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BY 4.0 license Open Access Published by De Gruyter November 10, 2021

Allgemein, Mittelalter, Frühe Neuzeit, 19.–20. Jahrhundert

Arnold Esch, Von Rom bis an die Ränder der Welt, München (C. H. Beck) 2020, 399 S., Abb., ISBN 978-3-406-75854-6, € 29,95.

Arnold Esch ist ein großer Stilist und ein Meister der kleinen Form. Das zeigt dieses Buch aufs Neue. Es wäre keine Kunst, das enorm reichhaltige Thema auf Tausenden von Seiten auszubreiten; Fernand Braudel, der eigentliche, zumindest bedeutendste Begründer eines spatial turn in der Geschichtswissenschaft, brauchte bekanntlich drei dicke Bde., die Vita der Méditerranée der Zeit Philipps II. zu erzählen. Auch Esch wandelt gelegentlich auf den Spuren Braudels: Seine Rekonstruktion der Wege, auf denen die Meldung vom Fall Konstantinopels nach Venedig gelangte, und wie lange die Nachricht jeweils brauchte (Kap. XIII, S. 234–249), hat in dessen Meisterwerk Vorbilder. Doch während für Braudel der Raum „Hauptperson“ seiner Erzählung war, stehen für Esch Menschen aus Fleisch und Blut im Zentrum. Er fragt, wie sie Landschaft und Entfernungen wahrnahmen, welche Begriffe sie dafür gebrauchten, wie sie Vertrautes instrumentalisierten, um Fremdes zu beschreiben. Er will „geschaute, nicht gewußte Geschichte“ beschreiben. So bietet er ein Stück Perzeptionsgeschichte. Der Zeithorizont ist weit gespannt, ebenso der geographische. Eschs Beispiele entstammen Epochen von der Antike bis 1992. Manche Perspektive ist mit der Bibliographie des Autors vertrauten Leserinnen und Lesern nicht neu. Das gilt etwa für das Kapitel über die Wahrnehmung der griechischen Inselwelt und die ingeniöse vergleichende Analyse verschiedener Reiseberichte von Jerusalem-Pilgern, von denen sich 1480 vier auf derselben Galeere eingeschifft hatten. Alle Essays schöpfen aus vom Autor erschlossenen Archivalien, etwa Zollregistern des römischen Staatsarchivs – sie vermitteln Aufschlüsse über das Einzugsgebiet des Hafens in der Frührenaissance – oder der apostolischen Poenitentiarie. Und sie erinnern an Reisen und Wanderungen. Esch nimmt seine Leserinnen und Leser mit durch Burgund und Nordafrika; da spaziert man mit dem Autor durch die Altstadt von Ghadames in Libyen. Besonders eindrucksvoll ist der Bericht von einer langen Wanderung, die das Ehepaar Esch durchs nördliche Lazio führte. Es geht entlang einer stillgelegten Bahnlinie in westlicher Richtung von Castel Bagnolo bei Orte bis in die Gegend von Civitella Cesi und Rota. Die Tour bietet Gelegenheit, von der Geschichte der naheliegenden Flecken, Städtchen und der die Route querenden Straßen und Schienen zu erzählen. Dabei kommt es zu Begegnungen mit Zeitgenossen, etwa nahe Viterbo mit einem Hirten und dessen traurig blickendem, nicht mehr ganz jugendlichem Hund – „seine Umrechnung der Hundejahre in Menschjahre ergab unser Alter“ (S. 85). Von besonderem Interesse ist der Blick „von unten“. Das Italien Dürers, Montaignes, Goethes, Gregorovius’ oder Burckhardts kennen wir alle. Die von Esch befragten Quellen lassen Menschen zu Wort kommen, die sonst schweigen: Pilger und Landsknechte, wandernde, halbverhungerte Handwerker und andere arme Teufel aller Art, die um 1900 beim Hilfscomité der deutschen evangelischen Gemeinde in Rom um ein paar Groschen oder Kleider bettelten, oder auf die Vermittlung eines Jobs hofften (S. 262–273). Von den trockenen Dokumenten her fallen da Schlaglichter auf traurige Schicksale, von denen kein Geschichtswerk erzählt. Die Landschaften, die Esch beschreibt, sind voller Zeichen und Erinnerungen. Sie erzählen vom Niedergang der Agrarsysteme und Ruinen von Kastellen im spätrömischen Reich („Landschaft und Verfall. Die Wahrnehmung von Verwahrlosung und Verheerung freier Landschaft in der Spätantike“, S. 166–180). Mit der Transsibirischen Eisenbahn fährt man im letzten Kapitel von Eschs Buch gar durch Russland. Da bietet der Autor Reflexionen über die Verhältnisse unmittelbar nach dem Zerfall eines Imperiums der unmittelbaren Vergangenheit, der Sowjetunion. Was die Praxis des Reisens betrifft, lässt er einen Kollegen zu Wort kommen, nämlich August Ludwig Schlözer (1735–1809), der an der Universität Göttingen lehrte und als Autor einer Universalgeschichte und durch seine „Staatsanzeigen“ berühmt ist. Dass er eine Vorlesung, die praktische Ratschläge fürs Reisen vermittelte, hielt, war bisher wohl allenfalls Spezialisten bekannt. Esch gestaltet ein schönes Kapitel daraus (S. 274–285). Doch hat auch er selbst nützliche Hinweise zu bieten. Um das Aufspüren des Ausgangspunkts und anderer Stationen seiner Wanderung durch Latium zu finden, empfiehlt er, „die Zugänglichkeit solcher Punkte vorher mit einem weiten Screenshot von Google Earth festzustellen“ (S. 75). „Von Rom bis an die Ränder der Welt“ ist ein entspanntes, wunderbar leicht geschriebenes Buch, das mitnimmt auf ein Wegstück der Lebensreise eines großen Gelehrten. Wer sie von Rom aus unternimmt, kann – diese Botschaft mag sich im Untertitel verbergen – notwendig immer in Richtung der Ränder der Welt reisen. Denn in ihrer Mitte ist man ja schon.

Bernd Roeck

Thomas Steinfeld, Italien. Porträt eines fremden Landes, Berlin (Rowohlt) 2020, 448 S., ISBN 978-3-7371-0058-8, € 25.

Dass Italien ein „fremdes Land“ sei, leuchtet vielen Deutschen nicht ein. Noch immer bestimmen Winckelmann und Goethe weithin unser Italienbild. Das aber gab nie die Wirklichkeit wieder, sondern eine erträumte Welt des Wahren, Schönen, Guten. Thomas Steinfeld, von 2013 an für fünf Jahre in Venedig ansässiger Kulturkorrespondent der „Süddeutschen Zeitung“, möchte eben darum das „fremde Land“, die gesellschaftliche und politische Wirklichkeit, vorstellen und nimmt uns dafür mit auf eine imaginäre Reise von Piemont entlang der Westküste bis Sizilien und zurück via ionischer und Adriaküste bis Venedig und zum Schluss in die Po-Ebene und nach Mailand. Kultur im Sinne von Kunstschätzen stehen nicht im Vordergrund, aber in einem Land wie Italien kann man davon natürlich nicht absehen. Eine herausgehobene Rolle spielen dagegen Literatur, Film und Musik. Steinfeld ist ersichtlich ein großer Kenner dieser drei Kunstgattungen, beginnt jedes Kapitel mit Hinweisen auf dieses Material. Aus der Fülle des Dargebotenen kann selbstverständlich nur ein kleiner, subjektiv gefärbter Ausschnitt wiedergegeben werden. Die italienische Küche wird anhand der piemontesischen Slow-Food-Organisation behandelt, der Schlager beim ligurischen Sanremo-Festival. Siena ist Anlass für Ausführungen zu Musealisierung und „invention of tradition“. In Florenz dekonstruiert Steinfeld unser Renaissancebild und im benachbarten Prato zeigt er uns die handgreiflichen Folgen der Globalisierung, während Umbrien Anlass zu klugen Bemerkungen über die Unterschiede zwischen nord- und süditalienischer Religiosität bietet. In Rom wandert Steinfeld wie Paolo Rumiz ein Stück auf der Via Appia, um den sorglosen Umgang mit der Antike zu demonstrieren, macht einen Ausflug in die Vorstädte und damit in die Dritte Welt, spricht die zahllosen unvollendeten Bauten an, die man angesichts ihrer Häufigkeit im ganzen Land fast als modernen Nationalstil bezeichnen könne, um dann nach einer gnadenlosen Kritik Winckelmanns mit einem vergnüglichen Deutungsversuch des Aufstiegs und Niedergangs des Zigarettenrauchens zu schließen. Der Süden beginnt bekanntlich in Kampanien und so verhandelt Steinfeld gleich zu Beginn drei dort besonders wahrnehmbare, aber das gesamte Land betreffende Themen. Erstens sei der Süden keine objektive, womöglich anthropologische Tatsache, sondern ein Konstrukt, das der Norden braucht. Zweitens sei er nicht als Klassengesellschaft organisiert, sondern „in Gestalt von Bünden (vor allem verwandtschaftlicher Art) oder Kooperativen“ (S. 201), die sich mit Entscheidungen und deren Anerkennung schwertun. Drittens sei das Klientelsystem im Verein mit der „kapitalistischen Warenwirtschaft“, die „immer … auf Raub und Ausbeutung“ zurückgehe (S. 210), die Ursache der Camorra. Endlich einer, der Savianos Thesen ablehnt. „Schon die Behauptung, die Mafia habe die Gesellschaft ‚infiltriert‘, beruht auf einer Idealisierung dieser Gesellschaft.“ (S. 208) In Neapel wird das Buch wieder weniger grundsätzlich. Es geht um den Totenkult im Stadtteil Sanità, um die Rolle der Oper, um die Romane Elena Ferrantes und die volkstümlich-progressive Musik. Die Faszination für Matera teilt der Rezensent nicht, wohl aber Steinfelds Deutung Padre Pios als moderner Heiliger und sein Erschrecken über das vom riesenhaften Hüttenwerk in Tarent verursachte Zerstörungswerk an Mensch, Natur und natürlich auch Kapital, während er ein klares Wort zu den unsäglichen Ausbeutungsverhältnissen der illegalen Arbeitskräfte – sie haben auch nicht entfernt ein Gegenstück im für Italiener immer noch faschismusverdächtigen Deutschland – vermisst. Sizilien ist eine Kombination von Archaik, Verfall und Dysfunktion und diese gibt Anlass zu Überlegungen, ob die Cosa Nostra wirklich im Niedergang begriffen sei. Die Marken bieten einen befremdlichen Gegensatz von Beiträgen zur Hochkultur und einer wohl nur in Italien möglichen gigantischen, total heruntergekommenen Wohnmaschine, dem Hotel House in Porto Recanati. Im Kapitel über die Emilia Romagna fasziniert Steinfelds Deutung der für deutsche Augen so verstörenden, außerorts sich über Kilometer hinziehenden verfallenden Gewerbeimmobilien – eine der Paradoxien dieses für seine Ästhetik weltberühmten Landes. Die Po-Ebene benützt Steinfeld zunächst, um anhand der Geschichten von „Don Camillo und Peppone“ die eigenartige Stabilität des Landes trotz bzw. wegen des unentschiedenen Konflikts zweier Universalismen zu erklären, der seit den 1990er Jahren ein Ende gefunden hat. Sodann geht es um die hochkapitalistische Landwirtschaft mit ihrem ethnisch getrennten Arbeitsmarkt. Die Bonifica-Landschaft im Po-Delta kommt Steinfeld wegen ihrer Dimensionen und Technizität amerikanisch vor. Das Veneto glänzt mit Radfahrerkolonnen, Künstlern wie Palladio und Canova und mit der sedierten Hafenstadt Triest. Bei Venedig jedoch gibt es nichts mehr zu beschönigen, der Fall ist hoffnungslos. Umso stärker ist der Kontrast zu Mailand, Hauptstadt der italienischen Moderne, doch auch hier ist nicht alles Gold, was glänzt. Vor ihren Toren kann man nämlich den Niedergang vor allem der metallverarbeitenden Industrie sehen, da hilft auch die Modeindustrie nicht. Welchen Eindruck hat denn am Ende die Leserin und der Leser nun von Italien? Es sei ein Land, das „eine andere Form von Modernität“ (S. 201) praktiziert – eine These, die dem Rezensenten nicht ganz unbekannt vorkommt. Und außerdem ist es der arme Verwandte der reichen nordwesteuropäischen Länder, der zahlreiche Anläufe nahm, um mit diesen auf Augenhöhe zu gelangen, aber stets zu kurz sprang und daher sich „nicht mehr auf die Regeln festlegen lassen will“ (S. 413). Steinfeld macht sich die in seinem Gastland populären Aussagen zu eigen, die von eigenem Versagen nichts wissen wollen, und teilt deren Kritik an Deutschland, das mit seinem Außenhandelsüberschuss Italien ausbeute und dessen Presse obendrein „eine niederträchtige Verdrehung der Verhältnisse“ vornehme, wenn es Italien als „Schnorrer“ bezeichnet (S. 415). Der nicht eben von Sachkenntnis geprägte Schluss kontrastiert unschön mit dem „Rest“ des unterhaltsamen und lehrreichen Buches, das die Fremdheit Italiens durch genaues Hinsehen eher noch vergrößert.

Christof Dipper

Handbuch der Stiftskirchen in Baden-Württemberg, hg. von Sönke Lorenz, Oliver Auge und Sigrid Hirbodian, Ostfildern (Thorbecke) 2019, 720 S., Abb., ISBN 978-3-7995-1154-4, € 58.

Es gibt wohl kein Bundesland, in dem man sich einfacher und umfassender über Klöster, Konvente und Stiftskirchen informieren kann als Baden-Württemberg. Neben dem Württembergischen Klosterbuch (2003) gibt es das online-Portal „Klöster in Baden-Württemberg“ (https://www.kloester-bw.de/; 22.4.2021). Nun ist – mit gehöriger Verzögerung – das seitenstarke Handbuch der Stiftskirchen in Baden-Württemberg herausgekommen. Zunächst führen die Hg. in die Genese der stiftischen Kernlandschaft ein, die aus pragmatischen Gründen mit den Grenzen des Bundeslandes abgesteckt wird. Die Entwicklung der Stiftskirchen in Südwestdeutschland vom 8. bis zum 18. Jh. verlief keineswegs geradlinig. Die Abgrenzung der Klerikergemeinschaften von den Klöstern fällt gerade in der Frühzeit nicht immer leicht. Die Hg. halten sich an die Morawschen Kategorien. Sich nach einem Bundesland auszurichten, ist natürlich problematisch. Die zum Teil äußerst erfolgreichen Stifte der Prämonstratenser und Prämonstratenserinnen pflegten ja bis zu ihrer Auflösung in der Säkularisation ihre Kontakte zur Ordensleitung und den Mutterklöstern in Frankreich. Erst im Zuge des landesherrlichen Kirchenregiments im 15. Jh. zeigen sich in den Herrschaften Baden und Württemberg Bestrebungen, die mit der zum Teil massiven Umwandlung von Benediktinerkonventen oder Pfarrkirchen zu Säkularkanonikerstiften einher gingen. An dieser Stelle ist vor allem an die Erfolge der Brüder vom gemeinsamen Leben (Fraterherren) in Württemberg zur Zeit des Grafen Eberhard im Bart (1445–1496) zu erinnern. Jede – auch noch so kleine – Residenzstadt wollte eine Stiftskirche haben, dienten solche doch auch der memoria der jeweiligen Herrschaft und ihrer Familien (S. 684, Beispiel Wertheim). Besondere Konstellationen ergaben sich, wenn Stiftskirchen in Heidelberg und Tübingen zur Ausstattung von Universitäten dienen sollten (S. 50–52, 197 f., 248–251, 640 f.). All diese Gründungen und Umwidmungen waren ohne die Mitwirkung der Päpste in Rom nicht möglich. Da erstaunt es nun doch, dass die Möglichkeiten, die das „Repertorium Germanicum“ auch online bietet, nicht genutzt wurden. Breiten Raum nehmen in der Einführung wie in den Einzelbeiträgen die Fährnisse im Bauernkrieg, in der Reformation und – wenn eine Institution noch so lange bestand – in der Säkularisation ein. Zum 19. und 20. Jh. wird vorab nicht viel gesagt (S. 57). Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Berücksichtigung dieser Gründungen (man denke nur an die Einrichtung des völlig neuen Rottenburger Domkapitels 1828, dargestellt auf knappen zwei Seiten: S. 579 f.) sind berechtigt, zumal auch schon für die Zeit davor die Jesuiten ausgespart wurden (S. 57). Evangelische adelige Damenstifte können bis heute existieren (S. 324). Viel Raum erhalten die Brüder vom gemeinsamen Leben, die erst 1991 als religiöse Gemeinschaft vom Papst anerkannt wurden, und 1975 den Hauptsitz ihrer Kongregation in Weilheim/Landkreis Waldshut eingerichtet haben (S. 677 f.; vgl. 663 f. zur Wallfahrtsseelsorge in Waghäusel). Im Einzelnen bleiben noch viele offene Fragen, was beispielsweise bei der gut erforschten Insel Reichenau erstaunt (S. 535). Nicht einleitend erwähnt werden die Hospitalsorden der Antoniter und des Heiligen Geistes, was denjenigen verwirren wird, der nicht weiß, dass die oft bescheidenen Niederlassungen mitunter nur als Stützpunkt für die Almosensammlungen (Quest) dienten. Die Antoniter hatten Häuser u. a. in Esslingen, Freiburg, Heilbronn, Ravensburg, Reutlingen und Nimburg. Etwas mehr weiß man über die Hospitäler des Heilig-Geist-Ordens in Markgröningen und Pforzheim. Allerdings hätte auch das Haus des Heilig-Geist-Ordens in Wimpfen einen Eintrag verdient. Insgesamt schwankt die Darstellung zwischen Vertiefung und eher groben Übersichten. Manchmal kam man schon im Mittelalter über das Projektstadium oder ein kürzeres Bestehen nicht hinaus (S. 194; zu neuzeitlichen Beispielen S. 176 f., 487). Die Hg. des Handbuchs selbst räumen einige Defizite ein, die mit dem Umstand verbunden sind, dass das Werk erst nach einem jahrelangen Stillstand gedruckt werden konnte (S. 60 f.). Ein paar unklare Formulierungen hätte man wohl ausmerzen können. Störend ist die Ausrichtung nach heutigen Gemeindezugehörigkeiten und Ortsnamen, inklusive Bad NN unter B! Leider fehlt diesem Handbuch ein Personen- und Ortsregister, was der Verknüpfung der Einzeleinträge dienlich wäre. Trotz aller Einwände hat man mit dem Handbuch der Stiftskirchen in Baden-Württemberg ein solides Nachschlagewerk, das dank seiner reichen Abbildungen (mit besonderem Augenmerk auf den Siegeln!) und Informationen gewiss auch einen breiten Nutzerkreis finden wird.

Andreas Rehberg

Atilio Bartoli Langeli, Tra Alcuino e Gigliola Cinquetti. Discorsi di paleografia, Padova (libreriauniversitaria.it edizioni) 2020 (Storie e linguaggi 36), 318 S., Abb., ISBN 978-88-3359-291-6, € 28,90.

Auf den ersten Blick handelt es sich um ein weiteres Beispiel des Genres „ausgewählte Aufsätze“, in diesem Fall Spezialstudien zur Paläographie aus dem umfangreichen Werk von Attilio Bartoli Langeli. Doch der Schein trügt! Schon der Titel überrascht, wenn der Bogen zwischen dem karolingischen Gelehrten und der populären Sängerin der Nachkriegszeit gespannt wird. Die Auswahl wurde vom Vf. selbst getroffen, und er hat dafür klare Kriterien herangezogen. Es geht nicht um Detailstudien zur paläographischen Klassifikation oder um Datierungsfragen, sondern um die Geschichte der Schrift in umfassenden Zeitläufen, um „… il libro come prodotto di cultura e di culture …“ (S. 7), um eine Paläographie, „… che, volendo, si può leggere in poltrona …“ (S. 7). Die insgesamt 15 Aufsätze aus dem Zeitraum von 1983 bis 2016 sind gleichgewichtig auf drei Kapitel verteilt. Das erste Kapitel, betitelt mit „Sulla storia della scrittura nell’Europa medievale“ (S. 13–102), folgt thematisch weitgehend bekannten Darstellungen in Handbüchern zur Paläographie und Schriftgeschichte. Eckpunkte bilden die karolingische Schriftreform und die schrittweise Ablösung der Hs. durch den Druck. Bereits im ersten Beitrag aus dem Jahr 1994 „Scritture e libri. Da Alcuino a Gutenberg“ (S. 15–66), der die Schriftentwicklung anhand bedeutender Bibelhandschriften untersucht, wird deutlich, dass der Vf. Schriftgeschichte immer auch als Kulturgeschichte sieht. Dabei werden nicht nur das Spannungsverhältnis zwischen Normierung und Individualität, sondern für das Hoch- und Spätmittelalter auch die Aspekte der Glossierung und Textbereinigung, das verstärkte Aufkommen von Texten in volgare, neue Lesegewohnheiten („leggere in silenzio“) oder die Nutzung der Schrift für die Dokumentation persönlicher Inhalte thematisiert. Diese Themen wurden vom Vf. 20 Jahre später (2014) erneut aufgegriffen („Da Carlomagno a noi. La mano che scrive e l’occhio che legge“, S. 89–102), wobei er den Bogen bis in die Gegenwart (zu Smartphone und Twitter) spannte. Der zweite Abschnitt („Chi e che cosa, come e perché“, S. 103–212) steht im Zeichen der grundlegenden Forschungsfragen der Paläographie, wie sie Armando Petrucci formuliert hatte. Neben der traditionellen Aufgabe der Paläographie, Entstehungszeit und -ort einer Hs. zu bestimmen, bieten die Fragen nach Schreiber und ausgewähltem Inhalt, nach graphischer Gestaltung und Leserschaft wichtige Anknüpfungspunkte zur Kulturgeschichte. Im Spätmittelalter führte die wachsende Alphabetisierung zu neuen Einsatzgebieten der Schriftkultur und zu veränderten (individualisierten) Schriftformen, Schreibfähigkeit wurde zu einem sozialen Differenzierungsmerkmal (vgl. „Culture grafiche e competenze testuali nel Quattro-Cinquecento italiano. La prima matricola della confraternita del Sant’Anello di Perugia, 1487–1542“, S. 105–121, und „La scrittura come luogo delle differenze“, S. 157–168). In diesem Kontext sind auch die Phänomene der Entstehung von Hss. in volgare und der Entwicklung von Autorenautographen zu sehen („Il libro volgare“, S. 123–156, „Autografia e paleografia“, S. 193–206). Besondere Beachtung verdient die detaillierte Studie zur Handschriftenproduktion und Schriftkultur von Frauenklöstern am Beispiel der Klarissen von S. Lucia in Foligno und von S. Maria di Monteluce in Perugia („Scrittura di donna. Le capacità scrittorie delle Clarisse dell’Osservanza“, S. 169–191). Eine bunte thematische Vielfalt weist das Kapitel „Divagazioni“ (S. 213–290) auf. Dabei werden u. a. interdisziplinäre Untersuchungsfelder betont, wie z. B. Schrift in bildlichen Zeugnissen („Scrittura e figura, scrittura e pittura [con esempi di età medievale]“, S. 215–225) oder Schrift und musikalische Notation („Scriptorium seu verius pictorum. La scrittura dei corali [con Massimiliano Bassetti]“, S. 261–274). Dass die Untersuchung der Schriftkultur – in diesem Fall handelt es sich überwiegend um maschinenschriftliche Textzeugnisse – auch für kulturhistorische Studien zum 20. Jh. von Bedeutung sein kann, macht der Vf. in seinem anregenden Aufsatz zur Fanpost der beliebten Sängerin Gigliola Cinquetti aus den 60er und 70er Jahren des 20. Jh. deutlich („Note sull’uso popolare della macchina da scrivere. Intorno ad alcune lettere dattiloscritte a Gigliola Cinquetti“, S. 275–290). Eine zusammenfassende Bibliographie aller zitierten Werke mit Verweisen auf die jeweilige Textstelle schließt die Sammlung ab. Der vorliegende Sammelbd. bietet Expertinnen und Experten der Paläographie und der Schriftgeschichte sicher keine neuen, bahnbrechenden Erkenntnisse. Er dokumentiert aber in bester Weise die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten dieser Disziplin, die die herkömmliche Meinung (und das Vorurteil) zu dieser „Grundwissenschaft“ in Frage stellen. Paläographie ist für den Vf. untrennbar mit der Kulturgeschichte verbunden, so dass sie über den engen Expertenkreis hinaus für weite Leser- und Leserinnenkreise interessant sein kann. Auf jeden Fall ist die Lektüre immer kurzweilig und regt zum Nachdenken über vielfältige Aspekte der Schrift an.

Thomas Hofmann

Gerhard Seibold, Der Wappenbrief – ein Kompendium, Wien-Köln-Weimar (Böhlau) 2019, 2 Bde., 2003 S., Abb., ISBN 978-3-412-51466-2, € 250.

Wappenbriefe, mit denen heraldische Embleme verliehen wurden, haben jüngst die besondere Aufmerksamkeit der Disziplinen Kunstgeschichte und Historische Grundwissenschaften erfahren, die zum Aufbau einer Datenbank „Illuminierte Urkunden“ führte (siehe die Besprechung von Gabriele Bartz/Markus Gneiß (Hg.), „Illuminierte Urkunden“, im vorliegenden Bd., S. 622–624). An eine Gesamtdarstellung von beachtlichen Ausmaßen hat sich der freiberufliche Historiker Gerhard Seibold (Crailsheim) aus einer deutsch-österreichischen Perspektive herangewagt. Der Autor sieht in seiner Arbeit ein Thema mit europäischer Dimension, die sich schon durch die geographische Orientierung am Hl. Römischen Reich und die Ausrichtung ab der Zeit Friedrichs III. aus dem Hause Habsburg (1415–1493) ergibt. Der Autor macht gleich deutlich, dass Wappenverleihungen in einer ersten Phase meist losgelöst von der Adelserhebung erfolgten und auch vielen Bürgerlichen zugutekamen (S. 29, 359–362, 363). Ab dem 19. Jh. waren dann allerdings die Wappenverleihungen meist an Standeserhöhungsdiplome gekoppelt. Auf dem Reichsboden nahmen auch die Territorialfürsten das Verleihungsrecht in Anspruch. Allein in Preußen wurden in den Jahren 1873–1918 ca. 1100 Standeserhöhungen vollzogen (S. 37). Vom 15. Jh. bis 1823 wurden geschätzt 80 000 solcher Gnadenakte von Reichshofkanzlei, Österreichischer Hofkanzlei und der Vereinigten Österreichisch-Böhmischen Hofkanzlei ausgestellt. Von 1823 bis 1918 kamen allein in der österreichisch-böhmischen Reichshälfte 11 000 weitere Standeserhebungen und Gnadenakte hinzu. Für den deutschsprachigen Raum ist von 80 000 Wappendiplomen auszugehen, welche um die böhmischen, ungarischen, niederländischen und partiell italienischen Wappenbriefe zu ergänzen sind. Damit geht der Autor von insgesamt ungefähr 130 000 Urkunden aus, die im Verlauf von 500 Jahren ausgefertigt wurden. Rund 10 000 Wappenbriefe haben sich davon im öffentlichen Besitz erhalten. Privat könnte es noch ca. 3000 Objekte geben (S. 45). Daneben war die Ausgabe von Wappenbriefen auch ein Privileg der Hofpfalzgrafen (comites palatini), deren Blütezeit von ca. 1550 bis in das 17. Jh. fiel, woran sich eine Phase des Niedergangs anschloss (S. 45, 280–286; 597–628: Liste von 500 der geschätzten ca. 3000 in 400 Jahren ausgestellten Hofpfalzgrafenurkunden). In 15 Jahren habe der Vf. 1500 Originale in Deutschland, Österreich, Polen, der Slowakei, Tschechien und Ungarn gesichtet. In die nähere Auswahl hat der Autor 503 Urkunden genommen, von denen 382 (aus den Jahren 1465–1918) der leider nicht näher vorgestellten Privatsammlung Werdenberg angehören (S. 50, 352–356, 628–958 Katalog). Der Autor sieht Berührungspunkte zu den Historischen Grundwissenschaften, Heraldik, Genealogie, Paläographie, Sphragistik, Sozial- und Kunstgeschichte (S. 21). Dabei kam es juristisch auf die schriftliche Beschreibung des Wappens, weniger auf die bildliche Darstellung an. Tatsächlich scheute man aber meist keine Kosten, um die Urkunde auch zu einem Blickfang zu machen. Bürgertum und Adel kamen sich – so der Autor – beim Wappengebrauch nahe (S. 31). Der Vf. erklärt ausführlich die Materialität, Inhalte, Gestaltung und Schmuckelemente der Wappenbriefe (S. 383–412). An der Gestaltung des Helms erkennt man, ob der Wappenträger ein Bürgerlicher oder ein Adeliger war. Letztere und die ihnen gleichgestellten Doktoren der Rechte und der Theologie führten Bügel- und Spangenhelme. Ein Stechhelm verweist auf einfache Bürger. An diese Unterschiede hielt man sich später nicht mehr (S. 62). Für die künstlerische Umsetzung konnte man sich bald an darauf spezialisierte Miniaturisten wenden (S. 82 f.). Die Monarchen hatten mit den Wappenverleihungen ein Instrument in der Hand, mit dem sich nicht nur symbolischer Konsens – zumal in Randgebieten des Reiches wie in Italien – schaffen, sondern auch Geld (S. 252–260) verdienen ließ. Seibold zeichnet kenntnisreich die Wege der Ausfertigung eines Wappenbriefs vom Konzept bis zur fertig besiegelten Urkunde nach, benennt die involvierten Behörden und Kanzleivorsteher. Für die Reichshofkanzlei verfügt man mit Lücken über eine Registerüberlieferung von 1348 bis 1806 (S. 231). Die in der 1. Hälfte des 19. Jh. allenthalben gegründeten Heroldsämter (zuvorderst in Preußen) hatten die Aufgabe, die neuen Adelsmatrikel zu führen (S. 238 f.). Unter den Neuadeligen aus dem Balkanraum findet man erstmals auch Orthodoxe. 1792 wurde in Sachsen ein Muslim in den Adel aufgenommen (S. 338 f.). Künstler und Maler wie Tizian (1533) erhielten einen Wappenbrief; die Dichter Goethe und Schiller 1782 bzw. 1802 (S. 340 f.). Bd. 2 umfasst die Abb. der genannten 503 Wappen, die zur besseren Kontextualisierung von weiterem Bildmaterial mit Detailaufnahmen und zur sozialen Position der Familien flankiert sind. Eine besondere Erwähnung verdient ein Wappenbrief, der von Johannes IX. Antonius I. Flavius Angelus Comnenus Ducas Palaeologus († 1738), dem als Fälscher berüchtigten selbsternannten Großmeister des Konstantinischen Ritterordens des Heiligen Georg, stammt (Nr. 477). Die Familie dieser schillernden Figur war dubiosen Ursprungs und keineswegs mit den Paläologen verwandt, was man wohl hätte erwähnen können (S. 285, 512, 591, 1123; siehe zuletzt dazu den Aufsatz von Christian GastgeberWien und das neu begründete imperium Romano-Byzantinum (1720–1738). Der selbsternannte Großmeister des Konstantinischen Ritterordens des Heiligen Georg Iohannes IX. Antonius I. Flavius, Angelus, Comnenus, (Ducas), Lascaris, Paleologus“ im Bd. „Menschen, Bilder, Sprache, Dinge. Wege der Kommunikation zwischen Byzanz und dem Westen“, 2018, Bd. 2, S. 359–381). Der Autor räumt ein, dass einige Fragen offenbleiben. So sind die Verzeichnisse der Hofpfalzgrafen und des Kanzleipersonals unvollständig (S. 33). Die vom Papst ernannten conti palatini werden nur gestreift (S. 283 f.). Da das Stichwort Italien im ansonsten recht sorgfältigen Ortsregister fehlt, seien hier die Seiten mit explizitem Italienbezug aufgeführt: S. 26, 39, 100, 158, 200, 206–209, 214 f., 221, 311 f., 353, 357, 439, 481, 518, 591–594, 597.

Andreas Rehberg

Pierluigi Licciardello (a cura di), Arezzo e la Tuscia dall’età antica all’alto medioevo. Atti della giornata di studi in memoria di Alberto Fatucchi, Arezzo (Società storica aretina) 2020, 230 pp., ISBN 978-88-89754-26-9, € 24.

Difficile presentare in poche parole un libro che intende onorare la parabola di vita scientifica ma anche di testimonianza umana di una persona come Alberto Fatucchi. Del resto, non semplice deve essere stato anche per gli organizzatori della giornata di studi (svoltasi il 24 novembre 2018 presso la Casa del Petrarca ad Arezzo) scegliere chi invitare a partecipare ma anche, necessariamente, chi escludere dal novero di quanti avrebbero preso la parola per un convegno che ha inteso ricordare lo studioso non in modo encomiastico ed offrendo, invece, nuovi contributi su alcuni dei tanti temi di interesse di Alberto Fatucchi per la storia di Arezzo, magistralmente da lui calata nel più ampio contesto toscano nella sua precipua posizione di città con importanti legami nell’area romagnola e in quella umbra. Fatucchi è stato un ormai sempre più raro esempio di docente di scuola che non ha rinunciato a continuare a studiare sebbene ciò abbia forse rischiato di essere considerato, già nei suoi ultimi anni di docenza, se non una colpa, una incomprensibile stravaganza. Nell’arco della giornata si sono così susseguiti otto contributi su temi relativi alla Arezzo antica e a quella alto-medievale, le fasi predilette da Fatucchi il quale non va dimenticato che si muoveva con disinvoltura anche ben oltre, sia indietro, fino all’età etrusca, sia in avanti, nel tardo medioevo. Le centuriazioni (Giulio Firpo), la viabilità (Renato Stopani), l’archeologia (Alessandra Molinari), i culti (Anna Benvenuti), la scultura (Giulio Ciampoltrini), i monasteri (Pierluigi Licciardello), i castelli (Simone De Fraja) e il territorio, in un’ampia fase dall’età longobarda al secolo XII (Jean Pierre Delumeau) sono i temi che i diversi contributi hanno potuto toccare. Le relazioni sono precedute dai ricordi di Luca Berti (presidente della Società Storica Aretina), di Giulio Firpo (presidente dell’Accademia Petrarca di Lettere Arti e Scienze di Arezzo) e di Giuliano Pinto (presidente della Deputazione di Storia Patria per la Toscana), oltre a una presentazione del convegno da parte del curatore e a un „Ricordo di Alberto Fatucchi“ di Jean Pierre Delumeau. Pierluigi Licciardello, oltre a dotare il volume anche di indici dei nomi di persona e dei nomi di luogo, ha inserito una bibliografia di Fatucchi tratta dal sito dello studioso (albertofatucchi.it) per il periodo fino al 2006 e completata da Licciardello stesso per la fase successiva, arrivando così a un totale di ben 195 pubblicazioni. Andando a scorrere tale ricchissima produzione si trovano gli interessi prevalenti di Fatucchi e cioè quelli relativi all’organizzazione del territorio, con particolare riguardo alla viabilità e alla presenza di edifici di culto di cui lo studioso indagava il problema della continuità e dell’interruzione altomedievale. Come si vede, si tratta di temi assai ben rispecchiati dall’insieme delle relazioni tra le quali, per i limiti di questa sede, è possibile evidenziarne un paio, a partire da quella di Alessandra Molinari, capace di restituire in poche pagine i formidabili avanzamenti nella conoscenza dell’area extraurbana del Colle del Pionta che accolsero il corpo del secondo vescovo aretino, Donato, così importante nella formazione dell’identità cittadina di Arezzo. Grazie alle campagne archeologiche recenti, si è meglio determinato il percorso da luogo di culto, prima, a sede della cattedrale, poi. La collocazione della chiesa madre in contesto extraurbano – ecco l’anomalia aretina rispetto ad altri casi – venne confermata in età carolingia; ancora tra fine secolo X e primi trent’anni dell’XI, vi furono attività costruttive da parte di tre vescovi importanti come Elemperto, Aldalberto e Teodaldo con i quali il Pionta divenne una vera e propria cittadella vescovile dove, sebbene rallentata dallo spostamento della cattedrale in città, ancora nei due secoli successivi sono testimoniate imprese edilizie, quanto meno di restauro. Pierluigi Licciardello, invece, nel suo contributo rende omaggio a una delle principali tematiche di indagine di Fatucchi, studiando gli insediamenti monastici aretini senza limitarsi a quelli principali e andando, invece, a ricercare le tracce anche di fondazioni monastiche minori, alcune delle quali coinvolte nella celeberrima disputa tra le diocesi di Arezzo e Siena: tema carissimo a Fatucchi che dedicò una serie di contributi a varie chiese aretine scomparse ma, anche, a pievi su ville romane, a monasteri minori e ad altri aspetti della cristianizzazione delle campagne. È appena il caso di notare che questi filoni di ricerca si riconnettono a quelli della viabilità, della centuriazione, dei culti, delle sculture; non va dimenticato che proprio a Fatucchi venne affidato il volume sulla diocesi di Arezzo del „Corpus della scultura altomedievale“ promosso dal Centro italiano di studi sull’alto medioevo di Spoleto e uscito nel 1977: fu questa, forse, la sua opera più complessa, accanto all’amplissimo numero di contributi attenti al dato locale ma capaci, anche, di collocare questo in quadri territoriali più vasti e in problemi di respiro generale. Nel libro viene anche a pieno titolo ricordata l’esperienza umana di Fatucchi, giovanissimo partecipante alla Resistenza e lucido testimone di quei fatti in una sua fatica intellettuale degli ultimi anni, il volume „Miseria ed onore: l’esperienza più preziosa della mia vita“ (Arezzo-Siena 2008), che si potrebbe considerare il suo testamento spirituale.

Mario Marrocchi

Cristina Mantegna/Olivier Poncet (éd.), Les documents du commerce et des marchands entre Moyen Âge et époque moderne (XIIe–XVIIe siècle), Roma (École française de Rome) 2018, 443 pp., ISBN 978-2-7283-1316-7, € 30.

Al titolo di questo volume, dopo i termini „commercio“ e „mercanti“ manca una parola: „européen“. I saggi, alcuni molto utili, presentati in questa miscellanea, che raccoglie gli atti del XIV Congresso della Commissione internazionale di diplomatica, hanno come riferimento il contesto europeo e in alcuni pochi casi quello atlantico visto dall’Europa, ma le fonti considerate in ventuno dei ventidue saggi, sono europee. Solo un saggio, quello di Mohammed Ouerfelli, considera fonti arabe del Maghreb del Duecento. Eppure il titolo indica chiaramente che l’ambizione del volume è quella di soffermarsi sulle fonti dei mercanti tra il XII e il XVII secolo, senza specificazioni geografiche. In un periodo in cui moltissime studiose e studiosi cercano di portare avanti dei lavori sulla documentazione di continenti diversi dall’Europa, non si capisce come mai né il titolo, né l’avant-propos, né il saggio introduttivo, né le conclusioni dei curatori facciano riferimento al contesto eminentemente europeo delle fonti considerate. La prima parte, sul Mediterraneo, si apre con il contributo di Francesca Mancino su „L’applicazione del principio di aequitas nella prassi giudiziaria dei mercanti“, che ci ricorda come la prospettiva del diritto sia essenziale nello studio della documentazione commerciale, la cui prassi era basata su contratti e più in generale su istituzioni e principi del diritto. Seguono dei contributi sulle societates amalfitane, documentate attraverso testi molto antichi, il primo risalente al 967. Fa seguito poi il già menzionato contributo, fondamentale in questo volume, sulle relazioni con i mercanti del Maghreb, un lavoro sui mercanti fiorentini e infine un lavoro sui mercanti catalani. La seconda parte del volume, la più densa, si concentra sull’Europa dalla Manica agli Urali tra Medioevo ed età moderna. Sono qui raccolti saggi sul regno di Francia, sulla città fiamminga di Ypres, su Arras, sulla Svezia, sull’area della lega anseatica, sulla Boemia, due saggi sull’Ungheria, uno molto ben informato sulla Russia. La terza parte del volume presenta una serie di contributi sull’Atlantico. Poiché la tradizione diplomatica, per quanto riguarda la documentazione commerciale europea, è egemonizzata dalle tipologie documentarie più diffuse nel Mediterraneo del Medioevo e della prima età moderna, i lavori sul nord-est dell’Atlantico portoghese all’inizio dell’età moderna (di José Marques, Maria Cristina Cunha, Maria João Oliveira Silva), quello sulle lettere e sui documenti (prevalentemente procure) dei mercanti portoghesi nel Cinquecento (di Maria Helena da Cruz Coelho e Saul António Gomes), quello sul commercio marittimo della costa asturiana del primo Seicento (di Maria Josefa Sanz Fuentes), quello sulle scritture mercantili tra Cinque e Seicento (di Reyes Rojas García) e sui protocolli notarili sivigliani nella prima metà del Cinquecento (di Maria Luisa Domínguez Guerrero e Pilar Ostros-Saledo) sono particolarmente interessanti. L’utilità di molti lavori di questo volume consiste nel fatto che sono costruiti non solo come saggi di ricerca, ma come guide alla documentazione. Nel complesso, sia il valore che l’utilità di quasi tutti i saggi di tutte e tre le sezioni sono fuori discussione: considerati uno per uno sono molto interessanti. In conclusione, però, vorrei portare l’attenzione su una questione terminologica che risalta enormemente anche ad una prima veloce lettura. A p. 81 troviamo queste frasi: „Gli introiti più rilevanti, per l’epoca di cui stiamo trattando, provenivano al fiorentino specie dal commercio degli schiavi negri“ e ancora: „La Guinea forniva i negri venduti dalle tribù di appartenenza“. „Schiavi negri“, „negri“ e „tribù“ sono i termini utilizzati senza virgolette da Luisa D’Arienzo nel saggio sulla famiglia Cambini di Firenze. Sono usati per descrivere gli affari del mercante Bartolomeo Marchionni, uno dei primi a investire nel traffico di persone tra l’Africa e l’Europa alla metà del Quattrocento. Negli ultimi anni si discute spesso se non sia il caso di usare termini quali „persona resa schiava“ al posto di „schiava“ o „schiavo“: l’uso dei termini menzionati nel saggio sui Cambini ci riporta invece indietro con forza a ottanta, cento, centocinquanta anni fa, a seconda della tradizione storiografica che potremmo prendere come riferimento. In alcuni paesi, negli Stati Uniti e in Inghilterra, ad esempio, un testo in cui si ricovrebbe oggi a questi termini sarebbe probabilmente ritirato dal commercio; in Sudafrica si potrebbe configurare un crimine, perché lì la costituzione proibisce l’uso della parola con la „N“. In Italia (il testo è stampato a Roma, con il contributo de „La Sapienza“), dove i conti con il passato coloniale sembrano essere sempre in arretrato, è possibile che queste sviste dei curatori passino inosservate. L’uso di tali termini può essere considerato come una svista, ma anche come una spia di una questione più ampia. Non è semplice studiare la storia dell’Africa avendo a disposizione solo la documentazione prodotta dai mercanti europei. Se non ci si pone in una posizione consapevole, il rischio è quello di glorificare la storia degli operatori economici, gli stessi che hanno reso schiave milioni di persone. D’altra parte, come ho accennato in apertura, anche l’omissione del termine „europeo“ nel titolo segnala un problema ampio e complesso.

Carlo Taviani

Romedio Schmitz-Esser/Knut Görich/Jochen Johrendt (Hg.), Venedig als Bühne. Organisation, Inszenierung und Wahrnehmung europäischer Herrscherbesuche, Regensburg (Schnell und Steiner) 2017 (Studi. Schriftenreihe des Deutschen Studienzentrums in Venedig. Neue Folge 16), 264 S., Abb., ISBN 978-3-7954-3222-5, € 39,95.

„Die Markusstadt als Drehscheibe internationaler Politik“ soll nach den Worten der Hg. der nach einer Tagung 2015 entstandene Sammelbd. vorstellen („Publikum, Ort und Inszenierung: Das mittelalterliche und frühneuzeitliche Venedig als Bühne“, S. 7–15). Wie nur wenige andere Metropolen eignet sich Venedig zur Inszenierung internationaler Sichtbarkeit und hat dies seit der Karolingerzeit und bis zum 18. Jh. schon ebenso getan. Damit wird das „klassische“ Forschungsthema der Herrscherbegegnungen wie das „modernere“ der symbolischen Kultur in der exemplarischen Analyse der dreizehn Aufsatzbeiträge zusammengeführt, von denen zehn dem Mittelalter gelten. Eine allgemeine Übersicht zur Handhabung von Ritualen der Herrscherbegegnung, insbesondere von Papst-Kaiser-Treffen im Hochmittelalter, bietet Gerd Althoff, „Inzenierungen des Besuchs im Mittelalter“, S. 17–26. Achim Hack, „Vom Seekrieg zum ersten Herrscherbesuch. Die Karolinger und Venedig“, S. 27–49, beschreibt die häufig übersehene maritime Kriegführung in der Herrschaftspolitik der Karolinger und den ersten, nur ansatzweise erschließbaren Besuch eines Kaiser(paare)s nahe Venedig (Brondolo) in der zweiten Hälfte des 9. Jh. Ein geheimes colloquium secretum war hingegen der Kaiserbesuch 1001, von dem Knut Görich berichtet („Heimliche Herrscherbegegnung: Kaiser Otto III. besucht Venedig [1001]“, S. 51–66). Weil Rituale der Herrscherbegegnung öffentliche Inszenierungen darstellten, waren sie nicht möglich, wenn ein Konsens der Deutung nicht hergestellt werden konnte. Die politische Notwendigkeit ließ hier die Heimlichkeit, eine Praxis des Inkognito, alternativlos werden. Aus dem rätselhaften Schweigen der Überlieferung zu einem Kaiserbesuch Ende des 11. Jh. und dessen Missdeutung in der späteren Historiographie formt Roman Deutinger, „Vom toten Winkel auf die Bühne. Heinrich IV. in Venedig“, S. 67–78, einen Detektivbericht zum Aufenthalt Heinrichs IV. in Venedig. Dass ein hinreichend bekanntes Ereignis völlig neue Seiten zeigt, wenn man es auf seine praktische Umsetzung befragt, zeigt Romedio Schmitz-Esser, „Friedrich Barbarossa zu Besuch: Zwischen Gästeliste und Wahrnehmung des Friedens von Venedig“, S. 79–97, anhand des Aktes von 1177, indem er nach der (Un-)Möglichkeit fragt, das übliche Empfangsritual mit dem päpstlichen Schimmel zwischen den Kanälen aufzuführen und tausende von Gästen in der Stadt unterzubringen. Denselben Anlass untersucht Jochen Johrendt, „Venedig als ‚papstfreie Zone‘. Der Venedigaufenthalt Alexanders III. im Jahr 1177 und seine historiographische Bewältigung“, S. 99–124, bezogen auf die offenkundige Risikowahrnehmung in der Stadt. Die überaus aufwendigen Maßnahmen zur Sicherung und Inszenierung des Papstaufenthaltes stehen in auffälliger Spannung zu der trotz vereinzelter Panegyrik geringen historiographischen Resonanz und lassen die Tatsache, dass Alexander III. offenbar der einzige päpstliche Besucher im mittelalterlichen Venedig blieb, unerwartet schlüssig erscheinen. Auch der Besuch Friedrichs II. 1232 blieb singulär. Hubert Houben, „Friedrich II. und Venedig. Versuch einer Annäherung“, S. 125–148, mit einem Auszug aus einer unedierten Quelle S. 144–148, analysiert die heiklen diplomatischen Verhältnisse zwischen Venedig, dem Papst und dem Kaiser und aktuelle Spannungen als Ursache für die geringe chronikalische Erinnerung an den Besuch, im Gegensatz zur narrativen Aufwertung in der modernen Geschichtsschreibung. Der Titel des Textes von Eva Schlotheuber, „Ein schwieriges Verhältnis – Karl IV. und Venedig“, S. 149–161, würde auch auf andere Beiträge passen. Zwischen seinen traumatischen Jugenderlebnissen in Italien und der meisterhaften pragmatischen Diplomatie seiner späteren Jahren gelang es allerdings Karl IV. 1337, das Spiel mit den Empfangsritualen zu seinen Gunsten zu nutzen: Er entzog sich dem von Venedig geplanten Zwang eines demonstrativen Besuchs durch Flucht, um wenig später unter veränderten Rahmenbedingungen einen glänzenden Empfang zu erhalten. Hingegen durchweg prunkvolle Empfänge erfuhren die aus eigener politischer Notlage eher widerwillig anreisenden kaiserliche Personen aus Byzanz im Spätmittelalter, wie Niccolò Zorzi, „Der Empfang byzantinischer Kaiser in Venedig in palaiologischer Zeit (Johannes V., Manuel II., Johannes VII.): Nachlese aus venezianischen und byzantinischen Quellen“, S. 163–184, zeigt. Nicht weniger glänzend verliefen die Empfänge für Friedrich III., der dreimal nach Venedig reiste. Claudia Märtl, „Friedrich III. in Venedig“, S. 185–201, unterscheidet dabei zwischen den feierlichen, historiographisch aufgewerteten Ritualen und den klandestinen, aber gewichtigen politischen Gesprächen, die in der Chronistik kaum Spuren hinterließen. Eher als Anlass der Selbstrepräsentation genommen wurden Herrscherbesuche (wie andere Gelegenheiten), um im 17. und 18. Jh. die feierlichen und für Zeitgenossen offenbar überaus beeindruckenden Regatten zu inszenieren, wie Tobias C. Weißmann, „Kunst und Athletik. Prunkregatten zu Fürstenbesuchen im Venedig der Frühen Neuzeit“, S. 203–224, mit sieben Abb., zeigt. In derselben Zeit waren die Empfänge für Gesandte fremder Höfe auch durch das seit dem Spätmittelalter deutlich weiter ausdifferenzierte diplomatische Personal gekennzeichnet, wie es Stefanie Cossalter-Dallmann, „,Instare la venuta del Mons.r … Ambasciatore ordinario‘. Der Empfang von Herrscherrepräsentanten in der Serenissima. Französische Botschafter in Venedig vom 16. bis 18. Jahrhundert“, S. 225–238, beschreibt. Im 18. Jh. bot der Aufenthalt in Venedig dem europäischen, auch fürstlichen Adel Gelegenheit, die beliebte Maskerade bei Festinszenierungen einzusetzen, wie Stephan Oswald, „Inkognito in Venedig. Der Hochadel zu Besuch in der Stadt des Settecento“, S. 239–256, erläutert, wobei Joseph II. sich daran erfreute, wahlweise inkognito oder auch unter anderen sozialen Rollen aufzutauchen. Die drei Beiträge zur Frühneuzeit konzentrieren sich auf auswärtige höfische Gäste bei Festveranstaltungen in Venedig besonders außerhalb fürstlichen Ranges, während die auf das Mittelalter bezogenen Beiträge sich vornehmlich mit den zum Empfang fürstlicher Gäste gestalteten Inszenierungen befassen. Die Beachtung oder Variation ritueller Spielregeln nahm dabei sukzessive ab zugunsten einer Inszenierung repräsentativer Festkultur. Die Inkognito-Praxis, erwartungsgemäß im Kontext des Karnevals in der Frühneuzeit ausgeprägt (Oswald), findet sich auch schon allerdings in der Praxis des Hochmittelalters (Görich). Vieles, was insbesondere zum Mittelalter zu sagen ist, wäre auch bei anderen Metropolen zu beobachten. Der chronologische Durchgang durch die klug gewählten und so quellennah wie anschaulich beschriebenen Exempla erlaubt ein Verständnis von strukturellen Analogien und Unterschieden, die bei thematischer Anordnung vielleicht klarer geworden, dann aber nicht so eindrücklich als Entwicklung der Praxis sichtbar wären. Ein ausführliches Personen- und Ortsregister gibt Orientierung. Es gelingt dem Bd., die „Drehscheibe“ Venedig als Ort einer situativen Inszenierung und pragmatischen Nutzung der Verfahren von Empfang und Gastung im Rahmen einer personal getragenen internationalen Diplomatie und Begegnungskultur zu zeigen; nicht das Übliche und Erwartbare dominiert in den Exempla, sondern das Besondere bis hin zur flexiblen Regelanwendung.

Martin Kintzinger

La Sala Grande di Palazzo Vecchio e la „Battaglia di Anghiari“ di Leonardo da Vinci. Dalla configurazione architettonica all’apparato decorativo, a cura di Roberta Barsanti et al., Firenze (Olschki) 2019 (Biblioteca Leonardiana. Studi e documenti 8), XXIV, 608 S., Abb., ISBN 978-88-222-6670-5, € 60.

