positiven Einschätzung migrationsbezogener Vielfalt. So stimmen 72 % der im Survey Befragten der Aussage zu, dass Vielfalt eine Bereicherung für die Stadt ist.

3 Wiederholung und Wiedererkennen als Bedingung der Möglichkeit des Flairneurs

Das Flairnieren impliziert die Möglichkeit, Richtung und Zeitabläufe der „Route-ines“ (Vertovec) spontan ändern zu können, wenn unerwartete Irritationen, unangenehme Begegnungen oder der Strom innerer Erfahrungen und Gedanken es dem Flairneur angezeigt erscheinen lassen. Der zeitliche und räumliche Modus des Vorübergehens gibt dem Flairneur die Freiheit, seiner Gesellungs- und „Augenlust“ (Elias 1997: 373) an anderer Stelle bzw. zu einer anderen Zeit nachzugehen; eine Freiheit, deren Auskosten selbst Genuss verspricht. Die dem Flairneur begegnenden und von ihm meist vorkategorisierten Anderen, an denen er sich orientiert um seinen den Weg durchs Wohnumfeld zu finden, sind unter anderem der „vertraute Fremde“ [„familiar stranger“] (Milgram 2010) und zum anderen der „situative Freund“ (dazu Anderson 2011). Da es um den Genuss migrationsbezogener Diversität geht, kommt der Typus des migrationsbezogen-authentischen Anderen hinzu. Im Erleben des Flairneurs können die hier analytisch getrennten Typen sich überlagern oder ineinander übergehen. Da der Flairneur diese Typen im performativen Prozess des Flairnierens bloß präreflexiv voraussetzt, sie ihm also nicht als fixe kognitive Struktur gegeben sind, setzt er sie nicht dazu ein, sie durch Zuordnung „passender“ Personen und Situationen zu bestätigen. Vielmehr setzt er sie ein, um seine soziale Umwelt intuitiv nach Abweichungen vom Bekannten und nach inspirierenden Dissonanzen abzutasten, um so dem unverdorben-ursprünglichen Einzigartigen begegnen zu können.

Welche lokalen Praktiken bringen den Flairneur und sein Gegenüber zusammen? Wie werden aus einander unvertrauten, indifferenten Bewohner*innen eines bestimmten urbanen Gebiets vertraute Fremde, situative Freunde oder migrationsbezogen-authentische Andere? Wie wird der Städter zum Flairneur?

Dass Personen, die im lokalen Raum als Flairneure agieren, migrationsbezogene Diversität genießen, setzt voraus, dass sie selbst glauben, vertraute Fremde erkennen und situative Freunde gewinnen zu können. Der Glaube an diese Kompetenzen beruht auf Erfahrungen, die zumindest partiell vor Ort gemacht werden müssen. Selbst kommunikativ besonders begabte (z. B. humorvolle) Personen können nicht einfach in den Flairnier-Modus schalten, ohne dabei auf eigene intime Kenntnisse der lokalen Situation bzw. ohne eigene in situ gewonnene Erfahrungen zurückzugreifen. Das bedeutet, dass die Soziogenese des Flairneurs gleichursprünglich mit der von ihm selbst vorgenommenen Typisierung der ihm Begegnenden einhergeht. Das bedeutet aber auch, dass seine Typisierungen und Klischees nicht immer wieder durch das reale Verhalten der real Begegnenden enttäuscht werden dürfen. Und wie sich noch zeigen wird, setzt dies wiederum voraus, das die Begegnenden die Typisierungen des Flairneurs antizipieren und sich darauf einstellen und dass sie die (den dieser Typik inhärenten) Rollenskripts im Umgang mit dem Flairneur berücksichtigen. Anders gesagt: der Flairneur braucht Mitspieler.

Wie kann der „angehende“ Flairneur diese funktionsnotwendigen Erfahrungen und Kompetenzen gewinnen?

Die lokale Soziogenese vertrauter Fremder, situativer Freunde und Flairneure basiert auf dem im Medium von „Route-ines“ aufbauenden Zusammenspiel von Wiederholung und Wiedererkennung; ein Zusammenspiel, das seinerseits durch die spezifische kommerzielle Infrastruktur eines Viertels und die ihm eigenen Gelegenheitsstrukturen mitbedingt ist. Damit die funktionsnotwendige Dichte von Wiederholungs- und Wiedererkennungserfahrungen entstehen kann, bedarf es einer gewissen räumlichen Dichte kommerzieller Institutionen, inspirierender Fassaden und Kulissen – u. a. Marktplätze mit attraktiven Ständen, eine Vielfalt von Geschäften des täglichen Bedarfs und ansprechender Plätze, welche die Bewohner als attraktiv erleben (Oldenburg 1989).

Wiederholte Begegnungen

I: Triffst Du denn häufig Leute auf der Straße?

P: „Ja. Ich kenn‘ viele von denen, die hier wohnen. Wie ich’s vorhin beschrieben habe: Aufgrund dessen – gerade in der näheren Umgebung von hier, was überschaubar für mich ist – sind viele Alteingesessene, die schon länger da leben. Da kennt man natürlich auch die ganzen Lädchenbesitzer, da wo du deine Zeitung holst. (…) Und es wohnen auch viele Freunde von mir wohnen hier oben. (…) Ja gut, viele [Zuwanderer] sind ja auch [dadurch] integriert hier, dass sie auch eine Restauration haben. Beispielsweise der Türke gegendrüber, der ist ja schon bald 30 Jahre da drin. Und da vorne auch, da geh‘ ich immer Fußball gucken.“

(Auszug aus Interview mit Bewohner, kein Migrationshintergrund)

Die häufige Wiederholung vorübergehender, marktgesellschaftlich vorgeordneter Begegnungen in Form von Kunden-Anbieter-Settings (bzw. Rollen), die an öffentlichen und halböffentlichen Orten des Austausches in einem Viertel von Bewohner*innen eingenommen werden, bringt Gelegenheiten des Wiedererkennens mit. In den auf diese Weise ermöglichten Begegnungssituationen machen sich die Beteiligten selbst unter Bedingungen der nichtfokussierten Kopräsenz miteinander vorvertraut (auch Hall 2013: 57; Wehrheim 2009: 108). Obschon sie sich zunächst als komplett Fremde begegnen mögen, verwandeln sich Mitbewohner*innen auf diese Weise in vertraute Fremde. Selbst wenn die faktische Begegnung solcherart familiärer Fremder auf nur rudimentäre Formen des wechsel- oder bloß einseitigen Beobachtens begrenzt ist, kategorisieren sich die Beteiligten so, als bestünde bereits eine intime Beziehung.[9] Der nachstehend zitierte Bewohner bringt diese alltagsweltliche Paradoxie einer vermeintlich intimen, aber letzten Endes doch beziehungslosen Bezugnahme ebenso zur Sprache wie die Neigung mancher urbaner Akteure, anonymen, einseitigen, wenn nicht gar einsamen Kontakten eine intime Note zu zuzuschreiben.

