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Publicly Available Published by De Gruyter October 13, 2016

Musik und Spiritualität

  • Elisabeth Aberer EMAIL logo
From the journal Spiritual Care

Mousikē, griechisch oder Mousa‚ Muse, lateinisch musica oder die „musische Kunst“ ist eine Kunstgattung, die aus organisierten Schallerlebnissen besteht.

Bereits in vorchristlicher Zeit haben Stimmen und Melodien eine Rolle gespielt, in der griechischen Mythologie, als Minnegesang oder in kultischen Zeremonien. Im Mittelalter fand der gregorianische Choral als einstimmiger liturgischer Gesang Bedeutung. Bereits Augustinus sprach davon, dass die Einheit von Stimme und Geist eine theologische Komponente ausdrückt. Das Zitat von J.S. Bach spricht an, dass M. eine Verbindung zu Gott ist: „Mit aller M. soll Gott geehrt und die Menschen erfreut werden.“ Selbst F. Nietzsche hat die Bedeutung von M. in Zusammenhang mit Gott nicht verleugnen können: „In dieser Woche habe ich dreimal die Matthäuspassion des göttlichen Bach gehört, jedes Mal mit dem Gefühl der unermesslichen Verwunderung.“ Weiter schreibt er: „Wer das Christentum völlig verlernt hat, der hört es hier wirklich wie ein Evangelium“.

Mit M. wird man schon in der Kindheit vertraut. Sie begleitet große Feste des Lebens wie Geburtstage, Jubiläen, Hochzeiten, oder das Requiem am Ende des Lebens.

Das Zitat von Johann Gottfried Seume:„Wo man singt, da lass dich ruhig nieder. Böse Menschen haben keine Lieder“, sagt aus, dass M. eine einladende Atmosphäre erzeugt. M. kann beglücken, beseelen, vergessen lassen, zur Ekstase führen und Erfüllung erfahren lassen. Man spricht auch von himmlischen oder sphärischen Klängen, die den Menschen in eine übergeordnete Welt versetzen können, was die spirituelle Dimension von M. anzeigt. Allgemein spricht man, dass ein musischer Mensch feinfühlend und spirituell ist. Was ist nun mit den „Bösen“, die keine Lieder haben? – Meiner Meinung nach sind dies Menschen, die sich verschließen, vielleicht sind sie gar nicht böse oder schlecht, vielmehr von Grund auf traurig, allein gelassen, verzweifelt oder verhärmt. Ihre Spiritualität ist verschüttet. Spiritualität muss daher ein aktiver Prozess sein, der „das Leben“ und den Lebenswillen symbolisiert.

Die eigene Stimme oder M. zu hören kann zu einer besseren Lebensqualität, zu besseren kognitiven, emotionalen Leistungen und zu einem verbesserten sozialen Umgang führen. In Studien konnte nachgewiesen werden, dass das regelmäßige Mitsingen in einem Chor bei milder/moderater Demenz zu einer Verbesserung der Gedächtnisleistung und der Lebensqualität führt (Sarkamo et al. 2014).

M. berührt wesentliche Themen menschlicher Existenz und hat sowohl im präventiven, als auch im klinischen und rehabilitativen Bereich Bedeutung (Glawischnig-Goschnik 2003). Die M.therapie wird zur Wiederherstellung, Erhaltung und Förderung seelischer, körperlicher und geistiger Gesundheit eingesetzt (Tekaath & Muthesius 2015). In verschiedenen Ländern gibt es Berufsverbände für M.therapie (z. B. DMtG 2016; ÖBM 2016). M. wurde in der Palliativmedizin mehrfach angewendet. Eine M.therapie wurde in einem 5-tägigen Betreuungs-Programm für Krebspatienten eingesetzt. Die Untersuchungen fokussierten sich auf Transzendenz, Allverbundenheit, Sinnsuche, Glaube und Hoffnung. Nachdem Spiritualität sehr komplex ist, ist die Signifikanz der Auswirkung einer M.therapie schwer zu beurteilen (McClean et al. 2012). Bei terminalen Krebspatienten wurde auch die Auswirkung einer M.therapie auf die Lebensqualität, Lebensdauer, das physische Verhalten und die Einbeziehung des kommenden Todes untersucht (Hilliard 2003). Die Lebensqualität stieg mit der Anzahl der durchgeführten M.therapien. Clemens hat den Einfluss des Mitsingens von Beethovens Missa Solemnis in der Psychotherapie eingesetzt, um eine religiöse Erfahrung zu machen und um Realitäten des Lebens und Sterbens bewusst zu machen (Clemens 2011).

Um psychische Erkrankungen zu verbessern, wurde Gruppen-M.therapie mit gemeinsamem Singen und Wiedergabe bekannter Lieder durchgeführt und dabei Lebensqualität, soziale Bereicherung, Selbstwertgefühl, Spiritualität und psychiatrische Symptome gemessen (Grocke et al. 2014). Diese M.therapie verbesserte signifikant die Lebensqualität, das Selbstbewusstsein und die Spiritualität. In England wurde die Auswirkung von M. bei Begräbnissen für die Hinterbliebenen untersucht. M. hat große kulturelle Signifikanz und gehört zu öffentlichen Zeremonien. Die spirituelle Erfahrung liegt in der Bedeutung, die M. für die betroffene Person haben kann (Adamson & Holloway 2012).

Das Hören ist eine Sinneswahrnehmung, die immer präsent ist. Selbst als ungeordnetes Geräusch wahrgenommen, kann dieses Empfindungen auslösen, welche ignoriert, bewusst ausgeschaltet, als störend oder beruhigend empfunden werden. Geräusche aus der Natur wie fallende Regentropfen können meditativ sein und Gedanken an Transzendenz auslösen. Auch die geordnete, von Menschenhand entworfene M. kann Assoziationen erwecken, die die spirituelle Dimension des Menschen betreffen und die im Leben eine zentrale Rolle spielen.

Literatur

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McClean S, Bunt L, Daykin N (2012). The healing and spiritual properties of music therapy at a cancer care center. Journal of Alternative and Complementary Medicine 18:402–407.10.1089/acm.2010.0715Search in Google Scholar

Sarkamo T, Tervaniemi M, Laitinen S, Numminen A, Kurki M, Johnson JK, Rantanen P (2014) Cognitive, emotional, and social benefits of regular musical activities in early dementia: randomized controlled study. Gerontologist 54:634–650.10.1093/geront/gnt100Search in Google Scholar PubMed

Tekaath N, Muthesius D (2015) Spiritualität und Musik. Ein Synergieeffekt in der musiktherapeutischen Arbeit mit alten Menschen. Spiritual Care 4:114–125.10.1515/spircare-2015-0026Search in Google Scholar

Online erschienen: 2016-10-13
Erschienen im Druck: 2016-10-1

© 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 9.6.2024 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/spircare-2016-0136/html
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