Die Frage, ob in dem durch Girolamo Savonarola veranlassten Anbau an den Palazzo Vecchio in Florenz mit dem Namen „Saal der Fünfhundert“ hinter den monumentalen Malereien Giorgio Vasaris noch die Überreste von Leonardos Anghiarischlacht zu finden seien, von der unter anderen Rubens Zeichnungen anfertigte, hat seit den spektakulären Bohrungen der 1970er Jahre viel mediale Aufmerksamkeit erhalten. Bewiesen werden konnte die Existenz von Leonardos Kunstwerk niemals. Auch in dem vorliegenden jüngsten Sammelbd. gelangen die Autorinnen und Autoren zu dieser ernüchternden Feststellung. Der Bd. selbst liefert allerdings sehr viel mehr als dies. In interdisziplinärem Zugriff zeichnen die Autorinnen und Autoren sowohl die Geschichte und Kunstgeschichte des Palastes als auch die Forschungsgeschichte zu diesem Bau und eben dem Gemälde Leonardos umfassend nach. Beigegeben ist ein Anhang (VI) mit einer quellengestützten Chronologie 1294–2012 durch Emanuela Ferretti sowie einer verdienstvollen (Neu-)Edition aller bisher in Florenz verfügbarer Dokumente zum Palast von 1483 bis 1590 durch Veronica Vestri mit sämtlichen Handwerker- und Künstlernamen, die allerdings bedauerlicherweise nicht im Namenregister des Bd. berücksichtigt worden sind. Ansonsten werden italienischsprachige Beiträge mit nützlichen englischen Abstracts in fünf Sektionen geboten. Nach einer gelehrten Hinführung durch Adriano Prosperi, die dem bemerkenswerten Konnex zwischen Leonardo, Machiavelli und Michelangelo in diesem Bauwerk nachspürt, geht es in der ersten Sektion um Leonardo und den Saal: Emanuela Ferretti zeichnet zunächst die Forschungsgeschichte mit einem kritischen Blick auf mediale Aufmerksamkeitserzeugung nach, Bruce Edelstein und Giovanni Ciappelli setzen sich sodann in fundamentaler Weise mit den zwei wohl bedeutendsten Erforschern der (politischen) Architektur dieses Palastes – Johannes Wilde und Nicolai Rubinstein – auseinander und zeigen neue Recherchemöglichkeiten auf, die durch einen Beitrag von VeronicaVestri zu Recherche- und Transkriptionsmethoden komplettiert werden. In Sektion II erfolgt eine architektonische Bestandsaufnahme mit aktuellen Grabungsbefunden zu dem Areal des römischen Theaters, auf dem sich der Palazzo Vecchio erhebt (Monica Salvini u. a.), einer Analyse der Abmessungen und mathematischen Prinzipien des gotischen Palazzo dei Priori und seiner Anbauten (Maria Teresa Bartoli), zu den Vorgängerbauten im 14. Jh. (Marco Frati), den architektonischen Überresten der großen Loggia des Zollhauses (dogana) im 15. Jh. (Gianluca Belli), zur Innenausstattung des großen Saals, insbesondere den Holzarbeiten (Riccardo Pacciani) und ihren Resten, die sich heute u. a. in Santa Croce befinden (Marco Collareta). Sektion III spürt der Geschichte des Palastes in der ersten Hälfte des 16. Jh. nach: In einem wichtigen Beitrag macht Nicoletta Marcelli anhand der Analyse von Savonarolas Predigten, aber vor allem bisher unberücksichtigter poetischer Werke den Gonfaloniere di giustizia perpetuo Pier Soderini als Auftraggeber von Leonardos Anghiarischlacht wahrscheinlich, Amedeo Belluzzi illustriert den Palast als Wohnort Soderinis und seiner Frau Argentina Malaspina und den damit verbundenen Funktionswandel, Francesca Funis widmet sich Vasaris Ausgestaltungskampagne, Giorgio Caselli bietet eine Analyse des Mauerwerks der Ostwand und Francesca Borgo nimmt in einem kurzen Beitrag in Voraussicht auf eine größere Studie eine Umdeutung der Malereien Vasaris und Vincenzo Borghinis von der Historienmalerei hin zu einer auf der Epik basierenden Kunst vor. Sektion IV ist der Rezeption der Anghiarischlacht in Zeichnungen und ikonographischen Quellen gewidmet (Marco Campigli, Roberta Barsanti, Marco Ruffini. Ruffini stellt eine Neudeutung des Briefes Anton Francesco Donis von 1549 vor, der sich auf Leonardos Zeichnung, nicht auf seine Wandmalereien beziehe, von denen damals nichts mehr erhalten gewesen sei). Die letzte Sektion ist den technischen Untersuchungsmethoden (Mauro Matteini, Massimiliano Pieraccini, Massimo Coli u. a.) sowie Leonardos Arbeitsweise (Roberto Bellucci, Cecilia Frosinini) gewidmet. Insgesamt ist der Bd. vorwiegend von archäologischem und kunsthistorischen Interesse. Darüber hinaus wird auch die historische Forschung ihn dort zu berücksichtigen haben, wo es um die Wissenschaftsgeschichte und den Platz dieses Florentiner Machtzentrums im urbanistischen und ideellen Gefüge der Renaissancemetropole am Arno geht.

Tobias Daniels

Mariarosa Cortesi (a cura di), „Non ore orandum solo“ nelle vicende del monastero di Santa Grata „in Columnellis“ a Bergamo, Firenze (SISMEL. Edizioni del Galluzzo) 2020 (mediEvi 24), XIV, 294 pp., tavv., ISBN 978-88-8450-970-3, € 52.

Incardinata in una breve ma significativa tradizione di studi, della quale si invita a considerare l’essenziale Mariarosa Cortesi/Giordana Mariani Canova, „Il Legendario di Santa Grata tra scrittura agiografica e arte“, Bergamo 2002, la miscellanea curata da Mariarosa Cortesi restituisce alla storia e al patrimonio culturale del monastero di Santa Grata in Columnellis di Bergamo Alta l’integrità che le soppressioni napoleoniche e le crisi economiche minarono tra Otto e Novecento. Eppure, le monache di S. Grata avevano vissuto una lunga fioritura tra il XII e il XVI sec., lasciando numerose testimonianze sia nella documentazione giuridica ed economica, sia in termini di arte, musica e letteratura. I contributi della nuova raccolta comunicano al più vasto pubblico gli interventi del ciclo di conferenze svoltosi presso il monastero orobico tra l’8 dicembre 2017 e l’8 dicembre 2018. Da un punto di vista ampio ed inclusivo, Mariano Dell’Omo, „Modelli di santità nello specchio del medioevo monastico. Un itinerario dal passato al futuro“, pp. 3–16, segue la trasformazione dei paradigmi di vita e spiritualità ai quali attinsero i monaci tra VI e XIII sec., mentre Emore Paoli, „,Ora et labora‘. Contemplazione e scrittura al femminile“, pp. 17–37, evidenzia come nel vivido racconto della profezia la letteratura mediolatina monastica femminile abbia dimostrato la sua particolare vocazione. Giacomo Baroffio, „,Domine, labia mea aperies‘. Canto e preghiera nei monasteri benedettini“, pp. 39–68, argomenta, accompagnato da numerose trascrizioni musicali, l’irriducibilità del canto gregoriano, che è preghiera in musica, alla sola dimensione d’arte. Altri contributi riguardano nello specifico il monastero di S. Grata, dalla cui storia emerge il profilo della badessa Grazia d’Arzago (XIII sec.). Ella dimostra, con le parole di Claudio Leonardi, la „maturazione sociale“ del ruolo di superiora, che la porta ad esercitare un’empirica razionalità economica nella cura del patrimonio fondiario del monastero: le sue oculate transazioni, documentate nelle carte del Fondo di Religione dell’Archivio di Stato di Milano, sono illustrate da Gianmarco Cossandi, „Gestione e governo della badessa Grazia d’Arzago. Appunti per la storia del monastero di Santa Grata nel Duecento“, pp. 89–112. Agostino Paravicini Bagliani, „Il monastero di Santa Grata e il papato“, pp. 69–87, passa in rassegna privilegi e lettere papali custoditi nell’Archivio del monastero, con i quali i pontefici concessero alle badesse dapprima la protectio apostolica su beni e diritti, poi, tra XIII e XVI sec., un’ampia autonomia spirituale e la facoltà di ingerirsi nelle questioni pastorali a scapito dell’autorità vescovile. Ma la badessa Grazia si fregia anche della „autonomia di linguaggio religioso“ – ancora Leonardi – appena conquistata per mezzo dell’alleanza con il frate Pinamonte da Brembate, autore di una Vita di S. Grata che è rinnovato fondamento per la devozione delle monache. In questa legenda Mariarosa Cortesi, „,Ritraremo adhunche a memoria la gloria de la beatissima Grata‘ con documenti, testi e libri“, pp. 113–137, ha riscontrato rilevanti dipendenze dalla coeva agiografia di Bartolomeo da Trento, che testimoniano l’aggiornamento della cultura bergamasca e la priorità, per Grazia e Pinamonte, della narrazione esemplare rispetto all’osservanza della storicità. L’attenzione della comunità per la cultura è confermata dalla costituzione di una ragguardevole biblioteca monastica, dispersa agli inizi del XX sec. e ora ricostruita dalla Cortesi a partire da due inventari settecenteschi. Sul versante artistico della miniatura, si deve a Giordana Mariani Canova, „Spiritualità e immagini benedettine femminili da santa Scolastica a santa Grata di Bergamo“, pp. 139–164, la collocazione degli esempi, in gran parte quattrocenteschi, provenienti da quest’antica raccolta nel panorama delle botteghe e dei maestri lombardi. Al contesto controriformistico pertiene invece la riedificazione della chiesa di S. Grata, la cui progettazione, in linea con le indicazioni post-tridentine sull’organizzazione dello spazio sacro, è descritta da Paolo Mazzariol, „Una nuova speranza nella lacerazione della città: la chiesa esterna di Santa Grata“, pp. 165–178. La prosperità di S. Grata sarebbe terminata soltanto con le soppressioni napoleoniche: Riccardo Semeraro, „Economia e istituzioni nelle procedure di soppressione e ripristino del monastero di Santa Grata in Columnellis di Bergamo [1798–1817]“, pp. 193–217, analizza le finanze del monastero in quegli anni turbolenti, valutando contestualmente cause ed effetti del difficile negoziato con il restaurato governo austriaco. L’Ottocento non fu però solo un secolo di crisi: Mario Taccolini e Giovanni Gregorini, „,Il riscoprimento d’un corpo morale‘. Religiosi e società nella Lombardia del lungo Ottocento“, pp. 179–191, presentano l’impegno sociale di alcune religiose lombarde del XIX sec., tra cui Teresa Verzeri, educata a S. Grata. Infine, le relazioni di due pontefici del secondo dopoguerra con il monachesimo benedettino. Ezio Bolis, „I rapporti di papa Giovanni XXIII con il monastero di Santa Grata e la spiritualità benedettina“, pp. 219–246, poggiando sulla documentazione edita e inedita della Fondazione Papa Giovanni XXIII di Bergamo, dà contezza del legame personale di Angelo Roncalli con le monache di S. Grata, che egli vedeva pienamente integrate nella comunità dei religiosi della diocesi e chiamate a contribuire alla missione apostolica della Chiesa. L’elezione di S. Benedetto a patrono d’Europa, già nei progetti di Giovanni XXIII, fu proclamata da Paolo VI: Pierantonio Piatti, „,Come una casa di vetro‘. Dalla Regola benedettina all’umanesimo monastico di Paolo VI“, pp. 247–270, riflette sulle numerose testimonianze lasciate da papa Montini sulla rinnovata valenza positiva dell’antropologia e della teologia di Benedetto nel disegno di un umanesimo cristiano nell’epoca post-conciliare. Un’ultima nota: fu Roncalli ad acquistare a Parigi nel 1945 un Innario, appartenuto a S. Grata e poi venduto, e a restituirlo al vescovo di Bergamo, iniziando così quel processo, che pare oggi oltremodo consolidato grazie a questa raccolta di studi, di riappropriazione della memoria storica del cenobio.

Giacomo Pirani

Attilio Vaccaro/Gioacchino Strano (a cura di), Giuseppe Valentini (S. J.) (1900–1979) storico bizantinista e albanologo. Studi e ricerche nel quarantennale della sua scomparsa, prefazione di Cosimo Damiano Fonseca, studio introduttivo di Attilio Vaccaro, Lecce (Argo Editrice) 2020 (Religiosità e cultura tra Oriente e Occidente 3), 702 S., Abb., ISBN 978-88-8234-200-5, € 27.

2019 konnte die italo-albanische Eparchie von Lungro auf ihr hundertjähriges Gründungsjubiläum zurückblicken, gleichzeitig jährte sich zum vierzigsten Mal das Todesjahr des Theologen, Albanologen und Byzantinisten Giuseppe Valentini. Dies veranlasste Attilio Vaccaro und Gioacchino Strano, Professoren für Albanologie bzw. Byzantinistik an der Università della Calabria, einen umfassenden Sammelbd. herauszugeben. Themengebend war der Gelehrte Pater Valentini, dessen breites Forschungsspektrum die Fachgebiete der Theologie, Albanologie und Byzantinistik abdeckte. Entsprechend vielfältig sind auch die insgesamt 17 Fachbeiträge. Da die vorliegende Publikation vielleicht nicht unbedingt im Blickfeld der historischen Forschung steht, erscheint es besonders geboten, an dieser Stelle auf einige für Historikerinnen und Historiker einschlägige Aufsätze hinzuweisen. Nach zwei kurzen, persönlich geprägten Erlebnisberichten (Cosimo Damiano Fonseca, „Prefazione“, S. 11–14, und Ignazio Parrino, „Dieci anni di studi col prof. P. Giuseppe Valentini S. J.“, S. 15–24) liefert Attilio Vaccaro, „Studio introduttivo: Giuseppe Valentini S. J. (1900–1979) e il Medioevo albanese“, S. 25–162, eine umfassende Biographie, die den Gelehrten vor allem in seiner Funktion als Historiker würdigt, reiche bibliographische Daten bietet und durch den Bildanhang darüber hinaus wichtige Einblicke in die Lebenssituation Nordalbaniens zu Beginn des 20. Jh. vermittelt. Die Schnittstellen zwischen Orient und Okzident beleuchten Stefano Parenti, „Due membra disiecta di eucologi del Salento conservati nel Grottaferrata Γ.β. XXI“, S. 499–522, und Luca Parisoli, „Per una storia del pensiero metafisico tra Occidente latino e Oriente greco: energeia e esse nel contributo di David Bradshaw“, S. 523–542, anhand von Fallbeispielen aus der Liturgie- und Philosophiegeschichte. Die liturgischen Fragmente aus der Terra d’Otranto machen die Verbreitung des griechischen Ritus im kirchlichen Alltag, aber auch die beginnende Latinisierung im 13. und 14. Jh. deutlich. Der geographische Schwerpunkt der Studien – in Übereinstimmung mit den Forschungen von Padre Valentini – liegt im südwestlichen Balkanraum (Albanien, Epiros) mit starken Bezügen zu Süditalien, zeitlich dominieren Mittelalter und Frühe Neuzeit. Die eher spärlichen historio-, ethno- und geographischen Quellen zu Albanien bzw. zu den Albanern von der Spätantike bis ins 11. Jh. stellt detailliert Aurel Plasari, „Gli Albanesi nelle testimonianze dalla tarda Antichità sino all’alto Medioevo“, S. 543–579, zusammen. Trotz verschiedener, diskutabler Einzelbelege wird deutlich, dass ein aussagekräftiges, quellenbasiertes Bild erst ab dem 11. Jh. möglich ist. Gewissermaßen in Ergänzung kann Gioacchino Strano in seinem interessanten Aufsatz „Le relazioni fra Epiro, Corfù e Italia meridionale alla luce delle fonti agiografiche bizantine“ (S. 607–626) überzeugend enge Beziehungen zwischen Epiros und Süditalien vom 6. bis ins 11. Jh. nachweisen. Dabei zeigt sich besonders die Insel Korfu als wichtiger Knotenpunkt. Die Bedeutung der illyrischen Küste wird auch deutlich, wenn Basileios, der griechische Metropolit von Reggio Calabria, der sein Erzbistum aufgrund der Latinisierung nicht in Besitz nehmen konnte, 1090 gerade im südalbanischen Durazzo/Durrës den kaiserlichen Protosebastos Hadrianos Komnenos kontaktiert, um eine byzantinische Intervention zu erwirken (Stavros G. Georgiou, „Basil of Reggio and the anonymous Protosebastos, an aspect of the history of Dyrrhachion under Alexios I Komnenos [1081–1118]“, S. 359–377). Mariarosaria Salerno, „Attività diplomatica e ambasciatori tra il Mezzogiorno angioino e i Balcani“, S. 581–606, kann auf der Basis einer akkuraten Auswertung der rekonstruierten anjovinischen Register des Archivio di Stato di Napoli nicht nur die Bedeutung des Balkanraums für die Politik von Karl I. und Karl II. von Anjou unterstreichen, sondern auch die stark personalisierten Strukturen außenpolitischer Verhandlungen vor der Ausbildung einer Staatsdiplomatie im Lauf des 15. Jh. mit reichem prosopographischem Material herausarbeiten. Dabei wird deutlich, dass der Balkanraum auch nach der Sizilianischen Vesper weiterhin im Blickfeld der anjovinischen Politik blieb. Mit der wachsenden osmanischen Expansion seit dem Ende des 14. Jh. änderte sich die europäische Balkanpolitik entscheidend. Dies galt umso mehr nach dem aus bekannten Gründen gescheiterten Unionskonzil von Ferrara-Florenz (vgl. dazu Attilo Vaccaro, „Il Concilio di Ferrara-Firenze [1438–1439]: un impegnativo progetto di unione tra le Chiese separate d’Oriente e d’Occidente“, S. 627–702) und dem Fall Konstantinopels 1453: Balkanpolitik wurde weitgehend synonym mit „Türkenkriegen“. Dem seit Skanderbeg fast sprichwörtlichen, kriegerischen Widerstandspotential der Albaner kam dabei eine besondere Rolle zu. Insbesondere im 16. Jh. diente Skanderbeg als Exempel für Aktivisten der „Türkenkriege“ (Pietro De Leo, „550 anni dalla morte di Giorgio Castriota Scanderbeg [1469–2018], eroe nazionale albanese tra Oriente e Occidente“, S. 287–306). Noch im 17. Jh. gab es Pläne, albanische Aufstände für umfassende Strategien gegen die türkische Herrschaft auf dem Balkan zu nutzen, wie Peter Bartl, „Albanien als Ziel von Türkenkriegsprojekten an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert“, S. 173–196, in seiner quellenreichen Studie zeigt. Abschließend sei noch auf einen interessanten Beitrag zur albanischen Historiographie hingewiesen: Kastriot Marku, „Injac Zamputti, dishepull i at Giuseppe Valentini-t“, S. 391–456, liefert mit der Biographie von Injac Zamputti (1920–1998) wichtige Einblicke in die – auch in kommunistischer Zeit – aktiven Forschungen der albanischen Geschichtswissenschaft zur Vormoderne. Auch wenn die Lektüre aufgrund der albanischen Sprache des Aufsatzes erschwert ist, sind die reichen bibliographischen Angaben äußerst hilfreich. Die Auswahl der angezeigten Beiträge kann nur einen Teilaspekt des umfassenden kulturhistorischen Spektrums des Sammelbd. abbilden. Sie macht aber deutlich, dass die Lektüre über die Albanologie hinaus auch für Historikerinnen und Historiker zahlreiche anregende Erkenntnisse bietet. Dies gilt umso mehr, als Studien zum Balkanraum zumindest in der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Geschichte Europas zu Unrecht häufig vernachlässigt werden. Naturgemäß ist Albanien (auch aufgrund der Geschichte des 20. Jh.) in der italienischen Historiographie besser präsent. Es wäre zu wünschen, dass dieser Bd. zu einer intensiveren Beschäftigung der internationalen Forschung mit einem komplexen, höchst interessanten Raum zwischen Orient und Okzident beitragen kann.

Thomas Hofmann

Lorenzo Tanzini/Francesco Paolo Tocco, Un Medioevo mediterraneo. Mille anni tra Oriente e Occidente, Roma (Carocci) 2020 (Frecce), 464 pp., ISBN 978-88-290-0066-1, € 39.

La storia del Mediterraneo – e del Mediterraneo medievale, in particolare – è stata oggetto, negli ultimi tempi, di diverse proposte di revisione. Gli aggiornamenti più recenti sono frutto del progetto „Oceanides“, che ha contribuito a traslare l’attenzione dal Mediterraneo in sé – per così dire, braudelianamente inteso – al mare quale soggetto precipuo di storia, inteso in una prospettiva globale, con lo scopo di comprendere in che misura tale elemento abbia costituito un reale fattore di differenziazione nello sviluppo complessivo di popoli e civiltà. Se la mediterraneistica non può prescindere, oggi, da tale dimensione, non si può, certo, dire ch’essa abbia perso di specificità; a partire dall’attenzione per chi sul „grande mare“ ha vissuto e prosperato, all’insegna di quella „human history of the Mediterranean“ proposta ormai qualche anno fa da David Abulafia, ormai pienamente affermatasi rispetto alla prospettiva immaginata al principio del secolo da Peregrine Horden e Nicholas Purcell. Non si può certo dire, a ogni modo, che tali istanze abbiano trovato radicamento nella medievistica italiana, lontana da temi e argomenti del genere. Anche laddove l’interesse sia andato concentrandosi sulla figura del mercante, la prospettiva non ha mancato di restare ancorata all’universo latino, ignorando quella naturale comparazione con le altre sponde del Mediterraneo divenuta imprescindibile per favorire una corretta interpretazione. Non solo: la stessa storia marittima e navale, strettamente legata alla storia del Mediterraneo, è ancora poco praticata. Scarsa attenzione s’è prestata allo studio del mezzo – la nave – e degli uomini che di esso n’erano l’anima. Si è lasciato che tali aspetti facessero naufragio, concentrandosi sulle strutture d’un quotidiano incapace di contemplare il mare quale orizzonte comune. Certo, mediterraneisti e marittimisti non sono mancati. Tuttavia, le loro proposte di lettura non hanno conosciuto particolare fortuna nella descrizione accademica d’un Medioevo che, tutt’oggi, risalta principalmente per le proprie strutture continentali, frutto d’una storiografia tesa ancora a ragionare secondo il paradigma della „repubblica marinara“: null’altro che una falsa rappresentazione. Un fatto, questo, particolarmente stridente per una penisola come quella italiana, in cui le fonti marittimiste non mancano. Costituisce, dunque, una piacevole eccezione il volume, di taglio manualistico, di Lorenzo Tanzini e Francesco Paolo Tocco, che si configura alla stregua d’un validissimo ponte verso una maggiore considerazione del ruolo del Mediterraneo nella cultura storica italiana. L’opera introduce elementi importanti, allontanandosi programmaticamente dalle visioni consuete d’un Medioevo – per così dire – schiacciato sui „cavalli“, piuttosto che sulle „navi“. E benché stenti a emanciparsi del tutto dall’impostazione solitamente adottata nei corsi di storia medievale, concedendo ampio spazio alle strutture politiche e istituzionali – la cui mancata trattazione, del resto, tenendo conto delle finalità dell’opera, avrebbe costituito un limite –, ne evidenzia bene le pecche. Gli autori propongono una trattazione tripartita, ancorché amalgamata nella scelta diacronica e solo parzialmente tematica, presentando con un linguaggio piano e godibile tanto il contesto latino-germanico, quanto le interazioni tra questo e i mondi contermini: quello musulmano – con una netta preferenza per le vicende dell’Islām italiano – e quello bizantino. Da questo punto di vista siamo di fronte a uno sforzo notevole, benché l’attenzione per la latinità, complice la tradizione di studi del nostro paese e la stessa strutturazione dei corsi universitari, risulti preponderante. Nonostante ciò, il volume raggiunge un risultato fondamentale nel controbilanciare la narrativa tradizionale, tendenzialmente eurocentrica – o, se si vuole, italocentrica; comunque, schiacciata sull’analisi istituzionale dell’area centro-settentrionale della penisola, con particolare riguardo al Regnum Italiae e alla storia „comunale“ –, concedendo ampio spazio – e ciò penso sia uno dei pregi maggiori del volume – alla civiltà urbana del Meridione, solitamente lasciata in ombra. Tale attenzione contribuisce a restituire al lettore i caratteri d’un Medioevo diverso; d’un Medioevo degli „orizzonti aperti“, per citare Roberto Lopez, il cui centro spaziale diventa necessariamente il Mediterraneo: non solo spazio geografico; soprattutto, spazio di relazione. Un obiettivo raggiunto, dunque, capace di evidenziare come fra terra e mare sussista un rapporto intrinseco. Ed è proprio la riflessione su tale rapporto ad aprire la via – ritengo – a un passaggio ulteriore: l’emanciparsi del tutto dall’urgenza d’illustrare fenomeni e strutture di portata locale in favore della costruzione d’una nuova narrativa, centrata unicamente sulle interazioni, capace d’evidenziare le specificità d’un Mediterraneo plurale – latino, greco, arabo, berbero, ebraico, mamelucco, e così via – e di fare del mare il vero comune denominatore: in che misura il fatto marittimo ha differenziato l’evoluzione delle civiltà mediterranee? In che modo l’orientamento verso il mare ha inciso sulla demografia, l’economia, lo sviluppo istituzionale, lo sviluppo culturale e scientifico, financo sul fatto religioso dei popoli che ne hanno abitato le sponde? Il volume di Lorenzo Tanzini e Francesco Paolo Tocco costituisce un passo importante verso questa direzione, cui penso debba indirizzarsi la stessa formazione universitaria, con lo scopo d’intercettare urgenze e bisogni speculativi d’un mondo sempre più interconnesso come quello attuale, tornato a guardare al Mediterraneo come a un baricentro di civiltà.

Antonio Musarra

„Sapiens, ut loquatur, multa prius considerat“. Studi di storia medievale offerti a Lorenzo Paolini, a cura di Caterina Bruschi e Riccardo Parmeggiani, Spoleto (Fondazione italiana di studi sull’alto medioevo) 2019 (Uomini e mondi medievali 64), 576 S., 10 Abb., ISBN 978-88-6809-279-5, € 65.

Ciceros Worte haben angesichts zahlreicher aktueller Krisen besonderes Gewicht: vielen wünscht man (nicht nur dem bei Cicero beschworenen „Weisen“), sie hätten, bevor sie sich zu einer Sache äußern, diese tatsächlich auch durchdacht. Die Lorenzo Paolini, dem an der Universität Bologna lehrenden Mediävisten gewidmete Festschrift trägt diesen Ciceros „De officiis“ entlehnten Titel nicht ohne Grund, ist doch das, was bisher Paolinis Feder an Monographien und Artikeln entsprungen ist, stets Frucht umfangreicher Quellenarbeit und intensiver Reflexion gewesen. Oberflächlichkeit und bloßes Wortgeklingel waren ihm stets fremd. Sein Werk sticht aus der Masse der Publikationen zur Geschichte des Mittelalters nicht zuletzt aufgrund des engen Bezugs zu (vornehmlich noch nicht publizierten) Quellen deutlich hervor. Die 29 Beiträge des Sammelbd. sind drei großen Themengebieten zugeordnet, mit denen sich Paolini im Laufe seines vierzigjährigen Lebens als Forscher und Hochschullehrer beschäftigte – 1. Häresie, Inquisition, Bettelorden; 2. Universität und studia; 3. Personen und Themen aus der Geschichte Bolognas. In der ersten Sektion zu Fragen der Häresie und ihrer Bekämpfung sind diejenigen Analysen von besonderer Bedeutung, die sich mit den Anfängen der Inquisition und den daraus resultierenden Schwierigkeiten im Verhältnis zwischen weltlicher und geistlicher Macht beschäftigen. Riccardo Parmeggiani etwa widmet sich der Zusammenarbeit zwischen Gui Foucois, dem späteren Clemens IV., und Alfons von Poitiers, die für die Institutionalisierung der Inquisition im kapetingischen Midi von zentraler Bedeutung war (S. 101–118). Die Rolle des Guy Foucois wird ausgehend vom „Consilium domini Guidonis Fulcodii de quibusdam dubitabilibus in negotio Inquisitionis“ als „estremamente poliedrico“ (S. 101) beschrieben und vor allem anhand zweier quaestiones analysiert, zum einen die Kompetenzkonflikte zwischen Inquisitoren und Bischöfen, zum anderen die Zuweisung konfiszierter Güter (bona haereticorum) betreffend. Deutlich wird, dass Guy Foucois als Bindeglied zwischen Alfons von Poitiers und dem hohen Klerus des Languedoc erfolgreich agierte, er sich als Papst jedoch nur noch sporadisch um die Inquisition kümmerte. Träger der Inquisition waren häufiger Vertreter des Dominikanerordens. Marco Rainini liefert neue Erkenntnisse zur Persönlichkeit desjenigen notarius papae, dem sich die Abfassung der Kanonisationsbulle Fons sapientie (3. Juli 1234) für den (hl.) Dominikus verdankt (S. 57–76). Der Text der Bulle ist in großen Teilen durchzogen von militärischen und eschatologischen Bildern. Rainini greift die bereits bekannte These wieder auf, ein notarius papae, genauer: der Florensermönch Giuseppe da Fiore, sei für die Abfassung der Bulle verantwortlich gewesen und habe seinen eigenen, von apokalyptischen Spekulationen geprägten spirituellen Hintergrund miteinfließen lassen. Mittels einer inhaltlichen Detailanalyse der sieben von Giuseppe verfassten päpstlichen litterae wird demonstriert, dass tatsächlich von einer Verfasserschaft für Fons sapientiae ausgegangen werden kann. Ein Neufund bestätigt diese Zuweisung zusätzlich (Paris, Bibl. Mazarine, ms. 1713, fol. 101v–102r, mit folgender Rubrik: Epistula fratris Ioseph, domini pape notarii, de sancto Dominico et de Ordine Predicatorum). Maria Giuseppina Muzzarelli widmet sich einem hochinteressanten Aspekt konkreter Predigttätigkeit im späten Mittelalter und behandelt die Frage, wieviele Teilnehmer an den in einschlägigen Quellen oftmals zu „Predigtevents“ überhöhten Auftritten berühmter Prediger teilgenommen haben (S. 191–212). Sie setzt dabei die Zahlenangaben in Relation zu den tatsächlichen Flächenmaßen von Plätzen und Kirchen: Wenn etwa Bernardino da Feltre auf der Piazza dei Signori in Padua 14 000 Zuhörer angelockt haben soll, spricht angesichts einer Gesamtfläche von 5000 m2 nichts gegen diese Zahl. Angesichts solcher Massenhappenings gerieten die Prediger mitunter selbst in Gefahr: Leib und Leben konnten oft nur durch eigens angemietete Wachen geschützt werden. Städtische Autoritäten fürchteten das den Predigten inhärente Unruhepotential und machten z. B. Bernardino da Feltre unmissverständlich klar, dass allzu eiferndes Predigen gegen Juden nicht toleriert werden würde. In der zweiten, den Universitäten gewidmeten Sektion, finden sich Editionen bisher unbekannter Stücke, so etwa bei Roberto Lambertini, der einen Text des dominikanischen Generalmagisters Hervaeus Natalis zum Problem evangelischer Armut analysiert und ediert (De usu nudo) (S. 319–337). Berardo Pio richtet seinen Blick auf die konkreten Örtlichkeiten, an denen in Bologna im 14. Jh. universitäres Leben (Unterricht, Studentenunterkünfte, Sitzungen) stattfand und beschreibt dabei eindrücklich die Trennung der Schulen und Unterkünfte nach Vierteln (S. 265–280). In der dritten, der Stadt Bologna gewidmeten Sektion geraten nicht nur Institutionen wie das Leprosarium von San Giacomo (Maria Clara Rossi, S. 423–433), sondern auch Persönlichkeiten wie die Mitglieder der Familie Sozzini (Mario Fanti, S. 449–487) in den Blick. Fanti stellt (dank einer von ihm mitverantworteten Neuordnung des erzbischöflichen Generalarchivs in Bologna) neue Quellen zum Umgang der Inquisition mit der Familie Sozzini vor. In einem Anhang findet sich eine Auflistung von 57 für die Familiengeschichte der Sozzini relevanten, den Zeitraum 1542–1589 umfassenden Urkunden. In einer fünf Beiträge umfassenden, „Studi vari“ überschriebenen Sektion finden sich Untersuchungen, die sich thematisch etwas weiter von den drei zentralen Themengebieten wegbewegen. Während sich etwa Mauro Ronzani mit dem Bedeutungsgehalt des Begriffs dignitas vor dem Hintergrund des in den Jahren 1218–1240 tobenden Pisaner Streits zwischen Erzbischof und Kapitel um die jeweiligen Rechte beschäftigt (S. 487–514), richtet Irene Bueno ihren Blick auf die Rolle Armeniens bzw. der Armenier während des Pontifikats Johannesʼ XXII. (1316–1334) (S. 545–562). Dazu werden die 150 einschlägigen päpstlichen litterae einer eingehenden Analyse unterzogen. Deutlich werden dabei die engen Verbindungslinien zwischen päpstlichem Kreuzzugsengagement, Mission und Kirchenunion. Eine gelungene Festschrift, in der insbesondere diejenigen Beiträge von großer Bedeutung sind, in denen (dem Vorbild des Geehrten folgend) neues Quellenmaterial ausgewertet und ediert wird.

Ralf Lützelschwab

Andreas Bihrer/Miriam Czock/Uta Kleine (Hg.), Der Wert des Heiligen. Spirituelle, materielle und ökonomische Verflechtungen, Stuttgart (Franz Steiner) 2020 (Beiträge zur Hagiographie 23), 234 pp., ill., ISBN 978-3-515-12680-9, € 46.

Il volume deve essere considerato in primo luogo nel suo contesto editoriale, come ultimo volume della collana della casa editrice Franz Steiner, diretta da Dieter R. Bauer, Klaus Herbers, Volker Honemann, Hedwig Röcklein, che si caratterizza per la riflessione teorica e multidisciplinare su tematiche agiografiche e più generalmente storiografiche, impegnata nel confronto con la contemporaneità. Nel volume sono raccolti i contributi dell’incontro promosso dall’attivo e fecondo gruppo di ricerca, l’Arbeitskreis für hagiographische Fragen, incontro tenutosi dal 26 al 28 aprile 2018 nel Tagungshaus Weingarten dell’Accademia della Diocesi di Rottenburg-Stuttgart. La riflessione sul concetto di santità si concentra nell’introduzione generale di Miriam Czock, la studiosa cui il volume è stato dedicato dopo la sua morte, su due elementi essenziali: la complessità (p. 11) e l’intreccio fra spirituale e materiale (p. 13), vero filo rosso di tutto il volume, come argomenta esaurientemente Uta Kleine nel saggio „Heilige Ökonomie“, che, con riferimento alle ricerche di Giacomo Todeschini („Il prezzo della salvezza“), individua nello specifico agiologico e devozionale il rapporto fra discorso economico e discorso spirituale (p. 34). Quattro le sezioni: „Das Maß der Heiligkeit“, „(Ver)rechnen und (Ver)handeln“, „Der Wert des Heiligen“, „Schätze des Heils“, ognuna preceduta da una introduzione, rispettivamente di Claudia Alraum, Felicitas Schmieder, Klaus Herbers, Andreas Bihrer, dalle quali si evince come l’impostazione generale privilegi la dimensione teorica dei problemi, confermata anche dal saggio conclusivo di Ludolf Kuchenbuch („Nachhaltgedanken. Die Zwei Sprachen des Werts des Heiligen“), riservando alla dimensione storica una funzione che definirei generalmente esemplificativa. Una più organica strutturazione storica e un più organico radicamento nelle fonti si rileva nell’analisi di Stefan Esders, „Heilige als Juristische Personen. ‚Transapersonale‘ Institutionalisierung im früheren Mittelalter“, relativa a un tema che ha le sue origini lontane e fondative nel volume di Nicole Herrmann Mascard („Les reliques des saints. Formation coutumière d’un droit“, del 1975): un tema qui rivisitato attraverso fonti diversificate, da quelle propriamente giuridiche come il Codice Giustinianeo e Burcardo, a quelle martiriali, a Ambrogio da Milano, alla Regola di San Benedetto, fino a storiografi come Flodoardo di Reims, illustre rappresentante di quelle scritture storiche, i „Libri Pontificales“, nel quale si evidenzia la funzione del santo e delle sue reliquie come vero fondamento spirituale e materiale dell’istituzione, che permette all’autore di concludere su una „equivalenza funzionale“ fra il santo e quello che molto più tardi sarà individuato come „persona giuridica“ (p. 104). Centrato sul tardo antico e il primo medioevo (il termine „Frühmittelalter“ non corrisponde esattamente all’italiano alto medioevo) il saggio di Franziska Quaas, „Sakralität und Handeln“, che individua nel linguaggio teologico, pastorale, agiografico, giuridico lo stretto rapporto istituito dalla cultura cristiana fra sacralità e mercato: dal Christus mercator, un appellativo che si trasferisce poi al martire, al sacrum commercium, al thesaurus meritorum, mentre Cordelia Hess, „Der Erfolg der Heiligen“, rivendica, in sintonia con Harvey Whitehouse („Modes of Religiosity“), la necessità di contestualizzare il significato del culto dei santi in uno specifico ambito geografico e temporale, la „periferia agiografica“ scandinava al tempo della conversione, individuando, attraverso figure di sante poco note, ma molto venerate, tracce di religiosità precristiana e profonde diversità nel modo di intendere e praticare il culto e la devozione. Philip Zimmermann („Der Wert der Armut und der Armen für die Heilige bei Venantius Fortunatus“) mette in luce il ruolo decisivo della povertà personale e della cura dei poveri nella costruzione della santità nella Vita di Radegonda, così da conferirle un’autorità superiore a ogni potere politico, in contrasto con l’agiografia della santa regina scritta agli inizi del secolo VII dalla consorella Baudonivia, centrata sulla vita nel monastero e sui miracoli ivi compiuti (p. 71). A Volker Leppin („Ablasskritik im späten Mittelalter“) si deve la ricostruzione degli antecedenti della critica delle indulgenze, Gerson, Wyclif, Major, Suso e la Devotio Moderna, fino alla più radicale condanna da parte di Lutero. Ho infine individuato nel volume alcuni temi di particolare interesse per la storia della storiografia agiografica come pure per i miei personali percorsi di ricerca: il potere delle reliquie nel saggio di Stefan Laube („Reliquienkapital“), che conferma la loro polivalenza come capitale economico, politico, spirituale, mediatico, miracoloso, evidenziando la distinzione tra miracoli e mirabilia, che porterà in futuro alla „Kunst-und Wunderkammer“ (p. 205); e la conferma della materialità del sacro, esemplificato da Gia Toussaint („Heilige Handschriften. Wert und Virtus“) dai manoscritti, che permette di ricollegarci al valore di vere e proprie reliquie attribuito agli scritti di Francesco d’Assisi, messo in luce nell’edizione di Attilio Bartoli Langeli. Il volume costituisce un apporto peculiare e innovativo su importanti tematiche agiografiche e rappresenta un invito, in primo luogo a me stessa, a una sempre maggiore integrazione fra diverse tradizioni storiografiche.

Sofia Boesch Gajano

Vinni Lucherini/Gerardo Boto Varela (a cura di), La cattedrale nella città medievale. I rituali, Roma (Viella) 2020 (Quaderni napoletani di storia dell’arte medievale 5), 393 S., Abb., ISBN 978-88-3313-126-9, € 60.

Ende des 15. Jh. existierten nicht weniger als 263 Bischofssitze in Italien, 131 in Frankreich und 67 in England. Im Heiligen Römischen Reich zählte man 70 Bistümer. Die meisten verfügten über mehr oder minder repräsentative Kathedralkirchen. Als Sitz des Bischofs und Ort, an dem sich bischöfliche Liturgie entfaltet, hatten (und haben) Kathedralen Vorbildcharakter – und dies bezieht sich nicht allein auf die Qualität der in ihren Mauern zelebrierten Liturgie. Kathedralen fungierten als zentrale Bezugsorte der Stadtgemeinden: Verbo et exemplo sollten all diejenigen, die in der Kathedrale bzw. im Kathedralbezirk lebten und arbeiteten, ausstrahlen und die Stadt – zumindest idealiter – zu einem besseren Ort machen. Ideal und (städtische) Realität befanden sich jedoch allzu oft in Widerspruch zueinander. Zerwürfnisse zwischen Bischof und Stadt, zwischen Domkapitel und Bischof oder Stadt und Domkapitel kamen ebenso häufig vor wie Phasen vertrauensvoller Zusammenarbeit. In allen Fällen kam dem Ritual, das mittels symbolischer Handlungen auf soziale Stabilisierung setzte, gesteigerte Bedeutung zu. Ein drei große Abschnitte (1) „Cattedrali e città“; 2) „Rituali, immagini, suoni“; 3) „Profili mediterranei“) mit insgesamt 15 Beiträgen umfassender Sammelbd. spürt einzelnen Facetten dieses spannungsreichen Verhältnisses von Stadt, Kathedrale und Ritual nach. In einem einleitenden, historiographisch ausgerichteten Beitrag versucht Vinni Lucherini, Schneisen in die nach Zehntausenden von Titeln zählende Bibliographie zu schlagen (S. 13–35). Die Artikel des Bd. (in italienischer, spanischer, französischer, deutscher und englischer Sprache) reichen in ihrem Anspruch von einfachen, erkennbar unter Zeitdruck zusammengestellten Materialsammlungen bis hin zu elaborierten Spezialuntersuchungen, die ihren Wert auf lange Sicht hin behalten dürften. Während sich Bruno Klein mit ritualisierten Planungs- und Bauprozessen an mittelalterlichen Kathedralen befasst (S. 39–46) und dabei nicht nur auf die „stabilen“ Rituale am Anfang und Ende der Bauzeit (Grundsteinlegung bzw. Kirchweih) eingeht, sondern auch diejenigen in den Blick nimmt, durch die die „Zwischenzeit“ strukturiert werden konnte, demonstriert Guy Lobrichon anhand dreier Kathedralbezirke (Sens, Reims, Soissons) die Bedeutung des „fait social de la cathédrale dans l’historiographie“ (S. 47–64). Untersucht wird hier vor allem das Verhältnis der Domkapitel zur städtischen Gesellschaft und die Bedeutung von Prozessionen für die Stadtgemeinde. Einige Antworten überraschen: Lobrichon glaubt nicht, dass die Bürger einer Stadt zu gesteigerten finanziellen Opfern für den Bau „ihrer“ Kathedralen bereit waren – zumindest nicht vor dem 15. Jh. Ebenso energisch wendet er sich gegen die Vorstellung, dass Kathedralen den Städtern stets offen gestanden hätten. Denn eines ist richtig (und wird auch von anderen Autoren immer wieder angeführt): Nur in den allerseltensten Fällen erfüllte eine Kathedrale auch pfarrkirchliche Funktionen. Sakramentenspendung und grundlegende religiöse Unterweisung fanden andernorts statt. Das Territorium einer Stadt wurde nicht allein durch die Kathedrale, sondern durch viele Pfarr- und Kollegiatskirchen markiert, deren Gründung z. T. von der Kathedrale ausgegangen war. Dieses Miteinander unterschiedlicher Kirchen konstituierte den städtischen Sakralraum. Am Beispiel Lüttichs und den Grablegen der Bischöfe zeigt Alain Dierkens, dass die Kathedrale zwar die „indiscutable église centrale du diocèse“ (S. 71) war, dabei aber eine alles andere als exklusive Stellung innehatte (S. 65–74). Auf die Verbindung der Kathedrale zu den übrigen städtischen Sakralräumen geht auch Fabio Coden in seiner ausgesprochen lesenswerten Abhandlung am Beispiel Veronas und seiner Stationsliturgie ein (S. 75–113). Den Bereich der romanitas verlässt Dušan Zupka mit einem Beitrag zur Bedeutung der Kathedralen in Prag und Krakau als „ritual centres“ (S. 141) nicht nur für die jeweilige Stadt, sondern für die Königreiche selbst (S. 139–156). Demonstriert wird dies anhand einiger Beispiele, etwa der Krönung Karls IV. im Veitsdom in Prag. Neben erfolgreich absolvierten Ritualhandlungen geraten auch Fälle in den Blick, in denen das elaborierte Ritualsystem durch äußere, nicht vorhersehbare Einflüsse ins Wanken geriet, nirgendwo eindrücklicher fassbar als 1509 bei der Krönung des erst zweijährigen Ludwig Jagiello in Prag, die nicht nur unter fortwährenden Weinkrämpfen des Kleinkinds, sondern auch unter den Störversuchen seiner drei Jahre älteren Schwester litt. Von den böhmischen Adligen wurde dieses Verhalten der landfremden „Ungarn“ als despektierlich und ehrverletzend empfunden. Bissera V. Pentcheva stößt mit ihrem Beitrag zur musikalischen Liturgie, wie sie am Fest Kreuzerhöhung in der Hagia Sophia gefeiert wurde, in einen Bereich vor, der in den Geschichtswissenschaften seit einiger Zeit erfreulicherweise stärkere Beachtung findet (S. 159–179). Die Musik, die in der zentralen Kirche des byzantinischen Kaiserreichs erklang, war elaboriert, raffiniert – und auf den Ort mit seinen architektonischen und akustischen Besonderheiten abgestimmt. Insbesondere dem Nachhall kam besondere Bedeutung zu. Sang man unter der Kuppel, konnte ein Nachhall von zwölf Sekunden erzielt werden. Pentcheva untersucht dieses Klangerlebnis am Beispiel zweier Gesänge für die Liturgie am Fest Kreuzerhöhung. Das Adjektiv, das dieses Erlebnis wohl am treffendsten charakterisiert, findet sich im Titel: „scintillante“ „funkelnd/glänzend/schillernd“. Tatsächlich verbanden sich im Fall der Hagia Sophia Klang und Architektur zu einem akustisch-visuellen Gesamtkunstwerk. Die Musik, die sich in die Kuppel hinein erhob und von dort „funkelnd“ hinabstürzte und sich im Kirchenraum verbreitete, wurde vom „Funkeln“ der goldenen Kuppelmosaiken flankiert und führte zu einer „presenza metafisica, sensoriale, ricca ma non figurativa, di Dio nello spazio ecclesiastico“ (S. 170). Im Beitrag von Rosa Maria Dessì wird ein für die Kunst- und Politikgeschichte Sienas wichtiger Moment einer eingehenderen Betrachtung unterzogen: die Prozession bzw. der Einzug eines Kunstwerks in die Kathedrale von Siena im Jahre 1311, genauer: der „Maestà“ des Duccio di Buoninsegna (S. 201–223). Véronique Dominguez analysiert, wie sich der an Notre-Dame als Organist und Lehrer der Chorknaben tätige Arnoul Gréban von der Ikonographie der 1297–1350 entstandenen Chorschranken (unter Einschluss des heute verlorenen Lettners) für sein zwischen 1450 und 1452 verfasstes Passionsspiel beeinflussen ließ (S. 225–244). Im Zentrum steht hier eine weitere Form des rituellen Zusammenspiels von Innen und Außen, genauer: ein „dialogue immatériel entre l’œuvre matérielle et le texte ‚par personages‘“ (S. 227). In welchem Maß Reliquientranslationen der Stärkung städtischen Zusammenhalts dienen konnten, zeigen Marta Serrano Coll und Esther Lozano López am Beispiel der Übertragung des Arms der hl. Thekla in die Bischofskirche von Tarragona (S. 285–310), ein Ereignis, das als „the most grand and splendid celebration that took place in Catalonia during the Middle Ages“ (S. 300) charakterisiert wird. Schwarz-weiß Abb. von Gebäuden und Kunstwerken dienen ebenso wie zwei Indices der Namen und Orte dem besseren Verständnis bzw. der Erschließung eines Bd., in dem vor allem auf die Bedeutung von Prozessionen für die Ausgestaltung des Verhältnisses von Kathedrale und Stadt abgehoben wird, in dem sich jedoch viele weitere Beispiele für gemeinsames rituelles Handeln finden lassen, die zum Nachdenken und Weiterforschen anregen.

Ralf Lützelschwab

Gabriele Bartz/Markus Gneiß (Hg.), Illuminierte Urkunden. Beiträge aus Diplomatik, Kunstgeschichte und Digital Humanities, Wien-Köln-Weimar (Böhlau) 2018 (Archiv für Diplomatik, Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde. Beiheft 16), 480 S., Abb., ISBN 978-3-412-51108-1, € 70.

Wie die Hg. dieses Bd., der die Ergebnisse einer interdisziplinären Tagung von 2016 in Wien zu illuminierten Urkunden versammelt, gleich in ihrer Einleitung klarstellen, hatte der Umstand, ob eine Urkunde dekoriert war oder nicht, keinen Einfluss auf ihren Rechtsinhalt. Umso dringlicher erscheint also die Frage, warum zahlreiche Urkunden mitunter aufwendig dekoriert wurden. Eine Antwort mag schnell gegeben sein, denkt man doch zuvorderst an den optischen Eindruck, der das Dokument aufwerten sollte. Allerdings ergeben sich auch etliche weitere Funktionen, die am Typ der Urkunde festzumachen sind. Für die lange kaum beachteten Möglichkeiten für dieses interdisziplinäre Forschungsfeld bedarf es aber auch innovativer Instrumentarien, die das erst noch mühsam zusammenzutragende Bildmaterial aus einer Unzahl von Archiven zur Verfügung stellt. Diesem Ziel hat sich das Datenbankprojekt „Illuminierte Urkunden“ der Wiener Akademie der Wissenschaften unter der Leitung des Kunsthistorikers Martin Roland, des Historischen Grundwissenschafters Andreas Zajic und des Experten in Digital Humanities Georg Vogeler verschrieben. Torsten Hiltmann würdigt in seiner Schlussbetrachtung die neue Zusammenarbeit von Diplomatik, Geschichtswissenschaft, Kunstwissenschaft und Digital Humanities, weist aber auch auf weiterhin bestehende Hürden zumal bei der Vereinheitlichung der Glossare in so bedeutenden Portalen wie „monasterium.net“ und „prometheus“ hin. Dieses letztere Bildportal wird von Lisa Dieckmann vorgestellt, wogegen Vincent Christlein die Vorzüge der automatischen Bildanalyse anhand einer Auswertung von 10 000 Abb. aus „monasterium.net“ illustriert. Einzelanalysen zeigen das breite Feld möglicher Anwendungen, seien dies nun Subskriptionszeichen wie die von St. Galler Privaturkunden (Bernhard Zeller), illuminierte Urkunden als Instrumente der Rechtssicherung und der Erinnerung in Nordspanien im 12. Jh. (Susanne Wittekind), Notarssignete aus der Frühen Neuzeit (Magdalena Weileder) oder verzierte Initialen in Papsturkunden des hohen Mittelalters (Otfried Krafft). Krafft kann dabei eine gegenseitige Befruchtung im Einsatz von Schmuckformen durch die königlich-kaiserliche und die päpstliche Kanzlei plausibel machen (S. 132 f.). Die Päpste selbst griffen für ihren Formenschatz auf Vorbilder von Urkunden zurück, die von stadtrömischen Notaren gestaltet worden waren (S. 141). Die Kunsthistorikerin Francesca Manzari kann für die Kurie in den Jahren von 1378 bis 1447 sogar Namen von spezialisierten Schreibern wie Stefano dell’Aquila festmachen, die gleichzeitig als Fleuronné-Künstler in Hs. greifbar sind. Außerdem wirkte Stefano als abbreviator, grossator und taxator an der Ausstellung päpstlicher Schreiben mit (S. 155–160). Étienne Doublier beschäftigt sich anhand der für den Raum Westfalen ausgestellten Exemplare mit den Faktoren, die die (Nicht-)Ausschmückung von Ablassurkunden bedingt haben. Die Illuminierung kostete Geld, das man sich in einer Landschaft, die anders als das Rheinland keine großen Wallfahrtszentren besaß, sparen konnte (S. 195). Anhand französischen Bildmaterials untersucht Laurent Hablot die Charakteristika von illuminierten Urkunden. Dabei bringt er heraldische und symbolische Elemente zumal an den Initialen zu Tage, die auf den Wunsch einer stärkeren Individualisierung schließen lassen. Diese Tendenz erlebte ihren Höhepunkt mit der Einbeziehung von Devisen, die ab den 1380er aufkamen (S. 224 f.). Alison Stones weitet den Blick auf den Einbezug von figürlichen und szenischen Illustrationen auf französischen Chartularien und Bruderschaftslisten, die auch einen spirituell-identitätsstiftenden Anspruch besaßen (bes. S. 346 f.). Elizabeth Danbury will sich über die Beweggründe für Illuminationen auf englischen Urkunden noch nicht endgültig festlegen (S. 262). Die Beiträge von Laura Alidori Battaglia und Marina Bernasconi Reusser untersuchen den auf die Visconti und Sforza bezogenen Urkundenschmuck in Italien und in der Schweiz. Die Weiterführung der Visconti-Viper unter den Sforza unterstrich bei der Ausfertigung von Privilegien bewusst die dynastische Kontinuität nach dem Ende der kurzlebigen Ambrosianischen Republik 1450, war Francesco Sforza doch schon seit 1441 mit Bianca Maria Visconti verheiratet (S. 310). Marina Vidas und Helena Szépe arbeiten über die venezianischen illuminierten Eidesleistungen, die ebenfalls oft heraldische Symbole einbezogen (S. 325). Henning Steinführer stellt den 1438 durch König Albrecht I. erlassenen Braunschweiger Wappenbrief vor, für den Unkosten in der stattlichen Höhe von 150 Gulden plus Zusatzkosten durch die Reiseausgaben und die Bezahlung des Miniaturisten entstanden waren. Der Wappenbrief wurde noch um 1600 als Argument für die städtische Unabhängigkeit eingesetzt (S. 374). Schließlich konnten illuminierte Urkunden auch Indikatoren von Transfer und kultureller Verflechtung sein, wie die Beiträge von Peter Kóta zu den Urkunden der Arpadenkönige in Ungarn (1001–1301), von Anastasija Ropa und Edgars Rops zu lettisch-litauischem Archivmaterial und von Eter Edisherashvilli zum frühneuzeitlichen Georgien zeigen.

Andreas Rehberg

Biblioteche medievali d’Italia. Repertorio di Inventari e Cataloghi di Biblioteche Medievali dal Secolo VI al 1520, a cura di Massimiliano Bassetti e Daniele Solvi, Firenze (SISMEL. Edizioni del Galluzzo) 2019 (RICABIM. Texts and studies 4, Biblioteche e archivi 38), VIII, 171 S., Abb., ISBN 978-88-8450-952-9, € 110.