„Meine Aldi-Domina“

„Dann ist es halt oftmals so, weil die auch … Die kommen halt nicht von weit her, sondern wohnen hier alle im Wohnbezirk, die Frauen. Manchmal stehst du da und dann sehen die ganz anders aus. Zum Beispiel, ich nenne sie immer meine Aldi-Domina. Das ist eine Frau an der Kasse, die immer unfreundlich ist. Und das hat zwei Jahre gedauert, dass sie mich freundlich mal gegrüßt hat. Da ist sie noch meine Aldi-Domina. Und die habe ich jetzt kürzlich auf der Straße gesehen, eine bildschöne Frau. Da war die so richtig angezogen und so. Und dann überlegst du erst mal: ‚Wo kennst du die her? Na, klar. Die sitzt beim Aldi an der Kasse‘. Aber dann irgendwie anders angezogen und privat und … So Sachen passieren halt relativ viel.“

(Auszug aus Interview mit Bewohner, kein Migrationshintergrund)

Mitunter bringt es das marktbezogene Setting der Wiederholung mit sich, dass Anbieter und Klienten in eine Situation geraten, die mehr ist als ein bloßes kognitives Wiedererkennen. Solche fokussierten Interaktionen verlangen den Beteiligten ein weit höheres Niveau des persönlichen Engagements ab. Dies kann wiederum bewirken, dass vertraute Fremde einander in situative Freunde anverwandeln.

Vom vertrauten Fremden zum situativen Freund

1. „Ich gehe z. B. immer zum türkischen Friseur. Ich würde jetzt nicht sagen, dass ich mit dem befreundet bin, aber das ist immer nett. Ich gehe immer extra dahin. Klein-Istanbul heißt es – Istanbul – und da ist es einfach nett. Die sind immer fröhlich und zum Teil kostet es auch nicht viel und man braucht sich gar nicht anzumelden. Man geht da einfach hin. Und irgendwie hat man da manchmal das Gefühl: Ja, ich war schon ein paar Mal in der Türkei auf dem Basar beim Friseur und das habe ich immer sehr genossen. Nee, war lustig, weil da immer alles durcheinander … Da kam der rein und hat dann noch mit dem gesprochen und so weiter und so fort. Ich liebe das irgendwie so, wenn irgendwie so Leben in der Bude ist. Aber jetzt so direkt Freunde mit Migra[tionshintergrund] – außer den Franzosen mit Migrationshintergrund – [habe ich nicht].“

2. „Tschingis ist auch ein gutes Beispiel. Tschingis ist da vorne der Blumenhändler. Hat so einen martialischen Namen und hat diese Blumen. (…) Wenn es hochkommt, kaufe ich vielleicht zweimal im Monat bei ihm Blumen. Aber er grüßt mich immer. Ich grüße ihn auch immer, wenn wir uns sehen. (…) Und jetzt kürzlich, da war ich mit meiner Schwester und meinen Kindern am Solta. Wer saß da? Tschingis. Auch mit seiner Frau und seinen Kindern, die jünger sind. Und schon allein durch diesen Kontakt, dass man da ab und zu mal Blumen kauft, kam ein Gespräch auf. So, es war jetzt nicht so: ‚Och, da sitzt der Dingsda‘, sondern irgendwie hat man … der hat sich unwahrscheinlich gefreut, mich zu sehen. Ich weiß jetzt auch nicht den Grund warum, vielleicht wegen meiner hübschen Schwester und meiner hübschen Tochter vielleicht. Ich weiß es nicht. Solche Sachen, die mag ich halt unwahrscheinlich.“

(Auszüge aus zwei Interviews mit Bewohner*innen, jeweils kein Migrationshintergrund)

Wie Tschingis so weisen auch viele andere Bewohner*innen in Berger-Ost, die in der lokalen Gastronomie und Handel als Anbieter aktiv sind, einen Migrationshintergrund auf. Im Unterschied zu anderen Stadtteilen, die im Rahmen der DivCon-Studie im Zuge qualitativer Feldstudien erforscht worden sind, kommen in Berger-Ost in allen Interviews aus erster Hand erfahrene Kontakte mit Nachbarn bzw. Interaktionen von Alteingesessenen mit Geschäftsinhabern, Café-Betreibern und Kiosk-Besitzern zur Sprache, die einen Migrationshintergrund haben.

Abgesehen von Wiederholung und Wiedererkennen trägt schließlich auch eine bestimmte lokale Grundhaltung der Bewohner*innen zur Entfaltung dieser urbanen Marktgeselligkeit bei, die an die von Walter Benjamin skizzierte Beziehung des Flaneurs zu dessen städtischer Umwelt erinnert. Während sich Bewohner*innen in ihrem Wohnumfeld bewegen, sind sie offen für das, was kommen mag und sie im Vorübergehen inspirieren könnte. In dieser Grundhaltung bewegen sie sich wie in einem begehbaren Gemälde oder wie in einer der von Benjamin beschriebenen Glaspassagen, in denen immer wieder Überraschendes die Aufmerksamkeit erregen mag, ohne dass die umherschweifenden Beobachter befürchten müssen, dass sie eine Überraschung gänzlich aus ihrer Bahn oder aus ihrem Dahintreiben-Lassen werfen könnte. Sie schwelgen vielmehr in einem Horizont des Möglichen, ohne sich von den Dingen, Menschen und Gesprächen, die gerade ihre Aufmerksamkeit erregen mögen, gefangen nehmen zu lassen.

Doch der Typ des Flairneurs, der sich aus den teilstandardisierten Interviews mit Bewohner*innen Berger-Osts herausschält, ist nicht der einsame eigentümlich obsessiv beobachtende Flâneur, den Benjamin beschreibt. Er ist gerade nicht der Flaneur, der, obschon durch äußere Reize inspiriert, eher auf ein inneres, monologisches Leben ausgerichtet ist. In Berger-Ost verkehrt vielmehr der Typus eines sozialen bzw. kommunikativen Flairneurs, der nicht nur beobachtet, sondern auch ein soziales Bad in einer mit Diversität gesegneten Menge vor einer mit Diversitätssymbolen angereicherten Kulisse nimmt. Nicht nur das Sehen und Gesehen-Werden, sondern auch das Ansprechen und Angesprochen-Werden bzw. das öffentliche Gesellen gehört zum genussbringenden Spiel des Flairneurs.

Der Genuss des Flairneurs

(Auszüge aus Interviews mit drei Bewohner*innen)

1. „Und wie gesagt, zur richtigen Tageszeit über die Berger Straße laufen ist einfach … und in richtiger Quasselstimmung zu sein, ist … Du triffst halt immer irgendjemanden, der hier irgendwo lebt, ob es jetzt ein Buchhändler ist. Also ich (…) mit dem Buchhändler klöne ich immer, wenn ich vorbeikomme oder mit dem Computerfritzen.“

2. „Auch bei den italienischen Händlern, die hier waren, die leider nicht mehr da sind. Da biste hingegangen, da konnste klönen. Das war wirklich auch wie Little Italy. Und dann … Ja, dann hast du immer mal, was weiß ich, irgendwas Nettes … Da hat er dir mal nen Wein angeboten, oder nen Wein geschenkt. Das sind so Sachen, die man eigentlich gar nicht erwartet. Ich erwarte die nicht, aber dann – oder einen wunderschönen Korkenöffner – hier, das ist ein total wertvolles Stück. Das ist [ein] echter Korkenzieher eines italienischen Wirtes zum Beispiel. Das ist ein tolles Ding. Das sollte man nicht unterschätzen.“

3. „(…) oder das Flanieren über der Berger Straße, da trifft man auch immer irgendjemanden im Sommer. Also es bietet vielfache Möglichkeiten, um in Kontakt zu kommen, ohne sich zu verabreden.“

(Auszüge aus Interviews mit drei Bewohner*innen, 1 × Migrationshintergrund und 2 × keiner)

Der Flairneur bahnt seine Kontakte nicht systematisch an. Er greift weder auf stützende Organisationsmitgliedschaften noch auf im Vorfeld arrangierte Sitzordnung zurück, wie wir es bei Simmels (1997) Modell der reinen Salongeselligkeiten zugrunde legen durften. Dem Flairneur geht es vielmehr darum, sich von Begegnungen treiben, ablenken, anziehen und wieder abstoßen zu lassen, ohne zu verharren. Es geht um die Befriedigung einer Erlebnisorientierung, bei der das Sich-Einlassen auf neue Begegnungen und unabsehbare Gesprächsverläufe die Aussicht auf Events verspricht. Dies vermittelt einen Kitzel, der die Lust auf Diversität nicht nur zur Voraussetzung, sondern, wenn sie befriedigt wird, auch wieder zur Folge hat.

Voraussetzung ist, dass der Flairneur sich räumlich und zeitlich in eine Bewegung versetzt, in der der momentane Kontakt immer nur eine Unterbrechung einer umfassenderen Bewegung ist. Das zeitliche Nacheinander der Blick-Kontakte zu Menschen und Dingen ist dann allenfalls durch das räumliche Nacheinander jenes Weges organisiert, den der Flaneur selbst einschlägt. Das Besondere der sozialen Begegnung, der konkret avisierten Ware oder der gerade erspürten Atmosphäre darf nur eine Sequenz einer Bewegung in Anspruch nehmen, die ihre Fortsetzung bereits antizipiert. Wer sich nicht rechtzeitig lösen und distanzieren kann, dem wird der Genuss des Flairnierens nicht zuteil. Ihm entgeht das Vergnügen des mit dem Unvorhersehbaren rechnenden abenteuerlichen Sichtreibenlassens, das seinen Ort im Grenzbereich von persönlicher Zuwendung und Gleichgültigkeit, Engagement und Distanzierung sowie Aktuellem und Möglichem hat. Die Fähigkeit, das Besondere wieder auf Abstand bringen zu können, verlangt dem Flairneur mehr ab als dem Flâneur. Denn die Interaktion mit Begegnenden entfaltet immer schon eine soziale Bindungskraft, die dem Flâneur erspart bleibt, weil er sich in einem Modus bewegt, bei dem schon die beiläufige Änderung der Blickrichtung die je aktuelle Bezugnahme abschließt und eine neue Bezugnahme anbahnt.

Im Modus seines episodischen kommunikativen Engagements verwandelt der Flairneur jedes noch so befremdlich erscheinende Ding, jede noch so irritierende Differenz, jede Situation oder ihm begegnende Person in ein anekdotisches Detail, das er in das begehbare Gemälde, welches der urbane Raum für ihn darstellt, integriert. Im Moment des Flairnierens verwandelt er alles Begegnende und alle Begegnenden in mehr oder weniger inspirierende raumgebundene Details, die in ihrer Gesamtheit einen Teil dessen ausmachen, was er als Flair oder Atmosphäre erlebt (Paetzold 2013; Böhme 2013). Alles was ist und all das, was noch kommt oder bloß möglich sein mag, wird in den Augen, Ohren und Sinnen des Flairneurs zu einem mehr oder weniger inspirierenden Ausschnitt einer Gesamtkulisse, deren Horizonte sich im Zuge des Treibenlassens verschieben. Und eben diese Grundvorstellung einer anregenden, den Genuss inspirierenden Gesamtkulisse muss all seine Vorstellungen und Interaktionen begleiten können.

Diese Grundvorstellung bildet – ganz im Sinne Goffmans – den Rahmen für die Deutung einer jeden Situation, auf die der Flairneur sich einlässt. Noch bevor der oder das Überraschende ihn befremden oder abstoßen könnte, ist der Flairneur schon mit ihm vorvertraut, weil es sich ihm als kulissenkompatibles Detail zeigt. Wie das nachstehende Interviewzitat zeigt, sind nicht einmal Stigmatisierte und Außenseiter davor gefeit, auf diese Weise in etwas Genießbares anverwandelt zu werden.

Anverwandlung des absonderlichen Gegenübers mit Migrationshintergrund

„Es gibt einfach hier so viele irre Typen. Also, die nenne ich immer meine harmlosen Idioten, ohne dass ich dies abfällig meine. Das habe ich noch nie irgendwo [anders] gesehen – solche Gestalten, die hier in Bornheim herumlaufen und die auch effektiv hier wohnen. Ich habe da so ein paar Lieblingsleute. Zum Beispiel einen, ich kenn den Namen nicht. [Der] läuft pausenlos durch Bornheim mit einem Regenschirm, egal ob es 30° draußen hat. Er hat immer Sandalen an, auch im Winter, und kurze Hosen, und dann hat er so eine Art Stechschritt. (…) Es gibt halt viele, aber die sind alle harmlos. Die machen dich nicht an. Die gehören irgendwie dazu. Die haben irgendwelche Macken. Es ist auch egal, aber es ist total lustig. (…) Ja, oder der Prediger, der hier immer steht. Ich weiß auch nicht. Hab nie verstanden, was der eigentlich wirklich will, weil der spricht kein Deutsch, aber er predigt auf Deutsch. Aber er kann das nicht. Er liest das immer aus so einem Buch vor. (…) Er hat so eine Art Tretfahrrad mit Verkleidung und steht dann zwei Stunden und redet in einer Sprache, die er wahrscheinlich für Deutsch hält. Und sein Missionierungserfolg ist gering, weil die Leute ihn einfach nicht verstehen. (…) Da hatten wir das Gefühl, dass solche – wirklich nicht bös gemeint – kleinen Idioten, dass die nicht einfach irgendwie weggeschlossen werden oder was auch immer. Nein, hier laufen sie frei rum und tun keinem was und gehören halt auch irgendwie dazu.“

(Auszug aus einem Interview mit einem Nichtmigranten)