Seit 2001 entsteht mit dem „Repertorio di Inventari e Cataloghi di Biblioteche Medievali dal Secolo VI al 1520“ (RICABIM) ein Hilfsmittel, das einen Überblick bietet über sämtliche mittelalterliche Inventare, die Hinweise auf Hss. und Inkunabeln enthalten. Seinen Platz in der Wissenschaftswelt hat sich RICABIM bereits erobert. Hilfsmittel aber wollen genutzt werden. In einem Workshop an der Università della Campania „Luigi Vanvitelli“ ging es im April 2016 darum, die enorme Fülle an Informationen, die die inzwischen erschienenen Bde. des RICABIM liefern, für die Forschung nutzbar zu machen. Die zehn Beiträge der vorliegenden Publikation decken den Zeitraum vom hohen Mittelalter bis in die Frühe Neuzeit ab, mit einem deutlichen Schwerpunkt im 14. und 15. Jh. Geographisch werden dabei vor allem die Regionen Venetien, Toskana und Kampanien behandelt. In den Blick geraten ebenso die exquisiten Büchersammlungen der aragonesischen Könige von Neapel wie diejenigen – qualitativ sehr viel bescheidener und deutlich kleiner – monastischer Institutionen, Pfarrkirchen oder des Diözesanklerus. Wenig überraschend sind es vor allem die Inventare, die den Ausgangspunkt der Untersuchungen bilden. Rund die Hälfte der Beiträge liefert kritische Editionen einschlägiger Inventarpassagen gleich mit und erfüllt so einen Wunsch, der mit dem Großprojekt des RICABIM von Anfang an verbunden war: die Erschließung und Edition bisher unbekannter Quellen zur Buch- und Bibliotheksgeschichte. Jakub Kujawiński beschäftigt sich in seinem Beitrag mit dem mittelalterlichen Büchererbe Salernos, von dem sich nur noch Weniges direkt vor Ort befindet. Untersucht werden drei aus Salerno stammende Kodizes historiographischen Inhalts („Spigolature salernitane. Note intorno al patrimonio librario della Salerno medievale a partire da alcuni codici con cronache“, S. 3–19). Eleonora Rava spürt Hinweisen auf Bücher in 568 Pisaner Testamenten im Zeitraum von 1240–1320 nach und wertet zwei Inventare des 14. Jh. aus, in denen sich der Buchbesitz der Kirchen in der Diözese Pisa aufgelistet findet („Notizie di libri da documenti pisani [sec. XIII–XIV]“, S. 21–62). In lediglich 19 Testamenten (3 % des Gesamtbestands) wurden Verfügungen über Bücher getroffen, 25 Titel dabei explizit genannt: eine überraschend geringe Quote, bei der man sich freilich stets vor Augen halten sollte, dass nur diejenigen Bücher explizit genannt wurden, die der Erblasser anderen Personen als dem Haupterben vermachte. Informatives erfährt man zur in den Quellen verwendeten Terminologie. Hinter dem häufiger auftauchenden Begriff scarsettum etwa verbirgt sich eine Zusammenstellung wichtiger Texte für die liturgische und pastorale Tätigkeit des Klerus (Scarsettum unum orationum; Scarsum unum ad benedicendum aquam pro mortuis). Dávid Falvay identifiziert mit Hilfe von Aussagen aus der Literatur- und Kunstgeschichte den konkreten Inhalt von fünf Kodizes, die im Testament Marias von Ungarn (gest. 1323) lediglich mit allgemeinen Titeln Erwähnung fanden (Liber de vitiis et virtutibus in Gallico; Liber meditationum passionis Christi in Gallico; Vita Beatae Elisabethae 1; Vita Beatae Elisabethae 2; Vitae sanctorum et miracula B. Virginis in Gallico conscripta). Dies ist nicht zuletzt deshalb von Bedeutung, weil die Bibliothek der Anjou von Neapel bereits im 14. Jh. in alle Winde zerstreut wurde („Una fonte per la ricostruzione della biblioteca di Maria d’Ungheria, regina di Napoli“, S. 63–71). Maria Clara Rossi behandelt den Buchbesitz einiger im Umfeld des Veroneser Domkapitels tätiger Kleriker mit dem Ziel „di far luce sui fruitori e sugli aspetti organizzativi della più prestigiosa istituzione culturale che la città di Verona possiede da tempo immemorabile“ („Chierici e libri. Intorno alla cattedrale di Verona [secolo XIV]“, S. 85–101). Herangezogen werden Inventare der Kirchen S. Giovanni in Fonte und S. Giovanni in Valle und zwei Testamente (Ottone de Capris, Priester, und Oliviero Dalle Nozze, Notar des Kapitels), die im Anhang ediert werden. Silvia Carraro analysiert das Inventar eines Paduaner Frauenklosters, das 1443 entstand und den Grund- und Hausbesitz ebenso wie den Bestand an Büchern und liturgischen Geräten dokumentiert („San Francesco Piccolo di Padova. Un monastero femminile e i suoi libri“, S. 103–112). Der Befund von nur 39 Büchern, von denen der übergroße Teil der klösterlichen Liturgie diente, ist ernüchternd, wird aber entsprechend eingeordnet. Denn zu Recht wird darauf hingewiesen, dass diejenigen Kodizes, die sich in den Zellen der Schwestern zum persönlichen (Gebets-)Gebrauch befanden, von der Inventarisierung nicht betroffen waren, die tatsächliche Anzahl der im Kloster befindlichen Bücher also größer gewesen sein muss. In einem Anhang wird das Inventar ediert. Teresa d’Urso beschäftigt sich mit einer der exquisitesten Büchersammlungen des späten Mittelalters und zeichnet Etappen ihrer Auflösung und Zerstreuung nach („La raccolta libraria di Federico d’Aragona. Sulle tracce dei manoscritti miniati“, S. 121–129). Nach seiner Absetzung 1501 waren Federico d’Aragona, dem ein „profilo di raffinato intellettuale“ (S. 121) attestiert wird, und seine Frau in regelmäßigen Abständen dazu gezwungen, sich von Teilen ihrer Bibliothek zu trennen. Anlässlich von Buchverlagerungen und -verkäufen wurden immer wieder Inventare angefertigt, so etwa 1527, als Federicos Sohn Ferrante, Vizekönig von Valencia, 305 Kodizes erhielt, die zu den kostbarsten der Sammlung gehörten, darunter ein wichtiger Textzeuge des Rosenromans (heute Valencia, Biblioteca Històrica de la Universitat, ms. 387), illustriert mit einem der bedeutendsten Figurenzyklen des späten Mittelalters. Paola Zito widmet sich einem Handschriftencorpus (BAV, Vat. lat. 11266–11326), begonnen 1597 und gegen alle Widerstände bis 1603 durchgesetzt, in dem sich der Buchbesitz aller Klosterbibliotheken der italienischen Halbinsel dokumentiert findet, und analysiert die darin genannten Inkunabeln („La produzione a stampa del Quattrocento nelle biblioteche religiose secondo la banca dati Rici“, S. 139–147). Immerhin 15 000 von ihnen werden angeführt, rund ein Fünftel davon in Venedig gedruckt. Besonders präsent sind dabei die Werke des Thomas von Aquin, gefolgt von den Kirchenvätern, Dekretalenausgaben und den Sentenzen des Petrus Lombardus. Der vorliegende, durch drei Indizes (Namen; Orte; Hss. bzw. Archivquellen) erschlossene Sammelbd. darf als Beweis für die Sinnhaftigkeit eines Großunternehmens wie des RICABIM gelten, das ganz offensichtlich bereits vor seinem Abschluss zu einer Fülle neuer Forschungen anregt und uns die Bibliothekswelt des Mittelalters und der Frühen Neuzeit besser verstehen lässt.

Ralf Lützelschwab

Lucia Castaldi/Valeria Mattaloni (a cura di), Diagnostica testuale. Le „Tabulae capitulorum“, Firenze (SISMEL. Edizioni del Galluzzo) 2019 (Te.Tra. Studies 1), XII, 302 S., Abb., ISBN 978-88-8450-933-8, € 46.

Auch in Zeiten digitaler Möglichkeiten bleibt die Erstellung eines kritischen Textes eine fundamentale philologische Aufgabe als Basis für die Forschung in allen textbasierten geisteswissenschaftlichen Arbeitsbereichen. Da in der Regel antike und mittelalterliche Texte nicht als Autographen der Autorinnen und Autoren vorliegen, spielt die Textüberlieferung bei der Konstituierung einer wissenschaftlichen Edition eine entscheidende Rolle. Besondere Probleme treten dabei bei quantitativ großer Textüberlieferung, bei unterschiedlichen Redaktionsstufen, bei Interpolationen oder bei kommentierten und glossierten Schriften auf. Seit 2004 arbeitet die Società Internazionale per lo Studio del Medioevo Latino (SISMEL) in Zusammenarbeit mit der Fondazione Ezio Franceschini im Projekt „Te.Tra“ (La trasmissione dei testi latini del Medioevo/Medieval Latin Texts and Their Transmission) sukzessive die Überlieferung mittelalterlicher lateinischer Texte mit Lemmata zu den einzelnen Autorinnen und Autoren bzw. anonymen Werken auf. In der neu begründeten Reihe „Te.Tra. Studies“ sollen übergreifende methodologische Probleme im Vordergrund stehen. Der vorliegende Bd. behandelt auf der Basis von neun Fallstudien das Phänomen der tabulae capitulorum, also der in vielen Hss. dem eigentlichen Text vorgeschalteten Kapitelverzeichnisse. Diese fast immer sekundär, im Überlieferungsprozess entstandenen Strukturierungselemente wurden bei der Erstellung der Stemmata meist vernachlässigt, bieten aber vielfach wichtige Erkenntnisse für die Abhängigkeitsverhältnisse der einzelnen Hss. Darüber hinaus dokumentieren sie in kulturgeschichtlicher Sicht die intellektuelle Auseinandersetzung der Kommentatoren bzw. Schreiber verschiedener Jh. mit dem Text und konstituieren die einzelne Hs. als eigenständiges Artefakt. In einer konzisen Einleitung (S. IX–XII) bietet Lucia Castaldi eine Begriffsklärung der diagnostica testuale im Rahmen der Methodologie der Textkritik und stellt die tabulae capitulorum in ihrer formalen und funktionalen Diversität vor. Von den Einzelstudien befassen sich allein vier im engeren oder weiteren Sinn mit Gregor dem Großen. Der Beitrag von Lucia Castaldi, „,Tabulae‘ spezzate, invertite e ampliate nella ‚Vita Gregorii‘ di Giovanni Immonide“, S. 3–41, kann in detaillierter Analyse am Beispiel der „Vita Gregorii“ von Johannes Diaconus ein breites Spektrum von Phänomenen der tabulae capitulorum dokumentieren: sukzessive Erweiterung von Kapitelzusammenfassungen, Auslassungen und Umstellungen innerhalb von Textfamilien, Ergänzung fehlender Überschriften durch Nutzung von Hss. aus anderen Familien. Den möglichen Zusammenhang zwischen Gliederungsangaben des Autors im Text und später erstellten capitula zeigt Paolo Chiesa, „Le scansioni interne della ‚Regula pastoralis‘ di Gregorio Magno: impostazioni d’autore e aggiustamenti di tradizione“, S. 43–60. Dank der tabulae können Textfamilien bestätigt und in einzelnen Fällen neue Hyparchetypoi erschlossen werden, wie Valeria Mattaloni eindrucksvoll am Beispiel des „Rescriptum beati Gregorii papae ad Augustinum episcopum“ aufzeigen kann (Valeria Mattaloni, „,Tabulae‘ per sintesi o per sbaglio. Due casi nella tradizione del ‚Rescriptum‘ di Gregorio Magno“, S. 169–194). Indirekt mit Gregor dem Großen verbunden ist der unvollendete, in unterschiedlichen Bearbeitungsstufen vorliegende „Liber testimoniorum“ des Paterius. In diesem Fall dienten die tabulae capitulorum zu teilweise willkürlichen Textergänzungen durch mittelalterliche Schreiber bis hin zur editio princeps (Fabrizio Martello, „Le ‚tabulae capitulorum‘ come strumento per la ricostruzione del testo. Il caso del ‚Liber testimoniorum‘ di Paterio“, S. 119–167). Interessante Besonderheiten der tabulae werden in der Überlieferungsgeschichte von zwei weiteren Autoren aus der Übergangszeit zwischen Spätantike und Mittelalter deutlich. In der besonderes reichen handschriftlichen Überlieferung von „De civitate Dei“ Augustins lassen sich die tabulae selbst, ausgehend vom „Breviculus“ des Autors, in klar definierte Textgruppen einteilen (Emanuela Colombi, „Titoli e capitoli nella trasmissione del ‚De civitate Dei‘ di Agostino“, S. 61–106). Bei Cassiodors „Institutiones divinarum lectionum et saecularium litterarum“ entsprechen sie den unterschiedlichen Redaktionen mit den entsprechenden Zielgruppen der Leserschaft (Patrizia Stoppacci, „Le ‚tabulae titulorum‘ delle ‚Institutiones‘ di Cassiodoro: ovvero il polimorfismo di un manuale e la topografia di una biblioteca“, S. 261–288). Drei Werke schließlich fallen ins Hoch- und Spätmittelalter, wobei mit Mystik (Hildegard von Bingen), Hagiographie (Iacopo da Voragine) und Historiographie (Albertino Mussato) unterschiedliche Textgattungen abgedeckt werden. Während die tabulae der prophetischen Werke Hildegards („Scivias“, „Liber vite meritorum“ und „Liber divinorum operum“) die Versuche der Interpretation, Vervollständigung und Erhöhung des Ruhms der Vf. dokumentieren (José C. Santos Paz, „,Tabulae capitulorum‘ de las obras proféticas de Hildegarde de Bingen“, S. 223–260), zeigen sie im Fall der Volgare-Fassung der „Leganda Aurea“ des Iacopo da Voragine die Vermischung unterschiedlicher Redaktionsstufen der lateinischen Vorlage auf (Giovanni Paolo Maggioni, „La ‚tabula capitulorum‘ nei primi manoscritti della ‚Legenda Aurea‘. Anomalie utili per la ricostruzione filologica della tradizione“, S. 107–118). Rino Modonutti, „Rubriche ed ‚Epithomata‘ nel ‚De gestis Italicorum post Henricum Septimum Cesarem‘ di Albertino Mussato“, S. 195–222, kann schließlich überzeugend nachweisen, dass in diesem Fall Marginalnotizen, die den Charakter von Anmerkungen und Verweisungen hatten, fälschlicherweise zu gliedernden Kapitelüberschriften wurden. Der vorliegende Bd., jeweils mit Abb. der einschlägigen Hss. und hilfreichen Registern, von denen besonders der „Indice dei manoscritti“ hervorgehoben werden soll, besticht durch Aufsätze auf höchstem wissenschaftlichen Niveau, die die Bandbreite der Phänomene der tabulae capitulorum und ihre Bedeutung für die Textedition herausstreichen. Die methodologische Untersuchung mit gut ausgewählten Fallbeispielen kann als ideale Ergänzung der Grundserie „Te.Tra“ angesehen werden. Trotz möglicher Ansätze für kulturwissenschaftliche Arbeiten oder für den Bereich der „material studies“ wird der Sammelbd. sicher hauptsächlich von Spezialistinnen und Spezialisten der Editionswissenschaften konsultiert werden. Er zeigt aber exemplarisch den Mehrwert einer wissenschaftlichen Edition auf dem Stand der aktuellen Forschung gegenüber einem reinen „Gebrauchsdigitalisat“ auf.

Thomas Hofmann

Sandro Bertelli/Clio Ragazzini (a cura di), I manoscritti datati della Biblioteca comunale dell’Archiginnasio di Bologna, Firenze (SISMEL. Edizioni del Galluzzo) 2019 (Manoscritti datati d’Italia 32), XIV, 98, 65 S., Abb., ISBN 978-88-8450-934-5, € 85.

Mit dem Katalog der datierten Hss. des Archiginnasio di Bologna konnte die Associazione Italiana Manoscritti Datati ihre in Verbindung mit der Società Internazionale per lo Studio del Medioevo Latino herausgegebene Reihe „Manoscritti datati d’Italia“ plangemäß fortsetzen. Der Bd., der sich im üblichen, bewährten Bild der Vorgängerbde. präsentiert, wurde von Sandro Bertelli, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Associazione und Professor für lateinische Paläographie und Kodikologie an der Universität Ferrara, zusammen mit seiner Assistentin Clio Ragazzini erstellt, die sich bereits in ihrer tesi di laurea mit diesem Bestand beschäftigt hatte. Wie in Italien durchaus üblich, verfügt die Bibliothek des Archiginnasio in Bologna als kommunale Bibliothek über besonders reiche Handschriftenbestände. In einem kurzen Vorwort (S. VII–XIV) stellt Patrizia Busi, Direktorin der Bibliothek, den Bestand vor: Die Hss. sind in drei Großgruppen gegliedert, die von den Direktoren der Bibliothek Luigi Frati und Albano Sorbelli in der zweiten Hälfte des 19. und zu Beginn des 20. Jh. gebildet wurden. Die Gruppe A (heute ca. 3000 Einheiten) beinhaltet Hss. allgemeinen Inhalts, die Gruppe B (4621 Einheiten) solche von Bologneser Autoren oder mit direktem Bologna-Bezug. Diese Gruppen werden durch die „Fondi speciali“ (271) ergänzt. Dabei handelt es sich, in der Regel provenienzbezogen, um Mischbestände mit Archivalien, Briefen, Sammlungen, aber auch Hss. und Drucken. Diese Ausführungen werden von den Hg. in der Einleitung (S. 3–14) unter den Aspekten der Bibliotheksgeschichte und Bestandsentwicklung ergänzt. In der Folge der napoleonischen Italienkampagne wurde 1801 eine Biblioteca Dipartimentale eingerichtet, die vor allem die Bestände der aufgelösten kirchlichen Einrichtungen aufnehmen sollte. Diese ging bereits 1802 an die Kommune Bologna über. Neben den Klosterbeständen flossen zahlreiche Buchnachlässe ein (besonders zu betonen ist der des Abtes Antonio Magnani 1811). Seit 1838 hat die Bibliothek ihren Sitz im Archiginnasio. Die Bestände konnten durch weitere Schenkungen und Zukäufe vor allem in den 1920er und 1930er Jahren angereichert werden, allerdings sind auch nicht unbedeutende Kriegsverluste zu verzeichnen. Von den über 7500 Hss. der Gruppen A und B sind allerdings nur ca. 450 als mittelalterliche Hss. zu bezeichnen, hinzu kommen einzelne Hss. aus den „Fondi speciali“ (Fondo Malvezzi de’ Medici, Fondo Gozzadini, Fondo Ospedali). 64 davon erfüllen die Bedingungen der manoscritti datati. Diese werden in bewährter Form mit ausführlichen Katalogisaten (S. 17–59) und 65 Tafeln präsentiert. Eine umfangreiche Bibliographie (S. 65–76) sowie mehrere Indizes (S. 79–98) runden die Veröffentlichung ab. Da die datierten Hss. nur einen relativ kleinen Anteil des Bestands darstellen, lassen sich Aussagen zu inhaltlichen Schwerpunkten nur mit großer Vorsicht treffen. Auffallend gering vertreten sind die antike Literatur (vier Hss., darüber hinaus aber auch in einigen miscellanea), Hss. zur Stadtgeschichte (Chroniken, Statuten etc.) und (überraschend für Bologna) auch die Rechtsliteratur (sechs Hss.). Da es sich im letzten Fall um Gebrauchs- und Studienliteratur handelt, bei der die Hss. nicht datiert sind, kann allerdings vermutet werden, dass der Gesamtanteil am Bestand bedeutend höher ist. Umgekehrt sind Werke des Mittelalters und der Renaissance sowie theologische Schriften im weitesten Sinn ausnehmend stark vertreten, bei der Theologie fehlen freilich Bibeltexte und liturgische Schriften fast völlig. Bei gebotener Vorsicht lässt sich der Befund mit fehlenden fürstlichen und adeligen Sammlungen und einer hohen Restituierungsquote an Klöster nach dem Wiener Kongress im „päpstlichen“ Bologna erklären. Ein Kuriosum am Rande: Allein vier datierte Hss. befassen sich mit der Pferdezucht! Wie die Vorgängerbde. bietet das vorliegende Werk einen detaillierten Einblick in die Geschichte der Handschriftenbestände und Provenienzen und liefert mustergültige Katalogisate mit gutem Bildmaterial. Die stetig wachsende Anzahl von methodologisch einheitlich erfassten Hss. in den Bde. der Reihe macht diese zu einem unerlässlichen Hilfsmittel für paläographische und kodikologische Studien zur Handschriftenproduktion, insbesondere für die zweite Hälfte des 14. und für das 15. Jh. In begrenztem Umfang liefert der Bd. darüber hinaus Einblicke in die Bibliotheks- und Kulturgeschichte Bolognas von der napoleonischen Zeit bis zum Ende der päpstlichen Herrschaft.

Thomas Hofmann

Benedetta Valtorta, Manoscritti agiografici latini della biblioteca capitolare di Verona. Catalogo, Firenze (SISMEL. Edizioni del Galluzzo) 2020 (Quaderni di „Hagiographica“ 18), XXIII, 320 S., ISBN 978-88-8450-930-5, € 52.

Die Biblioteca Capitolare di Verona ist eine der weltweit wichtigsten Bibliotheken geistlicher Institutionen und wurde einst von dem bedeutenden amerikanischen Paläographen und Initiator der „Codices Latini Antiquiores“, Elias Avery Lowe, sogar als die „queen of ecclesiastical collections“ bezeichnet. Ihr Bestand reicht zeitlich weit zurück und umfasst mehrere besonders wertvolle Hss. verschiedener Textgattungen. Ausgehend von der seit 1996 in gedruckter Form vorliegenden Beschreibung des Bibliotheksbestandes – dabei handelt es sich um die um neuere Forschungsliteratur aktualisierte Fassung des bisher unveröffentlichten Ms. des 1916 verstorbenen Leiters dieser Bibliothek Antonio Spagnolo – hat sich die Bearbeiterin auf die hagiographischen Hss. konzentriert. Damit knüpft die vorliegende Studie an aktuelle Handschriftenbeschreibungen an, die in den vergangenen Jahren in der Reihe „Quaderni di Hagiographica“ zu Bibliotheken in Padua, Trient, Rovereto und Florenz vorgelegt wurden. In der Biblioteca Capitolare von Verona lassen sich 34 Mss. hagiographischen Inhalts nachweisen, die in der vorliegenden Publikation in ganz vorzüglicher Weise aufbereitet werden. Jeder Codex wird eingangs kodikologisch beschrieben, darauf folgt eine detaillierte inhaltliche Erschließung, die in ihrer Tiefe und Rückkoppelung an den Editions- und Forschungsstand keine Wünsche offenlässt. Oft fügt die Bearbeiterin den einzelnen Textinhalten weiterführende Erläuterungen hinzu. Bemerkenswert ist der zeitliche Rahmen der bearbeiteten Hss., der von der ersten Hälfte des 6. Jh. – die älteste Lage des Codex Nr. XXXVIII datiert in das Jahr 517 und enthält eine Vita des hl. Martin von Tours – bis in das 18. Jh. reicht. Drei Mss. stammen aus dem 8. Jh. und weitere acht aus dem 9. und 10. Jh. Zu den ersten Beobachtungen aus dieser vergleichsweise dichten und frühen Überlieferung zählt beispielsweise das Ergebnis, dass sich aus diesem Zeitraum keine Hinweise zu Lokalheiligen greifen lassen. Weitere wichtige Beobachtungen aus dieser Studie bestehen darin, dass zwar die Produktion hagiographischer Texte im 11. und 12. Jh. offenbar zurückging, sich jedoch hier die Vita des Veroneser Heiligen Zenon erstmals dokumentieren lässt (Codex Nr. XCVI, fol. 136r–146r); bis zum 14. Jh. ist seine Vita dann in 20 Hss., hauptsächlich Veroneser Provenienz, nachweisbar (S. 213). Hingewiesen sei ferner auf die generelle Bedeutung der Veroneser Überlieferung, die auch in jüngeren Editionen hagiographischer Texte nicht immer berücksichtigt wurde, wie beispielsweise die in Codex CCXXI, fol. 1r–64r überlieferte Vita der hl. Elisabeth von Thüringen aus der Feder des Erfurter Dominikaners Dietrich von Apolda (S. 264 f.) zeigt, die in der Edition dieser Vita von Monika Rener aus dem Jahr 1993 fehlt. Besondere Mühen hat sich die Bearbeiterin auch hinsichtlich der fragmentarisch überlieferten Texte unterzogen, einer eher sperrigen Textgattung, unter denen sich jedoch keine herausragenden Stücke befinden. Abgeschlossen wird das vorliegende Werk mit verschiedenen Registern (beispielsweise aller zitierten Hss., der Autoren und der Werke von anonymen Vf. sowie einem Incipit-Register). Die künftige hagiographiegeschichtliche Forschung wird das vorliegende Buch sicher sehr dankbar aufnehmen, denn es erschließt in vorbildlicher Weise einen der herausragendsten mittelalterlichen Bibliotheksbestände.

Jörg Voigt

Mittelalterliche Handschriften und Fragmente der ehemaligen Reichsgerichtsbibliothek in der Bibliothek des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig, beschrieben von Matthias Eifler, Wiesbaden (Harrassowitz) 2020, XXXVI, 246 pp., ISBN 978-3-447-11488-2, € 98.

Rispetto ai fondi posseduti dalle grandi biblioteche, dove si trova circa il 90 % dei manoscritti medievali tramandati in Germania e scoperti di continuo dal primo Ottocento in poi, alcune delle piccole collezioni sono ancora meno conosciute (cfr. Renate Schipke/Kurt Heydeck, Handschriftencensus der kleineren Sammlungen in den östlichen Bundesländern Deutschlands, Wiesbaden 2000). Questi includono, per esempio, le collezioni di manoscritti negli archivi statali e comunali, nei musei e nelle istituzioni ecclesiastiche, come è diventato chiaro attraverso gli anni di ricerche portate avanti dal Centro Manoscritti della Biblioteca Universitaria di Lipsia (Handschriftenzentrum der Universitätsbibliothek Leipzig). In diverse istituzioni degli stati federali di Sassonia, Sassonia-Anhalt e Turingia, di cui il Centro Manoscritti è territorialmente competente, sono stati identificati numerosi manoscritti che risalgono al periodo tra la fine del VIII e l’inizio del XVI secolo e di cui più di cento sono già stati rielaborati su base scientifica. Un caso particolare è la biblioteca della Corte amministrativa federale (Bundesverwaltungsgericht) a Lipsia, dove dal 2002 si trovano i fondi storici della ex Reichsgerichtsbibliothek che nella prima metà del XX secolo divenne la più importante biblioteca giuridica della Germania. Come si spiega nell’eccellente introduzione, da un fondo medievale complessivo di circa 450 manoscritti vengono trattati 23 manoscritti interi, sette manoscritti incompleti e 13 frammenti. Questi testi non fanno parte della collezione storica della vecchia Reichsgerichtsbibliothek, ma sono di provenienza molto eterogenea. Si tratta di acquisizioni antiquarie effettuate a partire dalla fine del XIX secolo da Karl Schulz († 1929), direttore della biblioteca per quasi quattro decenni, studioso di storia del diritto e professore associato presso l’Università di Jena. Le prime informazioni importanti su tutti i manoscritti e frammenti di questa biblioteca si possono trovare in un inventario di Gero Dolezalek, disponibile online (https://home.uni-leipzig.de/jurarom/manuscr/RgMsMatr.html). Nel contesto di questa rivista, un’attenzione particolare meritano i manoscritti giuridici italiani e gli statuti dell’età comunale che sono ben presenti nel fondo in questione. Eifler sottolinea che Schulz acquistò questi manoscritti principalmente attraverso la libreria Serig a Lipsia; almeno otto provengono per acquisto dalla collezione dello storico milanese Carlo Morbio († 1881) (pp. XII–XIII). Si apprende che circa 2200 unità della collezione di manoscritti furono messi all’asta dalla libreria antiquaria List & Francke a Lipsia nel 1889; altri manoscritti della collezione di Morbio si trovano a Berlino, Halle e Monaco (pp. XIII–XIV). Dal numero dei manoscritti giuridici italiani e delle leggi cittadine basti citarne alcuni. Il manoscritto MS 2o H 2328 (Decretum Gratiani) è stato molto probabilmente redatto a Bologna tra fine XII/inizio XIII secolo. I vari strati di glosse in esso racchiusi sono interessanti per lo studio del Decretum. Va poi menzionato il manoscritto MS 4o E 5162 (pp. 74–79) con la Summa artis notariae del notaio bolognese Rolandino Passageri († 1300) che contiene anche una nuova redazione della cosiddetta Aurora nova, redatta dal notaio Albertusde Plebe sancti Stephani comitatus Aretii. Si pensi pure ai vari statuti dei communi e delle confraternite italiane, ad esempio quello del comune di Brenna (a sud di Siena) del 1417 (MS 4o R 7536, pp. 134–140), o agli statuti dei falegnami di Vicenza (MS 4o R 7520, pp. 161–170) che offre ricche informazioni prosopografiche relative ai falegnami vicentini nel tardo Medioevo e nella prima età moderna. Infine, occorre ricordare il Liber statutorum communis Mantuae (MS 2o R 6593, pp. 40–49) e gli Statuta populi et communis Florentiae (MS 2o R 7787, pp. 49–51), così come il MS 4o R 7786 (pp. 140–142) che contiene gli statuti di Collescipoli (vicino a Terni) e nella coperta sette mandati papali del periodo 1428–1492 relativi a questo paese; quest’ultimo manoscritto fa parte della donazione fatta nel 1139 dalla chiesa di Santa Maria Maggiore alla Basilica Lateranense. Questi pochi esempi evidenziano quanto sia importante la documentazione per la storia giuridica, sociale e locale italiana che si trova in un luogo piuttosto inaspettato. Eifler ha svolto un lavoro molto meticoloso, contestualizzando l’origine e la trasmissione dei manoscritti italiani e delineando l’attuale stato delle ricerche in questo ambito di studi, per il quale il libro costituisce un grande arricchimento.

Jörg Voigt

Christian Brockmann u. a. (Hg.), Griechisch-byzantinische Handschriftenforschung. Traditionen, Entwicklungen, neue Wege, Berlin-Boston (De Gruyter) 2020, 2 Bde., XII+X, 876 S., Abb., ISBN 978-3-11-036540-5, € 299,95.

Die vorliegenden zwei Bde. basieren im Wesentlichen auf den Beiträgen des VIIIe Colloque International de Paléographie Grecque, das unter dem Titel „Griechische Handschriften: gestern, heute und morgen“ im September 2013 in Hamburg veranstaltet wurde. Das Programm des umfangreichen Kongresses ging weit über die traditionellen Forschungsfelder der Paläographie und Kodikologie hinaus und umfasste auch humanistische und frühneuzeitliche Handschriftensammlungen, Forschungen in den Nachbardisziplinen Epigraphik und Diplomatik oder neue Möglichkeiten dank des Einsatzes aktueller Technologien. Verstärkt wurden auch nachbyzantinische Hss. einbezogen. Von den 43 Beiträgen und drei Projektvorstellungen der Kongressbde. können an dieser Stelle nur ausgewählte Aufsätze Erwähnung finden, wobei die wichtigsten Forschungslinien exemplarisch abgedeckt werden sollen. Ein erstes Kapitel „Griechische Bibliotheken und Sammlungen“ (S. 3–128) ist den Sammlungen und Sammlern aus Renaissance und Früher Neuzeit gewidmet. Neben der Rekonstruktion oder Beschreibung von weniger bekannten Beständen (wie der Moni Doussikou bei Trikala, der Agia Trias auf Chalki oder dem Orthodoxen Patriarchat von Rumänien) stehen die humanistischen Sammlungen des Matthias Corvinus (Christian Gastgeber, „Die griechische Bibliothek des Matthias Corvinus: Aspekte einer griechischen humanistischen Bibliothek nördlich der Alpen [15. Jh.]“, S. 43–57) und der Familie Barbaro in Venedig (Fabio Vendruscolo, „Per la biblioteca di Francesco ed Ermolao Barbaro: cinquant’anni dopo“, S. 101–128) sowie die Handschriftenschenkung von Lucas Holstenius an die Stadt Hamburg (Burkhard Reis, „Von der Elbe an den Tiber und zurück. Lucas Holstenius als Sammler und Spender von philologischem ‚Honig‘“, S. 81–99) im Vordergrund. Bestand und Zielsetzung der einzelnen Sammlungen divergierten dabei beträchtlich: Während Corvinus vor allem aus repräsentativen Zwecken sammelte, liegt der Schwerpunkt der Bibliothek der Barbaro im humanistischen Geist auf „guten“ Texten, gemischt aus klassischer und byzantinischer Zeit, bei der Schenkung von Holstenius fällt die thematische Fokussierung auf Platonismus und Neuplatonismus auf. Gesondert zu erwähnen sind Beschreibung und Geschichte des kaum bekannten Bestands des Pontificio Collegio Greco in Rom durch Peter Isépy, „Zu den griechischen Handschriften des Pontificio Collegio Greco in Rom“, S. 60–70. Das zweite Kapitel „Die Geschichte der Schrift“ (S. 129–247) ist mit der Paläographie einem fundamentalen Forschungsgebiet der Handschriftenkunde gewidmet. Aufgrund individueller Besonderheiten der einzelnen Schriften, eher traditionellen oder innovativen Praktiken der Skriptorien, geographischen Ausprägungen und vielfältigen Überschneidungen zwischen Buch-, Urkunden- und Gebrauchsschrift stellen klassifikatorische Einordnungen und normierende Terminologie oft nur – viel diskutierte – Konstrukte dar. Dies gilt in besonderem Maß für die griechische Paläographie, da die klare Zuordnung zu Skriptorien und Vergleichsmöglichkeiten mit diplomatischen Schrifttypen wesentlich eingeschränkter sind und einige Gebrauchsschriften, wie z. B. Notariatsinstrumente, fast vollständig fehlen. Die Frage von Begriffsbildung und Klassifikation bildet den Schwerpunkt der informativen Studie von Marco D’Agostino und Paola Degni, „Considerations on origin and development of the Perlschrift“, S. 171–194. Marie Cronier, „Quelques manuscrits médicaux grecs liés à Chypre“, S. 131–143, und Francesco D’Aiuto, „La ‚scrittura mista‘ maiuscolo-minuscola d’area mediorientale“, S. 145–169, betonen geographisch definierbare Charakteristika. In Einzelfällen sind auch Skriptorien mit klar definierbarer Schrifttraditon nachweisbar (Zisis Melissakis, „Attività scrittoria presso il monastero atonita del Pantokrator durante i primi decenni della sua fondazione [seconda metà del sec. XIV]“, S. 233–247). Da viele Hss. auf die Produktion von Kopisten der Palaiologenzeit und der Renaissance zurückgehen, bildeten diese traditionell ein wichtiges Forschungsgebiet der griechischen Handschriftenkunde (vgl. dazu die Beiträge von Sofia Kotzabassi, „Gelehrtenkopisten im 13. und 14. Jahrhundert“, S. 211–214, und Stefano Martinelli Tempesta, „Alcune riflessioni sulla produzione scritta di Costantino Mesobote da codici Ambrosiani“, S. 215–231). Den interessanten, seltenen Fall eines direkten „paläographischen Kulturkontakts“ schildert überzeugend Antonio Rollo, „Modelli grafici tra Demetrio Scarano e Ambrogio Traversari“, S. 249–264. Die Beiträge in den „Verbindungen zu den Nachbardisziplinen“ (S. 265–302) zeigen, dass die Handschriftenforschung kein isoliertes Feld darstellt. Den Schwerpunkt bilden dabei Inschriften und Urkunden. Wie im Westen wurden auch im Byzantinischen Reich in Einzelfällen Urkunden im Volltext in Wandfresken abgebildet. Nicholas Melvani, „Painted chrysobulls in Byzantine churches: documents or inscriptions (or neither?)“, S. 267–275, präsentiert sieben erhaltene Beispiele (allesamt von kaiserlichen Urkunden aus der Paläologenzeit), ordnet sie in den historischen Kontext und ins Bildprogramm ein, analysiert die Schriftformen und diskutiert den Wert ihrer Rechtsverbindlichkeit. Dass die Paläographie auch im Rahmen der diplomatischen Echtheitskritik von entscheidender Bedeutung sein kann, dokumentiert eindrucksvoll Andreas E. Müller am Beispiel zweier Patmos-Urkunden (Andreas E. Müller, „Schriftbetrachtung im Dienst der Urkunden“, S. 277–282). Auf Parallelen (und Unterschiede) bei der Verwendung von Interpunktionszeichen in byzantinischen Inschriften, Hss. und Siegeln macht Andreas Rhoby, „Interpunktionszeichen in byzantinischen Versinschriften“, S. 293–302, aufmerksam. Dekoration und Auszeichnung von Hss. stehen im Mittelpunkt der Sektion mit dem nicht einfach verständlichen Titel „Topographie der Manuskripte“ (S. 303–347). Neben Buchmalerei und Initialen (Anne Boonen, „Comment le caractère inachevé du décor et de l’illustration du manuscit Taurinensis C.I.6 nous renseigne sur sa réalisation“, S. 305–310, und Michel Cacouros, „Mise en page et mise en texte, illustration figurative dans les manuscrits byzantins et post-byzantins d’Aristote à exégèse marginale“, S. 311–323) werden auch weitere formale Erscheinungsformen wie Glossen (Alexander Karnachev, „Reading and writing in Greek by means of Latin glosses“, S. 325–331) und Kolophonverse (Renaat Meesters, „The visual representation of the formulaic colophon verse τῷ συντελεστῇ τῶν καλῶν θεῷ χάρις“, S. 333–347) behandelt. Mit 15 Aufsätzen besonders umfangreich ist das Kapitel „Paläographie und Philologie“ (S. 351–534). Die Beiträge dokumentieren eindrucksvoll die Bedeutung der Handschriftenforschung für die Textkonstituierung und für folgende philologische Studien. Aufgrund des philologischen Schwerpunkts sollen an dieser Stelle nur wenige ausgewählte Beiträge unter historischen Aspekten erwähnt werden. Pia Carolla, „A proposito di stemmi multipli: Andrea Darmiano e i suoi collaboratori. Con 22 nuovi manoscritti di Sofiano Melisseno tra Parigi e Lisbona“, S. 381–394, beleuchtet in Vorbereitung einer Neuedition der „Excerpta de legationibus gentium“ und der „Excerpta de legationibus Romanorum“ detailliert die Überlieferungsgeschichte dieser Textsammlungen, die im 10. Jh. auf Veranlassung von Kaiser Konstantin VII. Porphyrogennetos zusammengestellt worden waren. In diesem Sonderfall basiert die Textkonstituierung ausschließlich auf Abschriften der 70er Jahre des 16. Jh., die in Madrid von einer (heute verlorenen) Hs. mit Provenienz aus S. Salvatore di Messina getätigt wurden. Die kultur- und überlieferungsgeschichtlich herausragende Bedeutung der Renaissance in Florenz dokumentieren die Beiträge von Christian Förstel, „Untersuchungen zur Rezeption Plotins in der Palaiologenzeit: Die Handschriften A und E (Laurentianus plut. 87,3, Parisinus gr. 1976)“, S. 419–426, und von Pantelis Golitsis, „Quelques remarques sur les copistes et le contexte d’apparition du ms. Laurentianus plut. 85,1, dit l’,Océan‘“, S. 461–467. Während die beiden Plotin-Hss. sicher von Marsilio Ficino benutzt wurden, muss die direkte Rezeption der umfangreichen Sammlung von Aristoteleskommentaren offenbleiben. Wichtige Einblicke in die Sammlungsgeschichte von Hss. im Venedig der Renaissance und der Frühen Neuzeit liefert am Beispiel des Kodex 1/666 des Archivs des Instituts für Geschichte der Russischen Akademie der Wissenschaften in Sankt Petersburg Grigory Vorobyev, „Die Geschichte einer Grammatik von Manuel Moschopulos aus dem Besitz von Francesco Barbaro“, S. 527–534. Dem verstärkten Einsatz moderner Techniken bei Texterfassung (Nutzung von Infrarot-Thermographie), Datierung (naturwissenschaftliche Tintenanalyse) und Präsentation von Hss. ist das Kapitel „Paläographie und moderne Technik“ (S. 537–587) gewidmet. Bei der abschließenden Projektvorstellung (S. 591–620) werden drei Forschungsvorhaben präsentiert, die von unterschiedlichen methodischen Ansätzen ausgehen und sich interessanterweise ausnahmslos auf Italien beziehen. Davide Baldi, „La rinascita dei ‚Documenti del Concilio‘ di Firenze“, S. 591–595, stellt die Image-Text-basierte Datenbank der Konzilsdokumente der Cassetta Cesarini (heute in der Biblioteca Laurenziana) vor, Silvia Tessari, „Byzantine musical manuscripts in the Veneto Region cataloguing project“, S. 597–608, die interdisziplinäre Erfassung und Beschreibung byzantinischer Musikhandschiften in der Region Veneto. Besondere Erwähnung verdient das Teilprojekt von Giuseppe Ucciardello im Rahmen von „Manuscritos griegos en España y su contexto europeo“ (S. 609–620): Ausgehend von der Erfassung von Lykophron-Hss. sollen die 13 (!) salentinischen Hss. (für die Textkonstituierung meist von sekundärer Bedeutung) unter dem besonderen kulturhistorischen Aspekt der Gräzität in der Terra d’Otranto untersucht werden. Eine Ausweitung dieses Forschungsansatzes auch auf andere Hss. dieser Region wäre sehr lohnenswert. Ein umfassendes Literaturverzeichnis (S. 621–703), das auch als Spezialbibliographie zur griechischen Paläographie und Handschriftenforschung dienen kann, ein detailliertes Register der Hss., Papyri und Inschriften (S. 704–726) und mehr als 130 S. qualitativ hochwertige Abb. runden die Bde. ab. Die Bündelung der Abb. ist natürlich primär drucktechnisch bedingt und bietet bei der Benutzung Vor- und Nachteile: Während die Abb. zum ersten Bd. bequem parallel konsultiert werden können, erfordern die zum zweiten Bd. leider ein ständiges Vor- und Zurückblättern. Im Gesamturteil liegt eine sehr interessante Veröffentlichung vor, die über die traditionellen Gebiete der Paläographie und Kodikologie hinaus auch die Geschichte der Handschriftensammlungen, postbyzantinische Hss. und – besonders anregend – Nachbardisziplinen einbezieht; auch der Einsatz moderner Technologien wird in den Beiträgen gebührend berücksichtigt. Das Ziel, den Stellenwert der Handschriftenforschung in ihrer Breite als wichtigen Teil kulturwissenschaftlicher Forschung zu unterstreichen, wurde zweifelsohne bestens erreicht. Allerdings sind die Einzelstudien in den meisten Fällen hoch spezialisiert, so dass sich die Veröffentlichung letztendlich doch überwiegend an Handschriftenforscher und -forscherinnen, Philologen und Philologinnen und Byzantinisten und Byzantinistinnen wendet. Gegen eine weite Verbreitung spricht auch der relativ hohe Ladenpreis, der freilich durch Umfang, Druckqualität und hochwertige Abb. gerechtfertigt ist.

Thomas Hofmann

Marco D’Agostino/Martina Pantarotto (a cura di), I manoscitti datati della Provincia di Pavia, Firenze (SISMEL. Edizioni del Galluzzo) 2020 (Manoscritti datati d’Italia 33), X, 148 pp., 122 tavv., ISBN 978-88-8450-962-8, € 98.

117 sono i codici datati recuperati nelle biblioteche della provincia pavese e descritti in questo catalogo, riservandone però 17 all’Appendice perché riconducibili alla prima metà del sec. XVI (sono per lo più libri liturgici o di argomento religioso, pp. 85–95). A questi se ne aggiungono 11 esclusi dalla descrizione per una dubbia indicazione cronologica o per una sospetta attestazione di copista, ma uno incuriosisce, l’Aldini 473 con l’esposizione dei „Trionfi“ di Petrarca della seconda metà del sec. XV, con nomi di alcuni lettori registrati sull’ultimo foglio. Due le città interessate con le rispettive istituzioni: Vigevano con l’Archivio storico comunale, la Biblioteca Diocesana e il Museo del Tesoro del Duomo (pp. 79–82, nr. 97–99, pp. 90–95, nr. 109–117) e Pavia il cui patrimonio risulta il più consistente grazie alle numerose istituzioni di conservazione, quali l’Archivio di Stato (p. 29, nr. 1), l’Archivio Storico Diocesano (p. 30, nr. 2), la Biblioteca civica „Carlo Bonetta“ (p. 31, nr. 3), la Biblioteca del Seminario Vescovile (p. 32, nr. 4), la Biblioteca Universitaria (pp. 33–78, nr. 5–96) e la Biblioteca della Certosa di Pavia (p. 89, nr. 108). Alla loro storia insieme a quella dei vari fondi è dedicata la prima sezione del volume (pp. 3–26), ricca di dati utili e opportuni per comprendere le vicende dei manoscritti lì conservati. Ad esempio: un solo codice viene catalogato tra quelli dell’Archivio di Stato di Pavia, Fondo notarile, il ms. 16402 con gli Statuti del Collegio dei notai pavesi nelle Reformationes del 1255, 1261 e 1263 sottoscritte dal notaio Pietro Medici che, pur essendo compromesso nella leggibilità di alcuni fogli, può essere ritenuto come una raccolta ad uso personale, ma nella ricostruzione del fondo ne viene segnalato un altro con gli Statuti e tre con la normativa dell’Ospedale San Matteo scritta nella seconda metà del Quattrocento; uno di questi, sontuoso, è miniato dal Maestro delle ore Birago: tutti non catalogati perché esulano dalle norme stabilite. E se il patrimonio dell’Archivio Storico Diocesano da valutare per la catalogazione è costituito soprattutto da Corali appartenenti alla Biblioteca della Cattedrale, alcuni omogenei per impostazione e decorazione, uno solo viene registrato grazie alla firma del miniaturista, il frate carmelitano Biagio di Grancino da Melegnano, il cui nome compare in alcune lettere iniziali; pure un solo codice rappresenta il fondo antico della Biblioteca Civica, nota per le raccolte di incunaboli e cinquecentine: si tratta di una miscellanea di opere mediche raccolta in ambiente padovano nel 1446 da un allievo del magister Leonardo Bertapaglia misericors pauperibus. Un Erbario di proprietà di Francesco de Sachetis di Verona rappresenta la poco esplorata Biblioteca del Seminario, mentre è stato escluso il testimone sconosciuto del „Chronicon imaginis mundi“ di Iacopo d’Aqui con illustrazioni e disegni su ogni foglio. Ignota fino ad ora pure la miscellanea ad uso di predicatori conservata nella Biblioteca diocesana di Vigevano, Fondo S. Ignazio, con interessanti note di possesso a illustrazione dei passaggi del volume da un frate all’altro dell’ordine domenicano. Si impone nel Catalogo il numero dei manoscritti conservati nei due Fondi principali della Biblioteca Universitaria, il cui primo nucleo, ad uso di professori e di studenti, ebbe origine presso il Collegio Ghislieri istituito nel 1567 dal papa Pio V (Antonio Michele Ghislieri), e il cui implemento fu avviato soprattutto nella seconda metà del sec. XVIII: il Fondo Aldini e il Ticinesi, il primo è il più ricco, il più interessante e il più noto, il secondo, che deriva il nome da quello antico della città, Ticinum, raccoglie materiale manoscritto e a stampa riguardante la città e il suo territorio, statuti in copie redatte da notai per uso personale, lettere ducali. Al primo appartengono testimoni di opere di vario genere: i classici latini con Cicerone, „De officiis“ (Aldini 46), l’„Oratio pro Marcello“ inserita tra testi di Antonio da Rho, di Poggio Bracciolini scritti nel settembre 1437 da Gaspare de Terciis, studente di retorica alla scuola di Guiniforte Barzizza professore a Pavia dal 1425 al 1447 (Aldini 73); le „Commedie“ di Terenzio (Aldini 161) o i „Fasti“ di Ovidio (Aldini 196) con una nota familiare del maestro Antonio Pittorio relativa alla nascita del figlio, o le „Eroidi“ dello stesso (Aldini 227) possedute da Giovanni Balbi di Marnate. Il ms. Aldini 82 con due sezioni di mano dello stesso scriba tramanda nella prima testi di Girolamo, dello ps. Agostino, dello ps. Eusebio, tutti scritti a Venezia il 5 ottobre 1473, vergata a Ravenna nell’agosto-settembre 1468 è invece la seconda sempre con Agostino, „De trinitate“, e altri scritti a lui attribuiti, excerpta di carattere teologico, norme di diritto canonico. Ancora a Ravenna il 31 marzo 1460 fu scritta la miscellanea di testi patristici di proprietà del convento di S. Epifanio a Pavia (Aldini 116). Singolare è l’Aldini 88, autografo di Ludwig Hohenwang, che raccoglie qui due sue opere giovanili, datando la copia al 1461, anno in cui si immatricolò all’università di Basilea; mentre a Spira ci porta l’Aldini 153 con un estratto dalla Vita di Alessandro Magno, il „De imitatione Christi“ di Tommaso da Kempis, la „Vita et origo beatorum trium magorum“ di Giovanni da Hildesheim copiati nel 1468 dal domenicano frate Michele Heiiman, de conventu Schletstatensi. Straniero è pure Cornelius de Mera Zeelandrinus, ma molto attivo in area veneta tra gli anni 60/70 del Quattrocento, scriba delle „Quaestiones“ di Duns Scoto alla „Metafisica“ di Aristotele (Aldini 299), e a Padova il fiammingo Pietro di Bruges, mentre era lì studente, copia il 18 novembre 1434 la „Lectura“ di Paolo Veneto alla „Metafisica“ di Aristotele. Apparati decorativi, usi grafici dei copisti possono essere verificati grazie al ricco corredo di tavole (122) che, insieme agli indici e alla bibliografia, completano il volume.

Mariarosa Cortesi

Johannes Preiser-Kapeller, Jenseits von Rom und Karl dem Großen. Aspekte der globalen Verflechtung in der langen Spätantike, 300–800 n. Chr., Wien (Mandelbaum Verlag) 2018 (Expansion – Interaktion – Akkulturation 32) 292 S., ISBN 978-3-85476-554-7, € 19,90.

Oft sind in der Geschichtsschreibung neue Perspektiven entwickelt worden, indem man den Maßstab der Betrachtung wechselte. Das spielte besonders für die in dem Buch besprochene Periode eine wichtige Rolle, als Peter Brown in seinem 1971 erschienenen „The World of Late Antiquity“ die Geschichte der Umwandlung der römischen Welt von Marc Aurel bis Muhammad verfolgte. Vor allem der Fall Roms im Jahr 476 mit der Absetzung des letzten weströmischen Kaisers Romulus Augustulus wurde damit in seiner weltgeschichtlichen Bedeutung deutlich relativiert. Noch wichtiger war es, die Umgestaltung der römischen Welt in den westlichen Provinzen des römischen Imperiums mit der wechselnden Balance von Kontinuität und Diskontinuität in anderen Regionen des römischen Imperiums im östlichen Mittelmeerraum und im mittleren Osten zu vergleichen. Der Fall Roms im Jahr 476 erschien weit weniger wichtig, und von seiner über viele Jahrhunderte gepflegten melodramatischen Inszenierung blieb wenig übrig. Gleichzeitig wurde die Geschichte des werdenden Europas in den ehemaligen Provinzen des weströmischen Reichs zu einem der Nebenschauplätze der großen politischen Bühnen in der östlichen Hälfte des römischen Imperiums wie etwa der ambitionierten Reform und Politik des oströmischen oder byzantinischen Imperium unter Justinian I. (gest. 565), oder der Aufstieg des islamischen Weltreichs im siebten Jh. In diesem Buch geht Johannes Preiser-Kapeller noch einen Schritt weiter und erzählt die Umgestaltung der römischen Welt von 300–800 n. Chr. als Teil einer globalen Geschichte, und dabei im Vergleich und in ihrer Verflechtung mit denen anderer Großreiche Eufrasiens. In einer Geschichte, die sich auf den Vergleich und die Interaktion des mächtigen römischen Imperiums mit anderen Staaten und Gesellschaften in Eufrasien vom dritten bis zum neunten Jh. konzentriert, kommt der Fall Roms im Jahr 476 gar nicht mehr vor. Die Absetzung von Romulus Augustulus durch den barbarischen General Odoaker leitet in dem vorliegenden Buch nur das Abdriften der ehemals weströmischen Provinzen an den Rand der Erzählung ein. Die Erzählung konzentriert sich mehr auf die Interaktion mit anderen Großmächten und Regionen, die vor allem im Osten des byzantinischen Reichs lagen. Die Souveränität und das umfangreiche Wissen, mit dem Preiser-Kapeller in diesem Buch diese Geschichten von China bis Byzanz verbindet, ist eindrucksvoll. Auch sind sie oft unterhaltsam erzählt, mit Witz, Charme und Ironie. Oft kann Preiser-Kapeller dabei auch auf überraschende Parallelen „(geo)politischen Wandels“ aufmerksam machen, oder auf „Rhythmen imperialer Formationen“, die er in ihrer Wechselwirkung zueinander untersucht wie etwa die Usurpationen um die Mitte des achten Jh. durch die Abbasiden im Kalifat, der Karolinger im Frankenreich, der Umayyaden in Spanien oder den allerdings gescheiterten Aufstand gegen die Tang-Dynastie in China. Die Verflechtung und Verbindungen über den weiten Raum Eufrasiens untersucht Preiser-Kapeller in fünf Kapiteln, in der Macht und Mobilität von Eliten (S. 63–101), anhand heiliger Männer, Frauen und auch heiligen Ländern (S. 102–140), Handel und Kunst (inklusive der Kochkunst, S. 141–192), und auch in der Geschichte von nichtmenschlichen Akteuren wie der Seidenraupe (S. 193–220). Ein weiteres Kapitel über Klimawandel, imperiale Ideologie und urbane Dynamik (S. 221–250) zeigt die Stärken und Schwächen des in dem Buch entwickelten globalen Ansatzes auf. Zum einen lassen sich die Auswirkungen von Faktoren wie Klimawandel oder – wie uns gerade im letzten Jahr der weltweiten Verbreitung von Covid-19 wieder deutlich gemacht wurde – Pandemien nur in einer globalen Perspektive richtig einschätzen. Allerdings läuft diese Perspektive auch Gefahr, die Auswirkungen solcher Faktoren zu pauschal zu bewerten und vermitteln. Dabei werden nicht nur regionale Unterschiede und Besonderheiten übersehen, sondern vor allem auch, wie – und wie unterschiedlich – soziale Gemeinschaften auf diese Herausforderungen reagieren konnten. Eine der Besonderheiten der Arbeiten des am Beginn der Rezension erwähnten Peter Brown ist sein meisterhaftes Umschalten zwischen Makro- und Mikroperspektive, und wie der Zusammenhang zwischen diesen Ebenen der menschlichen Wahrnehmung, der sozialen Ordnung und des individuellen Handelns die vielen und vielfältigen Geschichten prägte. Das ist gerade für die in dem Buch behandelte Zeit der Umgestaltung der römischen Welt wichtig, als sich Menschen in vielen Bereichen ihres Erlebens mit fundamentalen Veränderungen konfrontiert sahen. Diese Dynamik wird in der neuen globalen Perspektive, die Preiser-Kapeller in seinem Buch vorstellt, noch kaum verfolgt. Aber mit dem eindrucksvollen Überblick über Rhythmen imperialer Formationen vom dritten bis zum neunten Jh. sind in einer sehr lesenswerten und äußerst inhaltsreichen Darstellung neue Grundlagen gelegt, die Zusammenhänge globaler Verflechtungen und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaften und Menschen von China bis nach Afrika und Europa detaillierter zu verfolgen.

Helmut Reimitz

Stéphane Gioanni, Gouverner le monde par l’écrit. L’autorité pontificale en Dalmatie de l’Antiquité tardive à la réforme „grégorienne“, Roma (École française de Rome) 2020 (Bibliothèque des Écoles françaises d’Athènes et de Rome 386), 400 pp., ISBN 978-2-7283-1473-7, € 45.