Die Anverwandlungsleistung des Flairnierens verweist darauf, das der Flairneur selbst Teil eines lebensweltlichen Interaktionsmechanismus ist, der das Diverse – gleich ob mit oder ohne Migrationsbezug – in etwas verwandelt, das kommensurabel bzw. kulisssen- und genusskompatibel ist. Durch diese Anverwandlung erlangt das Diverse den Status des unproblematisch Normalen. Sowohl die Anverwandlung als auch die Normalisierung sind nicht das alleinige Verdienst des Flairneurs, sondern auch die Leistung eines ihn mitkonstituierenden und mit ihm interagierenden Gegenübers, nämlich des kaufmännischen „Gefühlsarbeiters“[10] mit Migrationshintergrund. Aus dem Nachvollzug der Flairneursperspektive betrachtet, handelt es sich bei diesem Gegenüber um ein menschliches „Original“, dessen Echtheit und Unverfälschtheit (immer auch) auf dessen authentizitätsverbürgenden Migrationshintergrund zurückgeht. Betrachtet man den Kaufmann aus der sozialwissenschaftlichen Beobachterperspektive, wäre er als ein sich selbst exotisierender Gefühlsarbeiter zu verstehen, der seine Originalität spielerisch-strategisch inszeniert und mit ihr kokettiert, um bei seinen Kunden verkaufsfördernde, positive Stimmungen zu erzeugen und sich selbst in eine positive, Genuss bringende Stimmung zu versetzen.[11]

4 Der lokale Kaufmann mit Migrationshintergrund

Die Beziehung des Flairneurs zu seinem Gegenüber ist eine Beziehung wechselseitiger Konstitution. Um den Beitrag der sozialen Figur des Kaufmanns mit Migrationshintergrund zur Soziogenese des Flairneurs und zur Vorstrukturierung ihrer Begegnungssituationen zu veranschaulichen, wenden wir uns nun einem Interview zu, das nicht in Berger-Ost, sondern in der vom DivCon-Team so genannten Hamburger Gebietseinheit Hamburg-Lindenpark geführt wurde. Zwar ließe sich die Analyse des Beitrags der Anbieterseite auch anhand der Frankfurter Interviews erläutern, aber das Hamburger Interview ist so selbsterklärend, dass es nur im geringen Umfang einer soziologisch-analytischen Einordnung und Argumentation bedarf, um die darin artikulierten Aussagen in soziologische Argumente zu verwandeln. Der Rückgriff auf die Gebietseinheit Hamburg-Lindenpark ist auch dadurch gerechtfertigt, dass sie z. B. hinsichtlich ihrer demographischen, sozialen, lokalökonomischen und baulich-räumlichen Struktur bis hin zu Präferenzen der Bewohner*innen für politische Parteien als Pendant zu Berger-Ost gelten darf (Schönwälder et al. 2016: 132–144). Somit werden bildlich gesprochen nicht Äpfel mit Birnen, sondern Äpfel mit Äpfeln verglichen.

Milo Zlatar betreibt ein Konditorei-Café. Außerhalb seiner ortsansässigen bosnienstämmigen Familie verbringt er die meiste Zeit im eigenen Café. Noch während des im Café geführten Interviews grüßen ihn viele Cafébesucher. Aber auch Flairneure, die ihn z. B. durch die Scheibe im Vorübergehen erblicken, ändern schon mal spontan ihren Kurs, um das Café zu betreten und mit Herrn Zlatar ein paar freundliche Worte zu wechseln. In seinem Wohnumfeld ist er so bekannt wie der sprichwörtliche „bunte Hund“.

Situative Freunde des kaufmännischen Gefühlsarbeiters

Interviewerin: „Sie kennen aber Ihre Kunden sehr gut.“

Zlatar: „Ja, hier ist so – kann man sagen – familiär alles, ja. Viele sagen … meine Mitarbeiter meinten: ‚Das ist nur deinetwegen, weil du so bist‘. Keine Ahnung. Wenn ich [eine] halbe Stunde oben in der Vorbereitungsküche bin oder so, [dann] kommen die rein [und] fragen schon mal nach mir, wie wenn sie mich 20 Jahre nicht gesehen haben. (…) Aber ich finde es ganz nett. (…) Ich kenne mittlerweile alle hier. Ich bin da nicht verschlossen. Also, jeder ist gezwungen mit mir zu reden. [Interviewerin und Herr Zlatar lachen] Das ist natürlich übertrieben (…) Ich bin immer so für einen Spaß, für einen Spruch (…). [Das] ist mein Job.“

(Auszug aus Interview mit Bewohner, Milo Zlatar, Migrationshintergrund)

Die Stadtsoziologie kategorisiert Bewohner wie Herrn Zlatar als Patrone. „Patrone funktionieren als eine Art soziale Drehscheibe für lokale Interaktionen und Netzwerke. Ein Patron ist so in seinem Setting zuhause, dass er in jeder Interaktion aus einer Position der Stärke agiert (Lofland 1973: 123, Übersetzung durch den Autor). Als erfolgreicher Patron gratwandelt Herr Zlatar zwischen dem, was er als südeuropäische oder mediterrane Herzlichkeit konzipiert, und der instrumentellen, betriebswirtschaftlichen Rationalität eines Geschäftsmanns. Dabei ist es völlig gleichgültig, ob die südländische Herzlichkeit auch in den Augen soziologischer Beobachter als authentisch oder bloß als Bestandteil einer Koketterie erscheint, die niemals ihren Zweck vergisst; denn selbst Klischees können sehr effektiv sein, wenn sie, wie im Falle Herrn Zlatars, gekonnt in Szene gesetzt werden, um Flairneure und Kunden zufrieden zu stellen (Ebner 2018: 415–489).

Im Interview beschreibt Herr Zlatar, wie er seine mediterrane Freundlichkeit auch als Marketingstrategie einsetzt, um die aus seiner Sicht verschlossenen aber emotional bedürftigen Deutschen für den Kontakt zu öffnen. „Die deutsche Mentalität dann … der [Deutsche] öffnet sich, wenn man den anklopft und mit einer Herzlichkeit und mit einer Freundlichkeit. Und dann haben wir gewonnen.“

Die authentische Herzlichkeit des „Südländers“

„Ich hab eine Dame hier, die täglich bei mir kauft, zwei Brötchen und ist [dann wieder] weg. Und vor ein paar Tagen sagte sie: ‚Milo, wir haben Goldene Hochzeit gehabt, mein Mann und ich.‘ ‚Oh, das ist aber was Tolles.‘ – ‚Ja, aber mein Mann ist schwerkrank und ich wollte große Feier machen. Und am Ende waren wir alleine.‘ Und dann fängt ihr Kinn an zu zittern. War sie mit Tränen in den Augen und war sie weg! Da habe ich zu meinem Mitarbeiter gesagt: ‚Pass mal auf. Jetzt bestellen wir eine Torte für die Silke, mit „Herzlichen Glückwunsch zur Goldenen Hochzeit“, schönem Herzchen drauf und so. Und das kriegt sie von uns vom Café.‘ Am nächsten Tag (…) sehe ich wie sie ihr Haus verlässt. Da habe [ich] meine Mitarbeiterin angerufen, habe gesagt: ‚Halt sie auf. Ich komm gleich‘. [Da] hat [er] sie aufgehalten. Die war ein bisschen irritiert: ‚Was will Milo jetzt von mir?‘ Habe ich natürlich – als ich ihr die Torte übergeben habe – habe ich gesagt: ‚Das ist von uns, von meiner Frau, von meiner Tochter, von meiner Mitarbeiterin, von mir für deine Goldene Hochzeit.‘ Da war sie ausgebrochen in Tränen. ‚Darf ich dich umarmen?‘, sagt sie. Das ist nicht selbstverständlich, dass du jemanden, den du nicht kennst, umarmst. ‚Darf ich?‘ – ‚Natürlich darfst du.‘ Was ist dabei? Aber das kennt man hier nicht so – umarmen. Bei uns (…) [gibt] jeder, den man zum zweiten Mal gesehen hat (…) Küsschen links, rechts. (…) Diese Südländer, die küssen sich immer.“