Negli ultimi anni si sono susseguiti diversi lavori storiografici che hanno allargato il campo di indagine sulla diffusione dell’autorità pontificia nell’Occidente cristiano fra Tarda Antichità e Medioevo e sulle modalità con le quali si affermò la riforma della Chiesa nei secoli XI–XII. In particolare sono attualmente oggetto di indagine le modalità con cui la riforma si dispiegò nelle „periferie“. Lo studio di casi regionali come la Provenza e lo spazio tirrenico sta rinnovando il dibattito sul tema, consentendo di formulare inedite ipotesi in merito alla politica della sede apostolica nella cristianità cattolica durante il Medioevo. In questo quadro di forte innovazione si colloca il libro di Stéphane Gioanni, che ha l’obiettivo di comprendere le cause, il contesto e il processo storico che favorirono dalla Tarda Antichità e per tutto il Medioevo le relazioni fra la Chiesa di Roma e la Dalmazia-Croazia, un’area difficile da delimitare, ma di particolare interesse per la sua posizione cerniera fra mondo latino, mondo bizantino e mondo slavo. Dopo un’articolata introduzione, nella quale sono enunciati i temi della ricerca, il volume si struttura in tre parti. La prima riguarda il quadro politico ed ecclesiastico della Dalmazia dal IV al IX secolo; la seconda si incentra sui problemi di economia e società fra IX e XI secolo, con particolare attenzione alla collaborazione tra le élites dalmato-croate e gli insediamenti ecclesiastici; la terza analizza l’ingresso e la diffusione della riforma „gregoriana“ in Dalmazia. Dopo le conclusioni segue un apparato costituito dall’edizione con traduzione della „Vita Sancti Domni episcopi“, che racconta le gesta di san Domnio, discepolo di Pietro ed evangelizzatore della Dalmazia, dalla raccolta dei materiali relativi alla storia delle reliquie di san Domnio e da una selezione della corrispondenza fra studiosi dalmati ed europei, fra cui Giovanni Battista De Rossi, fondatore dell’archeologia cristiana moderna. Il libro ha una struttura cronologica e tematica che parte dall’evangelizzazione della Dalmazia, passando per il radicamento del cristianesimo latino e la difesa di questa tradizione nei secoli di influenza slava nel territorio. Vengono individuati alcuni momenti chiave del processo di costituzione di una tradizione di vicinanza fra Roma e l’Adriatico orientale, che si incentra sullo studio di personaggi quali san Domnio. Gioanni si dimostra attento nel lavoro sulle fonti letterarie, documentarie e agiografiche, utilizzando con competenza le conoscenze paleografiche e diplomatiche. Infine, sono esaminati i processi che portarono la sede apostolica a estendere la sua azione nell’Adriatico orientale, sviluppando una sorta di precoce centralismo romano. L’autore fa ampio ricorso alla multidisciplinarietà, con particolare attenzione al dialogo con gli archeologi e con gli storici dell’arte, come quando analizza monumenti di particolare complessità, quali il bassorilievo del battistero di Spalato (originariamente collocato nella basilica di SS. Pietro e Mosè a Salona) raffigurante un sovrano croato, forse identificabile col re Demetrio Zvonimir, regnante fra il 1075 e il 1089. Con l’incoronazione di questo re da parte di Gregorio VII il regno croato ottenne la protezione apostolica, ma restano ancora da chiarire in dettaglio l’effettiva „natura“ della fidelitas del re e l’estensione della auctoritas del papa. Poco chiare rimangono ancora le relazioni con l’esarcato di Ravenna, soprattutto in considerazione del fatto che l’arcivescovo Guiberto (Clemente III) contendeva la cattedra apostolica con Gregorio VII e i suoi successori. In quale misura il passaggio della corona croata ai re d’Ungheria nel 1105 fu eventualmente influenzato da tali problematiche resta ancora una domanda aperta. Gioanni considera il pragmatismo dei papi e l’assenza di un loro piano di espansione prestabilito; ci invita inoltre a decentrare il nostro sguardo, a variare le scale di osservazione dal locale all’universale, così da meglio conoscere la natura politica della riforma, che è quella di una ridefinizione globale del mondo. Esso è il mondo dell’Occidente cattolico, dominato dal papa, che nell’accezione più radicale della riforma è inteso come il sovrano di tutti i sovrani. Per questo, con l’azione dei pontefici, ci troveremmo di fronte a un precoce tentativo di mondializzazione. L’originalità del periodo pre-gregoriano e gregoriano in Dalmazia esprime una maniera nuova di rappresentare ed esercitare l’autorità del papa, indissociabile da un nuovo modo di percepire e governare il mondo. Questa evoluzione si traduce nell’introduzione di pratiche linguistiche, liturgiche, amministrative, culturali e artistiche, creatrici di una forma di potere che segnerà in maniera duratura la storia medievale e moderna. Il libro approfondisce questo modo di procedere da parte dei protagonisti del tempo e indica una stimolante via di approccio allo studio di tematiche e territori che negli ultimi anni sono sempre più oggetto di analisi a tutto campo.

Corrado Zedda

Recht und Konsens im frühen Mittelalter, hg. von Verena Epp und Christoph H. F. Meyer, Ostfildern (Thorbecke) 2017 (Vorträge und Forschungen 82), 487 S., ISBN 978-3-7995-6882-1, € 54.

Der vorliegende Bd. dokumentiert ein anspruchsvolles und von der Anlage her komplexes Unterfangen: Die Begriffe „Recht“ und „Konsens“ werden aus der Perspektive zweier Disziplinen, der Geschichte und der Rechtsgeschichte betrachtet, was dezidiert in vergleichender Perspektive geschehen soll, wozu nicht allein die deutsche, sondern auch die internationale (hier: angelsächsische) eigene Traditionen, Sichtweisen und Ansätze einbringende Forschung beitragen soll. Den historischen Rahmen stellt die Übergangszeit zwischen der Spätantike und dem Frühmittelalter dar, die man zwar schon seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr gemäß der alten Stereotype von „Völkerwanderung“ und „Kulturverfall“ als Abstiegserzählung begreift, doch ohne dass sich bereits eine gänzlich einheitliche Sicht durchgesetzt hätte; dies gilt umso mehr, je mehr man sich die Bedeutung regionaler Prägungen zu eben dieser Zeit vor Augen führt, und so ergibt sich ein weiter Fokus des Bd. durch die breite Streuung der Untersuchungsfelder, die so gut wie das gesamte ehemalige römische Westreich umspannen, wodurch zwischen den Beiträgen kaum Überschneidungen bestehen. All dies nötigt zu einer Konzentration auf die Leitbegriffe, die wiederum jeweils für sich nicht einfach zu definieren sind und überdies von den beteiligten Disziplinen verschiedenen Feldern zugeordnet werden. So lenkt sich der Blick der Historiker, wie Verena Epp in ihrer Einführung verdeutlicht, wissenschaftsgeschichtlich immer wieder auf die Spannung zwischen Recht anordnender Herrschergewalt und der (auch auf Recht basierenden) gentilen Identität samt ihren Trägern bis hin zur Form der von Bernd Schneidmüller so benannten „konsensualen Herrschaft“, wobei auch andere Formen der Einbindung – in Übernahme christlicher Vorstellungen, performativ rituell auf Versammlungen, in sprachlicher Vergemeinschaftung – zu berücksichtigen sind. Hier wie für die Rechtsgeschichte auch bietet die ciceronische, von den Kirchenvätern transportierte Formel vom consensus iuris einen Ausgangspunkt, wobei die rechtsgeschichtlichen Überlegungen direkter auf das vorliegende Recht, seine Schaffung oder seine Akzeptanz zugreifen, wobei Christoph H. F. Meyer in seinem breit angelegten, grundsätzliche Problematik mit Beispielen exemplifizierenden Überblick über eine bewegte, in letzter Zeit wohl zunehmend ent-mediävisierte Wissenschaft zum Schluss noch die Tür aufstößt in die Textgeschichte, was sich als durchaus anschlussfähig zu aktuellen geschichtswissenschaftlichen Tendenzen liest. Die einzelnen Beiträge bieten dann ein breites Spektrum von Ansätzen und Untersuchungsgegenständen, die hier nur kurz benannt werden sollen. Thomas F. X. Noble zeichnet Gregor den Großen auf der Basis seiner Briefe als einen „man of law“, erfahren in römischem, kanonischem und biblischem Recht, der – und hier werden die „Dialogi“ und die „Moralia in Job“ herangezogen – letzten Endes dem biblischen Recht den Vorzug gibt; Konsensvorstellungen lässt das Material nicht oder nur ansatzweise sichtbar werden. Detlef Liebs macht eine abnehmende Einbeziehung der römischen Gruppen in der Gesetzgebung der westgotischen, burgundischen und fränkischen Herrscher plausibel, was jedoch weder als Desinteresse noch als bewusste Marginalisierung zu lesen ist, sondern als eine kreative und kompetente Anpassung an die Lebensumstände. Die wechselhaften Zugangsweisen auf weltliche und geistliche Eliten, wie für die Herrschaft der westgotischen Könige erkennbar ist, überblickt Wilfried Hartmann, wobei neben den bekannten Quellen insbesondere die Kanonessammlungen herangezogen werden; die stellenweise – bei Gericht und Wahl – vorhandene Bindung der Herrscher an den adsensus publicus lässt sich jedoch nicht als eine grundsätzliche politische Leitlinie verstehen, die jeder Herrscher offenbar für sich zog. Auch hinsichtlich der Verhältnisse in Irland lässt sich, wie Fergis Kelly in seinem knappen Überblick darlegt, das Recht für den Herrscher allein auf die Ausführung von Gerichtsurteilen beschränken, wobei die Vorstellung einer gerechten Herrschaft als moralische Verpflichtung jenseits gesetzgeberischer Funktionen besteht. Deutlich politischer und grundsätzlicher wird die enge, als konsensual zu verstehende Verbindung der ostgotischen Nachfolger Theoderichs, der Ostgoten und der Römer von John Moorhead gedeutet, der hierfür nicht zuletzt die Begrifflichkeit Cassiodors aufarbeitet und Parallelen zur Bischofsordination zieht, wobei der Autor die wenig offensichtliche Thematisierung von Begriff und Sachverhalt in den Quellen benennt. In seinem umfänglichen, beinahe taschenbuchstarken Beitrag entwirft Christoph H. F. Meyer eine Geschichte des „Edictum Rothari“ sub species consensus, die von einer Darstellung der Grundkonstellation und der Entwicklungsgeschichte bis hin zu den Novellen in eine nach Sachgruppen geordnete exemplarische Analyse verschiedener Rechtsbegründungen mündet, die als „Ausdruck diskursiver Konsensstrategien“ gedeutet werden, wobei sich historischer Wandel in den kontinuierlichen Neufassungen abbildet; Meyer löst damit seine einleitend erhobene Forderung nach stärkerer Berücksichtigung des Textes ein. Vergleichende Beobachtungen zu Wortbildung und Semantik volkssprachlicher Gruppenbezeichnungen finden sich im Beitrag von Wolfgang Haubrichs, der Spuren einer bewussten, „sprechenden“ Verwendung noch im 7. Jh. sieht. Skeptische Erwägungen hinsichtlich einer einfachen Übertragbarkeit des Konzepts „konsensuale Herrschaft“ auf die Merowingerzeit äußert Steffen Patzold. Verbindlich im Ton, elegant und pointiert im Ausdruck, zugleich aber klar und konsequent im Denken verweist er auf die mangelnde definitorische Bestimmung des Begriffspaares, flankiert sie mit Überlegungen zur Häufigkeitsverteilung des relevanten Wortfeldes in der Geschichtsschreibung, um letztlich als Erklärung für die steigende Frequenz eine Parallele zum immer stärker spürbaren gedanklichen Rahmen der ecclesia als Ordnungsparameter zu ziehen. Am Beispiel der „Lex Baiuvariorum“ vollzieht Harald Siems den von Meyer in der Einleitung skizzierten rechtshistorischen Dreischritt von Konsens in Rechtsschaffung, Rechtsakzeptanz (hier als Geltungsbehauptung erwiesen) und Textgeschichte, was wiederum aktuelle Debatten um die Entstehung aufgreift. Roland Steinacher zeigt die Eigenarten der vandalischen, ohne eigenes Recht auskommenden Situation auf, wobei die möglichen ethnischen und religiösen Differenzen sowie Uneinigkeit in der vandalisch(-alanischen) Elite die Handlungsmöglichkeiten der Herrscher einschränkten. Als letzter Beitrag ist die Arbeit von Chris Wickham zu nennen, der die unterschiedliche Funktion und Verankerung politischer Versammlungen in den poströmischen Reichen darstellt und die Differenzen verdeutlicht. Typisch für die Bde. der Reihe, die aus einer der bekannten Reichenau-Tagungen hervorgehen, ist die breite Zusammenfassung am Ende des Bd., im vorliegenden Fall in Anbetracht der Bandbreite der behandelten Sachverhalte eine alles andere als einfache Aufgabe. Stefan Esders, der sich dieser Aufgabe gestellt hat, schaltet seinen Überlegungen ein Kapitel vor, in dem er zunächst nochmals auf den Leitbegriff des Konsenses eingeht und ihn grundsätzlicher noch als in der Einleitung im Spannungsverhältnis zu den Fragen nach „Herrschaft“ positioniert und dabei vor Vereinfachungen warnt (vergleichbar mit Patzold), zudem aber noch den Begriff des „Rechts“ einbindet, was letztlich in dem Zielbegriff der „Legitimität“ resultiert, als deren Voraussetzung wiederum der Konsensgedanke fungieren kann. Esders extrahiert und ordnet unter den „Institutionalisierungen der Herstellung von Konsens“ die in den vorangegangenen Beiträgen thematisierten Aspekte. Der fast 50 Seiten starke, immer wieder neue grundsätzliche Gedanken äußernde Text ist von einer Dichte, die sich der noch weiteren zusammenfassenden Kompression verweigert. Wenn dem Konsensbegriff abschließend „Ambivalenz und eigentümliche Kraft“ bescheinigt werden, mag man dem gerne zustimmen und hinzufügen, dass bei weitem noch nicht alle Aspekte des Themas auch in dieser historischen Eingrenzung ausgelotet sind; so ist kaum etwas über die in der alten Forschung gern postulierte Rolle „genossenschaftlicher Einungen“ zu lesen, andererseits fragt man sich, ob nicht „Recht“ als Mittel kultureller Hegemonie einer Betrachtung wert wäre, zumal diese (nach Gramsci) letztlich auf eine Herstellung von (als gerecht, einsichtig, notwendig akzeptiertem) Konsens zwischen gesellschaftlichen Gruppen zielt. Es lässt sich also schließen, dass das Forschungsfeld wenn nicht zur Gänze bestellt, so doch zumindest markiert und noch lange nicht abgeerntet ist, und Konzipierenden, Beiträgern und dem Zusammenfassenden ist für ein komplexes, zum Nachdenken über Grundsätze anregendes Werk zu danken.

Gerhard Lubich

Fabiana Boccini (a cura di), Bibliotheca Gregorii Magni Manuscripta. Censimento dei manoscritti di Gregorio Magno e della sua fortuna (epitomi, florilegi, agiografie, liturgia). Census of manuscripts of Gregory the Great and his fortune (epitomes, anthologies, hagiographies, liturgy), vol. 3: Groningen-Mikulov, Firenze (SISMEL. Edizioni del Galluzo) 2019 (Biblioteche e archivi 37), XXIV, 182 S., ISBN 978-88-8450-852-2, € 155.

Nur ein Jahr nach dem zweiten Bd. (2018; siehe dazu QFIAB 100 [2020], S. 652 f.) liegt jetzt der dritte der „Bibliotheca Gregorii Magni Manuscripta“ vor, der die Bibliotheken von Groningen bis Mikulov erfasst (Literaturverzeichnis S. IX–XXIV). Besonders ertragreich waren, wie nicht anders zu erwarten, die Bestände in London, Karlsruhe und Köln. Die Gregorexzerpte in frühmittelalterlichen und hochmittelalterlichen kanonistischen Sammlungen (siehe dazu die Zusammenstellung in QFIAB 96 [2016], S. 598 f.; dort auch zu den Auswahlkriterien und der Genese des Projekts) sind – wie bereits in den beiden vorangehenden Bde. – nicht systematisch berücksichtigt. Dies ist dann auch für die künftigen Bde. nicht mehr zu erwarten. Von der Collectio Dionysio-Hadriana ist die Hs. Karlsruhe, Bad. Landesbibl., Aug. Perg. CIII aufgenommen (S. 31), die elf weiteren einschlägigen Hss. jedoch nicht (dazu siehe dazu Lotte Kéry, „Canonical Collections of the Early Middle Ages [ca. 400–1140]“, Washington D. C. 1999, S. 15). Die Überlieferung von Pseudo-Isidor (siehe Kéry, S. 101 f.) ist nicht verzeichnet (für die Hss. London, Brit. Libr., Cotton Claudius E.V [S. 114] und Mantova, Bibl. Teresiana [Bibl. com.] 205 [B.III.1] [S. 163] sind allerdings die anderweitigen dort vorhandenen Gregorexzerpte nachgewiesen). Aus der Überlieferung der Collectio Anselmo dedicata (CAD) verzeichnet der Katalog bei der Hs. Karlsruhe, Bad. Landesbibl., Aug. perg. CXLII zwar die Exzerpte aus dem „Libellus responsionum“ und dem „Registrum epistularum“ an (S. 31), identifiziert sie jedoch nicht als Bestandteile der CAD (die Auszüge aus dem Register folgen in den einzelnen Büchern der CAD auf die Exzerpte aus den canones). Die 1944 verbrannte Hs. Metz, Médiathèque „Le Pontiffroy“ (antea Bibl. munic.), 100 der CAD fehlt (siehe S. 178). Die Gregorexzerpte (Regulae ecclesiasticae) in der Hs. Livorno, Bibl. Comunale Labronica, XVI 12 sind nachgewiesen (S. 104). Die einschlägigen Hss. der Collectio Hibernensis, des Decretum Burchardi, der Collectio canonum Anselms von Lucca, des Decretum und der Panormia Ivos von Chartres und der Collectio Canonum des Polykarp fehlen (siehe Kéry, S. 73; 219 f.; 251 f., 255; 267). In der Hs. Lucca, Bibl. Capitolare Feliniana, 490 gehört der „Libellus responsionum“ – anders als im Katalog, S. 138 angegeben – nicht zur Collectio Sanblasiana, die sich auf den foll. 236–273 der Hs. befindet (siehe die Beschreibung der Hs. bei Michael D. Elliot, „Collectio canonum Sanblasiana: Manuscripts, Contents, Tradition“, 2017 (https://www.academia.edu/33042172/Collectio_canonum_Sanblasiana_Manuscripts_Contents_Tradition, S. 22). Bei den Datierungen der frühmittelalterlichen Hss. ist – wie schon im ersten und zweiten Bd. – der Katalog von Bernhard Bischoff teils eingearbeitet, teils nicht. Dies führt zu Ungereimtheiten, wie etwa das Beispiel der frühmittelalterlichen Hss. der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe, die von der Reichenau stammen (Aug. Perg.; Fragm. Aug.), zeigt. Die Datierungen bei Bernhard Bischoff, „Katalog der festländischen Handschriften (mit Ausnahme der wisigotischen), Teil I: Aachen-Lambach“, Wiesbaden 1998 sind vielfach (siehe z. B. Aug. Perg. II, III, IV, LXXI, CXI, CXLV etc.) berücksichtigt, aber nicht vollständig (so nicht für Aug. Perg. XIV, CCLIX sowie Fragm. Aug. 23, 24, 25). Daher sind teilweise zusammengehörige Teile von Hss. nicht als solche erkannt und identifiziert. So lautet die Datierung in „Catalogo“, S. 29 zu Karlsruhe, Bad. Landesbibl., Aug. Perg. XIX: sec. IX und zu Aug. Perg. XXIX: sec. IX ex. Die Hss. Aug. Perg. XIX und XXIX sind aber Teile derselben Hs., die Bischoff in das zweite Viertel des neunten Jh. setzt (siehe Bischoff, Katalog 1, S. 333, Nr. 1592). Für Fragm. Aug. 101 und 105 ist erkannt, dass diese zur Hs. Heidelberg, UB, Salem. 8.79 gehören (sie werden im Anschluss an Bischoff sec. IX primo quarto datiert), nicht hingegen für Fragm. Aug. 102 (datiert sec. IX), das aber ebenfalls zur Heidelberger Hs. gehört (siehe Bischoff, Katalog 1, S. 317, Nr. 1518 und S. 367). Wenngleich nachvollziehbar ist, dass im jetzigen Stadium des Projekts der anfängliche Mangel, die kanonistische Überlieferung Gregors nicht systematisch zu erfassen, nicht mehr zu beheben ist, so gilt dies nicht für den Umgang mit dem inzwischen abgeschlossenen Katalog Bischoffs: Dieser lässt sich mit nur geringem Aufwand einarbeiten. Ansonsten bleibt es natürlich dabei, dass die Erschließung der handschriftlichen Überlieferung Gregors ein ebenso wünschenswertes wie nützliches Unternehmen ist.

Wolfgang Kaiser

Christian Weiss, Die mittelalterlichen Fundmünzen und Gewichte vom Monte Iato auf Sizilien. Die Grabungskampagnen 1971–2008, Rahden/Westfalen (Verlag Marie Leidorf) 2019 (Zürcher Archäologische Forschungen 6/Studia Ietina 11), 338 pp., ill., ISBN 978-3-86757-666-6, € 54,80.

Il lavoro di Christian Weiss è il frutto di un dettagliato studio storico e numismatico dei reperti medievali dagli scavi archeologici a Monte Iato (San Cipirello, Palermo) condotti dall’Istituto di Archeologia dell’Università di Zurigo a partire dal 1971 e qui esaminati fino alla campagna del 2008. Il libro ha visto la luce esattamente 40 anni dopo la pubblicazione, nel 1979, del seminale volume „Gli Arabi in Italia“ della collana „Antica Madre“ diretta da Giovanni Pugliese Carratelli. In quel volume il contributo di Paul Balog offriva la prima ricostruzione ampia non solo collezionistica della monetazione siciliana medievale in età araba normanna e sveva, fornendone per la prima volta un quadro generale: Balog si basava molto sui materiali da collezione ed erano pochi allora i dati da ritrovamenti ufficiali („La monetazione della Sicilia araba e le sue imitazioni nell’Italia meridionale“, in: „Gli Arabi in Italia“, a cura di Francesco Gabrieli e Umberto Scerrato, Milano 1979, pp. 611–628). L’American Academy in Rome ha dedicato un convegno al libro e alla sua eredità, i cui atti saranno pubblicati: per le monete vi sarà Lucia Travaini, „,Gli Arabi in Italia‘ and the coins, from Paul Balog to our days [1979–2019]“, in: „Islamic Art and Architecture in Italy: between Tradition and Innovation, Roma, 17–18 May 2018“, in corso di stampa). Ora, 40 anni più tardi, la pubblicazione del libro di Weiss mostra un progresso enorme delle nostre conoscenze, frutto di tanti anni di ricerca archeologica e numismatica, che hanno permesso di cogliere molti aspetti della realtà monetaria ed economica della Sicilia, nonché delle vicende dell’amministrazione per quel che riguarda il controllo della produzione e circolazione delle monete. Il volume rappresenta il grande lavoro compiuto dall’autore per la sua dissertazione, dopo anni di studio dei materiali post classici degli scavi di Monte Iato: qui Weiss interpreta e descrive tutti i reperti sempre nel confronto con altri ritrovamenti dalla Sicilia e con un approccio comparativo largo. Notevole in tal senso soprattutto il capitolo che illustra anche graficamente la distribuzione cronologica dei ritrovamenti dai siti di Iato, Entella, Segesta, Palermo, Milena, Brucato, Piazza Armerina, Messina e Corleone, frutto di scavi da parte di diverse istituzioni. Il catalogo descrive 1085 oggetti, di cui 906 monete, e 179 pesi monetali, dei quali 137 di vetro. Le monete bizantine e arabe sono minoritarie, mentre più numerose sono quelle normanne e specialmente sveve fino all’abbandono finale del sito nel 1246, quando Federico II piegò l’ultima resistenza e deportò la popolazione musulmana a Lucera. Numerosi sono invece i pesi monetali arabi, come si dirà (l’autore mostra una grande competenza nella lingua araba). Il materiale è organizzato cronologicamente e il catalogo è preceduto da capitoli ben documentati sulle monetazioni bizantina, aghlabita, fatimita, normanna e sveva, e il loro impatto nell’isola. Le monete bizantine in catalogo sono tutte di rame; del periodo aghlabita non vi sono materiali; del periodo fatimita vi sono quarti di dinar d’oro (zecche di Palermo e Siracusa) e kharrube di mistura (piccole monete di circa 0,20 grammi o meno, con iscrizioni arabe su entrambi i lati); dell’età normanna vi sono quarti di dinar d’oro, molte kharrube di mistura e follari di rame (specialmente numerosi quelli di Guglielmo II). Il periodo meglio documentato è quello svevo con denari di mistura e anche mezzi denari. Quando consolidò il suo potere come re di Sicilia, Enrico VI rinnovò il sistema monetario abolendo le monete di rame di età normanna e introducendo denari di misura del tipo corrente a nord del Regno, prodotte nelle zecche di Palermo/Messina (per la circolazione in Sicilia e Calabria) e di Brindisi (per la parte continentale del Regno); la zecca di Salerno fu chiusa. Il numero dei reperti enriciani è veramente considerevole e permette di capire la portata del rinnovamento del circolante da parte di questo sovrano. Pur mantenendo in uso le kharrube di eredità normanna, ne rinnovò la tipologia che per Enrico VI ha una legenda bilingue, non solo araba ma anche latina. Se i provvedimenti monetari di Federico II a partire dal 1220 erano noti già da fonti scritte (e poi confermati dai ritrovamenti), per Enrico VI è la ricerca numismatica ad aver messo in luce il suo ruolo nel progettare la riforma monetaria, e avviare una massiccia produzione di denari, tangibile nel gran numero di esemplari da Monte Iato. Di Federico II sono documentati molti denari dal 1197 fino al 1246, che qui non commento, rinviando al suo testo anche per l’aggiornamento delle attribuzioni di zecca; interessanti le osservazioni sui rari esemplari della zecca di Brindisi, che appaiono qui „manomessi“ come se non fossero accettati. Numerosi sono i denari emessi a nome dell’emiro ribelle Muhammad ibn ‘Abbād (c. 1220–1222): ben 48 esemplari, alcuni dei quali parte di piccoli ripostigli. Particolarmente rilevante è il ritrovamento di un conio di ferro: si tratta di un conio di incudine certamente medievale. La superficie corrosa non permette di riconoscere tracce dell’impronta del tipo che avrebbe dovuto coniare, ma che doveva, per dimensioni, essere un denaro di mistura di produzione non ufficiale. L’ipotesi più probabile è che fosse un conio della zecca del ribelle musulmano, per produrre proprio i denari del tipo ritrovato così numeroso nel sito (gli scavi hanno restituito anche due strisce sottili di lamine metalliche che avrebbero potuto far parte della lavorazione di zecca, ma provengono dal contesto del conio). Si era pensato che la zecca di Muhammad ibn ‘Abbād fosse stata a Entella, ma ora sembra assai probabile che fosse stata invece a Monte Iato. Cautamente Weiss accenna all’ipotesi che il conio potesse in alternativa essere stato destinato a produrre falsi denari di Enrico VI o Federico II, ma resta più probabile l’ipotesi che appartenesse alla zecca del ribelle. I ripostigli monetali (18 in totale, definiti „Kollektivfunde“) includono anche alcuni complessi di soli due o tre esemplari. Tutti gli esemplari di ciascun complesso sono stati catalogati cronologicamente all’interno del catalogo generale e non separatamente per ciascun complesso; questo in parte può falsare la percezione del numero di esemplari di un certo tipo, ma a p. 112 una tabella li elenca con dettagli che rinviano ai numeri di catalogo, permettendo di ricostruire i dati. Si può notare la presenza di ripostigli di denari federiciani mono-tipo, confermando il sistema delle renovationes monetae, note per Federico II dal 1220 con la testimonianza di Riccardo di San Germano. Vi è un certo numero di monete straniere ritrovate negli scavi; le monete illeggibili sono soltanto 32 – tutti denari –, il che indica l’accuratezza del lavoro di individuazione dei reperti. In appendice B sono catalogati 10 denari e un peso in bronzo da 40 tarì provenienti dallo scavo del castello ossidionale di Federico II di fronte a Iato: la cronologia dei denari indica la data del 1246. Considerevole è la presenza dei pesi: due rarissimi in pietra, uno di piombo, alcuni di bronzo, e 137 pesi di vetro. La metrologia storica è un campo di studio difficile e poco frequentato ma sono spesso le monete a dare informazioni sugli standard ponderali in uso e qui Weiss ha dato effettivamente un contributo notevole (pp. 115–143). I pesi di vetro meritano una nota particolare: Balog aveva studiato quelli islamici dell’Egitto e anche per quelli siciliani aveva proposto che, per l’assenza di monete di rame nel sistema monetario arabo, i dischetti di vetro avrebbero potuto essere usati non come pesi monetali ma come gettoni, vale a dire valuta fiduciaria; la frequenza di tali pesi, o gettoni a seconda dell’interpretazione, negli scavi siciliani ha indotto altri studiosi a seguire la sua idea. Weiss in questo studio (pp. 121–139) ha esaminato nel dettaglio la storia degli studi, le fonti, tutti i dati da scavo e, considerando l’insieme dei pesi (di bronzo e vetro) da Monte Iato, ha potuto affermare che i loro pesi rientrano nei sistemi rispettivamente dell’argento (doppio dirham/dirham) e dell’oro (dinar/tarì). Invece di essere gettoni o monete sostitutive, quindi, dovrebbero essere considerati come pesi per monete o per materiale prezioso, come le spezie. I normanni introdussero la coniazione di monete di rame in Sicilia per gli scambi minuti e non si giustificherebbe in tale periodo l’uso di gettoni di vetro se non come pesi: la frequenza dei pesi di vetro dello standard aureo (dinar/tari) con il nome del califfo fatimida al-Ḥāfiẓ (1130–1149) suggerisce il loro uso comune nel periodo normanno. Se resta inspiegabile l’assenza di pesi di vetro a nome di sovrani normanni ve ne sono alcuni certamente svevi, che raffigurano un’aquila ad ali spiegate. Sulla base dei dati di Iato, Weiss propone una ricostruzione dei sistemi ponderali dell’argento (tabella 4, p. 141) e dell’oro (dinar/tarì, tabella 5, p. 142), con osservazioni precise sul peso dei tarì tra età normanna e sveva, e il valore del grano: sulla base del peso dell’augustale del 1231 si era pensato che il peso standard del tarì fosse di 0,85 g, ma forse era ancora di 1 g, come sembra dimostrare il peso da 40 tarì ritrovato nel castello ossidionale e pertinente al 1246. Il volume ha 25 pp. di bibliografia ed è corredato da sommari in tedesco (con tabelle riassuntive), in italiano e in inglese, con indici di nomi e di luoghi, tavole di concordanze tra numeri di inventario e di catalogo. Le immagini riprodotte, realizzate dai calchi, sono di grande qualità e tutte perfettamente leggibili e omogenee.

Lucia Travaini

Veronica West-Harling, Rome, Ravenna, and Venice, 750–1000. Byzantine Heritage, Imperial Present, and the Construction of City Identity, Oxford (Oxford University Press) 2020, 720 pp., ill., ISBN 978-0-19-875420-6, GBP 95.

In questo corposo volume Veronica West-Harling si destreggia tra le tre città che vantano le più lunghe e complesse tradizioni storiografiche nel panorama medievistico italiano, compiendo un’operazione finora inedita. Il punto di osservazione è il „common heritage of Byzantine Italy in three main cities of particular significance“ (p. 1), indagato al fine di comprendere se e in che misura la romanitas, l’appartenenza alla tradizione romana, abbia avuto un ruolo nella formazione delle identità di queste città. Uno dei più evidenti meriti di West-Harling è lo sforzo di prendere in considerazione una vasta gamma di fonti, scritte, materiali, iconografiche. Il confronto tra materiali diversi permette di arricchire i quadri offerti dalle „city-specific narratives“ (p. 8): il „Liber pontificalis“ romano, il „Liber pontificalis Ravennatensis ecclesiae“ di Agnello e l’„Istoria Veneticorum“ di Giovanni Diacono. Non stupisce che la bibliografia si sviluppi su 130 pp. Nei sei capitoli del volume, più introduzione e brevi conclusioni, l’autrice usa più volte la metafora teatrale per scandire la progressione della sua analisi. Il cap. 1, una sorta di libretto d’opera che consente di seguire le sue argomentazioni, riassume gli eventi politici che segnano la storia delle tre città. I capp. 2 e 3 introducono gli attori. La composizione sociale dei tre contesti è analizzata secondo categorie che riflettono un debito profondo nei confronti della lezione di Chris Wickham. Nel caso romano, i papi e le aristocrazie sono descritti come due forze sociali distinte, quasi impermeabili, spesso in conflitto tra loro. La provenienza di molti papi da quegli stessi gruppi aristocratici sembra però porsi in contraddizione con una così netta separazione. Nel cap. 4 West-Harling sposta la sua attenzione sui luoghi e gli spazi (lo stage) entro cui le diverse componenti si muovevano: i palazzi del potere, le residenze delle aristocrazie, e quelle case dei santi, vivi e defunti, che erano i monasteri e le chiese cittadine. Anche se „the monastic landscapes of Ravenna and Venice are not dissimilar to that of Rome, and to each other“ (p. 346), resta l’impressione di una complessità molto maggiore, o solo meglio documentata, del contesto romano, la cui varietà di soluzioni – diaconiae, tituli, xenodochia, domuscultae, monasteri greci e latini – non trova riscontri paragonabili a Ravenna e Venezia. Il cap. 5 è il momento delle performances, dell’interazione tra attori e spazi. Le rivendicazioni papali di responsabilità esclusiva nella gestione delle strutture pubbliche di Roma trovò l’appoggio dei sovrani carolingi, da cui „the government of Rome had been granted to the popes“ (p. 422). Allo stesso tempo i Carolingi plasmarono una certa idea di romanità a fini di auto-legittimazione, tanto che „Roman tradition was, in effect, set during the Carolingian period“ (p. 446). A Venezia il motore delle trasformazioni negli spazi pubblici fu sempre l’autorità ducale, o per meglio dire gli interessi di chi di volta in volta la rivestiva. Gli arcivescovi di Ravenna, alla ricerca di un rapporto privilegiato con i detentori dell’autorità imperiale, misero sempre a disposizione dei sovrani gli spazi e le strutture fisiche della loro città. La trama si risolve, molto più che nelle brevi conclusioni, al cap. 6, quando l’autrice (regista) riassume i risultati delle sezioni (gli atti) precedenti attorno al tema centrale del suo studio, il ruolo della romanitas nella memoria e nell’identità delle tre città. Ognuno dei tre contesti sviluppò soluzioni proprie. A Roma la romanitas assunse significati diversi agli occhi dei papi (e con loro dei Carolingi e dei pellegrini), che la identificarono in san Pietro e San Pietro, il princeps apostolorum e il suo santuario nell’area del Vaticano, e delle aristocrazie locali, che occuparono spazi diversi con le loro abitazioni e le chiese di loro fondazione. Già nel IX secolo la Roma dei Romani era ben diversa dalla Roma dei turisti religiosi. La romanitas predominante in ambito ravennate era quella del passato esarcale, esaltato per nostalgia dell’autocefalia. Venezia, l’unica delle tre dotata non di un passato, ma di un presente, romano, appare in realtà quella più profondamente integrata nelle pratiche politiche e sociali del regnum. A fronte di tanta ricchezza di contenuti, occorre segnalare forse due mancanze. Nelle vicende di Roma, Ravenna e Venezia, dei loro attori sociali, dei loro spazi pubblici, delle loro memorie e identità, l’epoca carolingia rappresenta un momento di svolta decisivo. Le tre città e le loro élite dovettero ripensare loro stesse, dotarsi di nuove identità, adottare nuove pratiche o adattare quelle precedenti a condizioni e rapporti di potere profondamente mutati. Il peso della fase carolingia avrebbe per questo potuto essere meglio valorizzato. Si tratta però, certamente, di una scelta ponderata. Il ruolo dei Carolingi non era di per sé al centro dell’interesse dell’autrice se non in maniera indiretta, per valutarne gli effetti in termini di nuovi usi e concezioni della romanitas. Un’assenza più ardua da spiegare riguarda le memorie agiografiche. Pur insistendo sulla funzione di catalizzatore identitario del culto dei santi, West-Harling tralascia i collegamenti istituiti o esaltati dai testi agiografici di IX–X secolo tra Pietro, Apollinare e Marco. Agnello si servì della preesistente Vita di Apollinare come fonte per la biografia del santo vescovo nel suo „Liber pontificalis“, riprendendo la tradizione che ne faceva un discepolo di Pietro, da questi inviato a evangelizzare la città. Nel momento in cui i duchi di Venezia si appropriarono fisicamente – tramite le sue reliquie – di san Marco, l’evangelista e il suo rapporto con Pietro erano argomenti centrali nella disputa tra Aquileia e Grado per il rango patriarcale, cui il destino politico del ducato era strettamente legato. Come osserva la studiosa, i tratti che accomunano le tre città non sono poi così tanti. Ci si potrebbe dunque domandare, a fronte di questi risultati, se l’approccio comparativo abbia un senso. Il senso c’è, e va oltre la constatazione dei (non molti) tratti comuni o delle (più numerose) differenze. La comparazione permette di osservare nel dettaglio, come fatto in questo volume, le traiettorie proprie di ciascuna realtà, prima di porle a confronto; obbliga dunque a un attento lavoro preliminare di ricostruzione, che di per sé arricchisce enormemente le nostre conoscenze su Roma, Ravenna e Venezia nell’alto medioevo. Ben venga dunque la comparazione, se è condotta nel modo in cui lo fa West-Harling.

Francesco Veronese

Ross Balzaretti, The Lands of Saint Ambrose. Monks and Society in Early Medieval Milan, Turnhout (Brepols) 2019 (Studies in the Early Middle Ages 44), XVII, 640 pp., ill., ISBN 978-2-503-50977-8, € 130.

Nel panorama religioso, politico e culturale dell’Italia altomedievale, il monastero di S. Ambrogio di Milano emerge fra i centri monastici più influenti. Attraverso la prospettiva fornita dal cospicuo fondo documentario ambrosiano, il denso volume di Ross Balzaretti si propone di esaminare la società cittadina e del territorio milanese fra i secoli VIII e X. Frutto della rielaborazione della tesi di dottorato discussa nel 1988, „The Lands of Saint Ambrose“ costituisce il punto di arrivo di oltre trent’anni di ricerche; l’autore, oltre a discutere pressoché l’intera storiografia altomedioevale europea dall’età moderna fino a oggi, concentra la sua analisi sulle centinaia di pergamene milanesi. Ognuna di esse è infatti attentamente esaminata per trarre il massimo apporto informativo per la ricostruzione dei più vari aspetti della società milanese in cui fu prodotta. Il volume è infatti un ottimo esempio di minuta microhistory, volta a costruire un quadro interpretativo complessivo, che dunque diviene macrohistory. Lo studio è suddiviso in tre parti: „Small and Large Worlds“ (pp. 3–287); „Dossiers“ (pp. 291–473); „Conclusion“ (pp. 477–525). I primi cinque capitoli che compongono la prima parte delineano il contesto storico e le coordinate storiografiche entro cui si colloca l’analisi dei dossier documentari della seconda sezione, vero cuore del lavoro. Il primo capitolo illustra il corpus documentario conservatosi nel fondo archivistico di S. Ambrogio, circa trecento documenti tra gli anni 720 e 1000, oggi conservati presso l’Archivio di Stato di Milano. Benché non si tratti di numeri eccezionali in assoluto, a maggior ragione se paragonati ad altre realtà europee e italiane altomedievali, il valore precipuo di questi documenti risiede nel fatto che sono conservati in dossier organici relativi a singoli complessi fondiari che il cenobio milanese possedeva entro il territorium civitatis fino ai rilievi della Valtellina. Come spesso è accaduto per le grandi abbazie benedettine italiane, storici ed eruditi locali otto-novecenteschi di formazione positivistica hanno concentrato i loro sforzi interpretativi prevalentemente sulla documentazione conservata in copia, sulle falsificazioni e sulle interpolazioni. In realtà, questa è solo una piccola percentuale dell’intero complesso documentario ambrosiano, che dunque attendeva un’analisi approfondita, organica e unitaria. Lo studio si avvale poi di tutte le altre fonti disponibili per la Milano altomedievale, in particolare i codici manoscritti, le iscrizioni e gli esiti degli scavi archeologici compiuti in città e nel territorio circostante. I due capitoli successivi concludono la trattazione del contesto storico in cui il monastero fu fondato. Data l’importanza di sant’Ambrogio per la città e per la comunità monastica, istituita presso la basilica martyrum paleocristiana che ne custodiva il corpo, il secondo capitolo affronta l’esame della figura del santo e del suo culto nel corso del tempo. Il terzo capitolo traccia poi le linee di sviluppo politico e sociale che trasformarono la Milano ambrosiana tardoantica nella Milano carolingia della fine dell’VIII secolo, quando fu fondata la comunità monastica benedettina di S. Ambrogio dall’arcivescovo Pietro, con il cruciale interesse di Carlo Magno (784/790). Il cap. 4 discute quindi la questione della fondazione del cenobio, lo stretto legame con Carlo Magno e con la dinastia carolingia, le acquisizioni patrimoniali e i rapporti con i vertici della società locale e con il regno fra i secoli IX e X. L’esame approfondito delle vicende del cenobio e delle sue carte apre la possibilità di indagare a fondo il cityscape (paesaggio urbano) della Milano altomedievale: l’analisi contempla uno studio demografico della popolazione urbana dall’età tardoantica al secolo X, un’indagine sulla configurazione abitativa e urbanistica della città, un esame delle diverse categorie sociali attive in essa e nel suo territorio. Milano, secondo Balzaretti, rimase una città vera e propria anche nel momento di generale contrazione della vita urbana dei secoli altomedievali. Una delle ragioni fondamentali che spiegano questa continuità sarebbe stata proprio la fondazione in città della comunità monastica ambrosiana, un centro patrimoniale e di relazioni che fu in grado di collegare il tessuto urbano con il territorio circostante. La ricostruzione dettagliata dell’ecosistema milanese (p. 287) fra città e territorio è affrontata nei cap. 6–9 attraverso lo studio dei dossier documentari conservati nell’archivio di S. Ambrogio relativi alle proprietà extraurbane dei monaci. Si tratta delle località di Campione, Gnignano, Cologno, Limonta, Inzago e della Valtellina. Anche in questo caso l’esame della documentazione non solo comprende lo studio delle proprietà monastiche, ma mira a descrivere quelle specifiche società di villaggio nel loro complesso e nei loro rapporti con il centro gestionale cittadino. Infine, nella parte conclusiva del volume, la terza, si considera la centralità che il monastero di S. Ambrogio ebbe nel complessivo sviluppo economico del territorio milanese, pur proponendo cautela nel riconoscere all’istituzione monastica una completa egemonia a livello locale. Completano lo studio un’ampia sezione bibliografica, gli indici e un esplicativo apparato di corredo, composto da illustrazioni, tabelle e mappe cartografiche.

Edoardo Manarini

Gianmarco Cossandi (a cura di), Le carte del monastero di San Salvatore e Santa Giulia di Brescia, vol. I (759–1170), Spoleto (Fondazione Centro Italiano di studi sull’Alto Medioevo) 2020 (Fonti storico-giuridiche. Documenti 24), XXX, 796 pp., ISBN 978-88-6809-089-2, € 120.

Nella fase di enormi cambiamenti che il tumultuoso avvento della tecnologia digitale va imponendo alla ricerca diplomatistica e a quella storica – analogamente a ogni dimensione non solo di studi ma di vita – anche le edizioni di documenti medievali stanno mutando pelle: sempre più numerosi sono gli strumenti online per accedere a pergamene, codici, manoscritti, spesso visibili „a distanza“ anche nel loro aspetto fisico attraverso fotoriproduzioni che, in alcuni casi, possono consentire letture e analisi migliori che dal vero. Sembra, tuttavia, del tutto ovvio che abbia ancora un senso offrire, comunque, su carta delle edizioni di documenti poiché è questa l’occasione per fermare lo stato delle indagini, appunto, diplomatistiche, archivistiche e storiche attorno a dei fondi documentari e a ogni singolo pezzo. In questo senso, l’edizione del primo volume de „Le carte del monastero di San Salvatore e Santa Giulia di Brescia“ può essere vista come un ulteriore passo rispetto a quel Codice diplomatico della Lombardia medievale (CDLM, http://www.lombardiabeniculturali.it/cdlm/edizioni/bs/brescia-sgiulia1/; 6.4.2021) cui Cossandi aveva già non secondariamente contribuito, pubblicando anche altri fondi. Un limite di questa edizione cartacea potrebbe essere ravvisato non tanto nel non aver apportato aggiornamenti rispetto al precedente lavoro, perché ve ne sono, sebbene non clamorosi, e si sa come nella diplomatistica abbia un ruolo non secondario proprio il continuo, ripetuto lavorio su tanti particolari: nel caso in questione, vengono ad esempio ridatate alcune pergamene, operazione che ha portato anche all’eliminazione di un documento, il 201 del CDLM. Piuttosto, si potrebbe pensare a una maggiore valorizzazione di ciascun supporto, „digitale“ e cartaceo. Come già scritto, il secondo non sembra inferiore rispetto al primo ma, piuttosto, diverso: pubblicare su carta un’edizione ha ancora la sua profonda ragion d’essere nel consentire di fornire strumenti per i quali è importante anche la percezione visiva – si pensi a elenchi, grafici, statistiche – oltre che nel mettere un punto a studi e ricerche spesso pluriennali, fornendo un’interpretazione delle dinamiche interne alla massa documentaria e della storia della stessa fondazione; fermo restando il valore che sembra ancora oggi evidente nella carta, magari per inveterata abitudine dei lettori non nativi digitali, di proporsi come base per una lettura più posata e comoda rispetto a quella che si può sperimentare su schermo. Va inoltre rammentato che, durante la lunga e complessa transazione dal digitale al cartaceo, rammentata da Giancarlo Andenna nella prefazione che di ciò porta qualche esplicito segno, è anche uscito il volume XCIX della seconda serie delle „Chartae Latinae Antiquiores“, Dietikon-Zürich 2018 (ChLA) a cura di Cristina Mantegna, Gianmarco De Angelis e Laura Pani, comprendente i più antichi documenti di Santa Giulia pervenutici in originale; ma si veda ChLA, XCIX, 1 e il nr. 17 dell’edizione di Cossandi. A proposito di originali e copie, è assai utile poter sfogliare le pagine della serie di diplomi „longobardi“ di Santa Giulia: salta così all’occhio come le copie databili tra i secoli XI e XII siano tra di essi di gran lunga predominanti. Non molto diversa è, peraltro, la sorte anche per i documenti privati, col che si aprirebbe la enorme questione della attendibilità di tali pezzi che, quanto meno, andranno utilizzati dopo un accorto studio delle ragioni che portarono alla redazione degli esemplari pervenutici, nel contesto storico del momento di stesura di tali copie. Così come risulta evidente il gran numero di pergamene del secolo XII – 113, che cominciano con la nr. 94 del 1103 aprile 10, senza contare le 92 e 93 da assegnare al 1100, e finiscono con la 206 del 1170 ottobre 30, con cui si chiude l’edizione – tra le quali il ricorso al breve appare fortemente predominante rispetto alla „charta“. E, a proposito di breve, si vuole far notare un ulteriore dato per rendere conto dell’ampiezza dell’impegno profuso da Cossandi che riedita il celeberrimo ‚breve de curtibus et terris‘ di inizio secolo X (datazione preferita dallo studioso a quell’ultimo decennio del secolo IX indicato da Gianfranco Pasquali sulla base di osservazioni paleografiche fornite da Bernhard Bischoff: si veda a p. 190). Ebbene, l’editore, oltre a indicare il facsimile in ChLA, tre edizioni precedenti rispetto alla propria, una parziale trascrizione e un regesto, segnala la bibliografia che si è soffermata sul breve, con ben 108 rimandi ad altrettanti studi usciti tra il 1868 e il 2008 (la bibliografia, in generale, è forse meno puntuale per gli ultimissimi anni). Un dato che lascia ben comprendere il ruolo che Santa Giulia riveste negli studi sul medioevo, particolarmente per i secoli coperti da questa edizione. La specifica „I“ nella copertina del volume lascia presagire che Cossandi possa procedere ulteriormente, magari offrendo quegli strumenti cui si faceva riferimento, ampliando e sistematizzando in un’interpretazione complessiva quanto da lui compreso circa il formarsi del patrimonio documentario del celebre monastero bresciano.

Mario Marrocchi

Gustav Pfeifer (Hg.), Innichen im Früh- und Hochmittelalter. Historische und kunsthistorische Aspekte/San Candido dall’alto Medioevo al Duecento. Aspetti di storia e storia dell’arte, Innsbruck (Wagner) 2019 (Veröffentlichungen des Südtiroler Landesarchivs/Pubblicazioni dell’Archivio provinciale di Bolzano 47), 383 S., zahlr. Abb., ISBN 978-3-7030-1097-2, € 44,90.

Auf seiner Rückreise aus Italien im Jahre 769 ließ der Bayernherzog Tassilo III. in Bozen eine großzügige Schenkung an das Kloster Innichen beurkunden, das Abt Atto von Scharnitz/Schlehdorf gegründet hatte. Die Verfügung blieb als Eintragung in einem Kopialbuch der Kirche von Freising erhalten. 1250 Jahre nach den Anfängen der Mönchsgemeinschaft gedachte man in Innichen dieses Ereignisses. Die im Rahmen des internationalen Symposions gehaltenen Referate konnten noch im gleichen Jahr im Druck erscheinen. Eingeleitet wird der Bd. mit einer Würdigung des um die Erforschung der Geschichte von Innichen höchst verdienstvollen Sprachwissenschaftlers Egon Kühebacher, der selbst mit Hilfe einer Analyse der Orts- und Flurnamen eine über den Brenner erfolgte, fortschreitende Besiedlung des Wipp- und Pustertales durch bajuwarische Kolonisten seit dem frühen 7. Jh. rekonstruiert. Roman Deutinger ordnet die Verfügung Tassilos in die auch sonst bezeugte Klosterpolitik des Bayernherzogs ein, wobei sich die Zahl der tatsächlichen einschlägigen Initiativen in engen Grenzen hält und die Motivation der Zuwendungen an geistliche Gemeinschaften durchaus den Vorstellungen der damaligen Zeit entspricht. Die minuziöse und umfangreiche Auflistung der römerzeitlichen Funde im Bereich von Innichen durch Günther Kaufmann lassen auf eine ausgedehntere Siedlung an dieser Stelle schließen, die in reduzierter Form auch bis in das frühe Mittelalter Bestand hatte. Irmtraut Heitmeier betont in ihrem Beitrag über das Pustertal im agilolfingischen Herzogtum die offenbar bisher zu wenig berücksichtigte Rolle der Langobarden bei der Entstehung der Baiern und bietet unter anderem auch den Versuch einer neuen Genealogie der Agilolfinger. Die Annahme eines fränkischen „Riegels“, der den Brenner für die Baiern im 7. Jh. blockierte, führt zu der Folgerung, dass die Kommunikation zwischen dem bairischen Kernraum im voralpinen Norden und dem Pustertal und weiter nach dem Süden über die Birnlücke, einem Pass in über 2600 Meter über dem Meer, erfolgte. Damit ergeben sich gewisse Diskrepanzen zu den Ausführungen von Kühebacher. Giuseppe Albertoni arbeitet den Anteil des bairischen Geschlechtes der Huosi bei der Gründung von Innichen heraus. Das stets nur bescheidene Kloster wurde erst zu Beginn des 9. Jh. eng an die Kirche von Freising gebunden, für die es in der Folge einen wichtigen Stützpunkt auf dem Weg zu den Besitzungen dieses Hochstifts in Kärnten, Friaul und Krain darstellte. Die vor allem auf den neuesten archäologischen Forschungen aufbauende, sehr konzise Übersicht von Harald Krahwinkler über Karantanien und Bayern im Frühmittelalter geht nur am Rand direkt auf Innichen ein, denn das Kloster ist dem in der Urkunde Tassilos festgehaltenen Auftrag der Bekehrung der benachbarten ungläubigen Slawen offensichtlich kaum nachgekommen. Ähnliches gilt auch für den zeitlich anschließenden Beitrag von Paul Gleirscher über Innichen/Freising zwischen 8. und 10. Jh. Die Bedeutung des Pustertaler Klosters beruhte vor allem auf seiner Funktion als Station auf dem Weg in den Süden. Die Übersicht über die urkundliche Überlieferung von Innichen von Walter Landi stellt eine Zusammenfassung der Monographie des Autors über das gleiche Thema („Otto Rubeus fundator“, Innsbruck 2016) dar. Echte und falsche Herrscherdiplome der Karolinger und Ottonen gestatten Einblicke in die Entwicklung der Mönchsgemeinschaft, die nach einer Zäsur in der Zeit der Ungarneinfälle in ein Kanonikerstift umgewandelt wurde. Zwei umfangreiche kunsthistorische Beiträge befassen sich mit zahlreichen Details der plastischen Gestaltung der hochmittelalterlichen Klosterkirche und der höchst eindrucksvollen, ursprünglich fünffigurigen Triumphkreuzgruppe. Die Bauplastik weist nach Leo Andergassen auf Beziehungen zu Parma, und zum Kruzifixus bringt Gerhard Lutz eine große Zahl von zeitlichen und regionalen Parallelen, ohne jedoch eine konkrete Aussage über die Zeit und den Ort der Entstehung der Figuren zu wagen. Die abschließend von Peter Štih vorgelegte Bilanz der Tagung bietet einige über die Zusammenfassung der Referate hinausgehende Hinweise über die Beziehungen von Innichen zum slowenischen Raum.

Josef Riedmann

Josef Dolle, Papsturkunden in Niedersachsen und Bremen bis 1198, Göttingen (Wallstein) 2020 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen 306), 348 S., ISBN 978-3-8353-3581-3, € 39,90.

Das hier zu besprechende Werk Josef Dolles stellt die erste vollständige Edition aller Papsturkunden dar, die bis zum Jahre 1198 für niedersächsische und bremische Empfänger überliefert sind. Bei der Erarbeitung der Edition konnte Josef Dolle bereits auf zwei Bde. der „Germania Pontificia“ zurückgreifen, die im Rahmen des Göttinger Papsturkundenwerkes der Pius-Stiftung veröffentlicht worden sind. Die in diesen beiden Bänden versammelten Papsturkunden decken den Bereich Niedersachsen und Bremen zwar komplett ab und bieten bereits einen guten regestenartigen Überblick über die überlieferten Papsturkunden. Sie verweisen dabei jedoch auf teils veraltete, teils unzuverlässige Regesten und Drucke. Da es auch sonst keine vollständige und einheitliche Sammlung kritisch edierter Papsturkunden für niedersächsische und bremische Empfänger aus dieser Zeit gibt, stellt das Editionswerk Josef Dolles ein Desiderat innerhalb der Papsturkundenforschung des Mittelalters dar. Nach einem knappen Vorwort (S. 7) befasst sich der Vf. in seiner Einleitung (S. 8–14) mit einem Abriss der Geschichte des Papsttums im europäischen Mittelalter und mit der historischen Einordnung der Besonderheiten des mittelalterlichen Urkundenwesens. Nach einer Zusammenfassung des Forschungsstandes bezüglich der kritischen Erforschung von Papsturkunden, die vor dem Amtsantritt Innozenz’ III. überliefert sind, kommt Josef Dolle auf die wichtigsten Punkte seiner eigenen Editionsarbeit zu sprechen. Es folgt eine Auflistung der benutzten Quellen (S. 15–25), gebündelt nach den Archivorten, an denen sich die jeweiligen Quellenstücke befinden. Daran schließt Josef Dolle ein ausführliches Verzeichnis der Quellen- und Literaturwerke an (S. 26–60), bevor er sich kurz zu den Richtlinien seiner Editionsarbeit äußert (S. 61). Ein Abkürzungsverzeichnis schließt diesen Teil des Editionswerkes (S. 62 f.). Den Hauptteil der Edition stellt die chronologische Sammlung der edierten Urkundentexte dar (S. 65–306). Bei der Edition orientierte sich der Vf., soweit möglich, an dem Original. Das Vorgehen unterscheidet sich nun von anderen Papsturkundenwerken darin, dass auch verlorene, kopial überlieferte, verunechtete oder gefälschte Urkunden in die Edition miteinbezogen wurden. Ist eine Papsturkunde nur kopial überliefert oder zerstört worden, so stellt die jeweils beste Abschrift der Urkunde die Grundlage für die kritische Edition dar. Bis auf ein paar begründete Abweichungen richtete sich Josef Dolle dabei nach den „Handreichungen für die Erarbeitung von Urkundenbüchern“, die Manfred von Boetticher und Thomas Vogtherr für die Historische Kommission für Niedersachsen und Bremen erstellt haben. Die Sammlung umfasst insgesamt 163 Urkunden, darunter fünf Legatenurkunden, aus insgesamt 43 Archiven und Bibliotheken. Die ältesten Urkunden dieser Sammlung werden auf das Jahr 832 datiert und zählen zu den bedeutendsten, aber auch umstrittensten Quellenstücken dieser Edition, da sie die Bestätigung der von Karl dem Großen geplanten und von seinem Sohn Ludwig dem Frommen vollzogenen Gründung des Erzbistums Hamburg durch Papst Gregor IV. dokumentieren (vgl. Nr. 1–3, S. 67–73). In Bezug auf die Gründungsproblematik des Erzbistums hält Josef Dolle mit dem Verweis auf die aktuellen Forschungserkenntnisse fest, die Gründung des Erzbistums Hamburg sei reine Fiktion (S. 13). Die Sammlung lässt erkennen, dass die Ausstellung von Papsturkunden für Empfänger in Niedersachsen und Bremen in der zweiten Hälfte des 11. Jh. erst allmählich und ab dem 12. Jh. dann deutlich zunahm. Insgesamt sind aus in diesem Jh. 118 Urkunden überliefert, darunter sieben Fälschungen. Für die Jahre von 832 bis 1100 hingegen sind insgesamt nur 45 Urkunden belegt, von denen mehr als die Hälfte gefälscht sind. Zudem fällt auf, dass die meisten der in dieser Sammlung verzeichneten Urkunden, sowohl die echten als auch die gefälschten, an das Erzbistum (Hamburg-)Bremen ausgestellt wurden. Auf die edierten Urkundentexte folgen ein Verzeichnis der Incipits (S. 307 f.) und zwei Indizes, von denen der eine die in den Urkunden erwähnten Personen und Orte verzeichnet (S. 310–344). Der zweite Index (S. 345–347) versammelt ausgewählte Termini und lässt die Erfahrung des Editors für relevante Begriffe erkennen, die im Kontext der Arbeit mit Urkundeneditionen sinnvoll sind. Die Edition schließt mit einem Verzeichnis der Bullen und Siegel (S. 348). Die Edition Josef Dolles stellt ein wichtiges Instrument dar, da es die versammelten Papsturkunden, die sonst in vielen Archiven und Bibliotheken verstreut liegen, schwer zugänglich sind oder aufwändig gesucht werden müssen, kritisch ediert bündelt. Die Entscheidung, die kritische Edition der Papsturkunden für Empfänger der Regionen Niedersachsens und Bremens gemeinsam in einem Bd. zu sammeln, erscheint sinnvoll, und zwar nicht zuletzt vor dem Hintergrund der historischen Zusammenhänge der beiden Regionen. Damit gelingt es Josef Dolle, eine wichtige Lücke innerhalb der Papsturkundenforschung zu schließen.

Carolin Ann Triebler

Nicolangelo D’Acunto, Cum anulo et baculo. Vescovi dell’Italia medievale dal protagonismo politico alla complementarietà istituzionale, Spoleto (Fondazione Centro Italiano di studi sull’Alto Medioevo) 2019 (Istituzioni e società 24), XVIII, 568 pp., ISBN 978-88-6809-259-7, € 75.

Nelle prime pagine di questo volume, concentrato su istituzioni e personalità ecclesiastiche, l’autore si chiede se il libro possa essere definito „di storia religiosa“ (p. IX). Una domanda che potrebbe lasciare interdetti, pensando che i vescovi sono costantemente al centro della riflessione, in particolare, ma non solo, nella stretta relazione tra sacerdotium e regnum. Un decimo delle pagine è inedito, distribuito in soli tre capitoli piuttosto brevi; per il resto, si tratta di vari studi, già pubblicati dal 2001 in avanti, molto diseguali per impegno, dimensioni e apparati critici. Rimane, comunque, il tema di fondo del ruolo dei vescovi a garantire unitarietà a un libro dall’uniforme sapore ecclesiale. Gli studi sono divisi in quattro parti: la prima si occupa dei vescovi nel Regno Italico, con particolare attenzione ai secoli X e XI. È questo il periodo su cui la produzione di D’Acunto è più abbondante, sia sulle dinamiche delle istituzioni ecclesiastiche della penisola sia sui rapporti tra queste, le famiglie eminenti del Regno Italico, l’Impero e il Papato. Emerge una profonda conoscenza, in particolare, di tematiche storiografiche molto battute dalla medievistica tedesca come il rapporto tra Reichskirchensystem e Hofkapelle, che consente di proporre una ricostruzione meno schematica del sia pur innegabile conflitto che scoppiò tra una parte papale e una imperiale, con Gregorio VII ed Enrico IV, nonostante il quale l’autore rimarca, in modo del tutto condivisibile, il complesso intreccio di relazioni tra personalità in entrambi gli schieramenti e la presenza di intenti riformatori anche nella parte imperiale. Colpiscono alcuni vizi formali, non solo marginali – ad esempio, a p. 52, nota 17, è rimasto un rimando della pubblicazione originaria, incongruo rispetto alla nuova – ma anche più corposi, come la reiterazione ravvicinata (p. 123 e p. 131) di una citazione alla lettera di ben otto righe, sia pure interessanti, di Giovanni Tabacco che, peraltro, vengono nuovamente inserite a p. 251, cioè nella seconda parte, dedicata ai vescovi lombardi. Quest’ultima è il risultato dell’unione di due piccoli studi inediti (poco più di venti pagine in tutto) e di un ponderosissimo excursus su vescovi e canonici di Brescia tra i secoli IX e il XIII, prodotto dalla fusione – ma la saldatura rimane evidente – tra due precedenti saggi; un primo, di quasi cento pagine, copre quattro dei secoli indicati nel titolo, arrivando al terzo quarto del secolo XII; un secondo è invece un breve contributo di una decina di pagine relative a Berardo Maggi, vescovo di Brescia sul finire del secolo XIII. La terza e la quarta parte del libro sembrano le più interessanti: sono quelle in cui lo sguardo dell’autore si concentra prima sull’area umbra e poi, con obiettivo ancora più stretto, sulla Assisi che ben conosce, non solo nella storiografia ma anche nelle fonti proposte, edite e inedite, che legge con maestria ed acume esegetico. Il ragionamento si allarga qui in modo più convinto sul secolo XIII, seppure affiancato da due studi (cap. 13 e 17) sul secolo XI e da quella che originariamente era l’introduzione della ristampa di un classico della storiografia italiana sui vescovi altomedievali, le „Ricerche sui poteri civili dei vescovi nelle città umbre durante l’alto medio evo“ (Roma 1930) di Sergio Mochi Onory. Approdare al Duecento in Assisi significa inevitabilmente Francesco e francescanesimo ed è questo un aspetto, forse, meno noto dell’attività scientifica di D’Acunto, appunto quello dello studioso di tematiche e di fonti di ambito francescano, e delle relazioni dell’ordine minoritico con i papi e la curia romana. Tenere insieme il locale e il generale sembra a chi scrive una capacità importante che l’autore meglio esprime nella parte del libro in cui gli studi sono ben determinati dagli orizzonti di una cittadina come Assisi o di un territorio comunque non amplissimo come l’Umbria. Quanto al dubbio di D’Acunto menzionato all’inizio, il libro pare senz’altro un contributo di storia religiosa, se con tale definizione vogliamo intendere – in modo forse semplice ma non semplicistico – ciò che riguarda non solo gli aspetti spirituali, etici o sociali ma anche la componente istituzionale di una religione, tanto più rilevante nella religione cristiana e nella confessione cattolica in particolare. Se i vescovi divennero nel tardo medioevo elementi di complemento istituzionale, è in rapporto all’organizzazione delle cose terrene per la cui amministrazione cresceva, in quei secoli, una componente laica. I pastori di Cristo guadagnavano così la possibilità di ritagliarsi un ruolo pur sempre istituzionale ma più propriamente religioso. Dunque, se di complementarietà è corretto parlare, è sul piano istituzionale laico; ma vi fu un guadagno su quello, appunto, religioso.

Mario Marrocchi

Luigi Provero, Contadini e potere nel Medioevo. Secoli IX–XV, Roma (Carocci) 2020 (Frecce 298), 187 pp., ISBN 978-88-290-0067-8, € 18.

„Contadini e potere“ mostra come un buon libro di sintesi sia tale se è capace di veicolare contenuti interessanti anche tramite una forma convincente. Già il titolo sottolinea delle non secondarie scelte: non si tratta di un libro su „contadini“ e „potenti“ ma sul rapporto che i primi ebbero con il „potere“; puntualizzazione non di poco conto, anche perché un concetto che torna a più riprese nelle pagine di Provero è quello di evitare di cadere nel luogo comune che vede i contadini come una realtà coesa, capace di solidarietà, in contrapposizione con una pretesa categoria di potenti che a sua volta, come viene subito ricordato, „deve essere via via precisata per le diverse fasi dell’età medievale“ (p. 17). Un elemento formale che facilita la lettura è quello per cui i titoli di tutti i capitoli vengono espressi tramite una locuzione verbale, sia un singolo termine, una coppia di verbi o verbi accompagnati da sostantivi. Fanno eccezione solo l’ultimo capitolo e il primo con il quale l’autore presenta i contesti entro cui si muove il rapporto dei contadini con il potere, a partire da una fase altomedievale in cui, bene o male, il sistema carolingio fornisce quanto meno un quadro entro cui risultano piuttosto evidenti le azioni politiche contadine: „le leggi carolinge esprimono un’ideologia di fondo basata sulla tutela dei pauperes, sul loro rapporto diretto con il re e su un ideale di giustizia aperta a tutti“ (p. 18). Le cose cambiano con quei secoli del medioevo centrale in cui vengono meno i riferimenti precisi del tentativo carolingio e, ancora, non sono maturati i quadri istituzionali tardo-medievali che tornano a indicare, quanto meno, delle autorità cui i contadini possono rivolgersi per ottenere giustizia. Nel secondo capitolo, „Vendere e comprare“, sono molto belle le pagine conclusive, da p. 34 a p. 37, con cui Provero intercetta il tema del rapporto con le chiese e con la religione; una materia che torna anche in pagine successive e rispetto alla quale lo studioso mostra una raffinata sensibilità nel mettere a fuoco la complessità del fenomeno religioso anche in relazione al tema del libro: l’intero cap. 9, „Pregare“ (pp. 121–135) si concentra sull’intreccio tra religione, contadini e potere e, in esse, è interessante la lettura data del fenomeno confraternale o di quello delle eresie. Il rapporto tra il potere e i contadini consente, insomma, a Provero di toccare, magari in modo tangente, una ricca varietà di temi. Questo anche perché, come già ricordato, l’autore non manca di sottolineare che dietro il termine „contadini“ si trova un’ampia varietà di condizioni, da chi coltiva terra altrui presa in affitto a chi vive del proprio lavoro sui campi e, ancora di più, „l’intera società rurale non nobile, tutti coloro che vivono della terra e che hanno con essa un rapporto diretto, come braccianti, affittuari, piccoli e medi proprietari“ (p. 12). Una società, lo si è già scritto, di cui Provero non enfatizza la capacità di „Cooperare“ cui viene dedicato il cap. 3 in cerca, appunto, di precisare quando ciò avvenga e quando no. Gli altri verbi scelti da Provero per gli ulteriori capitoli sono, nell’ordine, dal cap. 4 „Delimitare“, „Contrattare“, „Chiedere giustizia“, „Litigare“, „Servire il signore“, il già ricordato „Pregare“ e, infine, „Costruire“ e „Ribellarsi“ con il quale, ancora una volta, l’autore critica una recente tendenza storiografica, in questo caso quella che ha forse eccessivamente enfatizzato la dimensione delle proteste contadine medievali, più rivolte circoscritte che fenomeni estesi e strutturati, seppure con qualche importante distinguo alto- e tardo-medievale. Infine, nel cap. 12 „Le azioni, i loro tempi e i loro limiti“, Provero tira le somme e, così, vengono presentati tre caratteri di fondo dell’azione politica contadina: la varietà di forme della stessa, la richiesta fondamentale di terra e di libertà – e qui ci si chiede se la dimensione creativa non sfoci in un richiamo alla produzione cinematografica del miglior Ken Loach – e la individuazione comunque di una stratificazione sociale anche piuttosto ricca del mondo contadino. Infine, e tornando a quella necessità di distinguere nelle varie fasi cronologiche medievali la capacità dei contadini di muoversi per ottenere condizioni più favorevoli, Provero torna al concetto espresso in apertura di una società contadina meglio visibile – e, sembrerebbe, più capace di tutelarsi – per l’età carolingia e i secoli bassomedievali, quando i contadini dimostrano „di essere in grado di fare un uso strategico della molteplicità di giurisdizioni“ (p. 166); nei secoli centrali del medioevo, il X e l’XI, invece, „le aristocrazie hanno la maggiore libertà di azione, con una limitata incidenza locale del potere regio“ (p. 166) mentre ancora non si è sviluppata la dialettica tra poteri signorili e cittadini del tardo medioevo nella quale i contadini potranno „di nuovo trovare interlocutori altri con cui interagire e che possono fungere da contrappesi rispetto alla dominazione signorile locale“ (p. 168). Un libro, dunque in cui le distinzioni temporali sono ben presenti per ciascun tema, in ogni capitolo, e che accompagna il lettore in una sorta di procedere a spirale per tutto l’amplissimo arco cronologico del medioevo, agganciando alla tematica principale molti e stimolanti temi storiografici.

Mario Marrocchi

Attone di Vercelli, Polipticum quod appellatur Perpendiculum, edizione critica, traduzione e commento a cura di Giacomo Vignodelli, con un saggio di Luigi G. G. Ricci, Firenze (SISMEL. Edizioni del Galluzzo) 2019 (Edizione nazionale dei testi mediolatini d’Italia 54. Serie II, 27), 2 voll., VI, 338; 302 pp., ISBN 978-88-8450-901-7, € 120.

L’edizione critica del „Polipticum“ di Attone di Vercelli per la collana „Edizione nazionale dei testi mediolatini d’Italia“ della SISMEL costituisce il traguardo al termine di diversi anni di studi che Vignodelli ha dedicato all’opera e al suo autore. Lo sforzo, senz’altro meritorio, restituisce agli studiosi l’edizione di una delle opere letterarie e storiche più importanti del secolo X, che, nonostante l’edizione di Georg Goetz del 1922, era ancora ai margini degli studi con la fama di „libro-labirinto“ (p. V) oscuro e impenetrabile. Al contrario, il valore del „Polipticum“ nel panorama culturale e politico dell’esperienza pastorale episcopale altomedievale italica è di assoluta rilevanza. Composto dal vescovo di Vercelli Attone (924–957/958) negli ultimi anni della sua vita, esso costituisce „una feroce critica della condotta dei potenti della terra … e insieme uno strumento per l’educazione del proprio clero“ (p. 3). Attone ritiene centrale per la salvezza dell’umanità il problema dell’usurpazione del trono e, quindi, il tema della legittimità a governare da parte dei detentori del potere regio in Italia, dalla morte di Carlo III (888) in avanti. Senza mai citarne i protagonisti, egli si basa sulle vicende del regno italico dall’888 in avanti, ma soprattutto dall’incoronazione di Ugo di Arles (926–947), fino agli anni centrali del regno di Berengario II (950–961) per costruire la sua perorazione – suddivisa secondo la retorica classica in exordium, narratio, argumentum e conclusio – tesa a denunciare i malcostumi dei potenti e a prospettare gli effetti drammatici delle continue usurpazioni del trono, da ultima, quella che si stava preparando negli ultimi anni di vita del presule, che avrebbe portato il re sassone Ottone I (961–973) alla conquista del regno italico e in seguito al soglio imperiale. Sebbene i protagonisti non siano mai nominati esplicitamente, la posizione politica di Attone è chiara: anche se iniqui nella condotta, non è lecito contrastare Berengario II e suo figlio Adalberto, poiché sono re legittimi; sbaglia, dunque, chi tra gli stessi vescovi del regno auspica l’intervento ottoniano in Italia. Le convinzioni politiche attoniane e altri riferimenti interni alla lettera prefatoria indicano il vescovo di Verona Raterio (932–968) come probabile destinatario del „Polipticum“. Pur non essendo una voce filo-berengariana, il punto di vista di Attone è senz’altro opposto a quello convintamente ottoniano espresso da Liutprando di Cremona (c. 920–971/972), la cui „Antapodosis“ è stata a lungo ritenuta la sola fonte narrativa a disposizione per il secolo X. Dall’alto del soglio eusebiano, Attone era osservatore privilegiato in grado di intendere gli avvenimenti contingenti e interpretarli in chiave profetica, svelando le condotte riprovevoli e gli inganni di re e aristocrazie. La sua missione pastorale si concretizzò così in un’aspra reprehensio, una critica complessiva ai costumi del mondo, rivolta non più solo agli uomini politici, bensì anche agli uomini di cultura ed ecclesiastici, pronti a vezzeggiare e cercare il favore dei potenti in ogni modo. Alla prima critica di tipo escatologico, si accompagna una critica dei costumi, resa attraverso il genere satirico, secondo i canoni della letteratura classica. Satira e profezia costituiscono quindi i due temi centrali dell’opera, richiamati anche dalla sua doppia intitolazione. Il titolo vero e proprio è „Perpendiculum“ (filo a piombo): come nel Giorno del Giudizio Dio tenderà il filo a piombo sull’intero genere umano (Isaia 34, 11), così Attone ha teso il suo filo a piombo per cercare di ricostruire il regno sulla legittimità e sugli insegnamenti delle Scritture e, allo stesso tempo, per giudicare i potenti della terra seconda la Norma divina. Polipticum invece dichiara il genere del componimento: „l’opera è un ‚polittico‘, un libro che ‚denuncia i crimini di molti‘“ (p. 8). Il termine, creato nell’alto medioevo, rimanda al genere satirico e, in particolare, alla sua specifica molteplicità di contenuto e di stile. L’opera di Attone è dunque un polittico, una critica dei costumi dei potenti sul modello dei satirici latini, ma si intitola „Perpendiculum“, è condotto cioè grazie a una comprensione cristiana e profetica dell’esistenza. La vera particolarità dell’opera è la sua forma: redatto secondo lo stile glossematico o ermeneutico, il testo è caratterizzato da obscuritas lessicale e stilistica, ottenuta grazie alla profusione di figure retoriche e all’uso di parole intenzionalmente artificiose e disposte secondo un cursus anomalo. A questa redazione così complessa (convenzionalmente, redazione A), Attone ne ha affiancata una seconda versione semplificata (redazione B), in cui l’ordo verborum è ricomposto e dove sono presenti quasi tremila glosse interlineari e marginali a commento e spiegazione del testo (identificate nell’edizione con C). Da questa seconda redazione e dalle glosse che la accompagnano emerge chiaramente l’intento scolastico che muoveva il vescovo vercellese. Attraverso la sua opera, egli offriva alla scuola della cattedrale di Vercelli uno strumento prezioso per l’insegnamento del Trivio che permetteva di evitare lo studio della letteratura classica pagana. L’edizione è composta da due volumi e racchiude, oltre al testo attoniano, anche un complesso e dettagliato apparato critico e di commento. L’ampia introduzione fornisce un quadro completo del contesto politico e culturale in cui il vescovo Attone scrisse il „Polipticum“. Dà conto, inoltre, delle problematiche storiografiche che in passato hanno caratterizzato la ricezione dell’opera e l’attribuzione della sua paternità ad Attone; si sofferma poi su genesi, morfologia e tradizione del testo. A completamento dello studio, è notevole l’indagine sulle fonti delle glosse (C) (cap. III, paragrafo 3, pp. 99–112): accanto al riconoscimento dei testi, sono segnalati anche i manoscritti vercellesi che ne sono testimoni e che furono impiegati nella redazione del „Polipticum“. In calce all’introduzione dell’editore, si trova un saggio di Luigi Ricci sulla tecnica compositiva che Attone utilizzò per modificare la redazione semplice (B) in quella complessa (A). Per rendere il testo il più intelligibile possibile e consentire al lettore una fruizione simile alla consultazione del manoscritto principale (Vat. lat. 4322), l’edizione critica è data in due parti distinte e successive: la prima riporta il textus (A) con a fronte l’explanatio (B); la seconda presenta nuovamente l’explanatio (B) con l’inserzione delle glosse interlineari e a fronte pagina le glosse di commento (C), indicate nel testo principale da rimandi letterali. Il secondo volume completa gli apparati critici con la traduzione della redazione B e delle glosse di commento (C), il commento storico e filologico e il glossario dei lemmi delle glosse. Completano l’edizione gli indici dei manoscritti, degli autori e delle opere, dei nomi citati.

Edoardo Manarini

Nicolangelo D’Acunto/Elisabetta Filippini (a cura di), Libertas. Secoli X–XIII. Atti del convegno internazionale, Brescia, 14–16 settembre 2017, Milano (Vita e Pensiero) 2019 (Le Settimane internazionali della Mendola. Nuova Serie 6), XVIII, 461 S., ISBN 9788834339367, € 35.

Unter dem Titel „Libertas. Kirche und Weltordnung im Zeitalter des Investiturstreits“ erschien 1936 in Stuttgart die Habilitationsschrift Gerd Tellenbachs, ohne Zweifel eines der einflussreichsten Werke der Mediävistik des 20. Jh., welches die mittelalterliche Freiheitsauffassung und deren Bedeutung im Rahmen des „Ringen[s] um die rechte Ordnung der Welt“ mit beeindruckender Klarheit und Tiefe beleuchtete. Über 80 Jahre nach Tellenbachs Werk hat das Thema der Libertas ecclesiae an Relevanz und Aktualität nicht eingebüßt, wie der vorliegende, von Nicolangelo D’Acunto und Elisabetta Filippini hg. Tagungsbd. deutlich zeigt. Das Sammelwerk geht auf einen Kongress vom September 2017 zurück und erscheint als 6. Bd. der neuen Reihe der vor 60 Jahren initiierten „Settimane della Mendola“. In Anlehnung an eine alte italienische Tagungstradition setzt sich die Publikation aus zwei Sektionen zusammen, wobei im ersten Teil ausführlichere interventi von etablierten Fachangehörigen und im zweiten Teil kürzere comunicazioni des sogenannten Nachwuchses gedruckt werden. Der Beitrag von Jean-Claude Schmitt erinnert daran, dass sich die mittelalterlichen libertés von der Liberté der Aufklärung und französischen Revolution grundsätzlich und prinzipiell unterschieden, obwohl es auch im Mittelalter gelegentliche Forderungen nach einer allgemeinen, von einem besonderen Recht oder Gegenstand losgelösten libertas (etwa 1262 in Straßburg) gegeben hat (S. 3–26). Mit dem aristokratischen Ethos, wie dieses in historiographischen Werken sowie in den chansons de geste aufkommt, befasst sich Alessandro Barbero, der die aristokratische Freiheit nicht mit Unabhängigkeit, sondern eher mit dem Wertbündel Ehre, Loyalität und Gerechtigkeitswahrung gleichsetzt (S. 27–37). Florian Mazel betont einmal mehr seine These, nach welcher die Forderung nach der libertas ecclesiae zwischen dem 10. und dem 12. Jh. mit einer „extension du domaine de l’Église“ und mit einer effektiveren Raumbeherrschung einherging (S. 39–52). Nicolangelo D’Acunto geht auf die Zentralität des 11. Jh. für die Wandlung der mittelalterlichen Weltordnung ein und stellt dabei fest, dass die Thematik der libertas ecclesiae nicht grundsätzlich anti-hierarchisch war, sondern zur Etablierung einer neuen Hierarchie entscheidend beitrug (S. 53–66). Das teilweise revolutionäre Potenzial der Worte des Apostels Paulus „Ubi spiritus Domini, ibi libertas“ erhellt Gert Melville am Beispiel der charismatischen Bewegungen vom 10. bis 14. Jh. (S. 67–85). Auf der Grundlage ausgewählter ottonischer und frühsalischer Diplome präsentiert Wolfgang Huschner die unterschiedlichen Bedeutungsfacetten der in Königsurkunden thematisierten libertas (S. 87–96). Auch im Beitrag von Guido Cariboni stehen herrscherliche Diplome im Mittelpunkt: Anhand der Urkunden Friedrich Barbarossas wird in diesem Fall gezeigt, wie die vom Kaiser bewilligte libertas die jeweils begünstige Institution zumindest theoretisch von den „poteri signorili intermedi“ befreite und sie in ein Unmittelbarkeitsverhältnis zum Reichsoberhaupt stellte (S. 97–110). Skizziert wird die besondere Situation des normannisch-staufischen Königreichs Sizilien im Beitrag von Francesco Panarelli, der das Fehlen von kritischen Stimmen innerhalb des Regnum hinsichtlich der großen königlichen Handlungsspielräume betont und einige Analogien zum englischen Königreich feststellt (S. 111–127). Die Verwendung des libertas-Begriffes in den italienischen Stadtchroniken des 12. und 13. Jh. behandelt Christoph Dartmann, der in dem Fehlen eines als ungerecht empfundenen externen Einflusses den Wesenszug der kommunalen Freiheit ausmacht (S. 129–143). Die Etablierung von neuen, „unbedingt glaubwürdigen“ Urkundengattungen (Siegelurkunde und Notariatsinstrument) betrachtet Paul Bertrand im Zusammenhang mit den geistigen Errungenschaften des 12. Jh. (S. 145–155). Die libertas-Auffassung bei den italienischen Juristen fokussiert Mario Conetti, der in der im 13. Jh. zunehmend postulierten Bindung an das Naturrecht eine Wechselbeziehung mit den zeitgenössischen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen erkennt (S. 157–179). Die höchste Stufe menschlicher Freiheit sahen die Vf. von mystischen Texten des 12. und 13. Jh. in der Möglichkeit, sich mit dem leidenden Christus zu identifizieren und somit eine zugleich geistige und körperliche Einheit mit ihm zu erreichen, wie im Beitrag von Carla Bino herausgearbeitet wird (S. 181–199). Eine Zusammenfassung von Giancarlo Andenna schließt den ersten Teil ab (S. 201–212). In der zweiten Sektion sind, wie bereits erwähnt, kürzere Beiträge von Vertreterinnen und Vertretern des sogenannten Nachwuchses – 18 insgesamt – versammelt, in denen die zentralen Ergebnisse jüngst erschienener oder sich in Bearbeitung befindender Forschungsarbeiten (vor allem Qualifikationsarbeiten) resümiert werden. Bei manchen von ihnen – so zum Beispiel im Fall von Stefano Manganaro, Gianmarco Cossandi oder Caterina Ciccopiedi – handelt es sich jedoch um von der internationalen Mediävistik bereits stark rezipierte Untersuchungen. Abgeschlossen wird der Bd. durch ein Personen- und Ortsnamenregister (S. 435–461). Das Sammelwerk kann als ein insgesamt durchaus gelungener Versuch charakterisiert werden, die aktuellen Forschungsansätze der italienischen, teilweise auch der französischen und deutschen Mittelalterforschung rund um das Thema libertas 80 Jahre nach Gerd Tellenbach in einem Bd. zu versammeln. Eine Zusammenschau der Beiträge lässt den Umbruchscharakter des 11. Jh. einmal mehr hervortreten, denn ab 1100 erreichten die libertas-Diskurse eine eindeutig höhere Stufe der Vielfalt und Spezialisierung. Besonders erwähnenswert ist die Miteinbeziehung jüngerer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Die Qualität der Mehrzahl der kurzen interventi zeigt, dass die Thematik bei Weitem nicht ausgeschöpft ist.

Étienne Doublier

Ariane Lorke, Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030–1064). Themen, Personen, Strukturen, Ostfildern (Thorbecke) 2019 (Mittelalter-Forschungen 55), 505 pp. + 1 CD-Rom, ISBN 978-3-7995-4375-0, € 64.

L’interpretazione della riforma ecclesiastica del secolo XI è una questione storiografica aperta, attraverso cui si riflette da tempo su uno dei macro-fenomeni che danno consistenza al passaggio epocale dal primo al pieno Medioevo. La monografia di Lorke si confronta con tale questione ricorrendo a un’armatura concettuale complessa, centrata attorno alla nozione di comunicazione: una nozione sempre più rilevante negli studi medievistici e specificamente in quelli riguardanti i ricorrenti fenomeni ecclesiastico-religiosi definiti come „riforme“, da intendersi anche e forse soprattutto come „Kommunikationsereignisse“ (Dieter Mertens). Per tale scopo Lorke adopera il metodo dell’analisi di rete, attraverso cui descrive dettagliatamente l’intreccio di idee, uomini, gruppi e istituzioni, delineando piani, dinamiche e strutture degli scambi. Il campo di indagine è costituito da una fase compresa tra il 1030 e il 1064, investigata prevalentemente nelle regioni appartenenti all’Impero (Germania, Italia, Borgogna). La descrizione sistematica degli attori e dei loro contatti su specifici temi della riforma è realizzata con una banca dati. Questa supporta un trattamento dei dati attraverso software (VennMaker 1.3.5 e l’estensione Node XL per Microsoft Excel) per la realizzazione di diagrammi di rete. Le numerose rappresentazioni grafiche, le tabelle e la banca dati si trovano in un CD-Rom allegato alla pubblicazione. Lorke si mostra consapevole del fatto che la struttura e la tradizione, disomogenee e frammentarie, delle fonti disponibili per questo periodo non consentono di procedere con sicurezza nella raccolta e soprattutto nell’interpretazione dei dati. Tuttavia, confida nel fatto di poter integrare le lacune dell’analisi quantitativa attraverso un’indagine qualitativa di casi per definire meglio i cosiddetti „circoli riformatori“ e valutarne l’importanza. Dopo una trattazione delle premesse storiografiche e metodologiche (pp. 15–38), Lorke illustra nel secondo capitolo i temi distintivi della riforma, che costituivano i contenuti degli scambi comunicativi: la vita comune del clero, il movimento della pace di Dio, la simonia, il nicolaismo, il matrimonio tra persone legate da rapporto di parentela, le collezioni canoniche, l’influsso dei laici sulle istituzioni ecclesiastiche, l’alienazione del patrimonio ecclesiastico, la pataria (pp. 39–105). Di seguito Lorke presenta i gruppi protagonisti di tali scambi comunicativi: eremiti, monaci, canonici, vescovi, re/imperatori, papi e loro collaboratori (cardinali e legati), e infine laici (pp. 105–181). Ai singoli „riformatori“ è dedicato poi un profilo in appendice (pp. 311–406). Descritti così in maniera „statica“ attori e temi della comunicazione, Lorke procede nel terzo capitolo a una loro rappresentazione „dinamica“. L’indagine è esemplificata attraverso quattro casi: i primi due trattano il comportamento comunicativo di individui di primaria importanza, Pier Damiani ed Enrico III; i seguenti considerano due ambienti centrali, la cappella regia e il collegio cardinalizio (pp. 186–255). Prima di procedere a una trattazione molto sintetica degli aspetti strutturali della comunicazione sulla riforma in questa fase (pp. 264–295), ad esempio i media, la sfera pubblica, la contraddizione tra norma e prassi, Lorke si sofferma in un breve paragrafo (pp. 255–263) sui piani della comunicazione, differenziando all’interno della rete complessiva della riforma quattro livelli progressivamente più ampi: 1) le comunità d’azione, 2) i circoli, 3) i cluster e infine 4) le reti di azione che comprendono comunità, circoli o cluster che trattano lo stesso tema anche se non sono direttamente in contatto. Il merito più grande della monografia di Lorke si condensa in queste poche pagine in cui si dà conto della complessità della riforma e si relativizza il ruolo dei circoli riformatori in quanto tasselli all’interno di un puzzle molto più grande. Nella riforma intesa come fenomeno comunicativo non si può riconoscere perciò un generale e coerente piano, ma solo l’addensamento progressivo della forza egemonica e centripeta della sede romana. Al di là di positivi effetti di questa complessa ridescrizione, l’indagine consegue però ben pochi risultati innovativi e finisce per mostrare i limiti di una metodologia che trova ostacoli insormontabili nella struttura delle fonti tràdite. L’integrazione di un’analisi qualitativa al trattamento quantitativo dei dati rimane una compensazione di poco momento. È insomma estremamente difficile procedere a una mappatura delle „rotte“ comunicative della riforma per questo periodo; e pare opportuno piuttosto percorrere un’altra via che dall’approfondita analisi qualitativa dei relitti testuali conservati colga i funzionamenti della comunicazione introiettati nelle strutture stesse dei testi.

Eugenio Riversi

Thomas Kohl (Hg.), Konflikt und Wandel um 1100. Europa im Zeitalter von Feudalgesellschaft und Investiturstreit, Berlin-Boston (De Gruyter) 2020 (Europa im Mittelalter 36), VI, 238 S., Abb., ISBN 978-3-11-068064-5, € 89,95.

Der vorliegende Bd. fußt auf einer Tagung zu „Konflikt und Wandel um 1100. Europa im Zeitalter von mutation féodale und Investiturstreit“, die in Verbindung mit dem Sonderforschungsbereich (SFB) „Bedrohte Ordnungen“ stand (S. 14). Der Sammelbd. umfasst zwölf in etwa quantitativ gleich gewichtete Beiträge (Ausnahme ist der Aufsatz von Jean-Hervé Foulon). Eine genauere Unterteilung in Themenfelder liegt nicht vor. Zwei Studien sind in englischer (Alessio Fiore und Charles West), die oben erwähnte Untersuchung von Foulon in französischer Sprache verfasst. Sinnvollerweise wurden für einen schnelleren Überblick diese drei Aufsätze mit einem kurzen deutschsprachigen Abstract versehen. Wäre es nicht angebracht, so bleibt an dieser Stelle zu fragen, ein englischsprachiges Abstract hinzuzufügen, um den an der Thematik interessierten internationalen Leserkreis besser zu erreichen? Der Hg. Thomas Kohl gibt in seiner präzisen „Einleitung – Konflikt und Wandel um 1100“ (S. 1–12) eine Einführung in die Thematik, in der er zunächst die räumlichen Schwerpunkte der Studien erläutert, nämlich „Italien – mit einem Schwerpunkt in Mailand und Reichsitalien –, den Süden und Westen des nordalpinen Reichs mit einem Schwerpunkt von Schwaben bis Lothringen und Frankreich, mit einem Fokus auf den westlichen Fürstentümern von der Normandie bis ins Anjou“ (S. 1). Eine Bereicherung stellt die mikroperspektivische Herangehensweise (S. 9) der Beiträge dar, die durchgängig eingehalten wird und so vielleicht keine großen Schneisen schlägt, aber dafür mit vielen kleinteiligen Ergebnissen aufwartet. Problematisch an der Einführung ist die fehlende kritische Reflexion des im Untertitel gewählten Begriffs „Feudalgesellschaft“ (kritisch zu diesem Begriff für Italien im vorliegenden Bd. Nicolangelo D’Acunto [S. 89–100]). Hier wäre sicherlich zu diskutieren, ob dieser Begriff überhaupt noch zeitgemäß ist. Nützlich ist zwar die ausführliche und bereits hier zusammenfassende Darlegung der einzelnen Beiträge, aber die Rezipienten müssen erst den zweiten Aufsatz von Claudia Zey (S. 13–31) lesen, um – eher beiläufig – zu erfahren, welchen Entstehungshintergrund dieser Bd. hat. Es wäre naheliegender gewesen, dies bereits in der Einleitung oder in einem Vorwort zu erwähnen, hierbei wäre dann auch der Hinweis möglich, dass die Tagung bereits 2014 in Tübingen stattfand (vgl. https://www.h-net.org/reviews/showpdf.php?id=42912; 15.3.2021). Nur dadurch wird die Anmerkung von Claudia Zey nachvollziehbar, warum ihr Beitrag sich „im Wesentlichen auf die Forschungssituation 2014“ (S. 13, Anm. 1) beziehe. Ohne hier alle Aufsätze umfassend würdigen zu können, was durchaus verdienstvoll wäre, so sind doch zumindest einige wenige Anmerkungen darzulegen. Claudia Zey („Der Investiturstreit – Neuere Perspektiven der Forschung“) gelingt ein eindrucksvoller Überblick über den aktuellen Stand der Forschung, der einem knappen bibliographischen Nachschlagewerk nahekommt. Wichtig erscheint die Feststellung, dass die Zeit ab 1100 von der Forschung weniger gut „durchdrungen“ sei als die Phase von „1046 beziehungsweise von 1073 bis 1099“ (S. 30), wodurch der zeitliche Schwerpunkt des Bd. mit guten Gründen betont ist. Besonders hervorzuheben ist die Studie von Christof Paulus, „Omnes sumus geminati … Investiturstreit im Bistum Augsburg“ (S. 55–73), in der erstmals seit Friedrich Zoepfl und Michael Horn das Bistum Augsburg im 11./12. Jh. einer umfangreicheren Analyse unterzogen wird. Ebenfalls erwähnenswert ist der Aufsatz von Jean-Hervé Foulon, „Les accessions abbatiales en Normandie autour des années 1100: une question complexe entre monde féodal, changements liturgiques et investitures“ (S. 155–189), der anhand der Klöster in der Normandie die Einsetzung von Äbten um 1100 untersucht. Hierbei betont der Vf. den Konflikt zwischen Bischöfen und jenen Klöstern, die sich für ihre jurisdiktionelle und administrative Unabhängigkeit einsetzten. Zuletzt sei der Beitrag von Charles West („The ‚schism‘ of 1054 and the politics of Church reform in Lotharingia, c. 1100“ [S. 207–226]) genannt, worin der Autor anhand von zwei Texten (entstanden in den lothringischen Klöstern St. Arnulf in Metz und St. Laurentius in Lüttich) die „Verbreitung von Ideen über die päpstliche Vormachtstellung um 1100 in Lothringen“ (S. 207) untersucht. Beide Texte wurden im Zusammenhang mit dem sogenannten Morgenländischen Schisma im Jahre 1054 verfasst. Ein Abkürzungs- und Siglenverzeichnis sowie ein Orts- und Personenregister runden den Bd. ab, leider fehlt ein Autorinnen- und Autorenverzeichnis. Insgesamt besticht das Werk weniger durch die Aufmachung als durch die einzelnen Studien, die ein Plädoyer für weitere mikroperspektivische Beschäftigungen des sogenannten Investiturstreits sind.

Timo Bollen

Corrado Zedda, Ai piedi dell’Apostolo. Sede apostolica e spazio tirrenico (secoli XI–XII), Milano (Vita e Pensiero) 2020 (Ordines. Studi su istituzioni e società nel Medioevo europeo 10), XX, 334 S., ISBN 978-88-343-4254-1, € 34.

Untersuchungen zur Herrschaft und Territorialpolitik der Päpste im Mittelalter haben eine lange Tradition. Maritime Aspekte spielten dabei zwar hinsichtlich bestimmter Themen und Orte eine Rolle, doch zeitlich und regional übergreifende Studien zur mediterranen Dimension päpstlichen Handelns sind ein Desiderat. Eine erste Monografie zum tyrrhenischen Küstenraum im 11. und beginnenden 12. Jh. legt nun Corrado Zedda vor. Ausgehend von den komplexen Beziehungen zwischen dem apostolischen Stuhl und Herrschaftsträgern und anderen Akteuren in Sardinien, Korsika, Pisa, Genua und Rom während der Zeit des sogenannten Investiturstreits vermittelt der Vf. durch eine Zusammenschau der teils sehr fragmentierten Überlieferung eine Vorstellung davon, warum und auf welchen Ebenen die Pontifices versuchten, weit über die römische Diözese hinaus Kontrolle zu erlangen. Nicht immer waren sie dabei erfolgreich. Häufige Amtswechsel, sich an mehreren Schauplätzen oft gleichzeitig wandelnde politische Konstellationen und andere unvorhersehbare Ereignisse lassen vielmehr ein kontingentes Bild entstehen, dem aber doch ein roter Faden zugrunde zu liegen scheint: das teils mit einer Ausweitung päpstlicher Interessensphären einhergehende Bestreben nach Sicherung und Schutz der Patrimonien der römischen Kirche sowie der ihr unterstellten Institutionen und Territorien. Die Analyse basiert im Wesentlichen auf einem systematischen Vergleich der Inseln Sardinien und Korsika. Einem chronologischen Aufbau folgend, behandelt sie die „Entstehung (creazione) des päpstlichen tyrrhenischen Raums“, besonders seit Gregor VII. (Teil 1), und die „Verwaltung (gestione)“ dieses Raumes im Spiegel der Politik der Päpste von Clemens III. bis Innozenz II. (Teil 2). Dabei werden die vielfältigen Situationen vor Ort in einer sehr weiträumigen Perspektive verortet. Ausgehend von der These, dass sich erstmals bei Gregor VII. die konkrete Umsetzung eines kohärenten, geopolitisch durchdachten „Projekts“ in der Untersuchungsregion beobachten lässt, bieten die Kapitel des ersten Teils sowohl eine Art multiperspektivische Vorgeschichte zu den anschließenden Detailanalysen als auch eine differenzierte Auseinandersetzung mit den durch Gregor VII. geschaffenen Grundlagen im Mittelmeerraum. In diesem Zusammenhang charakterisiert der Vf. beispielsweise die vielschichtigen Verbindungen zwischen Sardinien, Korsika und der Kirche in der Zeit vor den Gregorianischen Reformen als „un mondo ‚romano‘“, der bereits seit dem 8./9. Jh. bestanden habe. Dem durch die großen und kleinen tyrrhenischen Inseln, die Seerouten und die Küstengebiete des Festlands gebildeten Grenzraum im Norden des Patrimonium Sancti Petri sei dann im Zuge der Kirchenreform ein noch zentralerer Stellenwert zugekommen, wobei die Verteidigung oder Rückgewinnung der libertas ecclesiae sowie die päpstliche auctoritas als Argument in den Auseinandersetzungen mit dem imperium und lokalen Potentaten immer wieder eine wichtige Rolle spielten. Gregor VII. setzte vor allem auf eine verstärkte Einflussnahme auf die sardischen iudices und die – formal dem Markgrafen von Tuszien unterstellten – korsischen Marquis. In Sardinien agierte dabei der Erzbischof von Turres als verlängerter Arm des Papstes, während in Korsika die drei Bischöfe von Aleria, Mariana und Nebbio – deren Bistümer Gregor dem neu errichteten Erzbistum von Pisa unterstellt hatte – als die „veri e propri amministratori dell’isola“ (S. 113) bezeichnet werden können. Auch die Bischöfe von Porto, die Mönche von San Gorgonio auf der Insel Gorgona und die Abtei Saint-Victor de Marseille im Judikat von Cagliari, deren Kloster mit dem von St. Paul vor den Mauern vereint wurde, bekamen wichtige Bedeutung. Konfrontiert mit innerkirchlichen und stadtrömischen Rivalitäten sowie herausgefordert durch die sich verändernden Konstellationen auf dem politischen Schachbrett Italiens wie im Mittelmeerraum versuchten die nach Gregor amtierenden (Gegen-)Päpste in unterschiedlicher Weise, an den tyrrhenischen Küsten und auf den nahegelegenen Inseln über personelle Netzwerke, gezielte Ämterbesetzungen, Schenkungen, Privilegierungen sowie (Erz-)Bistums- und Klostergründungen Einfluss zu erlangen und zu behaupten. Mehrmals bis zum Ende des anakletianischen Schismas erfuhr die räumliche Ordnung im obertyrrhenischen Raum tiefgreifende Veränderungen. Ein besonderer Streitpunkt waren die korsischen Bistümer, deren Umstrukturierung und Unterstellung von einem langen, teils gewaltsam ausgefochtenen Tauziehen zwischen Pisa und Genua begleitet war, bis es ab 1138 mit der Gründung zweier neuer Bistümer zu einer faktischen Teilung der Insel kam (dazu auch die Chronologie S. 282). Aber nicht nur in diesem Zusammenhang, sondern an vielen weiteren Stellen werden herkömmliche Forschungsmeinungen hinterfragt, neue Thesen formuliert und Datierungen von einzelnen Texten oder Ämtern auf eine neue Grundlage gestellt. Ein Anhang am Ende der Studie enthält teils revisionierte Texte von fünf bereits edierten Urkunden. Dem Vf. ist es gelungen, aus der lückenhaften Überlieferung heraus ein hochkomplexes und überzeugendes Bild der (geo-)politischen Konstellationen im zentralen und nördlichen Tyrrhenum nachzuzeichnen, in dem auch Diskontinuitäten, Neuanfänge und Kontingenzen ihren gebührenden Platz finden. Corrado Zeddas Buch steht im Trend einer wachsenden Zahl an Studien zum Mittelmeerraum und leistet einen wichtigen Beitrag zur Neuvermessung der mediterranen Dimensionen politischen Handelns im Mittelalter.

Kordula Wolf

Nicolaus Corcyranus, Versi giambici, introduzione, testo critico, traduzione e note di commento a cura di Gioacchino Strano, Thessaloniki (Kentro Byzantinon Ereynon) 2020 (Byzantina keimena kai meletes 65), 117 S., Abb., ISBN 978-960-7856-60-9, Preis nicht ermittelbar.

Wohl auf der Konstantinopolitaner Synode des Jahres 1094 gab der Bischof Nikolaos von Korfu seinen Rücktritt vom Bischofsamt bekannt. Als Literat und Gelehrter verwendete er dazu keine (mündliche oder schriftliche) Erklärung, sondern ein über 300 Verse umfassendes Gedicht. Dieses Werk ist zwar in der Forschung nicht unbekannt, die Editionen des 19. Jh., erschienen in Korfu und Athen, sind allerdings nicht leicht zugänglich und auf unzureichender Handschriftenbasis erstellt. Gioacchino Strano, Byzantinist an der Università della Calabria (Arcavata di Rende, Cosenza) mit Forschungsschwerpunkten auf der frühkomnenischen Zeit und auf der Geschichte Korfus, hat nun in der zumindest bei Byzantinisten gut bekannten Reihe „Byzantina keimena kai meletes“ eine kritische Neuedition mit Kommentar und italienischer Übersetzung vorgelegt. Entsprechend der Zielsetzung der Veröffentlichung und der Kompetenz des Hg. liegt der Schwerpunkt der Arbeit auf der Edition. Nach einer detaillierten Vorstellung der kollationierten Hss. (sechs Hss. mit Überlieferung des vollständigen Textes, dazu zwei Kodizes mit Teilüberlieferung sowie einzelne Textpassagen in Florilegien) bietet Strano eine überzeugende Diskussion der Abhängigkeitsverhältnisse mit Erstellung eines Stemmas (S. 39–52), es folgen philologisch exakte Ausführungen zur Metrik des Gedichts im Dodekasyllabus (S. 52–54) sowie zum Stil und zu den literarischen Vorlagen (S. 54–57). Es wird deutlich, dass es sich bei dem Gedicht um ein elaboriertes Werk in fast perfekter Metrik handelt, das sicher dem literarischen Geschmack der Zeit bestens entsprochen hat. Bei den Testimonien dominiert, wie thematisch nicht anders zu erwarten, „De vita sua“ von Gregor von Nazianz, Bibelstellen werden ebenso zitiert wie pagane Literatur (v. a. Tragödien des Euripides, aber auch spätantike Epistolographie) und zeitgenössisches Schrifttum. Die Edition mit paralleler italienischer Übersetzung (S. 62–91) ist übersichtlich gestaltet und mit doppeltem Apparat versehen, der in philologischer Tradition textbasierte Kommentar (S. 93–104) liefert zahlreiche hilfreiche Erläuterungen und fortführende Interpretationen. Sehr nützlich für die Erschließung des Textes sind das Wortverzeichnis (S. 107–111), in dem zusätzlich Hapaxlegomena und seltenere Wörter gekennzeichnet sind, die Indizes von Eigennamen (S. 112) und Textstellen (S. 113–115) sowie die zwei Abb., die einen guten Eindruck von der Qualität der wichtigsten Hss. vermitteln. Im historischen Kontext besonders interessant ist die kurze, aber inhaltsreiche Einführung „Nicola di Corcyra e il suo tempo. Vita e opere“ (S. 15–37). Die Lebensdaten des Bischofs sind sehr spärlich. Möglicherweise war er bereits 1089 im Amt, gesichert ist seine Teilnahme an der Synode von Konstantinopel im Jahr 1094, bei der er sein Rücktrittsgedicht vortrug. Ob der Rücktritt angenommen wurde, oder ob er auch nach 1094 sein Bischofsamt innehatte, ist nicht belegt (S. 15–17). Diese Daten werden vom Hg. überzeugend in den historischen (S. 17–25) und literaturgeschichtlichen (S. 25–36) Kontext eingeordnet. Die geographische Schlüsselposition zwischen dem Adriaraum, der Terra d’Otranto und dem griechischen Festland verschaffte der Insel Korfu eine besondere strategische Bedeutung, zunächst als Verbindungsglied zum thema Langobardia, später als byzantinischer Vorposten gegen normannische und ab dem späten 12. Jh. venezianische Vorstöße. Im 10. Jh. wurde die Insel zu einem eigenständigen maritimen thema, was aber die normannische Besetzung unter Robert Guiscard nicht verhindern konnte. Das Bistum wurde zum autokephalen Erzbistum erhoben. Nach der Rückeroberung baute Alexios I. Komnenos die militärischen Strukturen aus, der neue Erzbischof Nikolaos wurde wohl vom Kaiser direkt bestimmt, um auf diesem Weg eine Kontrolle über die Militärverwaltung und einen Mittler zur örtlichen Bevölkerung zu haben. Dass es lokale Konflikte gab, wird auch im Rücktrittsgedicht sichtbar. Die wechselnden Herrschaftsverhältnisse setzten sich bis zur venezianischen Eroberung 1386 fort. Literaturgeschichtlich steht das Gedicht in der Tradition von „De vita sua“ von Gregor von Nazianz, auffallend sind die Parallelen zum Abdankungsgedicht von Nikolaos Muzalon, das vom Hg. überzeugend auf 1110 datiert wird, also das Werk des Nikolaos von Korfu als Vorlage benutzte. Zahlreiche Motive können freilich als topisch angesehen werden. Die vom Hg. angedeuteten literarischen Parallelen in der griechischen Dichtung Süditaliens des 12. Jh. (z. B. Eugenios von Palermo) verdienten weitergehende Studien. Eine Bibliographie der häufiger zitierten Literatur (S. 11–14) und ein Index der modernen Vf. (S. 116 f.) runden die Arbeit ab. Die vorliegende Publikation wird sicher in erster Linie von Byzantinistinnen und Byzantinisten konsultiert werden. Sie sollte aber auch von der Forschung, die sich mit dem byzantinischen und normannischen Süditalien beschäftigt, zur Kenntnis genommen werden, da sie exemplarisch zeigt, dass Kulturkontakt nicht nur in den kulturellen Begegnungsräumen Süditaliens und in der Hauptstadt Konstantinopel stattfand, sondern auch auf dem griechischen Festland und vor allem auf den Inseln des ionischen und ägäischen Meeres.

Thomas Hofmann

Die Kirchen der Stadt Rom im Mittelalter 1050–1300, Bd. 4: M–O: SS. Marcellino e Pietro bis S. Omobono, hg. von Daniela Mondini, Carola Jäggi und Peter Cornelius Claussen, Stuttgart (Franz Steiner) 2020 (Forschungen zur Kunstgeschichte und christlichen Archäologie 23. Corpus Cosmatorum 2,4), 774 S., Abb., ISBN 978-3-515-12111-8, € 158.