(Auszug aus Interview mit Bewohner, Milo Zlatar, Migrationshintergrund)

Dieser Einbruch von Intimität und der entsprechende Ausbruch von Gefühlen, die in dieser Episode zum Ausdruck kommen, stehen sicherlich für eine Situation, welche die eingependelte Schwingungsbreite der im Wohnviertel üblichen Intimitäts-Indifferenz-Balance übersteigt. Doch auf der anderen Seite eröffnet sie eben darum den Zugang zum Verständnis des Zusammenspiels von instrumenteller Rationalität und Gefühl (Hochschild 2006), das eine Bedingung der Möglichkeit des Flairneurs darstellt. Und ungeachtet der Tatsache, dass Herr Zlatar in dieser Interviewsituation darauf abzielt, den Interviewer von seiner genialen Geschäftsstrategie zu überzeugen und dabei vielleicht auch nicht vor Übertreibungen zurückschreckt, offenbart er doch in überzeugender Weise einige der Techniken, mit deren Hilfe er sowohl die emotionalen Bedürfnisse und Genusserwartungen seines flairnierenden Kunden bedient als auch Gewinn erzielt.

Ein anderes Instrument, um die Indifferenz flairnierender Kunden in wechselseitige Bekanntheit oder Vertrautheit zu verwandeln, besteht in der Verwendung entwaffnender Scherze, die so nur ein migrationsbezogen-authentischer Zuwanderer erzählen kann. So überwindet Zlatar die Distanz-verbürgenden Identitätsschablonen mancher Kunden mitunter dadurch, dass er zielgerichtet einen breiten, in Bayern erlernten Sprachakzent einsetzt, um sein Gegenüber zu unterhalten. Trotz seines im Normalfall eher ausländisch anmutenden Akzents können die verblüfften Flairneure in solchen Fällen zumindest vorübergehend nicht mehr sicher sein, ob sie es mit einem ausländischen Gegenüber oder „bloß“ mit einem Bayern zu tun haben.

Vertrautheit durch Koketterie mit der migrationsbezogenen Authentizität

„Also, ich mache ja ab und zu mal einen Scherz. Nehmen wir ein simples Beispiel. Wenn ich mal den Preis für ein Brötchen [undeutlich] ausspreche, [und] der Kunde versteht nicht, ob ich ‚fuffzehn‘ oder ‚fünfzig‘ gesagt habe, dann fragt er immer nach: ‚Was war das? Fünfzig oder fünfzehn?‘ Ich sage: ‚Fuffzehn. Tut mir leid. Mein Deutsch ist nicht so gut. Ich will mich nicht integrieren.‘ [lacht] Aber ich denke mein Deutsch ist gut.“

(Auszug aus Interview mit Bewohner, Milo Zlatar, Migrationshintergrund)

Zlatar setzt dieses Instrument ein, wenn er zwischen sich und seinen Gästen eine emotionale und/oder soziale Distanz wahrnimmt. In den durch spielerische Selbstironie gewonnenen Momenten gemeinsamen Lachens sind Grenzen und Distanzen zumindest episodisch suspendiert. Damit nicht genug. Zlatar unterhält die ihm als Kunden oder Gäste begegnenden Flairneure auch mittels seiner schauspielerischen Begabung, die er, soweit seiner biographischen Erzählung zu entnehmen ist, im Laufe seines beruflichen Werdegangs kultiviert und raffiniert hat. So führt er aus, dass er wie jeder gute Schauspieler dazu in der Lage sei, sein Gegenüber adäquat einzuschätzen, um es gezielt anzusprechen bzw. dort abzuholen, wo es gerade steht. Diese Begabung sei zum einen aus der Not der letztlich erfolgreichen Bewältigung der eigenen Migrationssituationen in der Kindheit hervorgegangen und zum anderen aus der in renommierten Hotels erworbenen Fähigkeit, gegenüber den Kunden eine zweckdienliche Empathie zu entwickeln.

Schauspieler-Publikums-Beziehung

„Dann kann man auch sich in viele verschiedene Charaktere von Menschen auch versetzen, wie die sind, weil ich [das] musste. Ich sage immer: Ich war ja Spieler, von einem Tisch zu dem anderen Schauspieler. Ich war Schauspieler, weil jeder Tisch hatte eine andere Geschichte. Der eine will angesprochen werden, der andere will nicht. Und der andere hat das Thema und dann immer mit einem Lächeln im Gesicht, Schauspieler.“

(Auszug aus Interview mit Bewohner, Milo Zlatar, Migrationshintergrund)

Wie bereits deutlich geworden ist, gehen Herrn Zlatars spielerischer Umgang mit alltagsweltlichen Techniken der Vertrauensbildung und seine Begabung, seine Authentizität kokett zu inszenieren, nicht nur auf altruistische Motive zurück. Andererseits möchte der Autor den geschickten Umgang Zlatars mit den ihn aufsuchenden Flairneuren nicht darauf reduzieren, dass er mit all seinen sozialen Kompetenzen und Techniken bloß die verborgene Agenda seiner Profitorientierung zu bemänteln trachte. Zlatars spielerischer Umgang mit dem flairnierenden Kunden ist weder bloß die Inkorporation eines kapitalistischen Überbaus noch Ausdruck moderner Entfremdung. Weitaus angemessener wäre es, mit Blick auf Simmels (1997: 59) Geselligkeitssoziologie in Betracht zu ziehen, dass auch in Zlatars Umgang mit den ihm begegnenden Flairneur-Kunden zunächst einmal nur eine gewisse „Spielform der Vergesellschaftung“ zum Ausdruck kommt; mithin ein Spiel, das sich und seinen Spielern auch als Selbstzweck genügt. Es sollte weiterhin in Betracht gezogen werden, dass sowohl marktgesellschaftliche Zweckorientierung als auch persönliche Verantwortung und persönliche Zuwendung, obschon sie analytisch unterschieden werden müssen, in den Episoden der Marktgeselligkeit durch das Moment des Spielerischen zu einem ununterscheidbaren Ganzen zusammenfließen. Der durch die Lust auf spielerische Gesellung motivierten episodischen Begegnung des Flairneurs mit dem migrationsbezogen-authentischen Kaufmann wohnt ein von beiden Akteurstypen geteilter Genuss inne, der all das in sich vereint, was kritische Soziolog*innen sonst gerne analytisch trennen.