Das von Peter Cornelius Claussen initiierte und mittlerweile mit Daniela Mondini, Carola Jäggi zusammen herausgegebene Handbuch zu den Kirchen Roms im Hochmittelalter hat nun den 4. Bd. erreicht. Das Werk enthält auch Beiträge von sechs weiteren Autorinnen und Autoren. Der Buchstabe M bringt es mit sich, dass eine ganze Reihe Kirchen mit dem Marienpatrozinium erfasst sind. Gewiss ist unter diesen das bedeutendste mittelalterliche Bauwerk S. Maria in Cosmedin, da hier die Rückführung des mittelalterlichen Bauzustandes besonders radikal ausfiel. Die alte Annahme einer Funktion des ursprünglichen Baus als Ort der Getreideausgabe wird indes verworfen (S. 146 f.). Bei den Rekonstruktionen wurde nicht immer philologisch genau gearbeitet. In der Schola Cantorum von S. Maria in Cosmedin verwendete der verantwortliche Architekt Giovanni Battista Giovenale (1849–1934) Spolien aus antiken Grabungsstätten, was ihm die zeitweise Suspendierung von seinem Posten eintrug (S. 219). Die zahlreichen Neugestaltungen der Gotteshäuser in Rom sind der Grund dafür, dass man ausgerechnet in kleineren Kirchen noch wichtige Relikte (wie Altäre und Inschriften) besitzt. Diese geben zumal für die gregorianische Reformzeit wichtige Hinweise (S. 121, 190). (Gegen-)Päpste – allen voran Anaklet II. und Innozenz II. in S. Maria in Trastevere – und Kardinäle werden als Stifter greifbar (S. 486, 499 f., 525, 590 f., 624). In den Familien Annibaldi und Ceccano traten Frauen als Stifterinnen hervor (S. 377). Ansonsten sind auch Laien oder niedere Kirchenmänner zu erwähnen. Man denke nur an den byzantinischen General Belisar (S. 469, 473), die Stadtherren Theophylakt und Albericus (S. 479) oder Adelige wie Pierleoni oder Papa (S. 383, 445 f.). Ein Goldschmied (aurifex) war Künstler und zugleich – mit seiner Ehefrau – Stifter des Kreuzreliquiars von S. Maria in Campitelli (S. 397–399). Als ein Beispiel für die schier unerschöpfliche Materialfülle des Bd. sei auf eine Zeichnung aus dem Dosio-Umkreis hingewiesen, die einen antiken Sarkophagdeckel mit einer liegenden jungen Frau zeigt, der von einem im Mittelalter umfunktionierten Adelsgrabmal stammte. 1864 wurde die die Grablege einst beherbergende Kirche S. Maria di Campo Carleo abgerissen (S. 96). Wenn man denkt, dass die Mittelalter-Romantik nur eine Sache des 19. Jh. war, wird man eines Besseren belehrt. Im Falle der Portikusfassade von S. Maria in Cosmedin dauerten die Arbeiten zur Wiederherstellung des ursprünglichen Erscheinungsbildes bis in die Gegenwart fort (S. 171 f.). Nicht nur für die Kunsthistoriker sind die Austauschprozesse wichtig, die sich über die Jahrhunderte in Roms sakraler Architektur beobachten lassen. So orientierte man sich in S. Maria in Cosmedin zeitweise an der Kunst Venetiens, was sich durch das Griechenviertel rund um diese Kirche erklärt (S. 190, 192). Da vieles namenlos ist, verdienen die seltenen Künstlersignaturen – wie diejenigen am Portal (S. 182) – und die Indizien für eine eigene „Paulus-Werkstatt“ besondere Erwähnung (S. 220, 239–241). Dass man heute überhaupt noch solche Relikte besitzt, hat man oft dem genealogisch-antiquarischen Interesse der Frühneuzeit zu verdanken, als aufstrebende römische Adelsfamilien – wie die Capizucchi in S. Maria in Campitelli (S. 87–89) – an die Stiftungen ihrer Vorfahren erinnern wollten. Selbst die – stets sorgfältig wiedergegebenen – Inschriften konnten auch von Abschriften jener Zeit stammen (S. 632). Verlorenes kann man gelegentlich mit Hilfe von Schriftquellen wie dem „Liber pontificalis“ evozieren (S. 148, 155, 511, 516). Aus einem Oratorium in S. Maria in Via Lata machte die Legende die Wohnung des hl. Lukas (S. 489). Dass man für die hochpolitische Ausmalung des zum alten Lateranpalast gehörenden Oratoriums S. Nicola in Palatio, das im 16. Jh. zerstört wurde (S. 619–628), noch den Aufsatz von Jochen Johrendt „Das Innozenzianische Schisma aus kurialer Perspektive“ (im Bd. „Gegenpäpste. Ein unerwünschtes mittelalterliches Phänomen“, 2012) ergänzen kann oder hier und da Tippfehler bemerkt, tut der Gründlichkeit des Gesamtwerkes keinen Abbruch, dessen aussagekräftigen Illustrationen ebenfalls hervorgehoben seien.

Andreas Rehberg

Hiroshi Takayama, Sicily and the Mediterranean in the Middle Ages, London-New York (Routledge) 2019 (Variorum collected studies series 1076), XX, 393 pp., ill., ISBN 978-1-138-49619-4, GBP 120.

This volume contains the studies authored by Hiroshi Takayama over the decades about Southern Italy and Sicily in the Norman period, paying tribute to his long-standing activity in this field of research. Thirteen articles are gathered, published over a span of thirty years from 1985 to 2017, accompanied by three appendixes. One lists Sicily’s governors of the Aghlabid (827–909), Fatimid (909–948) and Kalbid (948–1044) periods (pp. 240–264); the second deals with the administrative divisions of Medieval France, in particular under Philip I (pp. 265–302); while the third comprises three reviews of books on Southern Italy in the Norman period (pp. 303–312). A bibliography of the publications cited in the articles and a useful index complete the volume. The main focuses of Takayama’s work are administration and the court in Sicily between the end of the 11th century and the end of the 12th century. Only four articles deal with other topics: one is dedicated to the evolution of the political and juridical structures in Southern Italy from the 12th to the 14th century (no. 9: „Law and Monarchy in the South“); a second discusses Frederick II’s Crusade (no. 11: „Frederick II’s Crusade: An Example of Christian-Muslim Diplomacy“); the third is an attempt to compare migrations in Sicily and in the Japanese islands in the Middle Ages (no. 12: „Migrations in the Mediterranean Area and the Far East: Medieval Sicily and Japan“); while the fourth returns to a vexed question, the meaning of the 12th-century categorization of the „villeins“ of Medieval Sicily (no. 13: „Classification of Villeins in Medieval Sicily“). Without going into detail, it is worth recalling here that Hiroshi Takayama was one of the pioneers, with Jeremy Johns, of non-Italian scholarship on Norman Sicily, after a long period during which it had mainly interested Italian researchers (with the exception of Henri Bresc), and who brought it to the attention of Japanese readers. Takayama is highly conscious of the historiographical debates over the issues he tackles in the 19th–20th centuries, relating to the construction of the European nations and the mobilization of medieval history in this context. His studies are always very precise, avoiding rhetorical excess and insisting on the need to precisely contextualize every assertion about the administration and the court in 11th- and 12th-century Sicily. Takayama focused in particular on the paradoxically increasing linguistic Arabization and cultural Islamisation of the Hauteville dynasty from Roger II to William II. The increasing mastering of these cultural references by the sovereigns, though they did not eliminate Latin and Byzantine influences, can be deduced from diplomatics, architectural evolution and literary production. Although French-language historiography is unfortunately a little underused (Henri Bresc, Jean-Marie Martin, Annliese Nef, Annick Peters-Custot, Vivien Prigent in particular), this collection thus constitutes a trustworthy presentation and sound introduction to the historiography and interpretations of a trilingual monarchy which has been an object of study since its construction and which is currently seeing a complete overhaul of scholarly approaches.

Annliese Nef

Costruire il consenso. Modelli, pratiche, linguaggi (secoli XI–XV), a cura di Maria Pia Alberzoni e Roberto Lambertini, Milano (Vita e Pensiero) 2019 (Ordines. Studi su istituzioni e società nel Medioevo europeo 9), 415 pp., ISBN 978-88-343-38866-7, € 35.

Oggetto dei contributi raccolti nel volume è, secondo Roberto Lambertini („Costruire il consenso: una premessa“), il modo attraverso il quale „la comunità giunge a catalizzare il suo consenso su di una soluzione istituzionale o su di una decisione politica“ (p. 8). A ispirare la raccolta sta una nuova consapevolezza storiografica, ovvero che „la ‚costruzione‘ del consenso non va concepita necessariamente come un’operazione di manipolazione da parte di istituzioni ‚totali‘, ma che … si esprimeva come una interazione – anche conflittuale – tra una pluralità di soggetti, per lo più collettivi“ (p. 10). Il primo saggio della raccolta (Bernd Schneidmüller, „Potenza ‚trasfigurata‘ e ‚potere intrecciato‘. L’alterità del Medioevo“) prende le mosse da una critica della distinzione weberiana tra Macht (power in inglese, potenza in italiano) e Herrschaft (rulership, potere), scarsamente elaborata e poco utile se ci si confronta con società pre-moderne. Andrebbe superata l’idea secondo la quale il potere (Herrschaft) sarebbe una potenza (Macht) istituzionalizzata: la seconda andrebbe piuttosto considerata come qualcosa di latente e il primo come un’azione visibile. La potenza è una „forza creativa“, la quale necessita di un gradimento che può essere accresciuto attraverso elaborazioni ideologiche „ancorate alla trascendenza“ (p. 22). Buona parte della teoria politica medievale riguarda questo aspetto, dunque non la Herrschaft ma la „trasfigurazione“ della Macht. Nella definizione del potere medievale, inoltre, il sistema weberiano composto da comando e obbedienza non funziona. Per quest’epoca si dovrebbe parlare di „potere consensuale“ (Konsensuale Herrschaft). Questa definizione può essere superata da un’altra, quella di „potere intrecciato“, la quale evidenzia l’alto livello di condivisione della responsabilità anche „tra gruppi differenziati in linea gerarchica“ (p. 26). Non si intende negare il carattere internamente competitivo delle comunità di condivisione; tuttavia un’indagine più attenta agli aspetti negoziali nell’elaborazione di una volontà politica permetterebbe di identificare nel „modo di attuare il potere“ il „motore della partecipazione dei ceti“ e questo „non solamente in Europa“ (p. 28). Una nuova prospettiva, concentrata sulle fasi di collaborazione consensuale, permette ad esempio di ampliare il nostro sguardo sul rapporto tra Papato e Impero durante il Medioevo e di proporre una revisione del paradigma oppositivo, trionfante nella memoria culturale dell’Occidente (Heike Johanna Mierau, „Konsens zwischen Kaiser und Papst. Handlungsspielräume und Grenzen der Kooperation“). Alcuni saggi segnalano la discrepanza tra la retorica del consenso e la realtà delle pratiche negoziali. Attraverso una legittimità tanto ostentata quanto fittizia – ancorata a un esteso consenso tra i partecipanti ai concili – fu possibile superare l’empasse del Grande Scisma d’Occidente (Thomas Wetzstein, „Konsens durch fingierte Legittimität. Das Ende des Abendländischen Schismas und das Konstanzer Konzil“). D’altra parte la retorica del consenso, o addirittura dell’unanimitas, fu la leva attraverso la quale si imposero poteri arbitrali (primo tra tutti quello papale) nella scelta dei vescovi (Daniela Rando, „Semantica e pratiche del consenso. Ancora a proposito di elezioni episcopali“). Così Étienne Doublier („,Consenso‘ e ‚partecipazione‘ nel Regno di Sicilia all’epoca del Vespro“) contrappone le pratiche di sindacato e inquisitio – funzionali alla retorica della trasparenza – messe in campo da Carlo d’Angiò subito dopo la conquista del Regno alla retorica partecipativa promossa nella documentazione della Sicilia aragonese dal 1296. In generale, comunque, prevale la sensazione che il consenso sia stato impiegato soprattutto come arma propagandistica e non abbia condotto a una „riflessione organica sul rapporto tra sovrano e sudditi“. Anche Lorenzo Tanzini („Il consenso nelle assemblee cittadine dell’Italia comunale“) rileva che il consensus, tanto presente nella documentazione comunale, va inteso nell’accezione ristretta di assenso come requisito procedurale. Ciò non significa che un consenso autentico non fosse ricercato e ottenuto, ma quasi sempre o tramite un ampio ricorso alla partecipazione attraverso canali istituzionali, o attraverso un’insistita disponibilità a praticare quei canali. La precisazione di Tanzini si comprende meglio se ricordiamo che nella storiografia sui regimi comunali si è tradizionalmente separato il tema della partecipazione al potere da quello del consenso: il secondo è solitamente collegato al prevalere di regimi oligarchici o francamente signorili (Najemy). Alcuni interventi, tuttavia, ci spalancano un nuovo orizzonte di ricerca mettendo in rilevo, anche nel pieno dell’età consolare o podestarile, l’importanza della retorica del consenso (Florian Hartmann, „Il linguaggio del consenso nell’elaborazione della retorica comunale“) e le pratiche „monumentali“ messe in atto per consolidare i regimi e i sistemi di alleanze o le istituzioni su cui si fondavano (sul secondo caso: David Napolitano, „Keeping the flock toghether. Consensus-building in the Oculus pastoralis“; sul primo: Maria Pia Alberzoni, „Legittimazione personale e costruzione del consenso. La statua equestre di Oldrado da Tresseno [1233]“). L’impiego strumentale degli intellettuali universitari in questi processi è considerato da Stefania Zucchini („Funzioni dell’istituzione universitaria nell’organizzazione del consenso in ambito comunale e signorile“), la quale, tuttavia, rileva anche come in altre stagioni storiografiche ci si sia soffermati piuttosto sulla loro funzione di critica dell’ordine sociale. Su questa linea Mario Conetti („La norma e il consenso. Consigli cittadini e revisioni statutarie nella civilistica [secoli XII–XIV]“), pur sottolineando il contributo dei giuristi all’elaborazione di norme condivise in ambito comunale, segnala come sia stata proprio la loro scarsa disponibilità alla ricezione di indicazioni politiche a garantire un largo consenso al loro intervento. Altri saggi si concentrano su particolari media e sul loro ruolo nella costruzione del consenso. Alla propaganda attraverso le lettere sono dedicati gli interventi di Florian Hartmann (v. sopra) e di Miriam Rita Tessera („La costruzione del consenso nei principati latini d’Oriente. Trasmissione e circolazione delle ‚lettere di crociata‘ nel XII secolo“). La studiosa evidenzia come, se lettere destinate alla circolazione e alla propaganda della crociata siano riconoscibili fin dagli ultimi anni del secolo XI, fu soltanto dopo la metà del secolo XII che il Papato „inaugurò un nuovo sistema che integrava gli strumenti utilizzati da Urbano II con la produzione ‚in serie‘ di encicliche universali“ (p. 93). Pietro Delcorno („Predicazione persuasione: ‚A ogne cittade saria grande utilitade‘“) indaga la ricaduta effettiva delle campagne di predicazione organizzate nelle città del basso Medioevo: spesso momento decisivo di costruzione del consenso alla vigilia di un durevole impegno da parte del gruppo dirigente (ad esempio l’istituzione di enti di assistenza). Non predicazione pubblica, ma una forma di oratoria diretta a una parte del collegio cardinalizio, intrisa di argomentazioni giuridiche e scritturali è quella che illustra Andrea Bartocci („La retorica di un giurista al tempo dello scisma d’Occidente. Il sermone di Bonifacio Ammannati per l’elezione di Clemente VII“) in un saggio che propone anche l’edizione critica del sermone. Di genere simile – pur se dedicato a un evento politico di carattere „laico“ – è il testo di cui Marco Petoletti propone l’edizione nel suo contributo („L’orazione di Pietro Filargo per l’incoronazione ducale di Gian Galeazzo Visconti“). Ancora nella cornice della Milano viscontea si colloca l’analisi del „cantiere“ della cattedrale compiuta da Martina Saltamacchia, „Building cathedrals to build consensus. Gian Galeazzo Visconti and the Fabrica of the Milan Cathedral“), che evidenzia sia il ruolo chiave di una rifondazione ecclesiastica nella „fabbrica“ del consenso del signore, sia il guardingo atteggiamento nei suoi confronti da parte dei suoi sudditi/cives.

Enrico Faini

Dawn Marie Hayes, Roger II of Sicily. Family, Faith, and Empire in the Medieval Mediterranean World, Turnhout (Brepols) 2020 (Medieval Identities. Socio-cultural Spaces 7), 220 pp., ill., ISBN 978-2-503-58140-8, € 75.

This book is divided into three parts: the first focuses on the family of the founder of the Kingdom of Sicily and consists of two chapters: 1) „The Appeal of Alfonso VI of Leon-Castile’s Legacy“; 2) „Opportunities in the Kingdom of Jerusalem and in the Principality of Antioch“. Both chapters are basically centred, as we will see, on the characters of the three wives of Roger II of Hauteville, attempting to demonstrate the importance of these three women as key figures thanks to whom this parvenu of the European aristocracy gained respect and regard, and increased his power as a new Mediterranean king. The first chapter analyses Roger’s first marriage to Elvira, the daughter of King Alfonso VI of Leon-Castile, officiated when Roger was still merely the young Count of Calabria and Sicily. This could be described as his most important marriage: not only because it produced several children and because it was a love-match –unnecessary and a fairly rare phenomenon for medieval marriages –; not only because it was the longest of Roger’s three marriages, but also because, as Hayes remarked, „… by marrying into the Spanish royal family, the Normans were associating themselves not only with Alfonso, but also with a very powerful French house whose members were influential in Spain“. This circumstance was of great importance to Roger, who was keen to strengthen his ties to France, the Hautevilles’ place of origin. The second chapter discusses Roger’s subsequent two marriages – the childless marriage to Sybilla of Burgundy and that to Beatrice of Rethel, who gave birth to Constance a few months after Roger’s death, both imposed by the death of Elvira and the death within a few years of many heirs to the Kingdom. It shows that these reinforced the image of the monarch of this new-born Kingdom, but, ultimately, proved to be substantial failures in attempting to expand Roger’s dominion over the Kingdom of Jerusalem and the Principality of Antioch, and in giving Roger new heirs. The second part of the book is focused on Faith, and like the first is divided into two chapters: 1) „St Nicholas of Myra’s Cult in Norman Bari, c. 1071–1111“; 2) „The devotion of Roger“. The author analyses the growing importance of the cult of St Nicholas in Southern Italy, favoured in 1087 by the theft of his relics from Myra and their transfer to Bari, where the cult of St Nicholas was already popular among sailors. Roger sensed the importance of this cult for his County and especially, a few years later, for his Kingdom, located at the centre of the Mediterranean, a sea of clashes and encounters between different cultures. The saint of sailors was the religious guarantor of Roger’s challenging project: to be the only, Christian, King of people of different languages, cultures and religions. As the author remarks: „… Nicholas for centuries known as a wonderworker who could calm the seas and protect those who travelled across them, would continue to be an important intercessor for those living in the region. The very success – or failure – of his kingdom could largely be determined by the seas he had to navigate. It was an ambiguous situation. Although the Mediterranean was a challenge for Roger, it was also a source of great strength, a catalyst for change in the balance of political power, and an instrument through which God’s favour toward him was made manifest“. The third part of the book is centred on the Empire, although from a specific angle, as is clear from the titles of the two chapters that constitute this final section: 1) „French Connections. The Significance of the Fleurs-de-Lis“; 2) „The Message of the Antiquated Loros“. The empire is observed from the specific point of view of art history, attempting to explain some of the principal features of Roger’s conception of power through their iconic display. The first chapter sets out to emphasize Roger’s western connections, and especially those with France. This theme has not been tackled in depth by historians, as Hayes highlights: she affirms that by employing the Fleurs-de-Lis in his representations, Roger connects himself to a very important symbol of the Capetingian tradition. „In so doing, it attempts to realign Roger with his western roots, which at times have been overlooked in favour of the more exotic elements of his kingdom.“ This interpretation is certainly original and positions the writer among those historians who argue that, despite his Mediterranean power base, Roger remains above all a western-Christian king. The last chapter is dedicated to a very famous icon of Roger, the mosaic of the church of St Mary of the Admiral in Palermo, built by Admiral George of Antioch, the true originator of most of Roger’s political ideas and challenges. It is well known that the representation of Roger wearing an outdated loros, the traditional dress of Byzantine emperors, constitutes a solid political message. Roger presents himself as the future Latin emperor of the Byzantine empire, speaking especially to the East-Mediterranean world. In conclusion, we can say that the most important achievement of this book consists in Hayes’ proposal, based particularly on the analysis of cultural history contexts, that king Roger II of Hauteville should be understood as a „practitioner of a strategic multiculturalism“, a kind of multiculturalism based on the principle of conveniencia, for which she appropriately draws on the research of Brian Catlos, and not as a practitioner of the more alluring but historically anachronistic convivencia, seen by many historians as the dominant form of social relationship between people in the Norman Kingdom of Sicily.

Francesco Paolo Tocco

Richard Engl, Die verdrängte Kultur. Muslime im Süditalien der Staufer und Anjou (12.–13. Jahrhundert), Ostfildern (Thorbecke) 2020 (Mittelalter-Forschungen 50), 380 S., Abb., ISBN 978-3-7995-4379-8, € 50.

Die christlich-muslimischen Beziehungen in Sizilien und Unteritalien ziehen seit Jahren verstärkt die Aufmerksamkeit der mediävistischen Forschung auf sich. In diesen Trend fügt sich auch die Monografie Richard Engls zur Geschichte der religiösen Minderheit der Muslime im staufisch-angiovinischen Königreich ein – ein Thema, dem nach den wegweisenden, aber inzwischen teilweise veralteten Studien von Pietro Egidi bislang wenig Aufmerksamkeit galt, wenn man das Ende des muslimischen Lucera 1300 einmal ausnimmt. Unter Einbeziehung eines breiten Spektrums an Schriftquellen sowie archäologischer Befunde gelingt es dem Autor, die Lebenswelt und die innere Differenziertheit der muslimischen Gemeinschaft(en) facettenreich zu erhellen sowie ihre politische, wirtschaftliche und militärische Rolle für die jeweiligen Herrscher herauszuarbeiten. Auf diese Weise werden verbreitete Thesen wie die eines kontinuierlichen Bedeutungsverlustes der in Süditalien lebenden Angehörigen des Islam seit dem Ende der normannischen Herrschaft oder die ihrer religiös motivierten Marginalisierung überzeugend in Frage gestellt. Deutlich wird stattdessen, dass die Muslime auch unter den Staufer- und Anjouherrschern noch bzw. wieder unter besonderem Schutz standen und für die Herrschaftskonsolidierung eine wichtige Funktion besaßen. Unter anderem zeigt die Analyse verschiedener Krisenszenarien, die mit der Vertreibung und Umsiedlung von Muslimen aus Sizilien und innerhalb des Südens der italienischen Halbinsel einhergingen, dass es sich um zeitlich und räumlich begrenzte politische Konflikte handelte, die durch interreligiöse Kooperationen und Autonomiebestrebungen gekennzeichnet waren; sie waren mit Phasen schwacher Zentralgewalt (besonders im Zuge von Herrscherwechseln) verbunden oder wurden durch die Unzufriedenheit bestimmter Bevölkerungsgruppen oder Eliten ausgelöst; religiös bedingte Konfliktlinien waren allenfalls zweitrangig. Drastische Eingriffe seitens des Herrschers erfolgten erst, wenn die Auseinandersetzungen eine destabilisierende Dimension annahmen. Nicht selten wurden sie dann rückblickend von den Zeitgenossen unter Rekurs auf islamfeindliche Argumentationen gerechtfertigt. Sicherlich können die infolge von Rebellionen durch Friedrich II. veranlassten Umsiedlungswellen von 1223, 1224 und in den 1240er Jahren weiterhin insofern als Zäsur gelten, als damit das muslimische Leben auf Sizilien praktisch zum Erliegen kam. In der Capitanata erhielten die „Sarazenen“ allerdings schon bald weitgehende Freiheiten zur Entfaltung ihres Gemeinschaftslebens, dessen neues Zentrum die befestigte Bischofsstadt Lucera wurde. Mit Faszination liest man nicht nur das Kapitel zur „Topographie und Hybridität des muslimischen Lucera unter den Angiovinen“, sondern ist auch beeindruckt von dem erstaunlich weit gestreuten, zusätzlich auf zwei Karten visualisierten Siedlungsraum der Muslime in Süditalien (S. 264, 268). Neben den Zwangsumsiedlungen betrafen einschneidende Veränderungen während der Herrschaft Friedrichs II. auch die muslimisch geprägte Palastkultur im politisch-administrativen Bereich, wo ein massiver Bedeutungsverlust arabischsprachigen Personals und damit ein Bruch zu einer Praxis zu beobachten ist, die seit der Normannenzeit bestanden hatte. Dass Muslime oder Konvertiten fortan nur noch in rangniederen Positionen tätig waren, hatte wohl vor allem mit Friedrichs „staufischem Erbe“ zu tun (S. 179). Aber auch diese Transformationen bedeuteten nicht den Anfang vom Ende, im Gegenteil: während der eineinhalb Jahrzehnte nach Friedrichs Tod waren die Festlandsmuslime sogar auf einem Höhepunkt ihrer Gestaltungsspielräume im Königreich (S. 243). Ebenso arrangierten sich Luceras Muslime später mit den Anjouherrschern, wobei vielen muslimischen Rittern ein quasi-adliger Lebensstandard gelang. Anhand einer sozialen Netzwerkanalyse, die wesentlich auf Informationen aus den Anjou-Registern beruht, wird gezeigt, dass für die Auflösung des islamisch geprägten Lucera nicht ökonomische oder religiöse Motive, sondern eine Krise innerhalb der muslimischen Gemeinschaft ausschlaggebend waren, und Karl II. von Anjou durch Festnahmen, Vertreibungen, Versklavungen und Besitzkonfiskationen erst eingriff, als eine Destabilisierung der gesamten Region drohte. Luceras Ende bedeutete zugleich das Ende der Muslime als anerkannter Religionsgemeinschaft mit politisch-militärischem, ökonomischem und demographischem Gewicht auf dem italienischen Festland. Die Relevanz der vorliegenden Studie kann nicht deutlich genug hervorgehoben werden, zeichnet sie doch – differenziert, multiperspektivisch und detailliert – ein neues Gesamtbild der Lebensbedingungen der Muslime und ihrer Beziehungen zur christlichen Mehrheit im Königreich Sizilien zwischen 1189 und 1300. Die aus Sizilien Deportierten bildeten demnach keine isolierte Insel im christlichen Meer (so S. 303). Indem der Autor mit flüssiger Feder und vielen hilfreichen Abb. diese „erstaunliche Erfolgsgeschichte“ rekonstruiert, nimmt er zugleich eine grundlegende Neubewertung Süditaliens als interreligiöser Kontaktregion während des 12. und 13. Jh. vor. Das Buch sollte unbedingt ins Italienische oder Englische übersetzt werden, damit es auch außerhalb des deutschsprachigen Raums eine breite Leserschaft erreicht.

Kordula Wolf

Stilus – modus – usus. Regeln der Konflikt- und Verhandlungsführung am Papsthof des Mittelalters = Rules of Negotiation and Conflict Resolution at the Papal Court in the Middle Ages, ed. by Jessika Nowak and Georg Strack, Turnhout (Brepols) 2019 (Utrecht studies in medieval literacy 44), VI, 351 S., ISBN 978-2-503-58507-9, € 90.

Der Bd. versammelt die Ergebnisse eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Netzwerks zur Analyse der Spielregeln der Konflikt- und Verhandlungsführung am Papsthof vom 12. bis 15. Jh. Der Dreiklang „Stilus – modus – usus“ wird in den Quellen allerdings eher marginal und fluid gebraucht (S. 18, 121 f.). Gemeint sind die „Spielregeln“ und Gebräuche im Kanzlei- und Gerichtswesen der Kurie. Bei der Vielfalt der Aspekte kann es nicht ausbleiben, dass die Hinwendung zum Thema gelegentlich etwas bemüht wirkt (S. 231–233). Dabei ist unbestritten, dass die Kurie mit dem Erstarken des Reformpapsttums eine einzigartige Anziehung entfaltete. Rom wurde als Entscheidungsinstanz letztlich in partibus gebraucht, wie Klaus Herbers und Daniel Berger für den iberischen Bereich zeigen. Meist gingen mitunter zähe Versuche der örtlichen, ja konziliaren Entscheidungsfindung (oder auch über päpstliche Legaten) dem Gang nach Rom voraus. Die Verwandtschaftsbande Calixts II. (Guido von Vienne) nach Spanien halfen ebenfalls (S. 56 f.). Manchmal fanden Konflikte auch einen visuellen Niederschlag, wie die Bestrafung des Gegenpapstes Gregor VIII. „Burdinus“ an den Wänden des Laterans (S. 34–36). Die Rolle von – oft als oblationes und benedictiones verschleierten – Geschenken und „Trinkgelder“ ist allgegenwärtig (S. 50, 60–64, 349). Von Geschenken konnte aber auch ausdrücklich abgeraten werden (S. 117). Beiläufig erfährt man auch von unorthodoxem Vorgehen, wie vom Verprügeln eines Boten an der Kurie als Zeichen, dass ein Klageführer die Huld des Papstes verloren habe (S. 91). Während die von Markus Krumm vorgestellten Klosterchronisten von Montecassino mit solch schillernden Details aufwarten, kann man von den nordländischen nach Rom gezogenen Mönchen nicht unbedingt erwarten, dass sie mit den Gepflogenheiten der Kurie vertraut waren. Dies wird in den beiden Beiträgen von Claudia Zey und Harald Müller deutlich, die sich der schon viel behandelten Prozessführung von zwei Mönchen, Hariulf von Oudenburg – vor Papst Innozenz II. (1141) – und Thomas von Marlborough – vor Innozenz III. (1202–1207), annehmen. Aus solchen Erzählungen – aber auch in den von Gabriele Annas vorgestellten Berichten der Generalprokuratoren des Deutschen Ordens (S. 312 f.) – erfährt man Interessantes zu den Kommunikationspraktiken (S. 103, 127) sowie zu den Lebensbedingungen ortsfremder Petenten in Rom, beginnend mit der Unterbringung und der Aufnahme von Kontakten (S. 108 f., 345). Was das Prozedere der Prozessführung angeht, bietet der Bd. eine breite Palette von Fallbeispielen. Vieles war ritualisiert und hatte auch eine performative und symbolische, manchmal sogar theatralische Seite wie Demuts- und Unterwerfungsgesten (S. 77, 99, 267 f.). Den viel beklagten Fälschungspraktiken an der Kurie geht explizit Maria Pia Alberzoni mit Fällen aus Norditalien nach. Es war besonders Innozenz III., der den Kampf dagegen aufgenommen hatte. Thomas W. Smith und Barbara Bombi präsentieren reiche Quellen aus England, wo die gedruckten „English Episcopal Acta“ und Bischofsregister und die Quellen aus der königlichen Kanzlei auszuwerten sind. Es zeigt sich, dass zu den eigentlichen Prozesskosten an der Kurie auch noch Pensionszahlungen an Kardinäle hinzukommen konnten (S. 166–174). Barbara Bombi spürt außerdem dem stilus Romane curiae in den Formularien nach, die die Kanzlei des englischen Königs im 14. Jh. im eigenen diplomatischen Schriftverkehr anwandte. Deren Vf. waren meist Notare, die im kanonischen und Zivilrecht ausgebildet waren. Es ist die Zeit, in der erste Formelsammlungen angelegt wurden, die – wie Claudia Märtl darlegt – mit dem Aufkommen des Buchdrucks europaweit rezipiert wurden. Die an der Avignoneser Kurie weilenden englischen Boten (nuntii), Botschafter, Notare und Prokuratoren arbeiteten meist im Team (S. 189–193). Ebenfalls über eine gute Quellenbasis verfügt Sebastian Roebert dank der unter dem Namen „Acta Aragonensia“ bekannten Gesandtschaftsberichte im Kronarchiv zu Barcelona (ACA), die vor rund 100 Jahren von Heinrich Finke ediert wurden. Der Autor kann aber zeigen, dass in der Edition fehlende Teile noch zusätzliche Informationen zur Verhandlungspraxis am Papsthof – zumal für den Rom-Aufenthalt Jakobs II. von Aragón vom Januar bis April 1297 – bereithalten. Andreas Kistner findet den stilus curiae zwar nicht in den Testamenten der Kardinäle aus den Jahren 1305–1378, legt aber die in ihnen enthaltenen Hinweise auf die Konditionierung und Vernetzung der Prälaten an der Kurie offen. Kerstin Hitzbleck plädiert dafür, die Kurie als „Heterotopie“ im Sinne von Michel Foucault (1967) als einen Ort mit einer real-ideellen Doppelnatur zu betrachten. Und in der Tat war ausgerechnet die Kurie mit ihren hochentwickelten Verwaltungs- und Gerichtsstrukturen auch die Zielscheibe erbitterter Kurienkritik, der Hitzbleck im Traktat „De squaloribus curie Romanae“ des Theologen und späteren Bischofs von Worms Matthäus von Krakau nachgeht. Ungerechtfertigte Zahlungen im Geschäftsgang der Kurie zumal im Benefizialbereich wurden von ihm als Simonie gebrandmarkt (S. 250 f.). Dass die allenthalben geübte Kritik durchaus auch in Rom gehört wurde, belegt der Beitrag von Claudia Märtl zur kurialen Historiographie des 15. Jh., musste doch selbst Papst Pius II. in seinen „Commentarii“ Missstände in seinem Apparat einräumen. Mit den Gesandten Mailands hat Duane Henderson die Perspektive der an der Kurie wirkenden diplomatischen Vertreter im Blick, denen die Besonderheiten des Papsthofes im Vergleich zu anderen Machtzentren stark auffielen. Allerdings galt das Hauptaugenmerk der zeitgenössischen Beobachter doch eher dem Rituellen und den Zeremonien, die die glänzende Seite des päpstlichen Hoflebens ausmachten, womit sich Isabella Lazzarini auf der Grundlage von Johannes Burckards „Liber notarum“ beschäftigt. Der Zeremonienmeister hatte nicht nur seine Not, die verschiedenen Typen von (oft rivalisierenden) Gesandtschaften zu kanalisieren, er musste auch nicht-christliche Emissäre zu empfangen wissen. Man kann dem hinzufügen, dass auch Burckards Nachfolger weiter an der Perfektionierung des Zeremoniells feilten, wie auch die in diesem Bd. diskutierten Regeln der Konflikt- und Verhandlungsführung die Kurie noch lange beschäftigen sollten.

Andreas Rehberg

Giuseppe Cusa, Die Geschichtsschreibung in der Mark Verona-Treviso im Zeitalter der Kommunen und Signorien (spätes 12. bis frühes 15. Jahrhundert), Regensburg (Schnell und Steiner) 2019 (Studi/Centro Tedesco di Studi Veneziani. Neue Folge 18), 432 pp., ill., ISBN 978-3-7954-3400-7, € 69.

La corposa dissertazione, discussa nel 2016 all’università di Francoforte sul Meno, esamina i testi di natura storica redatti tra la fine del sec. XII e l’inizio del XV nella Marca di Verona, poi detta di Treviso. L’autore ne conta 58 e ne prende in considerazione poco meno, concentrandosi sulle città da cui provenne la maggior parte degli autori, cioè Verona, Padova, Vicenza – sono tralasciate Conegliano, Feltre, Belluno, mentre Treviso è recuperata qua e là insieme con Venezia. L’obiettivo è offrire un „compendio della produzione storiografica“ e procedere a un esame comparato che permetta di cogliere „affinità e differenze sul piano sincronico“, „continuità e fratture sul piano diacronico“ (p. 28). L’impalcatura è data dalla storia politica con le sue scansioni principali, quali la prima età comunale, l’epoca dei da Romano, la fase di passaggio al governo signorile, la signoria scaligera a Verona, la carrarese a Padova. Inserite le narrazioni storiche in tale struttura, l’assunto principale è verificare la tesi che vede la transizione dal ‚comune‘ alla ‚signoria‘ non come frattura, ma all’insegna della continuità. Un approccio dunque piuttosto tradizionale, che privilegia il profilo istituzionale. Per ogni singola opera si forniscono ragguagli sull’autore, sulla causa scribendi e sui contenuti, sulla tradizione manoscritta e sulle edizioni. Dall’esame comparativo dei dati così raccolti l’autore ricava una serie di conclusioni sul ritardo della storiografia comunale di matrice laicale rispetto agli sviluppi dell’Italia padana; sulla decisa prevalenza di autori laici, circa la metà dei quali fu costituita da notai, giudici e causidici (va ricordato però che gli anonimi ammontano a più di un terzo); sulla varietà delle forme assunte dalla narrazione e infine sui suoi momenti di svolta. Fra questi l’autore annovera l’età ezzeliniana, che comportò una cesura nella misura in cui Parisio da Cerea, Gerardo Maurisio e Rolandino da Padova recuperarono un passato meno recente e allargarono l’orizzonte dalla loro città all’intera Marca; il primo Trecento, per l’„impulso politico“ dato dalla discesa in Italia di Enrico VII (p. 354) e per l’influsso del movimento „preumanistico“; infine la seconda metà del Trecento, quando gli autori diedero un diverso indirizzo alla scrittura, orientandola dalla comunità cittadina al ‚signore‘ – con la differenza che, mentre gli Scaligeri non svolsero alcuna politica storiografica attiva, i Carraresi avrebbero adottato una consapevole „politica della cultura e della memoria“. Altri risultati emergenti dalla comparazione riguardano la provenienza dei testi dai grandi centri urbani; la loro ricezione e diffusione in una cerchia sì ristretta, ma densa e complessa in ragione della fluidità propria degli „scritti pragmatici“; il mutevole rapporto con il passato più remoto. Come si vede, l’indagine è ambiziosa e impegnativa – forse troppo, considerati i numerosi problemi di attribuzione, datazione e tradizione che gran parte delle opere ancora presenta. Il compendio è comunque benemerito per l’enorme sforzo di raccogliere e coordinare in un quadro d’insieme testi disparati, disponibili in edizioni di qualità diversa (alcune ancora in corso) e oggetto di studi più o meno aggiornati. Apprezzabile è pure il contributo filologico e codicologico – si correggono ad es. le edizioni del „Syllabus potestatum Veronensium“ e della „Cronica illorum de la Scala“ curate da C. Cipolla nel 1890 (pp. 86 sg., nota 375, p. 146, note 721 sg.), e si pubblica la versione degli „Annales Patavini“ dal ms. 75 della Biblioteca del Seminario Vescovile di Padova, che A. Bonardi aveva tenuto presente nella sua edizione del 1905 senza però valorizzarne tutte le varianti (pp. 364–371). Si propongono inoltre l’edizione di un frammento veronese finora ignoto, contenente sei notizie del secondo Trecento, e la descrizione del ms. 815 della Biblioteca civica di Verona (pp. 70–86). Qualche dubbio suscita lo studio comparativo disteso su due secoli e mezzo, che sacrifica necessariamente aspetti peculiari dei singoli testi e rinuncia a una moderna critica del testo, adottando etichette un po’ generiche come „preumanesimo“ – applicato tanto ad Albertino Mussato quanto al ben più modesto Ferreto Ferreti, o attribuendo a Rolandino e al Mussato una stessa „intenzione pedagogica“ (p. 355). Ma qualunque critica sarebbe ingenerosa rispetto al ciclopico e ingrato lavoro svolto, con oltre duemila note di corredo e quasi cinquanta pagine di bibliografia: un utile strumento per formarsi un’idea complessiva sulla storiografia della Marca medievale.

Daniela Rando

Aldo A. Settia, Battaglie medievali, Bologna (Il Mulino) 2020 (Biblioteca storica), 355 pp., ISBN 978-88-15-28644-4, € 25.

Maestro riconosciuto della storia militare del Medioevo italiano, Aldo A. Settia presenta in questo volume una ricca panoramica incentrata sul momento chiave della battaglia, soprattutto (ma non solo) per quanto riguarda l’Italia centro-settentrionale tra il XII e XV secolo. Coerentemente con gli sviluppi della ricerca degli ultimi decenni, la prospettiva adottata è principalmente legata al vissuto dei partecipanti nel contesto della battaglia, lontana dunque da analisi tattico-strategiche a posteriori o da valutazioni di natura politico-diplomatica. La grande esperienza dell’autore con il tema gli consente di attingere ad un panorama di fonti molto vasto e variegato, dalle cronache alle fonti documentarie di natura statutaria, notarile ed amministrativa, senza trascurare la trattatistica antica (Vegezio, recepito da autori medievali come Giovanni da Viterbo o Egidio Romano), trecentesca (Teodoro di Monferrato, Giovanni da Legnano) e moderna (Raimondo Montecuccoli). L’incrocio di più fonti risulta quanto mai necessario dal momento che i numerosi filtri culturali ed ideologici presenti nelle narrazioni coeve rendono spesso difficoltoso raggiungere la realtà concreta delle battaglie, per non parlare dei casi in cui scontri giustamente considerate come fondamentali dalla storiografia moderna non trovano lo spazio che ci si potrebbe aspettare nelle fonti del tempo (su tutti i casi di Legnano e Montaperti). All’„Introduzione“ seguono cinque densi capitoli i cui rispettivi argomenti si identificano con altrettante fasi di una battaglia ideale, racchiudente al suo interno tutta la complessità degli eventi bellici, da un lato caratterizzati da meccanismi e linee di tendenza comuni, dall’altro assolutamente singolari ed irripetibili nel loro svolgimento. Molte delle battaglie combattute sul suolo italiano (per non citare che alcune delle principali, Legnano, San Cesario sul Panaro, Benevento, Tagliacozzo, Campaldino, Montecatini, Castagnaro), scorrono dunque davanti agli occhi del lettore non singolarmente a guisa di catalogo, ma richiamate di volta in volta per i singoli aspetti ricavabili in relazione alla fase affrontata nel capitolo. Il titolo del primo, „Preludio“, rinvia tanto ad una dimensione culturale ‒ rappresentata dalla variegata e spesso ambigua terminologia riscontrabile nelle fonti per riferirsi ai vari tipi di scontro armato, nonché alla genesi di battaglie immaginate come quella di Mortara – quanto a quella ludico-preparativa di gare e battagliole, inserite in una dimensione quotidiana significativamente impregnata di violenza. I preparativi della battaglia sono oggetto del secondo capitolo („Prima della battaglia“), in cui trovano spazio le questioni logistiche relative a scelta, preparazione e conoscenza dei luoghi, alla mobilitazione degli eserciti, al loro accampamento e schieramento in marcia e sul luogo dello scontro, nonché ai non meno importanti aspetti legati a riti e liturgie (incluse le profezie astrologiche), alla retorica dei comandanti e a strategie offensive pre-combattimento, come provocazioni, sfide o dimostrazioni di forza, che in alcuni casi scoraggiavano i nemici dal combattere. La terza parte ci porta „In faccia al nemico“, nella fase in cui i due eserciti si fronteggiano: grande importanza assumono dunque gli aspetti disciplinari legati al buon ordine delle schiere e al mantenimento dei ranghi, che dovevano fare i conti con le naturali paure di chi si apprestava alla battaglia. Temi come la repressione di disordini, fughe – non sempre viste in cattiva luce se l’alternativa era considerata temeraria ‒, diserzioni e, per altro verso, incentivi al patriottismo e strategie di cementazione dello spirito di corpo sono affrontati diffusamente, così come gli aspetti materiali legati ai combattimenti in ambienti difficili (fiumi, foreste e paludi) o infrastrutture problematiche (guadi e ponti). „Nel cuore della battaglia“, titolo del quarto capitolo, trovano spazio le questioni tattiche relative ad assalti e difese, messe opportunamente in relazione alle diverse tipologie di combattenti (fanti e cavalieri) e armamenti (dalle armi da tiro, alle lance, all’introduzione degli scudi pavesi). L’esperienza del combattente è affrontata a tutto tondo, comprendendo anche affondi sul paesaggio sonoro – sia relativo a grida e rumori provenienti dagli eserciti e dalle loro manovre, sia alle musiche militari –, sui fenomeni metereologici (vento, sole, polvere), su questioni pratiche come il peso degli armamenti e la comunicazione sul campo, fino all’impiego tattico e simbolico delle tecnologie più all’avanguardia (carri, macchine). In quest’ultimo ambito sono degne di nota le precisazioni fornite dall’autore sulla parabola del carroccio, elemento sì carico di simbologie civiche, ma anche legato a particolari contesti bellici, il superamento dei quali nel XIV secolo ne causò la sostanziale scomparsa. L’ultimo capitolo („Dopo la battaglia“) si concentra sui momenti, fondamentali dal punto di vista economico, della conquista e della spartizione dei bottini di guerra, con particolare attenzione alla cattura e alla gestione dei prigionieri; se attivate troppo presto, tali pratiche potevano anche causare un ritorno dell’esercito nemico in ritirata e tramutare una vittoria apparente in una sconfitta, assumendo dunque anche una valenza militare ben precisa. Importanti, infine, le equilibrate considerazioni sulla questione dei caduti in battaglia, talvolta ancora considerati erroneamente come quantitativamente poco rilevanti in epoca medievale, e anche quelle sul ricordo delle battaglie in fonti come testamenti o deposizioni giudiziarie, in cui si trovano spesso a marcare o contrassegnare interi periodi. Chiudono il volume indici dei nomi di persona e di luogo, tanto più preziosi poiché la collocazione delle note a fondo libro e l’assenza di una bibliografia rendono meno agevole la consultazione.

Alberto Luongo

Patrizia Mainoni/Nicola Lorenzo Barile (a cura di), Comparing Two Italies. Civic Tradition, Trade Networks, Family Relationships between the Italy of Communes and the Kingdom of Sicily, Turnhout (Brepols) 2020 (Mediterranean nexus 1100–1700 7), 257 S., ISBN 978-2-503-56976-5, € 85.

„The Two Italies“ nannte David Abulafia seine bekannte Analyse aus dem Jahr 1977, in der er die Beziehungen zwischen dem normannischen Königreich Sizilien und den Kommunen im norditalienischen Raum untersuchte. Seitdem ist viel über dieses Beziehungsgeflecht geforscht worden, unter anderem durch Mario del Treppo, Henri Bresc, Stephan Epstein, Chris Wickham und Paul Oldfield, und es ist immer wieder in Verbindung mit der so genannten questione meridionale erörtert worden, also der seit dem 19. Jh. kontrovers debattierten Frage, ob die bis heute erkennbare Aufteilung Italiens in einen ökonomisch prosperierenden Norden und einen ärmeren Süden ihre historischen Wurzeln in der Divergenz zwischen der kommunalen Kultur Oberitaliens und der monarchischen Prägung des (festländischen und insularen) Südens im Mittelalter habe. Wie die Hg. dieses lesenswerten Bd. in der Einleitung konstatieren, ist es ihr Ziel, die wirkmächtige Studie Abulafias, die sich im Kern mit Genueser Quellen des 12. Jh. befasste, im Spiegel neuerer Forschungen mit einem vergleichenden Ansatz zu differenzieren. Die durch englisch- und französischsprachige Beiträge behandelten Themenfelder betreffen die Stadtkultur, den Handel, die Heiratspolitik und die religiösen Orden, im zeitlichen Rahmen des 12.–15. Jh. Zunächst untersucht Gianmarco de Angelis Majoritätsentscheidungen in den norditalienischen Kommunen in rechtsgeschichtlicher Perspektive und macht kurz auf die seines Erachtens schwer vergleichbare Situation in den coniurationes des Südens aufmerksam (unberücksichtigt sind hier leider die neueren Bde. von Christoph Dartmann, Günther Wassilowsky und Thomas Weller 2010, sowie Serena Ferente 2018). Giovanni Araldi widmet sich den Verhältnissen in der Stadt Benevent, die seit 1077 zum päpstlichen Einflussgebiet gehörte, im Spiegel der Statuten von 1203 und dem Werk des Falco von Benevent, und fragt nach Autonomie und Aushandlungsprozessen der städtischen Autoritäten (weiterführend auch Christina Abel, „Kommunale Bündnisse im Patrimonium Petri des 13. Jahrhunderts“, 2019). Maria Teresa Dolso spürt der Ausbreitung des Franziskanerordens in Süditalien anhand einer Analyse der durch Dalarun entdeckten, 2015 publizierten Vita brevior des hl. Franziskus nach, die auch Mirakelberichte aus dem Süden enthält. Nicola Lorenzo Barile wendet sich gegen die Meistererzählung, die Kaufleute aus dem Norden – vor allem die Toskaner – hätten den Süden im späteren Mittelalter ausgebeutet, plädiert dafür, Norden und Süden als einen gemeinsamen Wirtschaftsraum anzusehen und illustriert dies mit einem Blick auf Venezianer im Süden und ihre Kooperationspartner. Eleni Sakellariou – Autorin einer Monographie über Süditalien im späteren Mittelalter („Southern Italy in the Late Middle Ages“, 2012) – beschäftigt sich mit Netzwerken ökonomischer Agenten im Königreich Neapel, stellt dabei anhand einer gewinnbringenden Analyse der durch Arnold Esch und Ivana Ait untersuchten römischen sowie der neapolitanischen Zollregister kleinere und größere Verflechtungen und Seilschaften dar und widerspricht so fundiert der These eines wirtschaftlichen Niedergangs des Südens im Spätmittelalter. Paola Guglielmotti untersucht Notariatsakten aus Ligurien auf die Frage hin, inwieweit Frauen im 12./13. Jh. als Kauffrauen oder Güterverwalterinnen auftraten. Alessandra Bassani befragt die Rechtsgutachten des Baldo degli Ubaldi auf die Familienverhältnisse und die Stellung der Frauen in der Lombardei. Isabelle Chabot nimmt eine weitere Perspektive ein, indem sie Dotalsysteme im gesamten Territorium Italiens vom 12. zum 15. Jh. vergleicht und zu dem Schluss kommt, es lasse sich hier kein binäres Nord-Süd-System postulieren, sondern es gebe geradezu „100 Italien“. Eine kurze Zusammenfassung erfolgt durch Paolo Grillo. Die Einzelergebnisse der Studien sind durchweg solide und werfen neues Licht auf die behandelten Themen. In der Summe erhärten sie zweifelsohne die in den letzten Jahren verstärkt vertretene These, dass das binäre Nord-Süd-Modell neu zu bewerten ist. Allerdings hätte man sich von einem Bd., der mit explizitem Bezug auf Abulafia „Comparing the Two Italies“ betitelt ist, eine stärker vergleichende Perspektive erwartet.

Tobias Daniels

Lucia Travaini, I Trenta denari di Giuda. Storia di reliquie impreviste nell’Europa medievale e moderna, Roma (Viella) 2020 (Sacro/santo 27), 352 S., Abb., ISBN 9788833133188, € 30.

Die Bedeutung der Passionsreliquien stieg im Zuge der Kreuzzugsbewegung ab dem 12. Jh. Da zentrale Passionsreliquien wie die Dornenkrone oder das Kreuz Christi aber dem allgemeinen Zugriff entzogen waren (auch wenn Splitter vom Kreuz oder Dornen aus der Dornenkrone Christi immer wieder als Zeichen der Wertschätzung und Bündnistreue verteilt wurden), richtete sich der Blick bald auf all diejenigen Objekte, die im Laufe des von den Evangelisten geschilderten Passionsgeschehens eine Rolle gespielt hatten – vom Schwamm und der Lanze, über das ungenähte Gewand und die Kreuzesnägel bis hin zur Geißel und den Würfeln der Schächer. Noch sehr viel mehr lagerte sich an: Erde vom Berg Golgatha, die mit dem Blut Christi getränkt war, Staub von der Via dolorosa, schließlich auch Erde von dem Acker, der vom Blutgeld des Judas „zum Begräbnis der Pilger“ gekauft worden war. Vor diesem Hintergrund ist es mehr als konsequent, dass auch die 30 Silberlinge (denarii argentei), für die Judas Christus verraten hatte, großes Interesse nicht nur bei reliquienbegeisterten Pilgern hervorriefen. Lucia Travaini nimmt sich dieser Reliquiengruppe in ihrer neuen Monographie an. Analysiert wird ein Großteil der Quellen, die vom Schicksal dieser Münzen berichten. Wichtig ist die Frage nach den „Wanderbewegungen“ und den ehemaligen und jetzigen Aufbewahrungsorten der Silberlinge. Die Ausführungen, denen mitunter etwas Numismatisch-Positivistisches anhaftet, behandeln nicht nur zentrale Fragen der spätmittelalterlichen Frömmigkeit, sondern sind auch als Beitrag zur Geschichte des Antijudaismus zu verstehen. Gegliedert ist die Arbeit in neun Kapitel, in denen vom Allgemeinen zum Besonderen fortgeschritten wird. Die Autorin verortet den Kult um die Münzreliquien vor dem Hintergrund der wachsenden wirtschaftlichen Bedeutung von Münzprägungen und -verkehr ab dem 12. Jh. und diskutiert Vorbilder bzw. Vorläufer des Kultes um die 30 Silberlinge in Gestalt der sogenannten „Helenen-Münzen“, deren liturgischer Bedeutung insbesondere auf der von den Johannitern beherrschten Insel Rhodos nachgespürt wird. Diesen Münzen kam allein deshalb große Bedeutung zu, weil sie mit der Person Helenas, der Mutter Kaiser Konstantins, in Verbindung gebracht wurden, deren Rolle bei der Auffindung des „Wahren Kreuzes“ zentral war. Anschaulich wird die Entwicklung der Legende um die 30 Silberlinge geschildert, deren Geschichte sich ebenso fantastisch wie ausdifferenziert präsentiert: sie sollen vom Patriarchen Terach für seinen Sohn Moses geprägt worden sein, wurden von den Ismaeliten missbraucht, um Josef von seinen Brüdern zu kaufen, gelangten in den Besitz der Königin von Saba, die sie Salomon übergab, wurden in Folge der Plünderung Jerusalems durch Nebukadnezar in den Orient verbracht, gelangten dort in die Hände der Drei Könige und wurden schließlich Maria übergeben, die sie auf der Flucht nach Ägypten verlor. Wiedergefunden wurden sie von einem Hirten, der sie Jesus überreichen wollte: Jesus verweigerte das Geschenk. Die Münzen wanderten schließlich in den Tempelschatz. Die Judas-Legende, die sich ebenfalls seit dem 12. Jh. schnell verbreitete, ist als Ergänzung und Weiterführung zu verstehen. In dieser Legende, deren unterschiedliche Fäden von Jacob von Voragine in seiner „Legenda aurea“ zusammengeführt wurden, erscheint Judas nicht nur als Dieb und Verräter, sondern auch als Brudermörder und Inzestuöser. Der Verrat Christi für 30 Silberlinge erscheint als Höhepunkt einer langen Kette verstörender Verfehlungen. Die Münzen wurden langsam aber sicher zur „icona del tradimento“ (S. 106), dargestellt in spätmittelalterlichen Bildprogrammen, von denen diejenigen der Imago Pietatis, der Arma Christi und der Gregorsmesse am wirkmächtigsten waren. Als konkrete Objekte der Verehrung waren sie an vielen Orten nachweisbar. Die Rekonstruktion der Wanderwege, für die eine Vielzahl von Reisetagebüchern, Romführern und Reliquien- bzw. Schatzinventaren herangezogen wurde, liest sich streckenweise fesselnd, auch wenn Travaini den Münzbestand, den George Hill bereits 1920 untersucht und monographisch behandelt hatte („The Medallic Portraits of Christ. The False Shekels. The Thirty Pieces of Silver“, Oxford 1920), lediglich um einige wenige Neufunde erweitern kann (das Reliquiar von Nin [Kroatien]; zwei Münzexemplare in Valencia [von denen eines bis heute erhalten ist]; drei Exemplare in Soissons [heute verloren]; drei Exemplare in Malta [zwei erhalten]). Deutlich wird, dass es vor allem auf Rhodos geprägte Münzen waren, die den „Grundstock“ für die vermeintlichen 30 Silberlinge bildeten, es aber auch bemerkenswerte Ausnahmen wie die 1464 in Sens in einem Schatzinventar nachgewiesene Münze mit arabischer Schrift gab, wobei dort das Arabische als „Chaldäisch“ missverstanden wurde. Anfang des 16. Jh. tauchte zum ersten Mal ein jüdischer Schekel in Gestalt eines Silberlings in einem Gemälde des Lucas van Leyden auf, konkret nachweisbar ist die Verehrung eines solchen Schekels allerdings nur in Bologna im Komplex von Santo Stefano (die Münze ist heute verloren). Die Verbindung von Judas-Verrat und jüdischen Münzprägungen liegt nahe, konnte durch sie doch die in Karfreitagsgebeten noch bis ins 20. Jh. beschworene perfidia der Juden sinnfällig zum Ausdruck gebracht werden. Zwei Appendizes sind für die inhaltliche Durchdringung der Untersuchung von großer Bedeutung. In Appendix I („Inventario degli esemplari dei Trenta denari documentati“, S. 212–259) werden sämtliche 40 nachgewiesene Aufbewahrungsorte von Silberlingen aufgelistet – von Aix-en-Provence und Barcelona über Florenz, Helsinki und Nürnberg bis hin zu Rom, Uppsala und Valencia. Acht von ihnen existieren noch heute, sind aber nicht mehr Gegenstand der Verehrung. In Appendix II („Repertorio delle fonti sui Trenta denari“, S. 261–285) werden die wichtigsten mittelalterlichen Quellen zu den 30 Silberlingen, auf die im Haupttext immer wieder Bezug genommen wird, zusammengestellt – von Gottfrieds von Viterbo „Pantheon“ über Ludolfs von Sudheim Reisebeschreibung ins Heilige Land und Johanns von Hildesheim Geschichte der Drei Könige bis hin zu Felix Fabris „Evagatorium“. Abgedruckt wird jeweils der originale Text, dem eine italienische Übersetzung folgt. Die Untersuchung zeigt eindrücklich, dass (anders als heute offiziell behauptet) die 30 Silberlinge stets mehr als bloße „Zeichen“ waren. Die ausgewerteten Quellen sprechen in dieser Beziehung eine klare Sprache. Die denarii argentei haben ihren Platz innerhalb der Passionsfrömmigkeit des Abendlands. Dass diese Frömmigkeit den Nachgeborenen in vielem hochproblematisch erscheint, ist verständlich, sollte den Blick auf die Fakten jedoch nicht verdunkeln.