Bei allem, was er sonst sein mag, ist der hier in der Person Milo Zlatars und in der Figur des geselligen, sich selbst exotisierenden Geschäftsmanns verkörperte Umgang mit seinem Gegenüber immer auch ein Spiel; ein Spiel, das man mit mehr oder weniger Geschick, mit mehr oder weniger raffinierten Techniken praktizieren, kreativ modifizieren und nicht zuletzt mit Herz für das Gegenüber betreiben kann. Dass die Mitspieler sich in den Spielpausen oder während des Spiels Ziele setzen und Kalkulationen anstellen, ist kein soziologisches Argument dafür, sie als anthropomorphe Derivate des Konsumkapitalismus oder des Neoliberalismus zu betrachten (wie dies bei Illouz 2007; Kaplan 2018 oder Cabanas 2018 der Fall ist). Denn Kalkulation, Berechnung, Taktik, Strategie und instrumentelle Rationalität sind immer schon Merkmale eines Spielens, das über das selbstvergessene Spielen des Kindes im Sandkasten hinausgeht.[12] Weitaus wichtiger als die Frage, ob Illouz’ et al. Herangehensweise an das hier interessierende soziale Phänomen adäquat ist oder nicht, ist die soziologische Erkenntnis, dass die wechselseitige spielerisch-instrumentelle Zugewandtheit eine Bedingung der Möglichkeit des Flairneurs (und seines Gegenübers) darstellt.

Die Beziehung des Flairneurs zu seinem Gegenüber ist also eine Beziehung wechselseitiger Ermöglichung. Weil, wie gezeigt, beide füreinander konstitutiv und sie wesentlich interdependent sind, bilden sie eine Figuration. Und ihre Figuration ist, was sie ist, weil sie durch spielerisch-instrumentelle Interaktion generiert und variiert wird, bzw. weil sie sozial konstruiert wird. Dies unterscheidet sie wesentlich von Benjamins Flâneur, der die Passagen in Paris als quasi fertiges Subjekt betritt und beobachtet. Der Flairneur betritt die Bühnen der öffentlichen und halböffentlichen lokalen Marktgeselligkeit dagegen nicht als „fertiges Subjekt“, sondern als soziales Wesen, das erst durch sein Gegenüber zu einem sozialen Tatbestand wird. Als soziale Figur steht der Flairneur für eine moderne Form des urbanen Diversitätsgenusses, die auch und gerade den Genuss migrationsbezogener Vielfalt einschließt.

5 Antworten und Fragen

Das nachstehende Resümee verdichtet das Gesagte unter dem Gesichtspunkt der eingangs gestellten Fragen: a) Wie kann die Diversitätsforschung die Herausforderung bewältigen, ihre eigene Theoriebildung auf das Mikro-Makro-Problem einzustellen? b) Wie können wir angesichts eines als grundlegend bewerteten sozialen Wandels in der Migration ermessen, ob sozialwissenschaftlich erschlossene Muster der urbanen Diversitätsbewältigung für neue Formen und Qualitäten migrationsbezogener Diversität stehen – oder bloß für etwas, das immer schon mit Urbanisierung und Urbanität verbunden war?

Wie lassen sich Mikro und Makro in der Diversitätsforschung theoretisch verbinden?

Der die migrationsbezogene Diversität im urbanen Raum genießende Flairneur und sein Gegenüber, der sich selbst exotisierende und unter Rekurs auf seinen Migrationsbezug authentifizierende Kaufmann, bringen eine Mesostruktur hervor – die lokale Marktgeselligkeit. Das heißt zwar nicht, dass dabei nicht auch andere Personengruppen eine gewisse Rolle spielen, so etwa die vermeintlich absonderlichen Anderen bzw. die besagten „harmlosen Idioten“, „irren Typen“ und „Pfandsammler“ (Rau 2016; Moser 2014) mit und ohne Migrationshintergrund oder unauffällige, weniger inspirierende Passanten, die – aus der Flairneursperspektive betrachtet – ein Teil dessen sind, was den fließenden Charakter des urbanen Alltags ausmacht. In all ihrer Unauffälligkeit müssen sie gewissermaßen als Staffage dafür herhalten, dass der Flairneur das Absonderliche, Authentische und Exotische als etwas unterhaltsam Abweichendes und letztlich als etwas Außerordentliches erfassen kann. Sie fungieren als unscharfes Kontrastfeld zum Genuss versprechenden exotischen Anderen. Passanten und absonderliche Andere stellen für den Alltag des Flairneurs keine echte Herausforderung dar, weil er sie sich unter Rekurs auf seine Meta-Rahmung als kulissenkompatible Staffage vorstellt, vor allem aber, weil er sie nicht anspricht, sondern nur distanziert beobachtet.

Passanten und absonderliche Andere gehören somit nicht zur Grundfiguration der lokalen Marktgeselligkeit. Der Flairneur nimmt zwar einseitigen Bezug auf sie, aber dadurch entsteht eben keine Beziehung (Ebner 2013). Ihr Sosein, ihre Identität, ihre Stimmung hängen weder vom Flairneur noch von seinem kaufmännischen Gegenüber ab. So kann etwa der in einem Interview angeführte Bekehrungsprediger sowohl auf den Flairneur als auch auf dessen kaufmännisches Gegenüber verzichten. Aus der Sicht des Bekehrungspredigers gehört der Flairneur vielmehr selbst zum Strom der Verdammten. Ganz anders verhält es sich beim Flairneur und seinem kaufmännischen Gegenüber. Sie sind bei der Pflege ihrer Rollenidentitäten, Stimmungen und Bedürfnisbefriedigung aufeinander angewiesen, sie können nicht ohne einander.