Ralf Lützelschwab

Riccardo Cataldi (a cura di), „In monasterio reservetur“. Le fonti per la storia dell’ordine cistercense in Italia dal Medioevo all’età moderna nelle biblioteche e negli archivi italiani e della Città del Vaticano. Atti del Convegno di studi promosso dalla Congregazione Cistercense di Casamari in occasione del nono centenario della fondazione di Clairvaux (1115–2015), Certosa di Pavia, 22–23 ottobre 2015, Cesena (Badia di Santa Maria del Monte) 2018 (Italia benedictina 43), 602 S., ISBN 978-88-98104-13-0, € 70.

Vorliegender Sammelbd. dokumentiert die Beiträge einer Tagung, die sich mit den (erhaltenen) Quellen zur Geschichte der Zisterzienser in italienischen Archiven und Bibliotheken beschäftigte. Chronologisch geriet dabei nicht nur, wie noch immer häufig der Fall, das Mittelalter (mit der Blütezeit des Ordens im 12. und 13. Jh.), sondern auch die Neuzeit bis zum Ende des 18. Jh. in den Blick. 22 Beiträge widmen sich der Thematik und wählen dabei einen durchaus unterschiedlichen Zugang. Mal sind es die Bestände einer einzigen Institution, mal diejenigen einer gesamten Provinz, die zumeist ausgesprochen zuverlässig beschrieben werden – von Savoyen und Piemont im Norden bis Kalabrien und Sizilien im Süden. Als Schatzhaus ersten Ranges erweist sich dabei das Mailänder Staatsarchiv, mit dessen Beständen zisterziensischer Provenienz sich Timothy Salemme beschäftigt (S. 47–64). Salemme bietet dabei keine bloße Auflistung aktueller Aufbewahrungsorte von Cisterciensia, sondern liefert die bewegte Geschichte der multiplen Archivalientransfers im Laufe der Geschichte mit, was sich streckenweise fesselnd liest. Versuche der Zentralisierung des Archivgutes wurden seit dem Ende des 15. Jh. unternommen. Federführend wirkten dabei die beiden Abteien Chiaravalle Milanese und S. Ambrogio, die sich an die Spitze ordensinterner Reformbewegungen gesetzt hatten. Reform bedeutete (nicht nur für die Zisterzienser) stets auch Reorganisation und Konzentration der Archive. Eben weil eine neue, gemeinsame Identität geschaffen werden musste, setzte man auf eine historisch-archivistische memoria neuer Art, die in zwei Zentralarchiven in Settimo Fiorentino für die Provinz Toskana und S. Ambrogio (Mailand) für die Lombardei verwirklicht wurde. Während der josephinischen und napoleonischen Klosterauflösungen war die neu geschaffene Institution des Fondo di Religione für die Übernahme der Archive zuständig, die völlig ungeordnet an den Sitz der Behörde zunächst nach Pavia, dann nach Mailand überführt wurden. Die Konfusion innerhalb der Bestände war groß und wurde durch halbherzige Ordnungsversuche im Laufe des 19. Jh. noch zusätzlich verstärkt. Salemme verdeutlicht, dass Arbeiten für Archive, die zum Zeitpunkt der Auflösung in toto noch im jeweiligen Kloster verblieben waren, in Mailand (Staatsarchiv; Archivio del Fondo di Religione) beginnen müssen; sehr viel schwieriger ist der Zugriff auf Archivalien von Klöstern, die bereits im Mittelalter mit anderen fusionierten oder aufgelöst wurden. Mirella Ferrari richtet den Blick auf die Mailänder Biblioteca Ambrosiana (S. 65–102) und beschreibt die darin verwahrten einschlägigen Kodizes, ihren Inhalt und ihre Herkunft. Ein nützlicher Index der zitierten ambrosianischen Hss. beschließt ihre Ausführungen. Mit der Situation in den Marken beschäftigt sich Roberto Bernacchia (S. 363–379), wo in den Archiven heute nur noch wenige Cisterciensia erhalten sind. Die Urkunden des 1142 gegründeten Klosters S. Maria di Chiaravalle di Fiastra, immerhin 3294 an der Zahl, befinden sich heute (über den Umweg des Collegio Romano) im Staatsarchiv in Rom. Die Überlieferungssituation in Kalabrien, wo die Zisterzienser im 12. und 13. Jh. entlang der Filiationslinien Clairvaux-Casamari bzw. Clairvaux-Fossanova eine Blütezeit erlebten, beschreibt Antonio Maria Adorisio (S. 485–502). Die Existenz von Kommendataräbten ab dem 15. Jh. wirkte sich dabei nicht unbedingt zum Nachteil der Archive und Bibliotheken aus. Oftmals wurden sie von den Äbten ihren eigenen Familienarchiven einverleibt und so vor dem Untergang gerettet. Die Archivalien dreier wichtiger Zisterzienserklöster (S. Maria della Sambucina, S. Maria de Matina, S. Angelo de Friglio) befinden sich heute beispielsweise zu großen Teilen im Archivio Aldobrandini in Frascati. Es handelt sich dabei um „l’unico complesso archivistico di monasteri cistercensi della Calabria pervenuto con i suoi documenti originali“ (S. 491). Doch nicht immer war für das Überleben in Familienarchiven und -bibliotheken gesorgt: das Archiv von Casamari, insbesondere aber dessen kostbarster Besitz, das Chartarium Casaemariense, wurde im 17. Jh. der Bibliothek der Albani einverleibt. Als sich die Familie im 19. Jh. wegen finanzieller Engpässe von einigen Kodizes trennen musste, griff Theodor Mommsen im Auftrag der Königlichen Bibliothek zu Berlin zu. Das Chartarium begab sich zusammen mit einigen weiteren Hss. auf eine Reise, die mit einem Schiffbruch vor der portugiesischen Küste unglücklich endete. Die sozio-ökonomische Situation in Kalabrien vom 16. bis 18. Jh. war für die Ausbildung umfangreicher Privatarchive bzw. -bibliotheken nicht förderlich. Gelehrte Kleriker, gebildete Fürsten oder Städter waren rar und erkannten nicht das Potential, das in den klösterlichen Archivbeständen mit Blick auf die lokale Geschichte und Kultur schlummerte. Nach einem desaströsen Erdbeben 1783 kamen umfangreiche Archivalien auf den Markt, der mit der Auflösung der Klöster unter napoleonischer Herrschaft (1806–1815) geradezu überschwemmt wurde. Manche Privatleute griffen jetzt beherzt zu, so Graf Vito Capialbi, der seine Familienbibliothek in Monteleone (Vibo Valentia) substantiell vergrößerte. Dort befinden sich die Archivalien (unerforscht) noch heute. Das, was so eindrucksvoll für Kalabrien beschrieben wird, findet sich auch in anderen Regionen Italiens wieder. In vielen Beiträgen sind die relevanten Archivbestände wie im Anhang zum Beitrag von Paola Monacchia zu den umbrischen Klöstern (S. 197–224) mit Signaturen detailliert aufgelistet, in wieder anderen wird auf gedruckte und/oder elektronisch zugängliche Kataloge verwiesen. Immer aber wissen Leserinnen und Leser, wo sie im Zweifelsfalle (weiter)suchen müssen. Einziger Schwachpunkt des Bd. sind die zusammenfassenden Bemerkungen aus der Feder Cosimo Damiano Fonsecas (S. 503–506). Fonseca macht es sich sehr einfach und liefert eine „passe partout“-conclusio, die wenig Bezug auf das nimmt, was in den Beiträgen zuvor behandelt wurde. Einige Gedanken, die mit Mönchtum im Allgemeinen zu tun haben, werden dabei wenig inspiriert aneinandergereiht. Das aber, was man von einer Zusammenfassung eigentlich erwartet, findet sich nicht: das Zusammenführen unterschiedlicher „roter Fäden“ und der Verweis auf sich daraus ergebende konkrete zisterziensische Forschungsdesiderate. Das kann die Verdienste des vorliegenden Bd. freilich nicht schmälern: ein wichtiger Beitrag zur Zisterzienserforschung, dem weite Verbreitung zu wünschen ist.

Ralf Lützelschwab

Frate Elia da compagno a erede di Francesco. Atti della Tavola rotonda (Assisi, Sacro Convento, 24 maggio 2018), Spoleto (Fondazione di studi sull’alto medioevo) 2020 (Collana della Società internazionale di studi francescani 42. Opuscoli 3), X, 89 S., ISBN 978-88-6809-285-6, € 36.

Lange galt er als Ärgernis und Stein des Anstoßes: Elias von Cortona, um 1180 in Assisi geboren und 1253 in Cortona verstorben, stieß sehr früh (wohl um 1215) zum Kreis um Franz von Assisi hinzu und wirkte nach dem Tod des Gründervaters der Franziskaner sieben Jahre lang, von 1232–1239, als Generalminister des Ordens. Die Absetzung 1239 und die Exkommunikation sorgten für Unruhe in- und außerhalb des Ordens. Seine Nähe zu Kaiser Friedrich II. verstörte. Vorliegende Aufsatzsammlung dokumentiert einen Studientag in Assisi (Mai 2018). Ziel war es, die Persönlichkeit des Elias auf der Grundlage rezenter Forschungen einer Neubewertung zu unterziehen. Das, was an Informationen über ihn bekannt ist, stammt zumeist aus der Feder seiner Gegner, ist ideologisch aufgeladen und bietet ein ganz und gar verzerrtes Bild seines Wirkens in und für den Orden. Ungünstige Voraussetzungen für eine Analyse sine ira et studio, möchte man meinen. Erstaunt ist man dann freilich nach der Lektüre der insgesamt fünf Beiträge, welch zusätzliche Erkenntnisse sich immer dann gewinnen lassen, wenn neue Quellenmaterialien erschlossen und an bereits bekannte Quellen neue Fragen gerichtet werden. Filippo Sedda hatte in seiner vorzüglichen, 2001 erschienenen Arbeit „La malavventura di frate Elia“ darauf hingewiesen, wie im Zuge der „Heiligwerdung“ des Franziskus dessen eigene Strahlkraft diejenige anderer führender Köpfe im Orden minderte, ja mindern musste. Elias selbst durfte nicht mehr strahlen: während Franziskus zum alter Christus wurde, verwandelte sich Elias zum alter Juda – die Langzeitfolgen sind bis heute spürbar. Pietro Messa beschreibt diese Folgen kurz in seinem Beitrag („La posterità storiografica di frate Elia“, S. 83–89). Der Altmeister der franziskanischen Geschichtsschreibung, Grado G. Merlo, liefert einen lesenswerten Abriss dessen, was aktuell über Elias bekannt ist, „un discorso che voglia essere libero da pregiudizi, o da intenti denigratori o apologetici, o da fascinazioni letterarie e alchemiche“ („Ancora su frate Elia“, S. 1–14). Elias, der von Franz selbst „Mutter“, von Klara venerabilis pater noster genannt wurde, war (wie Franziskus selbst) Laie – und dies war Teil des Problems. Spätestens mit der Ausbildung fester, päpstlich approbierter Organisationsstrukturen trat das bisher den Orden dominierende laikale Element in den Hintergrund. Kleriker rückten vor. Sprachrohr und glühender Verteidiger dieser Entwicklung war Salimbene, dessen harsche Urteile das Bild Eliasʼ über die Jahrhunderte nachhaltig prägen sollten. Multi inutiles habe er in den Orden aufgenommen und homines indignos in hohe Ordensämter befördert. Nur wenige Quellen sind für den Zeitraum von Eliasʼ Generalat erhalten. Unbestritten ist aber, dass Gregor IX. Elias 1239 als Botschafter nach Cremona entsandte, um dort mit Friedrich II., als specialis amicus utriusque, ein Friedensabkommen zu vermitteln. Merlo setzt vor allem auf die Aussagekraft kommunaler Archive, um dem Handeln des Generalministers in dieser Zeit zusätzliche Tiefenschärfe zu verleihen. Auch Luigi Pellegrini widmet sich dieser Periode im Leben des Elias („Spunti di rilettura del generalato di frate Elia“, S. 15–31), richtet dabei aber den Blick auf die Beschlüsse der Generalkapitel nach der Absetzung 1239, in denen beispielsweise im Bereich der Visitationen oder der Zulassung von laici in den Orden eine Abkehr von den Vorgaben und Idealen des Elias erkennbar wird. Zu Recht wird hier davor gewarnt, Elias als „bildungsfern“ oder gar „wissenschaftsfeindlich“ zu begreifen. Schließlich war er es, der den Grundstein „per il successivo consolidamento e predominio dell’intellettualità all’interno dell’Ordine“ (S. 21) legte – selbst Salimbene musste dies anerkennen. Felice Accrocca analysiert das Verhältnis des Elias zu einzelnen Personen bzw. Gruppen innerhalb des Ordens („La duratura vittoria di un frate sconfitto. Frate Elia nelle fonti francescane“, S. 33–56) – Franz von Assisi, die frühen Gefährten – und gelangt dabei zu dem Schluss, dass Elias nicht nur bis zur Absetzung 1239 über ein „notevole prestigio“ (S. 38) verfügte, sondern auch danach nicht Opfer einer damnatio memoriae durch die (frühen) Gefährten des hl. Franziskus wurde. Dafür sorgten andere. Bedenkenswert ist die Hypothese, Klara habe ihre Heimatstadt Assisi nicht allein durch Gebete (so die hagiographische Überzeichnung), sondern durch die Mithilfe des ihr vertrauten Elias 1240/1241 von einer Belagerung durch Friedrich II. befreit. Anhand einiger chronikaler Berichte von Thomas von Eccleston oder Giordano da Giano wird analysiert, wie seit den 60er Jahren des 13. Jh. das von Elias gezeichnete Bild immer düsterer wurde. In Angelo Clareno sieht Accrocca den eigentlichen Begründer dieses „Anti-Franziskus“-Bildes: „Certo è che oramai Elia poteva essere incolpato di tutto e del contrario di tutto senza che i suoi accusatori dovessero preoccuparsi di documentare le accuse.“ (S. 49). Als kleinere Erfolgsgeschichte erscheint Eliasʼ Wirken im Zusammenhang mit dem Bau der Kirche San Francesco in Assisi, womit sich Felice Autieri in seinem Beitrag auseinandersetzt („Frate Elia e la basilica di San Francesco“, S. 57–81). Nur einen Tag nach der Kanonisation Franziskusʼ am 17. Juli 1228 wurde mit dem Bau der Kirche begonnen, die drei Monate später unter den „immerwährenden Schutz“ des Heiligen Stuhls gestellt wurde – an dieser kirchenrechtlichen Situation hat sich bis heute nichts geändert. Elias war der Bauverantwortliche: die Unterkirche konnte nach zwei Jahren im Frühjahr 1230 geweiht werden. Im Laufe der Zeit, angefangen mit frate Mariano da Firenze (gest. 1523), wurde aus dem Bauverantwortlichen Elias, der auch nach seiner Absetzung den Titel eines „signore e custode della chiesa di san Francesco“ behielt, Elias der Architekt – Autieri zeichnet diese Entwicklung detailliert nach. Die schmale Aufsatzsammlung gibt nicht nur Einblick in ein umstrittenes Kapitel aus der franziskanischen Frühgeschichte, sondern demonstriert am Beispiel eines abgesetzten Generalministers, wie im 13. Jh. memoria konstruiert und instrumentalisiert werden konnte. Unbedingt lesenswert.

Ralf Lützelschwab

Bonaventura da Bagnoregio ministro generale. Atti dellʼincontro di studio, Foligno, 20–21 luglio 2018, Spoleto (Fondazione Centro Italiano di studi sull’Alto Medioevo) 2019 (Medioevo francescano 41. Figure e temi francescani 9), IX, 234, 14 S., Abb., ISBN 978-88-6809-276-4, € 36.

Bonaventura da Bagnoregio, am Pariser Generalstudium der Franziskaner ausgebildet, wurde 1257 zum Generalminister des Ordens ernannt. Von diesem Amt trat er 1274 zurück, um eine noch höhere Würde anzunehmen: von Gregor X. wurde er zum Kardinal ernannt. Noch im selben Jahr starb er in Lyon, wo er am vom Papst einberufenen Konzil teilgenommen hatte. Im vorliegenden Bd., der die Beiträge einer Tagung in Foligno vom Juli 2018 dokumentiert, sind es die 16 Jahre an der Ordensspitze, die im Zentrum der Betrachtungen stehen. Zehn Artikel decken dabei ein breites Spektrum ab und skizzieren das Profil eines Mannes, dem es darum ging, tragfähige normative Strukturen im Orden durchzusetzen und dabei theoretische Reflexion mit Praktikabilität zu verbinden. Darauf geht Paolo Evangelisti in seinen einleitenden Bemerkungen ein (S. 1–42). Besonders berücksichtigt wird dabei die Rolle der Franziskaner in der städtischen Pastoral und ihr Kontakt mit der kommunalen Politik. Es geht um die Konstruktion eines Bildes, in dem die öffentliche Wahrnehmung observanter Armutsvorstellungen (paupertas) eine zentrale Rolle spielt. An der begrifflichen Schärfung des paupertas-Konzepts war Bonaventura unter Rückgriff auf das, was an den Universitäten des Abendlands gelehrt wurde, maßgeblich beteiligt. Gelehrtes Wissen fand unter Bonaventura den ihm zustehenden Platz innerhalb eines Ordens, dem ein entspannter Umgang mit (universitärer) Bildung nicht unbedingt in die Wiege gelegt worden war. Roberto Lambertini zeichnet die Ausbildung einer ordenseigenen (Bildungs-)Elite nach – Frucht eines Ausbildungssystems, das Bonaventura nach Kräften förderte (S. 43–58). Deutlich wird, dass der Generalminister mit Blick auf die Studienorganisation traditionellen Pfaden folgte, diese gegen die aggressive Kritik des Weltklerus verteidigte und gleichzeitig eine tragfähige Beziehung zwischen der von der Regel vorgeschriebenen manuellen und der von der (studierenden) Ordenselite geleisteten geistigen Arbeit herstellte. Den nicht immer von Widersprüchen freien Umgang Bonaventuras mit der Regel skizziert Damien Ruiz (S. 59–76), während Pietro Silanos der Frage nachspürt, weshalb Bonaventura überhaupt zum Kardinalbischof von Albano erhoben wurde, und welche Rolle er 1274 auf dem Konzil spielte (S. 77–96). Die Kreation war von zentraler Bedeutung, stand sie doch (um mit Giovanni Grado Merlo zu sprechen) für ein „completo inserimento dei frati nell’ordinamento ecclesiastico“. Die Ernennung erfolgte ohne Zweifel auch deshalb, weil die utilitas der Franziskaner für die Gesamtkirche vor Augen geführt werden sollte. Absolute Ausnahme innerhalb der Briefproduktion der päpstlichen Kanzlei ist die Existenz der päpstlichen littera, durch die diese Kardinalskreation angezeigt wurde (A nostre promotione auspiciis, 3. Juni 1273). Mit guten Gründen wird dafür plädiert, in einer unter den „Sermones de diversis“ überlieferten Predigt Bonaventuras zum Fest Peter und Paul (29. Juni) diejenige Ansprache zu erblicken, die er vor den Konzilsvätern in Lyon 1274 hielt. Eine nahezu ausschließlich auf das petrinische Amt fokussierte Ekklesiologie wird dabei zum Hauptargument. Die mit Abstand bekannteste Schrift Bonaventuras ist die „Legenda maior“, eine Vita des Ordensgründers Franziskus, die alle anderen bis dato zirkulierenden Lebensbeschreibungen ersetzen sollte. Mit ihr beschäftigt sich Francesco Santi und geht dabei der Frage nach, worin der Erfolg dieser Legenda begründet lag (S. 97–112). Angesprochen wird die Präsenz zahlreicher, durchaus disparater Motive, durch die unterschiedliche, miteinander konkurrierende Strömungen im Orden ausgeglichen und gleichzeitig ein auch für die Welt außerhalb des Ordens anschlussfähiges Franziskus-Bild entworfen werden sollte. Als Hochfrequenz-Adjektiv erscheint dabei novus, das von Bonaventura nicht im Sinne von irrationalis verstanden, sondern als Aufforderung zur imitatio des Ordensgründers etabliert wurde. Die Predigten Bonaventuras sind in der Forschung bisher hinter seinen hagiographischen Texten zurückgetreten. Darauf macht Aleksander Horowski in seinem Beitrag über die dem Ordensgründer Franziskus gewidmeten Sermones des Generalministers aufmerksam (S. 113–160). Fünf dieser Predigten waren bisher bekannt. Zu den Besonderheiten der Überlieferung gehört, dass für ein und dieselbe Predigt auch noch Mitschriften anderer Zuhörer erhalten geblieben sind. Für jeden Sermo rekapituliert Horowski die Überlieferungsgeschichte, skizziert die wichtigsten Inhalte, geprägt von einer „pluralità di figure agiografiche“ (S. 138), und stellt in der Folge noch weitere, bisher unbeachtet gebliebene Franziskus-Predigten vor, bei denen es sich zumeist um unterschiedliche Redaktionsstufen der bisher bekannten Texte handelt, die jedoch z. T. erheblich von den in kritischer Edition zugänglichen Sermones abweichen. Vor diesem Hintergrund scheint die Forderung nach einer Neuedition der „Sermones de diversis“ tatsächlich berechtigt. Der Beurteilung von Bonaventuras Generalat widmet sich Maria Teresa Dolso unter besonderer Berücksichtigung der „Chronica XXIV generalium“ (S. 201–224). Inhaltliche „Kohärenz“ bzw. Glättung sucht man in der Chronica vergeblich. Bonaventura taucht darin ebenso als unermüdlicher Verteidiger mendikantischer Rechte gegen die Ansprüche des Pariser Weltklerus wie als unerbittlicher (und brutaler) Verfolger der Spiritualen-Bewegung im Orden auf. Dem Verhältnis zu zwei herausragenden Ordensangehörigen, Antonius von Padua, dem zweiten Ordensheiligen, und Egidius von Assisi, einem Gefährten des Franziskus, wird dabei besondere Beachtung geschenkt. Deutlich wird, wie hoch letztlich das Ansehen war, dessen sich Bonaventura nach seinem Tod erfreuen konnte. Nicht zu Unrecht gilt er noch heute als zentrale Figur der zweiten Hälfte des 13. Jh., Die Forschung wird auf die Erträge dieses Tagungsbd. zukünftig mit Gewinn zurückgreifen.

Ralf Lützelschwab

Mariano da Firenze, Libro delle degnità et excellentie del Ordine della Seraphica Madre delle Povere Donne Sancta Chiara da Asisi. Die Ursprünge des Klarissen-Ordens, ediert und übersetzt von Karin Mair, Kiel (Solivagus-Verlag) 2020, 231 pp., ill., ISBN 978-3-943025-42-2, € 49.

La traduzione delle fonti perlopiù latine medievali negli ultimi decenni ha conosciuto un notevole sviluppo, sia per facilitare la fruizione dei testi da parte di un più largo pubblico sia per consentire l’uso degli stessi nella didattica universitaria ai vari livelli. È inoltre convinzione oramai affermata che la traduzione non costituisca solo un’operazione limitata al campo delle scelte linguistiche, ma che sia un passaggio importante per la corretta comprensione e valorizzazione di una fonte per chi la traduce, come pure per chi ne fruisce. In tale vivace contesto si colloca la traduzione della prima parte del „Libro delle degnità et excellentie del Ordine della Seraphica Madre delle Povere Donne Santa Chiara da Assisi“, opera di Mariano da Firenze, un frate Minore osservante della provincia Toscana, attivo tra la fine del XV secolo e la sua morte, avvenuta il 20 luglio 1523. L’autrice prende le mosse dalla sua dissertazione dottorale, discussa nel 2013 presso la Geisteswissenschaftliche Fakultät dell’Università di Salisburgo, e approfondisce le ricerche preliminari all’edizione, proponendo importanti integrazioni. Mariano da Firenze compose diverse opere volte a illustrare e a sostenere la tensione riformatrice, presente nell’Ordine dei frati Minori fin dalle sue origini e che giunse a maturazione con l’istituzione di un Ordine autonomo (quello dei frati Minori Osservanti, 1517) rispetto a quello che fu definito dei frati Minori Conventuali. Nella „Einleitung“ l’autrice ricostruisce la carriera del frate e le sue opere, tutte di taglio storico-agiografico, dedicate alla illustrazione delle tappe fondamentali della vita dell’Ordine e a celebrare i numerosi esempi di santità che nei diversi tempi emersero al suo interno, sia nella componente maschile sia in quella femminile. Le monache che aderirono allo spirito dell’Osservanza, talora con maggior determinazione rispetto ai frati, condussero una lotta serrata per tornare alla regola scritta da Chiara d’Assisi per le Sorores pauperes di S. Damiano (1253), regola che i papi, a partire da Urbano IV (1263) avevano volutamente ignorato, conferendo invece ai monasteri di Clarisse una regola „papale“, tanto che queste monache presero il nome di Clarisse Urbaniste. Va infine notato che fra Mariano scrisse la sua opera in volgare centro-italico per venire incontro alle richieste delle monache Osservanti di conoscere meglio la storia di Chiara d’Assisi e delle altre sante dei primi tempi e che numerose tra queste religiose possedevano una cultura di alto livello, tanto da essere in grado non solo di leggere e scrivere (colei che scrisse e copiò l’opera di fra Mariano fu una monaca di Volterra Dorotea Broccardi), ma anche di tradurre le fonti più importanti per la storia del ramo femminile francescano. Tra queste religiose si distinse Battista Alfani, suora nel monastero di Monteluce di Perugia, che fu sicuramente in contatto con fra Mariano, che tradusse le fonti su Chiara e compose una Legenda di santa Chiara in volgare. Sempre nella „Einleitung“, l’autrice tratteggia le principali tappe della storia dell’Osservanza, con particolare attenzione alla Schriftlichkeit sviluppata dagli Osservanti proprio per fondare e giustificare le loro scelte. Vengono inoltre considerate le fonti di fra Mariano nella composizione del Libro, in particolare quelle relative alla storia delle Sorelle Povere (non delle Clarisse „papali“!), i temi trattati nel Libro e la sua struttura. L’autrice ha inoltre verificato le fonti utilizzate nella più recente edizione del Libro (Giovanni Boccali, 1986), un’operazione che le ha consentito di mettere in luce le errate indicazioni archivistiche dei precedenti editori: le segnature dei mss. indicate da Boccali si sono rivelate errate, dei due mss. da lui indicati solo uno è stato individuato, con una segnatura diversa, nella Biblioteca Nazionale di Firenze (Magliabechiano CL XXXXVII, 226), mentre il ms. H 19 della Biblioteca Vallicelliana di Roma acquista particolare significato e diviene il testo di riferimento per la traduzione. Karin Mair descrive i mss. da lei considerati (oltre ai due sopra elencati anche il ms. 336. I, F.17 dell’Archivio provinciale della Provincia toscana dei frati Minori), quindi procede all’edizione su tre colonne sinottiche dei tre mss. in volgare qui elencati; la traduzione tedesca è basata sul testo compreso nel ms. Vallicelliano. Il Libro di Mariano da Firenze si divide in due parti, la seconda dedicata soprattutto alla celebrazione delle suore che si distinsero per santità; l’autrice limita la sua pubblicazione alla prima parte del Libro, una scelta forse suggerita dalla mole dell’intera opera. L’edizione sinottica e la traduzione occupano le pp. 57–262, seguono le note al testo (pp. 264–298), e l’elenco della bibliografia citata. Il dibattito storiografico è tratteggiato nelle sue linee principali, anche se talora presenta alcune ingenuità nella scelta delle opere di riferimento. Un indice dei nomi di persona avrebbe giovato alla fruibilità del testo.

Maria Pia Alberzoni

Justin Steinberg, Dante e il suo pubblico. Copisti, scrittori e lettori nell’Italia comunale, presentazione di Lino Leonardi, traduzione di Anna Carocci, Roma (Viella) 2018 (La storia. Temi 64), X, 240 S., Abb., ISBN 978-88-6728-944-8, € 27.

Justin Steinberg lehrt italienische Literatur an der Universität von Chicago. Sein Werk „Accounting for Dante: Urban Readers and Writers in Late Medieval Italy“ aus dem Jahr 2007 liegt nun in einer vorzüglichen italienischen Übersetzung vor. Der Autor sieht in Dante einen Schriftsteller, der mit seiner Vorliebe für das Volgare in stetem Austausch und Dialog mit seinem Publikum stand. Mit seinen literarischen Anspielungen und Streitgedichten (tenzoni) nahm er auf die Werke von Freunden und Rivalen Bezug. Als „intellettuale in esilio“ waren seine eigene gesellschaftliche Lage wie seine anfängliche Rezeption gleichermaßen prekär. Steinberg analysiert deshalb seine Quellen – wie die Hs. BAV, Vat. lat. 3793, dessen epochale Bedeutung für die Volgare-Literatur bekannt ist (S. 78 f., 110) – auch in ihren äußeren Aspekten. Diese materiellen Elemente sind die Schrift, die Miniaturen, die Gestaltung der Seiten, der Beschreibstoff, die Rubrizierung und Marginalien, durch die sich auch deren Benutzungsformen und Leserkreise erschließen lassen (S. 6). Der Autor betont dabei die Subjektivität der Urteile Dantes gegenüber seinen Rivalen wie Monte Andrea, Chiaro Davanzati oder Guittone d’Arezzo, die es zu kontextualisieren gilt. Zunächst allerdings wendet sich der Autor den 1265 eingerichteten Bologneser Memoriali zu, in denen sich zahlreiche poetische Inserte finden, die seit ihrer Publikation durch Giosuè Carducci 1876 von Italianisten und Dantisten ausgewertet werden. Es gab 1283 in der Universitätsstadt, die damals etwas unter 50 000 Einwohner zählte, über 1000 Notare (S. 35). Durch die Monopolisierung der fides pubblica stellten die Memoriali zunächst einen mehr oder weniger expliziten Angriff auf die Unabhängigkeit der Notare dar. Jede öffentliche Urkunde, die von einem Notar aufgesetzt wurde, besaß nur dann Rechtsgültigkeit, wenn sie mit einem zweiten Vertrag in den Memoriali übereinstimmte (S. 38). Das Blatt wendete sich, als 1282/1284 die popularen Kräfte obsiegten. Die Memoriali wurden von einem Mittel der sozialen Kontrolle über die immer mächtiger werdende Notariatsgilde zu einem Verwaltungsinstrument in den Händen der Notare selbst. Unter den privaten und literarischen Notizen der Notare stechen die Streitgedichte und fast karnevalesk anmutenden Balladen hervor, die Frauen, Liebe, Speisen und Körperfunktionen zum Gegenstand haben (S. 40). Für einen Historiker mag es übertrieben erscheinen, einen Notar – wie beispielsweise Nicola Johanini Manelli – als Herausgeber (editore) eines Poeten – hier Guido Guinizzelli – zu bezeichnen (S. 23, 41). Aufgrund der präzisen Textanalysen erscheint indes die Feststellung überzeugend, dass für die Notare der Memoriali die Exklusion Guittones d’Arezzo und die Inklusion Dantes, Guinizzelli und der Poeten der sizilianischen Schule ein anti-magnatisches Bekenntnis war (S. 17 f., 43–58). Der Fall Guittones ist besonders interessant, denn der Aretiner hatte intensive Beziehungen zu Bologna durch die Ritter der Gloriosa Vergine Maria bzw. „Frati gaudenti“, denen er angehörte und mit denen er Bologna – ganz auf der Linie mächtiger lokaler Aristokraten – befrieden wollte. Die Bezeichnung „Frati gaudenti“ war ursprünglich abwertend gemeint, da sie auf den Reichtum und den relativen Wohlstand der Mitglieder des Laienordens anspielte (S. 7, 37 f.). Fra Guittones propagierte die Werte der „Frati Gaudenti“, was die konträre Reaktion der Notare aus dem Popolo erklärt. Dantes Eingriffe als Literaturhistoriograph in „De vulgari eloquentia“ (DVE) und im „Purgatorio“ sind eine direkte Antwort auf die unterschiedlichen Gedichtsammlungen seiner Zeit und auf die konkurrierenden Visionen der Literaturgeschichte, die aus den überlieferten Liederbüchern (canzonieri) deutlich hervorgehen. Was die schon erwähnte vatikanische Hs. angeht, so haben die Schrift in „proto-mercantesca“ (Armando Petrucci) und andere Kennzeichen die „provenienza mercantile del Vaticano“ belegt (S. 144). Die Behandlung der italienischen Dialekte macht auch aus dem ersten Buch von DVE eine Art von Anthologie, da hier Dante viele Poeten seiner Zeit erwähnt. Mit Bezug auf die ersten Worte, die Eva und Adam in starkem Kontrast zueinander aussprechen, mythologisiert Dante in DVE die Ursprünge der beiden rivalisierenden poetischen Traditionen, die er bereits in der „Vita nova“ skizziert hatte: auf der einen Seite die verlogene Rhetorik des Kontrasts und des fiktiven tenzone, auf der anderen Seite die neue Innerlichkeit der Lobpreisdichtung (lode) (S. 132). Dante verurteilte die Florentiner Oligarchie und die Allianz zwischen den Adligen und den internationalen Bankiers. Vorbehalte gegen das „Volk“ lasse dagegen die auch gegen das Verhalten der Zünfte gerichtete politische Allegorie des Turms von Babel erkennen (S. 135). Der von Dante niemals namentlich genannte Florentiner Dichter Monte Andrea war ihm wegen seiner materiellen Vision der Fortuna besonders suspekt, die dem Rivalen aber Sympathien bei den Kaufleuten in Florenz einbrachte. Und aus dem Kreis dieser mercatores kamen die Kompilatoren und Leser der Anthologie Vat. lat. 3793. Man verdankt Steinberg also profunde Einsichten in die literarischen und soziokulturellen Kontexte der Selbstsicht Dantes und seiner frühen Rezeption.

Andreas Rehberg

Laura Andreani/Agostino Paravicini Bagliani (Hg.), Miracolo! Emozione, spettacolo e potere nella storia dei secoli XIII–XVII, Firenze (SISMEL. Edizioni del Galluzzo) 2019 (mediEVI 21), XVI, 361 S., Abb., ISBN 978-88-8450-927-7, € 58.

Der 17 Beiträge umfassende Bd. geht auf einen gleichnamigen Kongress zurück, der im November 2018 in Orvieto stattfand, einer Stadt, deren Kathedrale ihre Entstehung einem Hostienblutwunder verdankt. Bis heute wird das mit dem Blut getränkte Altartuch als kostbare Reliquie vor Ort verehrt. Man befand sich also am rechten Ort, um Fragen nachzugehen, die sich zum einen allgemein mit Definitionen und Erscheinungsformen von Wundern, zum anderen speziell mit einzelnen Wundern bzw. Wundertätern beschäftigten. Dass dies in der longue durée, von der Spätantike mit dem Kirchenvater Augustinus bis zum Jesuiten Franz Xaver im 16. Jh., geschah, erhöht die Attraktivität der vorliegenden Aufsatzsammlung zusätzlich. Giuseppe Cremascoli und Agostino Paravicini Bagliani bereiten in ihren einleitenden Beiträgen den Boden für die folgenden Studien. Während sich Cremascoli den unterschiedlichen Bedeutungen widmet, die der Begriff miraculum in der mittellateinischen Lexikographie annehmen konnte, skizziert Paravicini Bagliani knapp das Verhältnis zwischen Papsttum und Wunder und macht dabei wenig überraschend auf die enorme Bedeutung des sich ab 1180 herausbildenden Kanonisationsverfahrens aufmerksam, in dem das Wunder zum Erkennungszeichen personaler Heiligkeit aufstieg. Die Ausführungen von Étienne Doublier lesen sich als Ergänzung hierzu. Er spürt der Präsenz von Wundern in den Urkunden der päpstlichen Kanzlei des 13. Jh. nach, vor allem in Ablassbriefen, Mandaten und Kanonisationsbullen, wo sich seit der Mitte des Jh. umfangreiche Auflistungen von Wundern finden lassen – Wunder, die bis ca. 1250 lediglich gleichberechtigt mit den „guten Werken“ von der Heiligkeit einer Person gekündet hatten. Mit der Bedeutung von Wundern im Rahmen von Kanonisationsprozessen (14.–16. Jh.) beschäftigt sich auch Alessandra Foscati, die der Rolle von weltlichen Heilern in Italien und Frankreich bei der Anerkennung von Wundern nachgeht. Doch auch die (Universtäts-)Medizin wurde bei der Identifikation von miracula immer wichtiger. Danielle Jacquart analysiert das Verhältnis von Medizin und Heilungswundern am Beispiel einiger universitär ausgebildeter Ärzte, die nur in Ausnahmefällen in ihren Schriften von wundersamen Heilungen berichteten, dafür aber vor der Versuchung warnten, sich in großer Not an heilige Wundertäter zu wenden, anstatt dem Wissen der Ärzte zu vertrauen. Beschreibungen von Wundern sind ohne den Rekurs auf Sinneseindrücke kaum vorstellbar. Francesco Santi widmet sich dem Tastsinn, dem bei der Identifizierung wundertätiger Körper im Verlauf des 13. Jh. eine immer größere Rolle zukam. Exemplifiziert wird dies anhand einiger Ausschnitte aus der Vita der Chiara da Montefalco. In Martin Rochs Beitrag rückt der Geruchssinn bzw. seine (schriftlich fixierte) Wahrnehmung ins Zentrum der Betrachtungen. Behandelt wird der Zeitraum vom 5.–9. Jh., in dem Roch eine „cultura olfattiva religiosa“ (S. 111) verwirklicht sieht. Der Duft selbst mochte in den Darstellungen zwar an den Körper gebunden sein, seine Wahrnehmung jedoch wurde zu einem intellektuellen und affektiven Akt, zu einer Form non-verbaler Kommunikation. Geruch ist in einigen Texten (Gregor von Tours) an die Unversehrtheit bzw. Vollständigkeit des (toten) Heiligenleibs gebunden, erscheint in anderen aber als Hintergrund für die asketische bzw. monastische Berufung des (noch lebenden) Heiligen, als initium virtutum eius. Geruchserfahrungen machten also nicht nur Gläubige, die sich dem Leichnam bzw. den Reliquien eines im Ruch der Heiligkeit Gestorbenen näherten, sondern auch der präsumptive Heilige selbst, was am Beispiel des hl. Eligius überzeugend demonstriert wird. Wertvolle Erkenntnisse liefern einige Beiträge, die sich der Rolle von Wundern in den opera bekannter Theologen des (Spät-)Mittelalters widmen. Antonella Sannino tut dies mit Blick auf Guillaume d’Auvergne und seine Behandlung von miracula, mirabilia und mirifica, während Giovanni Paolo Maggioni den Blick auf die Verwendung spektakulärer Wunderbeschreibungen durch Dominikanerprediger des 13. Jh. richtet. In diesen Predigten ging es zunächst vornehmlich darum, die exzeptionelle Heiligkeit der beiden Ordensheiligen Dominikus und Petrus Martyr unter Beweis zu stellen. Dominikus sollte in Hinblick auf die Heiligkeit seines Lebens und den Erfolg seines Apostolats Figuren wie dem hl. Benedikt, Petrus Martyr durch seinen Kampf für die Glaubenswahrheiten Gestalten wie dem hl. Georg ebenbürtig an die Seite gestellt werden. Der Aufsatz spürt, ausgehend vor allem von der Chronik des Salimbene von Parma, der unterschiedlichen Funktion und Wahrnehmung von Wundern bei Heiligen nach, die entweder erst nach ihrem Tod kanonisiert wurden oder bereits zu Lebzeiten durch die vox populi im Ruch der Heiligkeit standen. Viel erfährt man dabei über konkrete Predigtsituationen und das Bemühen, den Predigtakt selbst zu einer Art happening werden zu lassen, durch das der mitunter schmale Grat zwischen Rechtgläubigkeit und Heterodoxie überschritten werden konnte – spätestens dann, wenn ein Prediger selbst davon überzeugt war, in situ Wunder wirken zu können. Natürlich schöpft der vorliegende Bd. das Phänomen „Wunder im Mittelalter“ mit seinen unzähligen Verästelungen auch nicht ansatzweise aus. Das war freilich auch nicht beabsichtigt. Der Wert liegt also weniger im umfassenden Überblick als in der Momentschau auf aktuelle Forschungstrends, in denen das miraculum eine zentrale Rolle spielt. Und man wird wohl sagen dürfen: Forschungen auf diesem Gebiet blühen und liefern wichtige Erkenntnisse darüber, wie sich im Mittelalter Übernatürliches und Natürliches in unterschiedlichsten Konfigurationen miteinander verband und das tägliche Leben innerhalb der societas christiana beeinflusste.

Ralf Lützelschwab

Francesco Salvestrini (a cura di), I monaci silvestrini e la Toscana (XIII–XVII secolo), Firenze (Olschki) 2020 (Studi sulle abbazie storiche e ordini religiosi della Toscana 5), 199 pp., ISBN 978-88-222-6705-4, € 26.

Un libro non ponderoso, eppure assai vario al suo interno, restituisce gli atti di una giornata di studi sulla presenza dei monaci silvestrini in Toscana, originata dal 750° anniversario della morte del fondatore dell’ordine, Silvestro detto dei Guzzolini da Osimo (1267), e il IV centenario del riconoscimento della santità dello stesso, da parte di papa Paolo V, nel 1617. Una vicenda articolatasi, come riassume Francesco Sebastianelli in apertura del suo contributo sui Silvestrini a Montepulciano, Petroio e Percena (pp. 123–144), tra l’esordio del 1299 a Firenze, dove i Silvestrini rimasero fino al 1436, e l’epilogo a Chiusi, soli 17 anni tra il 1638 e il 1658, passando per gli ulteriori insediamenti a Siena (1311–1437), con una „coda“ a San Lorenzo di Percena (Buonconvento) dallo stesso 1437 al 1466, a Montepulciano – San Giovanni al Poggiolo, dal 1332 al 1653 – e a Petroio (Trequanda) in due insediamenti, tra il 1378 e il 1653. Le vicende poliziane tornano nei due brevi ma densi saggi di Riccardo Pizzinelli (pp. 175–185) e, con un contributo di storia dell’arte, di Raffaele Argenziano (pp. 187–198), mentre a Chiusi è dedicato un più ampio lavoro di Giovanni Mignoni (pp. 99–122), assai documentato e capace di offrire anche informazioni sulla poco nota vita del centro chianino a inizi Seicento. Ugo Paoli (pp. 145–173) si occupa di una breve vicenda di poco successiva, il tentativo di unione dei Silvestrini con i Vallombrosani che, pur rientrando nelle iniziative cosiddette di riforma post-tridentina, fu dettato, secondo lo studioso, „anche da ragioni di carattere politico ed economico“ (p. 146). Se i cinque studi appena menzionati analizzano, nella seconda metà del libro, vicende collocate tra la fine del medioevo e l’età moderna, nella prima metà del volume altri tre studi si occupano di una fase cronologicamente precedente. Un primo contributo del curatore del volume, Francesco Salvestrini (pp. 1–31), inquadra le vicende originarie dell’ordine, dalla fase di carattere romitorio nelle Marche a una successiva, avviata già da Silvestro stesso, nella quale „il fondatore sembra aver operato una sorta di fusione tra modello monastico e nuove istanze regolari“ (p. 23). Un monachesimo, dunque, sensibile alle „nuove istanze proposte … dalle esigenze dei fedeli“ (p. 26) e capace di intrecciarsi strettamente con le vicende cittadine, come Salvestrini mostra anche tramite una figura come fra Bevignate da Cingoli, architetto che partecipò a molti, celebri cantieri umbri come quelli per la fontana maggiore di Perugia, per il duomo della stessa città e per quello di Orvieto. In chiusura del suo saggio, Salvestrini non manca di aprire il ragionamento sulla tematica propria del libro, cioè il rapporto con la Toscana, sviluppato ampiamente dai due successivi saggi, dedicati alla fase medievale e alle due principali città toscane in cui i Silvestrini operarono. Ci si riferisce allo studio di Isabella Gagliardi (pp. 33–60) sul rapporto con Firenze e a quello di Michele Pellegrini (pp. 61–97) su Siena. In nessuno dei due casi si trattò di un inserimento destinato a durare a lungo: per entrambe le città, sostanzialmente poco oltre l’intero Trecento. Un secolo, è appena il caso di dirlo, segnato dalla importante cesura centrale della peste; ben prima della quale, però, in entrambi i casi l’inserimento silvestrino era nato nel tentativo di giocare un ruolo in quella fase, invece, di crescita demografica e di espansione urbana dei primi decenni trecenteschi. A Firenze ciò avvenne in un’area, appunto, di crescita tra la vecchia cinta muraria e la nuova, quella del Cafaggio (p. 33), su un terreno che nel 1299 Andrea di Giacomo, discepolo del fondatore Silvestro e quarto priore generale dell’ordine, poteva comprare sfruttando, probabilmente, le buone relazioni intessute precedentemente, mentre era „vicario generale della diocesi di Firenze … all’epoca del vescovo Francesco Monaldeschi“ (p. 33). L’inserimento silvestrino non fu visto, però, di buon occhio dai canonici del Duomo di Firenze né da quelli di San Lorenzo, incuneandosi tra le rispettive parrocchie. La Gagliardi segue, poi, nonostante limiti imposti dal quadro documentario, i temporanei successi che i Silvestrini riuscivano a cogliere tra la popolazione fiorentina ma, anche, nuovi scontri, con i Domenicani dell’Osservanza guidati da un personaggio carismatico come Giovanni Dominici, prima, e da Antonino Pierozzi che finirono per prevalere. Il ben solido e profondo radicamento domenicano nel tessuto socio-economico fiorentino riuscì a sfruttare la potenzialità di quella zona di cui Andrea di Giacomo aveva colto la vivace crescita già sul finire del Duecento. Comparabile, ma, per certi versi dissimile, la vicenda senese; in essa, la fondazione del monastero di Santo Spirito ebbe luogo „sul poggio di Colle Farolfi, ubicato su un lato del borgo addensatosi nel pieno Duecento fuori della vecchia porta di San Giorgio … nel settore sud-orientale della città in espansione“ (p. 62). Anche qui i Silvestrini entrarono in conflitto con altri ordini, nello specifico i Servi di Maria con i quali, però, riuscirono a giungere a un accordo. Pellegrini può seguire vicende puntuali che mostrano momenti di buona intesa tra i monaci silvestrini e vari esponenti della società senese, pur in quella fase tardotrecentesca che definisce efficacemente di „stagnazione“: anni non facili, a Siena, a Firenze e non solo, tra „conflitti e tendenze centrifughe nella fase certamente più travagliata nella storia medievale della congregazione“ (p. 90). Nella dimensione senese, Pellegrini individua in fra Giacomo di Mino l’esponente il cui radicamento „nel tessuto profondo delle dinamiche politiche e sociali“ si avvalse della comunità silvestrina del Santo Spirito che lo studioso arriva a definire „solamente una sponda“ nella tessitura costruita da frate Giacomo tanto da vedere in essa una „immagine in chiaroscuro d’uno almeno degli esiti cui approdava, nelle sue luci e nelle sue ombre, il riuscito inserimento dell’esperienza monastica di San Benedetto di Montefano nella Toscana della tarda età comunale“ (tutte le ultime citazioni da p. 97).

Mario Marrocchi

Paolo Grillo/François Ménant (a cura di), La congiuntura del primo Trecento in Lombardia (1290–1360), Roma (École française de Rome) 2019 (Collection de l’École française de Rome 555), 277 pp., ISBN 978-2-7283-1372-3, € 48.