Diejenigen Bewohner- und Besucher*innen, die in Berger-Ost – mehr oder weniger häufig – die Rolle und die Haltung des Flairneurs übernehmen und ausagieren, erschaffen so etwas wie eine Mesostruktur; mithin eine Struktur, die zwischen dem konkreten Alltagshandeln einerseits und baulich-räumlichen, sozialstrukturellen, demographischen, ökonomischen Strukturen sowie dem sozialen Wandel des lokalen Raumes andererseits anzusiedeln ist (z. B. Gentrifizierung bzw. Mietpreissteigerung). Die soziale Natur dieser Mesostruktur zeichnet sich insbesondere dann ab, wenn man sie im Gegenlicht der Simmel‘schen Salon-Geselligkeit betrachtet. Urbane Marktgeselligkeit setzt voraus, dass Anwohner- und Besucher*innen des Stadtteils als Flairneure und Kaufleute auf den öffentlichen und halböffentlichen Bühnen ihres Quartiers miteinander in eine vorübergehend symmetrische[13], wechselseitig anregende Beziehung treten, die sie im Verlauf ihrer Alltagsinteraktionen zu einem losen, locker vernetzten Geflecht verdichten. Wie überall, wo es um Geselligkeit geht, sind auch die Akteure der Marktgeselligkeit motiviert, einander zu inspirieren, zu unterhalten und in ihren Einstellungen wechselseitig zu bestätigen, ohne in diesem Tun an eine feste Sitz- und Raum-, oder auch Zeitordnung gebunden zu sein, die laut Simmel die Salongeselligkeit auszeichnen. Doch anders als die Geselligkeit, die noch in klassisch-bürgerlichen Kontexten durch den Salon raumzeitlich umgrenzt ist, dehnt sich die urbane Marktgeselligkeit auf den infrastrukturell verdichteten öffentlichen und halböffentlichen Raum der Geld- und Warenzirkulation aus. Lokale Geselligkeit und lokaler Markt, im Sinne eines weit über den Wochenmarkt hinausweisenden kommerziellen Settings, befördern einander wechselseitig. Während der lokale Markt (in diesem weiteren Sinne) den Begegnungen und Interaktionen einen Zug der Berechenbarkeit verleiht und damit die Schwelle für Begegnungen niedrig hält, dringt die lokal eingelebte urbane Marktgeselligkeit in alle kommerziellen Marktbeziehungen Berger-Osts ein und erzeugt Atmosphäre bzw. Flair.

Die spezifische, durch migrationsbezogene Vielfalt geprägte und auf diese Diversität zurückverweisende Atmosphäre Berger-Osts ist eine zentrale Dimension der lokalen Marktgeselligkeit. Wie kommt es zur Herausbildung der Atmosphäre?

Der wechselseitige Genuss der spielerisch-instrumentellen Interaktion ist nicht bloß auf das Genießen des jeweils anderen bezogen, sondern auch auf den Genuss einer aus der Interaktion hervorgehenden und auf diese wiederum zurückwirkenden Größe – das Flair oder eben die Atmosphäre des Quartiers. Von außen, aus soziologischer Beobachterperspektive betrachtet, sind Atmosphären Stimmungen, die die Akteure in ihrer Begegnung (zumeist) präreflexiv mit einem bestimmten urbanen (mehr oder weniger öffentlich zugänglichen) Raum verknüpfen oder auf die besondere Beschaffenheit des Raumes zurückführen. Die sinnhafte Verknüpfung von Fassaden, baulichen Strukturen, Menschen, Gerüchen, Klängen, Waren, Dienstleistungen, typischen und untypischen Begegnungsszenen mit dem Raum bringt einen interaktiven urbanen Lernprozesses hervor, der die kognitive Dimension übersteigt (Anderson 2009). Ist die spielerisch-kreative Verknüpfung – als solches selbst schon ein Genuss – erst einmal durch den Alltagsprozess des beiläufigen Beobachtens und Wiedererkennens, des Erlebens und Wiedererlebens sowie des Erzählens und Wiedererzählens gegangen, verwandelt sich das Ensemble der Fassaden, Waren, Dienstleistungen, Handlungen, Gesichter, Geräusche etc. aus lebensweltlicher Perspektive bzw. aus der Perspektive der „relativ natürlichen Weltanschauung“ (Scheler 1967: 61) in Anzeichen und Merkzeichen (Schütz 1972), welche die besondere Atmosphäre eines urbanen Raumes erlebbar machen. Den Beteiligten selbst sind ihre „Verknüpfungsleistungen“ (Löw 2001: 63) zwar nicht präsent (Anderson 2009). Doch ohne ihre narrativen, kognitiven und affektiven Synthesen, die erst das hervorbringen, was sowohl Beteiligten als auch externen Beobachtern als Atmosphäre gilt, hätte auch Berger-Ost nicht das Flair, das seine Bewohner- und Besucher*innen erleben. Ohne die „emotional labour“ des Kaufmanns und ohne seine Koketterie mit dem Originalität verbürgenden Migrationshintergrund wäre der Atmosphärengenuss des Flairneurs sicher nicht von der Art, wie er hier beschrieben worden ist – nämlich der Genuss von migrationsbezogener Diversität.

Mit diesem Einblick in einige Funktionen und Folgen des Flairnierens wird ersichtlich, welche Bedeutung der Flairneur und sein sich selbst exotisierendes kaufmännisches Gegenüber für den untersuchten Stadtteil – insbesondere für die Erklärung der häufigen migrationsbezogenen Intergruppenkontakte – haben. So ist im Hinblick auf die eingangs angedeuteten Unterschiede zwischen Hamburg-Sinstorf und Frankfurt Berger-Ost festzuhalten, dass all das, was Menschen mit unterschiedlichen Migrationshintergründen in Berger-Ost in Kontakt bringt, in Sinstorf nicht vorkommt. Bewohner*innen begegnen einander dort allenfalls beim Warten an der Bushaltestelle (als Pendler nutzt die große Mehrheit der Sinstorfer zumeist das eigene Auto), beim Dinieren im China-Restaurant (dem einzigen Restaurant am Ort) oder beim Gassigehen auf der Grünfläche. Mangels kommerzieller Infrastruktur fehlen in Hamburg-Sinstorf die sozialinfrastrukturellen Voraussetzungen für ein auch nur annähernd vergleichbares Zusammenspiel von Erkennen, Wiedererkennen und Vertraut-Werden. Zudem gibt es dort keine funktional äquivalente Form öffentlicher oder halböffentlicher Geselligkeit. Somit werden die durch „Schimpfklatsch“ (Elias & Scotson 1993) oder auf andere Weise hervorgebrachten symbolischen Grenzziehungen in Sinstorf nicht in der Weise wiederkehrend suspendiert wie in Frankfurt Berger-Ost. Fremde bleiben einander fremd.[14]

Von diesen Befunden ausgehend sind Fragen zu stellen, deren Beantwortung die kausalen Interferenzen zwischen alltäglich gelebter Diversität und makrostrukturellen bzw. -prozessualen „Configurations“ (im Vertovec’schen Sinne) aufhellen und so zu einer Theoriebildung beitragen können, die sich mit der Bewältigung urbaner (Super-)Diversität befasst. Die vorliegende Analyse hat dazu einen ersten Schritt unternommen. Sie hat gezeigt, dass die kausalen Wechselbeziehungen zwischen urbanem Alltag und migrationsbezogenen Diversitätsstrukturen durch die empirisch generierte Figur des Flairneurs (inklusive seines spezifischen Gegenübers) erklärt werden können; denn der Flairneur und sein Gegenüber tragen selbst zur Strukturbildung bei, ihr Interagieren bringt eine Mesostruktur hervor, nämlich eine Form der urbanen Marktgeselligkeit, deren exotisch aufgeladene Atmosphäre migrationsbezogene Diversität für den Flairneur und sein Gegenüber in Genuss verwandelt.

Als Mesostruktur wird urbane Marktgeselligkeit wiederum durch andere Strukturen ermöglicht. Im nächsten Schritt hätte eine diversitätssensible Theoriebildung nun also nach kausalen (Wechsel-)Beziehungen zwischen dieser Mesostruktur und den diese ermöglichenden (oder ggf. behindernden) Strukturen und (z. B. historischen) Prozessen zu fragen. Zum Zwecke einer solchen Theoriebildung wäre es plausibel anzunehmen (und entsprechenden Fragen nachzugehen), dass die Etablierung einer mit Diversitätsgenuss verbundenen urbanen Marktgeselligkeit in einem Stadtteil wie Berger-Ost Investitionen anziehen und/oder Gentrifizierungsprozesse auslösen kann. Umgekehrt wäre für die weitere, Makrostrukturen einbeziehende Theoriebildung, zu bedenken, dass bestimmte städtebauliche Strukturen, Lagen, Architekturen (Fassaden) sowie ökonomische Strukturen funktionale Voraussetzungen für die Ausbildung einer urbanen Marktgeselligkeit sind (etwa Wehrheim 2009, 2007), die den Genuss migrationsbezogener Diversität ermöglicht (aber nicht determiniert).

Mit anderen Worten: die voranstehende Analyse des Diversität genießenden Flairneurs öffnet die Tür zu einem Forschungsprogramm, zu dessen Verfolgung nicht nur der Flairneur und auch nicht nur sein näheres Gegenüber (der sich selbst exotisierende Kaufmann) oder sein distanziertes Gegenüber (der unauffällige Passant bzw. der absonderlich-originelle Andere) zu explorieren und zu analysieren wären. Ein solches Forschungsprogramm müsste vielmehr auch andere soziale Figuren adressieren, die urbane Räume in anderer Weise prägen (oder auch meiden), als es der Flairneur tut. Es ginge u. a. um Figuren (und ggf. um ihre sie mitkonstituierenden Interaktionspartner), die im urbanen Raum als Gegner der Diversität und des Diversitätsgenusses agieren, die gegenüber Diversität Abscheu empfinden oder sie ignorieren, um ihrer Präferenz für migrationsbezogene Homogenität nachzugehen. Es ginge um Figuren, die zwar nicht zur Grundfiguration der lokalen Marktgeselligkeit gehören mögen, deren eingehende Erforschung aber vielleicht in ganz anderer Weise Licht auf das lokale Geschehen werfen würde. Ich denke etwa an diejenigen, die gegen Gentrifizierung protestieren (Moritz et al. 2021) oder die sich in zeit-räumliche „Traditionsinseln“ wie altdeutsche Bierstuben, gutbürgerliche Caféhäuser oder jahrzehntealte Arbeiterkneipen zurückziehen, um sich mit „ihres gleichen“ zu gesellen (Ebner 2023). Denn, wie wir nicht zuletzt auf der Grundlage der eingangs zitierten Diversity-and-Contact-Studie wissen, ist urbane Marktgeselligkeit in diesem Lande nur ein Teilaspekt gelebter Diversität.

Was ist neu am Flairneur?

Ob und inwieweit das Flairnieren bis zu einem gewissen Grad durch die technischen Möglichkeiten moderner Informationstechnologie bloß als eine Art Avatar überleben wird, ob und inwieweit es sich mithin vom urbanen Raum als physisch-materieller Größe ablöst, wäre an anderer Stelle zu erörtern. Ob und inwieweit der Flairneur sein Habitat längst überschritten hat und auch andere Bereiche des modernen Alltags durchdringt (etwa Kunst, Literatur, Tourismus und Populärkultur), ist ebenfalls eine empirisch zu beantwortende Frage, die den Rahmen dieses Aufsatzes überschreitet. Etwas anderes gilt für die eingangs gestellte Frage, ob und in welchem Maße der Flairneur für einen von migrationsbezogener (Super)Diversität geprägten Zeitgeist steht. Verkörpert er eine neue migrationsbezogene (Super)Diversität?

Diese Frage ist mit einem qualifizierten „Jein!“ zu beantworten: Liest man die Gedichte Baudelaires, betrachtet man die Biographien der schriftstellernden Bohème oder vergegenwärtigt man sich die Vertreter und die Werke des Ästhetizismus, so wird ersichtlich, dass vor allem die Metropolen des 19. Jahrhunderts nicht nur vom beobachtenden Flâneur, sondern auch vom sich beiläufig gesellenden Flairneur begangen wurden. Hätte Zola als Journalist und Romancier, Kunst- und Kulturkritiker so funktionieren können, wie er funktioniert hat, ohne zuvor und unterdessen flairniert zu haben? Wahrscheinlich nicht.

Und doch steht das hier vorgelegte, in Anlehnung an die Grounded Theory erarbeitete Konzept des Flairneurs für etwas Neues. Dieses Neue scheint mir darin zu bestehen, dass nicht mehr nur der finanziell wohlausgestatte Bohemien oder der Dandy die ökonomischen Voraussetzungen für den im Modus des Flairnierens erfolgenden Diversitätsgenuss mitbringen, sondern, wie etwa Böhme herausgestellt hat (2016: 122 f.), nun auch Angehörige der breiten urbanen Mittelschichten. Das bedeutet andererseits nicht, dass urbane Mittelklassen immer schon aus „Diversity-Seekern“ zusammengesetzt sind. Zwar bekunden Teile der Mittelklasse eine migrationsbezogene Diversity-Orientierung, aber anderseits zeigen Studien (Hahnhörster & Weck 2015; Blokland & Eijk 2010), dass z. T. dieselben Akteure entsprechenden Begegnungen aktiv ausweichen.

About the author

Jörg Hüttermann

Jörg Hüttermann, geb. am 11.3.1962; Studium der Geschichtswissenschaften und der Soziologie in Bonn, Madrid und Bielefeld. Wissenschaftlicher Mitarbeiter am interdisziplinären Institut für Konflikt- und Gewaltforschung (IKG). Zuvor u. a. wissenschaftlicher Mitarbeiter am Göttinger Max-Planck-Institut zur Erforschung multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften (MPI MMG) sowie am Institut für Islamische Theologie der Universität Osnabrück (IIT).

Wichtigste Publikationen: Figurationsprozesse der Einwanderungsgesellschaft: Zum Wandel der Beziehungen zwischen Alteingesessenen und Migranten in deutschen Städten. Bielefeld: transcript 2018; Erfolgskarrieren muslimischer Migrant*innennachfahren aus der Arbeiterklasse: Eine figurationssoziologische Analyseperspektive auf Wechselwirkungen zwischen sozialer Mobilität und sozialem Wandel, Soziale Welt 73(1), 2022: 34–66. Zuletzt in dieser Zeitschrift: Mit der Straßenbahn durch Duisburg: Der Beitrag indifferenzbasierter Interaktion zur Figuration urbaner Gruppen (mit T. Minas), ZfS 44, 2015: 63–79.

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Published Online: 2023-08-05
Published in Print: 2023-08-23

© 2023 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von De Gruyter.

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Downloaded on 28.4.2024 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/zfsoz-2023-2017/html
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