Il libro contiene gli atti del convegno tenutosi presso il Dipartimento di Studi storici dell’Università degli Studi di Milano, nei giorni 20–21 ottobre 2016. Il tema era stato dibattuto in due precedenti incontri, tenutisi nel giugno 2015 a Bergamo su „Prima della peste: il Trecento in Lombardia“ e nel febbraio 2016 all’École Normale Superieure di Parigi con riflessioni sulla questione „Y a-t-il eu une crise du premier siècle en Lombardie?“ In altre parole: se ci sia stata una crisi in Lombardia durante i primi decenni del Trecento. Per rispondere alla domanda dieci specialisti di storia lombarda hanno affrontato nell’incontro di Milano le problematiche connesse al concetto di „congiuntura del primo Trecento“ alla luce degli studi di Stephan Epstein, „Freedom and growth. Markets and states in Europe (1300–1750)“, London 2000, di Sandro Carocci, „Il dibattito teorico sulla ‚congiuntura del Trecento‘“, in: „Archeologia Medievale“ 43 (2016), p. 17–31 e soprattutto di Bruce Campbell, „The great transition. Climate, disease and society in the late-medieval world“, Cambridge 2016. Da questi lavori emerge che un’unica spiegazione della indubbia crisi economica e sociale, che caratterizzò il secolo XIV, è di certo insufficiente. Paolo Grillo nell’„Introduzione“ lo afferma quando sottolinea che la Peste Nera non ha rappresentato una svolta, ma è da intendersi come il risultato di una lunga depressione avvenuta nei primi decenni del Trecento, caratterizzati nel Nord dell’Europa da carestie, da una conseguente crisi demografica e da concomitanti situazioni climatiche negative, da guerre e da forti prelievi signorili. Su questa linea Bruce Campbell ha infatti affrontato nel suo volume più ambiti di ricerca, dalla storia economica alla climatologia storica, dalla biologia alla genetica. Secondo l’autore inglese dalla metà del Duecento alla metà del Quattrocento si susseguono tre fasi capaci di incidere a fondo sulla storia europea: un inizio dal 1260 al 1330 con sostanziale tenuta, ma sempre più in dissoluzione; un ventennio di sciagure (1340–1360), caratterizzate da un forte crollo di natura demografica ed economica, a cui ha fatto seguito una lunga depressione dal 1370 al 1470. Invece, a partire dal 2010, sotto la spinta di ricerche coordinate da Sandro Carocci, François Menant, Monique Bourin e Lluis To Figueras, gli studiosi dell’area mediterranea hanno sottolineato che nel corso del Trecento le campagne del Mezzogiorno europeo hanno vissuto di volta in volta sia tensioni distruttrici, sia innovatrici, queste ultime legate all’aumentato commercio dei prodotti agricoli e artigianali, alla crescita ed affermazione dei mercanti, alla conseguente mobilità sociale e infine ad un forte intrecciarsi di spinte politiche, economiche, culturali. Fatti che permetterebbero di sfumare i negativi giudizi sulla crisi europea. Grillo è poi passato dagli studi sull’Europa e sul Mediterraneo a quelli relativi all’Italia e alla Lombardia. Carlo Maria Cipolla, negli anni Sessanta e Settanta del Novecento, volle superare la tradizionale visione di Armando Sapori e di Sabatino Lopez, che attribuivano solo alla Peste nera l’interruzione del trend positivo di crescita italiano e lombardo. Cipolla infatti riprese le tesi del crollo demografico e della diminuzione delle produzioni agricole lungo tutta la prima metà del Trecento, mutuate dalla lettura dell’opera „neo malthusiana“ di Michael Postan. A questa posizione di Cipolla fece seguito negli anni Ottanta e Novanta una stagione di ricerche sulla demografia e sugli sviluppi agricoli in Italia nella prima metà del Trecento, guidate da Giuliano Pinto e Rinaldo Comba. Ma le indagini furono poi abbandonate per riprendere gli studi sulla vita delle città italiane e sulla „crisi delle istituzioni comunali“, suggeriti da un titolo celebre di Giorgio Chittolini. Era dunque necessario ripensare la questione della „congiuntura del Trecento“ per verificare se in Lombardia, la „Felix olim Lombardia“, i primi decenni di quel secolo presentarono segni di un aggravarsi degli aspetti negativi. Se questo è il tono della „Introduzione“ sarà qui opportuno vedere subito la risposta alla domanda, che giunge dalle pagine della „Conclusione“, dovuta ai due curatori del volume. Innanzitutto la Lombardia, come realtà politica, nel periodo esaminato era molto più ampia dell’attuale regione, poiché inglobava il Piemonte Orientale (Novara, Vercelli, Alessandria, Tortona), l’area a mezzogiorno del Po, con Piacenza, Parma, Bobbio, e penetrava nel Canton Ticino almeno sino a Bellinzona. Ugualmente i tempi presi in considerazione appaiono più ampi, poiché muovono dalle grandi carestie del 1275–1277 e non dal primo Trecento, e si concludono non con la Peste Nera, ma con l’epidemia descritta dal cronista Azario per gli anni 1360–1361. Fu uno spazio temporale in cui il punto di partenza coincise con il trionfo dell’arcivescovo di Milano, Ottone Visconti, e con il succedersi di carestie ed una meta finale (1349–1361), in cui si verificò la catastrofe della peste. In questi anni la Lombardia (Novara, Pavia, Vercelli) era funestata dalla presenza di compagnie di ventura inglesi, mentre la potenza viscontea era costretta a recedere da Bologna, Genova e Asti. Tuttavia il precedente trionfo di Giovanni Visconti aveva assicurato alla regione non solo potenza militare, ma anche disponibilità economica e guadagni commerciali. I curatori del volume si sono pertanto chiesti se la Lombardia fosse un’eccezione alla regola europea della grave depressione economica e demografica e, in caso di risposta positiva, quali siano state le ragioni della controtendenza. Va subito detto, seguendo le osservazioni di François Menant e di Giuliana Albini, che dagli anni Settanta del Duecento sino ai primi decenni del Trecento la Lombardia visse una forte crisi climatica, con carestie, morie di animali da allevamento e crollo della produzione agricola con rialzo dei prezzi delle merci. La grave congiuntura costrinse le classi dirigenti delle città ad intervenire con provvedimenti annonari per mitigare le difficoltà gravanti sulla popolazione. In questo senso lo studio di Giuliana Albini, fondato su fonti cronachistiche e su documentazione statutaria ed annonaria delle città, si conclude con l’affermazione che la tesi di una Lombardia autosufficiente e quindi indenne da impellenti situazioni di necessità di approvvigionamento del cibo debba essere ridimensionata. Per François Menant le conseguenze sulle campagne dell’ascesa dei prezzi furono gravi, poiché molti piccoli proprietari terrieri furono costretti in primavera a chiedere in prestito denaro per poter mangiare e per comperare le sementi per semina autunnale. I loro contratti di credito prevedevano che essi dovessero ipotecare le terre ai prestatori per fornire una garanzia di pagamento. Gli studi sul credito rurale mostrano come molti rustici si indebitarono e quindi, non potendo pagare, furono costretti a cedere le loro terre per saldare il capitale e i pesanti interessi. È interessante notare che nei minutari notarili dei contratti di prestito era già scritto dal notaio l’atto di cessione delle terre date in garanzia, qualora il debitore non fosse stato in grado di pagare. Questo fatto permetteva al prestatore di affittarle subito al debitore, che diventava affittuario sulle terre da lui in precedenza possedute. A volte questi rustici, incapaci anche di pagare gli affitti, finirono la vita come braccianti. La situazione fortemente negativa per i piccoli proprietari terrieri ebbe una ripercussione sulla trasformazione degli abitati nelle campagne lombarde, fenomeno studiato da Riccardo Rao. Alcuni villaggi scomparvero, altri ebbero, come anche le città, un forte aumento di popolazione, per lo spostamento dei braccianti e dei lavoratori in cerca di impiego. Ma, per proteggere i contadini dalle sempre più pesanti esazioni signorili dei domini loci, le campagne lombarde vissero l’ultima stagione della erezione di Borghi franchi da parte delle classi dirigenti delle città comunali. Questi erano in grado di attrarre i coltivatori delle terre, poiché la classe politica cittadina concedeva ad essi una casa, un piccolo podere e alcune libertates, pari a quelle di coloro che abitavano nei borghi della città. Tuttavia ai borghigiani i Comuni lombardi imponevano gli obblighi di accettare la giurisdizione statutaria cittadina e di essere quindi giudicati dal podestà, di partecipare all’esercito e di pagare una tassa annuale, godendo della possibilità di tenere il mercato nel Borgo franco. Alcuni Borghi ebbero successo, altri invece si spopolarono, poiché molti abitanti, incapaci di pagare le imposte, fuggirono, mentre per i restanti il peso contributivo aumentava, perché i Comuni continuavano a chiedere al Borgo la tassa fissata in origine. Anche nel caso del sistema insediativo il giudizio positivo va in parte ridimensionato. Un discorso in parte diverso può essere fatto per la situazione economica delle campagne, argomento trattato da Laura Bertoni. La regione mostra una situazione geografica complessa, poiché in essa sono presenti tre fasce di territorio, cioè l’area delle Prealpi, quella della media pianura irrigua, caratterizzata dalle resorgive, e la Bassa, una zona umida, ricca di acque stagnanti e di campi fertili, ma difficili da lavorare per la pesantezza del terreno. La prima fascia era caratterizzata dalla piccola proprietà con campi poco estesi e la pluralità di coltivazioni utili a sfamare le famiglie dei rustici. Nella seconda zona avvennero profondi cambiamenti, già a partire dal XII secolo, con lo scavo di fontane o resorgive che assicuravano la possibilità di adacquare le coltivazioni. Le rogge o seriole invece derivavano l’acqua dai fiumi. In questa fascia si ebbero forti trasformazioni sociali, perché era in atto un processo di concentrazione delle proprietà nelle mani di enti ecclesiastici, di famiglie signorili e di uomini della incipiente società legata al prestito e ai commerci. Nella fascia delle resorgive ebbe modo di svilupparsi su grande scala la coltivazione foraggera per incrementare sia l’allevamento del bestiame ovino e bovino, sia la produzione casearia e la lavorazione delle pelli e del cuoio. Anche l’allevamento dei cavalli facilitava lo sviluppo dell’economia, per l’uso costante di questi animali ai fini delle cruente azioni belliche. Pure le forme contrattuali si modificarono e furono abbandonati i livelli a lunga scadenza, per imporre agli affittuari contratti a breve termine e con specifici obblighi di lavoro. Infine, nella terza fascia, le terre della Bassa erano in larga misura utilizzate per la coltivazione dei cereali, prodotti indispensabili per la vita delle città. Certo, le trasformazioni agricole, realizzate nella seconda e nella terza fascia, erano costose e necessitavano di continui interventi, inoltre in molti casi i beni comuni dei villaggi furono sacrificati, ma si ha l’impressione che, pur con le necessarie cautele, la positiva congiuntura delle campagne debba essere segnalata. Anche il discorso sulla vita economica delle città lombarde, articolato su tre relazioni, presenta aspetti congiunturali positivi, infatti Beatrice Del Bo, parlando di mutamenti produttivi, sostiene che tra la fine del Duecento e gli inizi del Trecento ci sia stata in Lombardia, soprattutto a Cremona, una forte crescita della produzione dei panni di fustagno e di pignolato, tanto da poter parlare di decollo del settore tessile. E si può sostenere che, in alcuni casi, le Universitates Mercatorum incrementarono il motore della produzione, del miglioramento dei prodotti e del loro sempre maggiore commercio. Sergio Tognetti, nel parlare di Banca e Commercio, ha fornito un giudizio positivo per il periodo esteso sino agli anni Trenta del Trecento. In quei decenni nelle città lombarde si realizzò lo sviluppo della produzione manifatturiera tessile, potenziato dalla capacità imprenditoriale di vendere i prodotti sui mercati europei non ancora frequentati da competitori. Gli uomini d’affari, mercanti e banchieri, realizzarono notevoli aumenti di ricchezza, ma questa era concentrata nelle mani di poche famiglie. Tuttavia la congiuntura positiva permise ai lavoratori, in genere artigiani, costantemente impiegati nel lavoro di produzione e normalmente pagati dagli imprenditori, di superare più tardi gli anni delle carestie e delle congiunture negative. Ma quando sui mercati internazionali iniziarono ad operare gli uomini d’affari di altri paesi europei con forte disponibilità di denaro, i Lombardi, che non avevano investito nel rinnovamento dei prodotti e dei mezzi di produzione, entrarono in crisi. E ciò avvenne nei decenni delle grandi epidemie, che causarono crisi e poi difficoltà alla ripresa economica. Anche Alma Poloni, nel trattare della produzione e del commercio dei panni di lana in Lombardia, ha annotato che nei primi vent’anni del Trecento i mercanti di Milano, operanti in modo unitario nella Societas Mercatorum, acquisirono la maggior parte delle lane pregiate inglesi, per produrre stoffe di elevata qualità e di alto costo. La documentazione d’archivio, su cui è basata la sua ricerca, trova una perfetta corrispondenza con una annotazione di Galvano Fiamma, in cui il frate, che scriveva negli anni Trenta del Trecento, parla di una rilevante attività di importazione di lana „sottile“ dall’Inghilterra, che poi era lavorata in città per essere infine venduta a caro prezzo sia in Italia, sia su altri mercati del Settentrione europeo. Ma gli imprenditori milanesi, se erano in grado di importare senza mediatori la lana inglese, non erano invece interessati a commerciare la loro produzione sui mercati del Mezzogiorno italiano, del Mediterraneo e della Catalogna. Quindi essi dovettero servirsi dei Genovesi e dei Pisani. Allo stesso modo il saggio di Patrizia Mainoni, dedicato al tema della finanza e della fiscalità, dimostra che, con il dominio dei Visconti sul territorio, la tassazione diretta e quella indiretta aumentarono sia per le spese militari, sia per imporre l’assoluta centralità di Milano come sede di potere politico, economico e produttivo, a danno di Cremona e di Brescia. Comunque la signoria viscontea seppe realizzare una indubbia crescita nella produzione dei prodotti agricoli, delle merci artigianali e del commercio del denaro. Infine l’articolo di Lucia Travaini, dedicato alla monetazione lombarda dal tardo Duecento al 1378, è a mio avviso utile per concludere la questione. Fu un secolo di stabilità monetaria e tre furono i periodi relativi alla coniazione delle monete. Il primo, esteso sino al 1310, vide la fine delle emissioni delle città comunali dopo la transizione alla forma signorile. Concluse le emissioni comunali, anche a Milano, forse per l’incoronazione di Enrico VII, fu battuta una moneta d’oro, l’ambrogino, il cui valore di cambio fu fissato in trenta soldi imperiali, come il fiorino e il ducato. Il sovrano, giunto in Italia, emise una legislazione sul funzionamento delle zecche, per stabilire una sola modalità nel sistema di monetazione, che fu poi accettata da Ludovico il Bavaro tra il 1327 ed il 1329. Allora in Milano funzionò una zecca imperiale. Infine Azzone Visconti, divenuto signore e vicario imperiale, nel 1330 volle battere monete senza alcun riferimento al potere dell’impero e lentamente eliminò il denaro comunale circolante, che fu sostituito da nuove monete che recavano impressa la biscia. Con Azzone il denaro fu solo coniato in argento con un’alta percentuale di intrinseco, pari a 910 millesimi. Invece i successori, Luchino e Giovanni Visconti, sono ricordati per aver battuto sia monete d’argento, sia l’ambrogino aureo che, avanti il 1349, portava sul diritto l’immagine del protettore e la scritta Giovanni, allora già arcivescovo, mentre sul verso il nome di Luchino era attorniato dal biscione e dal drago. Tuttavia le emissioni maggiori, soprattutto quelle divisionali, erano in argento. Infatti la parte più solida dell’articolo riguarda la congiuntura di rivalutazione in Europa dell’argento alla metà del Trecento, data dall’aumento di circolazione dell’oro, messo sul mercato in abbondanza nel Mediterraneo orientale. Poiché in Europa i mercanti fissavano i prezzi delle merci sulla base dell’oro, iniziò a profilarsi una svalutazione delle monete auree e una rivalutazione di quelle di argento. La reazione di Venezia e Firenze, per assicurare la stabilità del denaro aureo, fu quella di svalutare le monete d’argento, togliendo parte di metallo pregiato. Al contrario a Milano la zecca mantenne costante il valore di intrinseco nella moneta d’argento e questa decisione permise alla città di essere competitiva sui mercati internazionali, poiché i Visconti fissarono il cambio del fiorino a 32 soldi imperiali d’argento, mantenendolo costante sino alla fine del Trecento. Pertanto i Visconti ebbero l’indubbia „capacità di comprendere i fenomeni monetari internazionali e di elaborare efficaci strategie economiche“ (p. 275). Pertanto, pur con i limiti dati dalle difficoltà climatiche, dalle epidemie, dalle guerre e dalle situazioni di sofferenza economica e sociale dei piccoli proprietari terrieri, la Lombardia visse, nei cento anni considerati, una stagione di congiuntura economico-sociale tutto sommato accettabile, rispetto alle difficili situazioni dell’Europa centro-settentrionale.

Giancarlo Andenna

Albertino Mussato, De gestis Italicorum post Henricum VII Cesarem (libri I–VII), a cura di Rino Modonutti, Firenze (SISMEL. Edizioni del Galluzzo) 2018 (Il ritorno dei classici nell’Umanesimo 4. Edizione nazionale dei testi della storiografia umanistica 12. Fonti per la storia dell’Italia medievale. Rerum Italicarum scriptores 15), XLIII, 394 pp., ISBN 978-88-8450-912-3, € 58.

Tra i molti meriti dell’„Edizione nazionale dei testi della storiografia umanistica“ – oltre a quello più epidermico di aver reso nuovamente fruibili in una forma finalmente criticamente fondata molti testi – c’è quello di aver consentito una rivalutazione complessiva dell’opera di Albertino Mussato: del letterato padovano nel 2015 è stata pubblicata in un unico volume l’edizione della „Traditio civitatis Padue ad Canem Grandem“ (a cura di Giovanna M. Gianola) e del „Ludovicus Bavarus“ (a cura di Rino Modonutti), cui si aggiunge oggi, per le cure dello stesso Modonutti, l’edizione dei libri I–VII del „De gestis Italicorum post Henricum VII Cesarum“, composti prima del 1321 ma probabilmente, per la maggior parte, „tra i primi mesi del 1313 e il tumulto dell’aprile del 1314“ (p. 21). Il testo, i cui „numeri piuttosto esigui della tradizione manoscritta suggeriscono che … non dovette avere molti lettori“ (p. 45), fu pubblicato una prima volta nel 1636 da Felice Osio, insieme al resto del corpus mussatiano in poesia e in prosa e a altre opere storiche dei secoli XIII e XIV riguardanti la terraferma veneta; dall’edizione dell’Osio dipendono sia la stampa del Graeve del 1722 sia quella di poco successiva (1727) del Muratori nei „Rerum Italicarum Scriptores (RIS)“ (per la consistenza e la genesi di queste edizioni, pp. 58–63). La nuova edizione, oltre a rappresentare un fondamentale avanzamento sul piano ecdotico, fornisce finalmente il testo di un adeguato inquadramento e soprattutto di un puntuale commento. La scelta di pubblicare i primi sette libri, sul totale di quindici che compongono l’opera, è pienamente giustificata, sia dal punto di vista contenutistico sia da quello più propriamente filologico: dall’VIII libro (che comincia con un nuovo prologo) in poi, infatti, il contenuto dell’opera si incentra sempre più su fatti padovani, facendo venir meno il ben più vasto orizzonte storiografico che caratterizza invece la prima parte; dal punto di vista della tradizione manoscritta (dettagliatamente descritta nella ricchissima „Nota al testo“, pp. 51–129; la descrizione dei manufatti è alle pp. 51–58), inoltre, mentre i primi libri sono traditi da nove testimoni (per i cui rapporti stemmatici, pp. 65–122), la seconda parte è nota da un unico manoscritto (il Vat. lat. 2962) assai problematico perché realizzato da copisti con grandissimi limiti sia per quanto riguarda la conoscenza del latino sia per quanto riguarda le pratiche scrittorie (ignorano, per esempio, i compendi e le abbreviazioni). L’ampia introduzione (pp. 3–48) affronta da vari punti di vista i temi connessi a quest’opera mussatiana, e in particolare quello del rapporto con l’opera che tratta il periodo storico immediatamente precedente (con cui, probabilmente, come dimostra convincentemente Modonutti alle pp. 20–22, non ci fu mai una vera e propria soluzione di continuità), il „De gestis Henrici septimi Cesaris“. Le differenze con l’opera precedente sono evidenti: la prima, e più palpabile, è nell’interlocutore dell’opera: se nel „De gestis Henrici septimi“ Albertino „pensava al sovrano come vero e proprio interlocutore“ (p. 13), che dovesse leggere e correggere l’opera e in qualche modo avallarne la pubblicazione, nel „De gestis Italicorum“ l’interlocutore è più legato al mondo cittadino: si tratta infatti del vescovo di Padova Pagano della Torre. Il secondo punto di discontinuità è nel protagonista dell’opera: l’imperatore è „sostituito non da un nuovo e univoco protagonista che funga da centro catalizzatore del racconto, ma da un attore plurale, gli Italici“ (p. 16): infatti il libro „non segue un andamento annalistico rigido, preferendo piuttosto creare dei quadri, ossia sezioni, anche molto ampie, omogenee o per quel che concerne lo scenatio geografico … o dal punto di vista della coerenza storico politica“ (p. 18). Modonutti conduce, inoltre, una serrata disamina del senso della storia e della storiografia quale emerge dalle opere mussatiane. È ben nota, infatti, la critica che molti studiosi, soprattutto nell’Ottocento, mossero al Mussato, accusandolo di duplicità e falsità d’atteggiamento: un’accusa che non tiene del tutto conto che „la storiografia mussatiana è insieme ‚storia del tempo presente‘ (la definizione è di Andrea Di Salvo) e politica nel tempo presente e quando si dimentichi questa interazione, le sue pagine non possono che perdere molta, se non tutta, la loro profondità“ (p. 29). Più che tutto nella storia del tempo presente, soprattutto là dove si passi dai grandi quadri generali al racconto degli eventi, Mussato tratteggia efficacemente gli effetti del cattivo governo sulle città (si pensi ai casi di Venezia, Padova e Vicenza), componendo „davanti agli occhi del lettore un vivido affresco della storia italiana, fatto di fulminee ascese, repentini mutamenti di una fortuna volubilis, rovinose cadute di uomini e di città, che sono in fondo materializzazioni di una stessa sorte, perché anche le città sono dei corpi, quelli degli uomini che ne riscaldano i precordia“ (p. 42).

Giulio Vaccaro

Giancarlo Andenna/Mauro Tagliabue (a cura di), Bernardo Tolomei e le origini di Monte Oliveto. Atti del Convegno di studi per il VII centenario di fondazione dell’abbazia (Monte Oliveto Maggiore, 9–10 maggio 2019), Cesena (Centro Storico Benedettino Italiano) 2020 (Italia benedettina 45), 445 pp., ISBN 978-88-98104-17-8, € 75.

Il volume ospita, oltre alle relazioni presentate al convegno, un lavoro di Andrea Barlucchi su „Popolamento, ambiente sociale e paesaggio agrario intorno a Monte Oliveto all’epoca della fondazione“ (pp. 229–252) che allarga il ventaglio di indirizzi di ricerca con una impostazione peculiare tanto più apprezzabile in un volume che fa della eterogeneità un punto di forza e per il quale si potrebbe osservare, con riferimento al tema delle origini, esposto nel titolo, una tendenza ad allargare gli orizzonti anche cronologicamente, approdando al pieno Quattrocento con le relazioni di Cécile Caby, di Simone Iaria, di Angelo Rusconi, di Giordana Mariani Canova e Mauro Tagliabue. Va aggiunto che si tratta di studi che in vari casi, pur procedendo cronologicamente negli ultimi decenni del medioevo e anche oltre, non mancano di tenere saldo un raccordo con il problema delle origini. Tema che, è appena il caso di dirlo, attraversa molta della bibliografia relativa a fenomeni della religione cristiana e del passaggio, per riprendere il titolo di un libro di Théophile Desbonnets, „De l’intuition à l’institution“ (Paris 1983), del come e del quanto rimanga dei valori fondativi con lo scorrere del tempo e il passare dalla fase iniziale di un movimento alle sue successive concretizzazioni, talvolta causa di separazioni e divisioni nel nome stesso del fondatore. Se Caby si occupa di aspetti legati alla predicazione, Iaria presenta il rapporto tra Monte Oliveto e i Commentari di Pio II, l’opera più nota del papa-umanista: un legame speciale, cui Enea Silvio Piccolomini dedicava pagine celebrative del paesaggio circostante il monastero, non a caso evocato dal sopra menzionato Barlucchi fin dall’apertura del suo saggio; i due studi già indicati di Rusconi e Canova/Tagliabue si occupano, invece, ancora di un’altra tipologia di fonte, i famosi corali miniati di Monte Oliveto, oggi conservati presso il Museo diocesano di arte sacra di Chiusi. Particolarmente interessante, nello studio di Canova e Tagliabue, la messe documentaria da essi raccolta che fornisce utili informazioni sulla produzione e la circolazione codicologica nella seconda metà del Quattrocento, ovviamente con particolare riguardo a Monte Oliveto ma anche con interessanti notizie per il territorio circostante. Sempre in merito alla varietà di impostazione degli studi presenti nel volume, vanno ricordati quello storico-giuridico di Paolo Nardi e l’altro di Giampaolo Ermini, storico delle architetture, dedicato alle tre chiese di Monte Oliveto, con una ponderosa indagine di oltre cinquanta pagine (253–305). Un’ampiezza anche superata da Rita Pezzola (pp. 143–196) con il suo studio sul dossier documentario relativo alla fondazione di Monte Oliveto che, però, offre per quasi metà del suo sviluppo un’appendice documentaria divisa in tre parti, tra cui l’edizione del dossier fondativo. Si è così finalmente approdati, in queste poche note, al momento centrale per il libro e cioè quello fondativo di Monte Oliveto. A esso rivolge la sua attenzione Giancarlo Andenna che ne segue le tracce nella storiografia; non solo quella recente poiché lo studioso retrocede fino alla cronachistica quattrocentesca. In essa individua sia gli elementi di valore sia i caratteri problematici che hanno reso assai lungo il processo di canonizzazione di Bernardo Tolomei: ricollegandosi, dunque, al tema centrale del libro, cui si è già fatto riferimento, cioè quello delle origini. Anche Pierluigi Licciardello (pp. 89–120, particolarmente p. 111) porta un contributo in tal senso, occupandosi del ruolo delle prime cronache, rispetto alle quali ritiene che, „per ricostruire in modo criticamente fondato la storia delle origini olivetane, i documenti d’archivio siano di gran lungo preferibili alle cronache“. Un’osservazione che si inserisce in un contributo dedicato al ruolo di Monte Oliveto nel quadro della politica del vescovo di Arezzo Guido Tarlati cui Licciardello aveva già prestato attenzione nel volume „Un vescovo contro il papato. Il conflitto fra Guido Tarlati e Giovanni XXII (1312–1339)“, Arezzo 2015. Rispetto al tema delle origini, Michele Pellegrini (pp. 29–70) affronta la conversione di frate Bernardo retrocedendo agli anni precedenti la fondazione di Monte Oliveto e seguendo il rapporto del primo nucleo costituitosi non ad Acona ma al Ravacciano, ben più prossimo a Siena; una fase in cui Pellegrini ben evidenzia le contiguità con le esperienze dei fraticelli, termine che rimanda alle note vicende di spiritualità francescana. E se Pellegrini si dimostra sensibile al tema spirituale, questo viene affrontato anche qui, come in altri suoi studi, in una lettura dei fenomeni religiosi interna a quelli sociali, economici e anche politico-istituzionali di quella Siena che va ormai da decenni indagando. Il lavoro è anche occasione per mostrare i risultati di un recente progetto condotto dal Dipartimento di Scienze storiche e beni culturali dell’Università di Siena, relativo a una delle più note e importanti fonti conservate presso il locale Archivio di Stato, quella Tavola delle possessioni dei cui registri si sta approntando la digitalizzazione. Chiudono il libro un bilancio conclusivo di Mariano Dell’Omo (pp. 397–402) e gli indici.

Mario Marrocchi

Chiara Frugoni, Paradiso vista Inferno. Buon governo e tirannide nel Medioevo di Ambrogio Lorenzetti, Bologna (Il Mulino) 2019 (Grandi illustrati), 337 S., Abb., ISBN 978-88-15-28522-5, € 38.

In der zu besprechenden Monografie widmet sich Chiara Frugoni dem Freskenzyklus der „Guten und Schlechten Regierung“, der von Ambrogio Lorenzetti zwischen 1338 und 1339 ausgeführt wurde und sich im Rathaus von Siena in der Sala dei Nove befindet. Das Gremium der Neun führte die Regierungsgeschäfte der Kommune und setzte sich aus wohlhabenden Kaufleuten zusammen, die für jeweils zwei Monate ihr Amt ausübten (S. 19). Die Fresken sollten in erster Linie ihnen, aber auch allen Betrachterinnen und Betrachtern des öffentlich zugänglichen Raumes vor Augen führen, welche Auswirkungen eine gute bzw. schlechte Regierung hat. Die gute Regierung sichert Frieden, Eintracht und Sicherheit, so dass die Menschen glücklich leben und ihren, vor allem ökonomischen, Tätigkeiten nachgehen können. Dagegen verursacht eine schlechte Regierung bzw. die „Tyrannei“, was dem zeitgenössischen Sprachgebrauch entspricht, Unsicherheit, Chaos, Krieg und Tod. Die komplexe Ikonographie und ihre Bedeutung werden vor dem Hintergrund der Forschung und mit zahlreichen Verweisen auf andere zeitgenössische Texte und Kunstwerke erläutert. Ferner besitzen Bild-Text-Relationen Relevanz, weil die Fresken auch vor allem volkssprachliche Texte enthalten. Die reiche Bebilderung des Bd. unterstützt sehr dabei, die Ausführungen nachzuvollziehen. Frugoni unterstreicht die hohe Bildung Lorenzettis und seine Fähigkeit, neue und sehr plastische Ausdrucksformen für abstrakte politische und philosophische Konzepte zu finden. Obgleich der Maler als ausführender Künstler federführend war, nahm auch eine Kommission, welche während der Entstehungszeit der Fresken neue Statuten ausarbeitete, Einfluss auf die Konzeption. In den Szenen lassen sich vielfältige Bezüge zur damaligen Gegenwart und unmittelbaren Vergangenheit feststellen. Um 1338 war das Leben in Siena von Kämpfen zwischen den Geschlechtern, Hungersnot sowie finanziellen und ökonomischen Problemen gekennzeichnet, so dass die düsteren Szenen Lorenzettis keine Utopie darstellen (S. 201). Der Künstler habe, so Frugoni, die Regierungsform der Nove als die beste und einzig richtige präsentieren wollen (S. 59 f.). Die Repräsentationen der guten Regierung und Tyrannei sind strukturell sehr ähnlich gegliedert. Allerdings finden die gute Regierung und ihre Auswirkungen auf Stadt und Land auf zwei Wänden Platz, wohingegen die als Teufel personifizierte Tyrannei mit den sie umgebenden Lastern und dem dadurch verursachten Unheil nur auf einer einzigen Wand visualisiert wird, was deren Eindrücklichkeit verstärkt (S. 128). Über der verheerten Landschaft schwebt eine skelettartige alte Frau, die „Furcht“, deren Erscheinung aber eher an den Tod, die mors, erinnert (S. 153 f.). Die gute Regierung, das Allgemeinwohl (bonum commune), wird als ein auf einem Thron sitzender alter Mann in Frontalansicht personifiziert. Laut Frugoni handelt es sich um eine neuartige und für die Stadt Siena entworfene Darstellung eines alten Richters in der Pose und mit den Attributen eines Herrschers (S. 85–91). In der Disposition der Figuren lassen sich Anlehnungen an Darstellungen des Jüngsten Gerichts erkennen. Ursprünglich trug der Alte einen Kranz aus Olivenzweigen auf seinem Haupt. Jedoch erachtete die Stadtregierung die Darstellung eines Monarchen als unpassend, so dass der Alte nachträglich die Kopfbedeckung eines Richters erhielt. Er thront majestätisch und vermittelt königliche Autorität, und seine Bekleidung und Attribute orientieren sich an der Ikonographie von Herrschern. Die Tugend, welche dem alten Richter am nächsten steht, ist die Prudentia, welche als Königin dargestellt ist. Es handelt sich um keine ausgesprochen alte, doch aber reife Dame. Über ihrem Schoß liest sich ein Spruchband „Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft“. Für umsichtige Entscheidungen sollen alle Zeitebenen berücksichtigt werden, insbesondere die Vergangenheit. Dass sie so nahe am bonum commune platziert wird, verdeutlicht die enge Assoziation dieser Tugend mit dem Alter. Die Darstellung der Stadt erhebt nicht den Anspruch, ein gleichsam fotografisch präzises Bild zu vermitteln. Jedoch finden sich gut identifizierbare Gebäude Sienas, welche die Stadt als solche eindeutig wiedererkennbar machen (S. 169). Zahlreiche Details und eine Fülle von Personen und Aktivitäten sind zu sehen (S. 204–287). Über die klar erkennbaren Standesunterschiede hinweg arbeiten im Fresko der guten Regierung alle Menschen friedlich zusammen. Ein besonderer Akzent wird auf die Sicherheit und den guten Erhaltungszustand der Straßen gelegt, insbesondere der Fernhandelsstraße Via Francigena (S. 254–256). Abschließend sei unterstrichen, dass Frugonis gelungene, reich illustrierte und gut zugängliche Darstellung nicht nur aus einer kunstgeschichtlichen Optik interessant ist. Denn die komplexen Fresken Lorenzettis besitzen ferner z. B. für die politische Ideengeschichte, Kultur- und Mentalitätsgeschichte, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte und auch Militärgeschichte eine nicht zu unterschätzende Relevanz.

Christian Alexander Neumann

Wilhelm von Ockham, Das Recht von Kaiser und Reich. Lateinisch – deutsch, hg. von Jürgen Miethke, Freiburg-Basel-Wien (Herder) 2020 (Herders Bibliothek der Philosophie des Mittelalters 49), 2 Bde., 829 S., ISB 978-3-451-38529-2; 987-3-451-38729-6, € 54; 58.

Wilhelm von Ockham arbeitete mit Unterbrechungen seit den 1330er Jahren bis zu seinem Tod am „Dialogus“. Sein politiktheoretisches Hauptwerk konfrontiert den Rezipienten nicht nur infolge seiner langen Entstehungszeit mit zahlreichen Herausforderungen. Obwohl das Werk – der Begriff ‚Schrift‘ wäre beinahe verniedlichend – nicht vollendet werden konnte, ist der erhaltene Textbestand sogar für die Standards des 14. Jh. sehr umfangreich. Die Druckausgabe von 1614, bis ins frühe 21. Jh. erste Adresse für die Beschäftigung mit dem „Dialogus“, umfasst etwa 550 Folioseiten. Obschon der Rang des Dialogs im politischen Denken des Spätmittelalters unbestritten ist, war lange keine kritische Ausgabe verfügbar. 2011 und 2019 sind die ersten beiden Bde. der neuen Edition erschienen, die unter der Leitung von JohnKilcullen erarbeitet wird. Es liegen damit der zweite Teil und die beiden erhaltenen Traktate des dritten Teils vor. Wie Jürgen Miethke in seinem Vorwort mitteilt, wurden ihm beide Textfassungen bereits vor ihrem Erscheinen zur Verfügung gestellt, so dass er sie als Grundlage für seine zweisprachige Ausgabe verwenden konnte. Der erste Traktat des dritten Teils des „Dialogus“ erschien bereits 2015 ebenfalls in zwei Bänden unter dem Titel „Die Amtsvollmacht von Papst und Klerus“ in derselben Reihe. Nun folgt der zweite Traktat. Der lateinische Text entspricht weitgehend der 2019 erschienenen, von KarlUbl und SemihHeinen verantworteten Edition, dem eine deutsche Übersetzung beigegeben ist. Neben einem Vorwort und einer umfangreichen Einleitung hat der Hg. den Text mit Anmerkungen versehen, die nicht nur schwierig zu verstehende Ausführungen erhellen, sondern die Leserinnen und Leser zudem mit dem erforderlichen Hintergrundwissen über zeitgenössische Debatten versorgen. Auch einige interpretatorische Bemerkungen erlaubt sich Miethke, wenn er etwa zu eruieren versucht, inwiefern im als Lehrer-Schüler-Dialog gestalteten Werk dem Magister in den Mund gelegte Aussagen der Ansicht Ockhams entsprochen hätten – eine in vielen Teilen des „Dialogus“ notorisch schwierig zu klärende Frage. Der Anhang bietet einen kurzen, Miethke zufolge von Ockham während seiner Münchener Jahre selbst verfassten Text über Urteilskraft und Gedächtnis sowie die einschlägige Partie aus der von Pierre d’Ailly verfassten „Abbreviatio“ des „Dialogus“. Literaturhinweise, Zeittafel und Glossar sowie Register erleichtern die Benutzung der Bde. Im ersten Teil des „Dialogus“ befasste sich Ockham mit dem theoretischen Armutsstreit und seinen Folgen. Gegner war Johannes XXII., den der Franziskaner für einen Ketzer hielt. Schon hier verbanden sich Polemik gegen den in Avignon residierenden Papst und die argumentative Widerlegung seiner Ansichten bezüglich der Armut Christi und seiner Jünger mit grundsätzlichen Überlegungen zur Herrschaft des Papsttums, zur Rolle von Gelehrten in Kirche und Welt und zur Frage, wie mit Ketzern umzugehen sei – zumal wenn diese an der Spitze der Kirche standen. Ockham beschränkte sich dabei nicht auf theoretische Argumente, sondern rekurrierte auch ausgiebig auf historische Sachverhalte. Nach dem Tod Johannes’ XXII. 1334 kam sein Projekt zunächst ins Stocken, wurde aber nach mehrjähriger Unterbrechung wieder aufgenommen. Der einstige Gegner war zwar nicht aus dem Blick verschwunden, aber nicht länger der zentrale Fokus der Auseinandersetzung. In Fortführung und Ausweitung des im ersten Teil des Dialogs praktizierten Ansatzes nutzte Ockham in den neuen Teilen konkrete (zeit-)historische Ereignisse, um grundsätzliche Fragen zu erörtern. Im vorliegenden zweiten Traktat des dritten Teils war dies das Verhältnis von kirchlichem und weltlichem Herrschaftsbereich oder – wie es bei Miethke heißt – von ‚Kirche‘ und ‚Staat‘. Im Unterschied zu anderen während seiner Münchener Zeit entstandenen Schriften bemühte sich Ockham im „Dialogus“, nicht strikte Parteisicht zu bieten, sondern Geltungsansprüche begründet zu verhandeln, weshalb er, so zeigt Miethke in der Einleitung, den fragenden und den Dialog vorantreibenden Schüler als Sympathisant der päpstlichen Partei anlegte. Im Zentrum der Diskussionen der erhaltenen Abhandlungen des ursprünglich auf neun Traktate angelegten dritten Teils steht die Vorstellung einer plenitudo potestatis des Papstes, direkt im ersten Traktat, wenn die Reichweite der päpstlichen Herrschaft behandelt wird, indirekt im zweiten, wo als korrespondierende Gewalt die Herrschaft des Kaisers diskutiert wird. Wie Miethke darlegt, verstand Ockham Herrschaft primär als rechtlichen Zusammenhang, dementsprechend waren ihm göttliches und natürliches Recht die Instanzen, anhand derer er Umfang und Begrenzung von geistlicher wie weltlicher Herrschaft bestimmte. Vernünftige bzw. philosophische, religiöse bzw. theologische und historische Argumente wurden in diesen Rahmen eingebettet. Ockhams gedanklich sehr reiches Werk ist nicht zuletzt in seinem Bemühen um Differenzierung und Abwägung beeindruckend, gerade durch den Versuch, jedes mögliche Argument zu prüfen und auszugestalten, jedoch mitunter unübersichtlich und – auch im Vergleich zu anderen zeitgenössischen scholastischen Texten – in seiner begrifflichen und argumentativen Arbeit nicht immer leicht zu verstehen. Weil sich die Beschäftigung mit dem „Dialogus“ jedoch zweifellos lohnt, und zwar nicht nur in der Forschung, sondern gerade auch im Studium, ist Miethkes Ausgabe unbedingt zu begrüßen. Sie erleichtert in jeglicher Weise den Zugang zu Ockhams Überlegungen, wie es wohl nur gelingen kann, wenn man wie Miethke auf jahrzehntelange Erfahrungen in der Auseinandersetzung mit Autor und Werk zurückgreifen kann.

Jan-Hendryk de Boer

Sylvain Parent, Le pape et les rebelles. Trois procès pour rébellion et hérésie au temps de Jean XXII (Marche d’Ancône, Romagne, Lombardie), Roma (École française de Rome) 2019 (Sources et documents publiés par l’École française de Rome 9), 744 S., ISBN 978-2-7283-1370-9, € 65.

Dass es sich lohnt, die unter Johannes XXII. geführten Prozesse gegen mehrere norditalienische Städte und ihre Signori eingehender zu untersuchen, hat Sylvain Parent 2013 in seiner Monographie „Dans les abysses de l’infidélité. Les procès contre les ennemis de l’Église en Italie au temps de Jean XXII (1316–1334)“ gezeigt (vgl. die Besprechung von Ralf Lützelschwab in: QFIAB 95 [2015], S. 566–568). Diese Studie ging aus Parents Dissertation hervor und sollte komplettiert werden durch eine Edition der wichtigsten Materialien zu jenen Prozessen. Mit dem anzuzeigenden Bd. ist dies nun geschehen. Wie schon in der Studie stehen im Mittelpunkt der Edition drei von Papst Johannes XXII. angestoßene Untersuchungen: diejenige gegen mehrere Adlige aus Recanati; diejenige gegen Rinaldo II. d’Este und Obizzo III. d’Este von Ferrara; diejenige gegen Matteo Visconti, seine Söhne und seinen Nachfolger Galeazzo. Aus Sicht des in Avignon residierenden Papstes drohten die selbstbewussten Signori, den päpstlichen Einfluss auf Norditalien erheblich einzuschränken und dem Kirchenstaat Schaden zuzufügen. Die drei Prozesse, die seit 1320 bzw. 1321 geführt wurden, waren die Konsequenz aus dem Scheitern diplomatischer Bemühungen, die Adligen dazu zu bringen, die päpstlichen Machtansprüche zu respektieren. Wie Parents kundige Einleitung zeigt, war das gewählte Mittel der zuständigen Inquisitoren die Verbindung von zwei Vorwürfen: politische Rebellion und Häresie. Die Signori erschienen aus päpstlicher Sicht als Tyrannen, die sich an kirchlichen und päpstlichen Rechten vergingen. Dazu gehörte auch, wie man insbesondere den Visconti vorhielt, die Inquisition nicht anzuerkennen und die Einwohner des eigenen Herrschaftsbereichs daran zu hindern, sich brieflich oder in persona nach Avignon zu wenden, um Unterstützung zu erhalten. Daneben wurden die Gegner des Papstes als Häretiker angeklagt, was bei den Visconti in der Familie zu liegen schien, wie die Anklagepunkte gegen die Herren von Mailand hervorhoben. Sinnhafter Ausdruck häretischer Neigungen war neben einer unterstellten Geringschätzung kirchlicher Lehren das Vollziehen magischer Praktiken an Statuetten. Mit diesen hätten die Adligen versucht, Dämonen zu beschwören und Gegnern Schaden zuzufügen, darunter auch dem Papst selbst, den anzuerkennen die Italiener sich weigerten. Parents Einleitung fasst diese Zusammenhänge, die er in seiner Monographie detailliert untersucht hat, knapp zusammen, bevor er das in den drei Prozessen gewählte Verfahren schildert. Tabellarisch zusammengestellt werden die Anklagepunkte gegen die Rebellen. Vorausgewiesen wird dabei immer wieder auf die den Kern des Bd. bildende Edition der Prozessmaterialien, die sich im Vatikanischen Archiv befinden. Die Aktivität des Franziskaners Lorenzo da Mondaino gegen die Rebellen von Recanati dokumentieren zwei Mss., AAV, A.A., Arm. C 1003 und AAV, Instr. Miscellanea 736, die bereits mehrfach untersucht worden sind. Die Dokumente des Prozesses gegen Rinaldo und Obizzo d’Este finden sich in AAV, Camp. Ap., Collectoriae 406. Der Bd. ist dreigeteilt: Im ersten Teil bietet er eine Debatte zwischen dem Bischof von Ferrara, Guido Capello, und dem Inquisitor über den Prozess; es folgen 15 anonyme Zeugenaussagen und schließlich die Consilia zur Frage, ob die Grafen als Häretiker zu verurteilen sind. Bei diesem letzten Teil handelt es sich wohl um jenes Exemplar, das Johannes XXII. geschickt worden ist. Von diesem Material liegt bereits eine Teiledition durch Friedrich Bock vor. Über die Prozesse gegen die Visconti und ihre Anhänger geben insbesondere zwei Mss. Auskunft, BAV, Vat. lat. 3936, eine laut Parent relativ chaotische, teils schlecht lesbare Sammlung des Materials, sowie BAV, Vat. lat. 3937, eine offizielle Kopie der Prozessakten. Auch hier lagen bislang nur Teileditionen vor. Insofern ist es sehr begrüßenswert, dass nun das Prozessmaterial auf der Grundlage der genannten Hss. in einer sorgfältigen Edition leicht zugänglich ist. Parent folgt dabei eng den Hss. So hat er sich bemüht, die Eigenarten der Schreiber nicht zu nivellieren. Die übersichtliche Präsentation erleichtert den Zugriff ebenso wie knappe Erläuterungen zu genannten Personen und der Nachweis von Bibelstellen. Trotz der zahlreichen bislang erschienenen Arbeiten bietet das nun verfügbare Material neue Möglichkeiten für Forschungen zur Geschichte Norditaliens im Trecento, zur Geschichte des Avignoneser Papsttums und zu derjenigen von Inquisition und Häresie. Neben ideen- und sozialgeschichtlichen Ansätzen liegen auch prosopographische Untersuchungen nahe. Das dem Bd. beigegebene Personen- und Ortsregister könnte dafür einen guten Ausgangspunkt bieten.

Jan-Hendryk de Boer

Francesco Pirani, Con il senno e con la spada. Il cardinale Albornoz e l’Italia del Trecento, Roma (Salerno Editrice) 2019 (Piccoli saggi 63), 234 S., Abb., ISBN 978-88-6973-339-0, € 20.

Auch eine sich an ein größeres Publikum wendende Biographie sollte höchsten Ansprüchen gerecht werden. Francesco Pirani ist dies mit seiner Vita des spanischen Kardinals Aegidius (Gil) Albornoz (ca. 1302–1367) gelungen, deren Schwerpunkt auf Wirken des Kardinals im Kirchenstaat liegt, das mit diplomatischen Missionen und Kontakten von Mailand bis Neapel verbunden war. Zweifellos gehört diese Phase – dank des Glücksfalls der von ihm erhaltenen Korrespondenz (S. 32; chronikale Quellen sind dagegen stets zu hinterfragen: S. 57 f.) – zu den am besten erforschten Lebensabschnitten eines Kardinals der Avignonesischen Epoche der Papstgeschichte. Albornoz’ Mission unterlag der Hypothek der vorausgegangenen „massiccia gallicizzazione“ der Apparate des Kirchenstaats (S. 37), die es nun zu korrigieren galt. In sein militärisches Gefolge nahm der Spanier sowohl ihm ergebene Verwandte und Landsleute (wie Blasco Fernández de Belvís) als auch Italiener wie Galeotto Malatesta auf (S. 103 f.). Dabei zog er alle Register des damaligen Regierungshandelns von performativen Praktiken der Herrschaftsvisualisierung (S. 161 f.; Verleihung der Ritterwürde: S. 69, 101, 105) bis hin zur Kunst- und Kulturförderung – man denke nur an seine Bologneser Domus Hispanica für spanische Studenten (S. 101, 126, 173–175, 181–186). Die Symbolpolitik erreichte im massiven Burgen(aus)bau ihren Höhepunkt, von dem heute noch einige Anlagen künden (S. 121–123, 162). Die Rocca von Ancona war die größte Zitadelle im Italien des 14. Jh. Hier wurden sogar symbolhaft Löwen gehalten (S. 126 f). Albornoz war alles andere als ein Zentralist (S. 135), ebenso wenig ein unbedingter Freund der freien Kommunen gegen die Stadttyrannen (S. 61 f., 138 f., 199). Pirani analysiert die von Albornoz verliehenen Vikariate, die bis ins 20. Jh. als Herrschaftsinstrument überschätzt worden seien. Albornoz ging dagegen äußerst besonnen mit diesem Instrument um, wobei er sich – so der Vf. – vielleicht sogar vom Vorbild der kaiserlichen Vikare der Stauferzeit hatte beeinflussen lassen (S. 139–144). Sein langlebigstes Vermächtnis waren die gesetzlichen Regelungen für den hier erstmals als Rechtseinheit zu fassenden Kirchenstaat, die als Constitutiones Aegidianae bis 1816 in Kraft blieben. Gegenüber der mit der Abfassung dieses Basistextes betrauten Kommission dürfte der persönliche Anteil des Kardinals mit juristischer Ausbildung allerdings recht gering gewesen sein (S. 144–153, 199 f.). Albornoz’ Achillesferse lag aber letztlich nicht in Italien, sondern am Papsthof in Avignon, wo etliche Kardinäle dem Mailänder Visconti aus Rücksicht auf die Politik der französischen Könige zuneigten, die mit den Viscontis verwandt waren. Auch das Gold aus Mailand korrumpierte so manchen, wie der Chronist Villani böswillig behauptete (S. 83). Kabalen dieser Art verursachten 1357/1358 und 1363–1365 vorübergehende (Teil-)Suspendierungen der Kompetenzen des ehrgeizigen Prälaten. Im zweiten Fall war das Paradox im päpstlichen Kampf gegen die Söldnerbanden ausschlaggebend: Urban V. fiel durch seine Abmachungen mit den Visconti Albornoz in den Rücken, auch um sich deren Beteiligung an einem Kreuzzug zu sichern, zu dem es allerdings nie kommen sollte (S. 114–116). Trotz seines Rufs als „zweiter Gründer“ des Kirchenstaates nach Innozenz III. ging Albornoz’ Lebenswerk schon bald nach seinem Tod und dann in den Wirren des Schismas von 1378 zugrunde (S. 198). Die Politik des Spaniers war aber auch mit einigen überraschenden Akzenten versehen. So verwundert das Paradox, dass ausgerechnet der Rückführer des Avignoneser Papsttums nach Rom selbst nie seinen Fuß in die Ewige Stadt gesetzt hat, wohin aber sein langer Arm durchaus reichte (S. 43–47, 134, 172, 179). Auch die Kaiserkrönung und das Einwirken des Kaisers Karl IV. scheinen den Kirchenmann recht unbeeindruckt gelassen zu haben (S. 46, 48 f., 64 f., 68). Dabei hatte Innozenz VI. ihm zeitweise freie Hand gegeben, Karl IV. notfalls das Vikariat über Bologna zu verleihen (S. 82). Konkreter waren Albornoz’ Kämpfe mit den örtlichen Stadtkommunen und Lokalherren wie dem zeitweiligen Signore von Bologna Giovanni Visconti d’Oleggio oder dem Popularen-Führer Legerio Andreotti von Perugia mit weiten Kontakten. Letzterer wurde 1362 wie Cola di Rienzo auf Druck des Adels in seiner eigenen Stadt ermordet (S. 64–67). Piranis Buch ist reich an Nebenfiguren. Eine davon war Marzia Ubaldini, Gattin des Herrn von Cesena Francesco Ordelaffi, die 1357 die Rocca ihrer Stadt gegen Albornoz verteidigte und dadurch zur Heldin des Risorgimento avancierte (S. 93 f.). Als deutscher Leser vermisst man in der ansonsten sehr sorgfältig ausgewählten Literatur einige Arbeiten von Werner Maleczek (S. 40 zu Legaten), Eva Schlotheuber (S. 167 zu Karl IV. und dem Bildprogramm von AAV, Arm. XXXV, vol. 20) sowie Christiane Hoffmann (S. 144 zur Revision von 1544 der Aegidianischen Konstitutionen). Diese abschließenden Bemerkungen schmälern aber nicht den grundsätzlichen Wert dieser auch angenehm zu lesenden Darstellung.

Andreas Rehberg

Magdalena Weileder, Spätmittelalterliche Notarsurkunden. Prokuratorien, beglaubigte Abschriften und Delegatenurkunden aus bayerischen und österreichischen Beständen, Wien-Köln-Weimar (Böhlau) 2019 (Archiv für Diplomatik, Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde. Beiheft 18), 318 S., Abb., ISBN 978-3-412-51621-5, € 45.

Die 2017 an der Ludwig-Maximilians-Universität München eingereichte Diss. bietet mit einem genuin hilfswissenschaftlichen Ansatz eine neue Grundlage zum Verständnis und zur kritischen Bewertung spätmittelalterlicher Notarsurkunden. Sie richtet den Blick auf die Zusammenhänge, Voraussetzungen und Verfahren, in denen die von öffentlichen Notaren beglaubigten Instrumente zum Einsatz kamen. Die Untersuchungen der beglaubigten Angelegenheiten, der formalen Vorgaben der juristischen Literatur und daraus resultierend des Verhältnisses von Notarsinstrumenten und Siegelurkunden im nordalpinen Raum reichen weit über die bisherige Herangehensweise hinaus. Sie zeigen einen Weg für künftige Forschungen zu Tätigkeiten und Bedeutung von Notaren auf und machen deutlich, wie wichtig die Berücksichtigung des Rechtsinhaltes und der entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen für die Bewertung der Form einer spätmittelalterlichen Urkunde ist. Voraussetzung dieser Arbeit war die Bereitstellung digitaler Reproduktionen im Internet (vor allem durch die Plattform monasterium.net). Sie erleichtern das Auffinden der in den Findmitteln oft nicht als Notarsinstrumenten gekennzeichneten Stücke besonders in der umfangreichen Überlieferung des 14. und 15. Jh. wesentlich. Die ausgewählten Quellen entstammen im Wesentlichen der Kirchenprovinz Salzburg, den Domkapiteln und Erz- beziehungsweise Hochstiften von Salzburg, Freising und Passau sowie Klöstern und Stiften der Diözesen Passau und Freising. Von den vielfältigen Inhalten der über 1000 notariell beglaubigten Urkunden aus der Zeit ihres ersten Auftretens im 13. Jh. bis zum Jahr 1500 wurden die drei häufigsten inhaltlichen Typen, Stellvertretervollmachten, beglaubigte Abschriften und Delegatenurkunden, insgesamt 526 Stücke ausgewählt. Sie sind der geistlichen Gerichtsbarkeit zuzuordnen und spiegeln wohl zentrale Tätigkeitsfelder öffentlicher Notare dieser Landschaften wider. Einblick in quantitative Verteilungen von Urkundentypen und Archivbeständen geben Tabellen im Anhang des Werkes. Abb. zeigen repräsentative Beispiele der Urkunden, erläutert durch diplomatischen Kommentar und Transkription. Gemäß den Ausführungen zum Forschungsstand sind die Rechtsinhalte der Notarsurkunden im Hinblick auf ihr Auftreten bisher am wenigsten gut bearbeitet. Im Kapitel zur Rezeption des öffentlichen Notariats in Deutschland wird die etablierte Einschätzung von der Offizialatsgerichtsbarkeit als Motor dieser Entwicklung hinterfragt. Diese Rolle schreibt die Autorin mit guten Argumenten vielmehr der päpstlichen Delegationsgerichtsbarkeit und der Fortentwicklung des päpstlichen Benefizialrechts seit der ersten Hälfte des 14. Jh. zu. Vertiefte Forschungen müssten erweisen, wie groß der Einfluss der Studenten als Vermittler des gelehrten Rechts auf die Ausbreitung des Notariats war. Eingehend wird im folgenden Kapitel nach den Hand- und Lehrbüchern der Notariatskunst, dem Prozessrecht und den Formelsammlungen für Ausbildung und tägliche Praxis der Notare gefragt. Die regelmäßigen Formulare der Urkunden insinuieren eine überregional verbreitete, aber bisher kaum erforschte Standardliteratur, die sich durch Umfang und Vielfältigkeit in (Überlieferungs-)Form und Funktion der Texte auszeichnet. Gemeinsam ist ihr die Kombination aus Musterformularen und theoretischen Erläuterungen, basierend sowohl auf römisch- als auch auf kirchenrechtlichen Normen. Die während der Mitte des 13. Jh. in Bologna entstandenen Schriften der Ars notariae mit einem Schwerpunkt auf „zivilrechtlichen“ Angelegenheiten scheinen in Deutschland nur in Auszügen durch das von Wilhelm Durantis kompilierte „Speculum iudiciale“ verbreitet gewesen zu sein. Obwohl Durantis’ Fokus auf das Prozessrecht viele Themen der ausgewählten nordalpinen Quellen berücksichtigt, sind die Formularabweichungen zu den ausgewählten Urkunden dennoch deutlich. Unter anderem die Übereinstimmungen einzelner Formulierungen stützen die Argumentation der Autorin, dass jüngere Formelsammlungen, wie das Formularium notariorum curie aus dem 2. Viertel des 14. Jh. oder das seit 1474 gedruckt überlieferte Formularium instrumentorum eine weitere Verbreitung unter den nordalpinen Notaren gehabt haben dürften. Im fünften Kapitel werden äußere und innere Merkmale der ausgewählten Notarsurkunden vorgestellt. Nach Analyse von Beschreibstoff, Layout und Ausstattung, Signet und Siegel, Sprache und publicationes der drei wichtigsten Formen der Notarsurkunde – das unbesiegelte und das besiegelte Notariatsinstrument sowie die notariell beglaubigte Siegelurkunde – werden die Formularelemente tabellarisch einander gegenübergestellt. Die vielfach als „Mischform“ bezeichneten letzten beiden Formen mit doppelter Beglaubigung ergeben sich aus Inhalt und Zweck der einzelnen Urkunde und aus der Befolgung prozessrechtlicher Normen; sie sind in der Regel nicht als zeitlich oder räumlich fassbare Verlegenheitslösungen anzusprechen. Anhand der häufigsten Typen der Notariatsinstrumente entwickelt die Vf. in den drei folgenden Kapiteln ein differenziertes Bild vom gezielten Einsatz der jeweils gewählten Beurkundungsformen. Der Bezug auf die Verfahrens- und Formvorschriften des kanonischen Rechts und der Notariatsliteratur lässt Akteure, Inhalte und Vorgänge im Hintergrund lebendig werden. Auf die Vorstellung des jeweiligen Formulars folgen Hinweise auf Besonderheiten und die Vorteile der einzelnen Urkundenformen für den jeweiligen Zweck. Aufbauend auf der Forschung zu den Prokuratoren werden die Vollmachten in Bezug auf die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Einsetzung eines Stellvertreters, die Vorgänge rund um den Einsatz der Notariatsinstrumente und – aufgrund ihres Verbleibs – ihre Bedeutung auch nach Ende des konkreten Anlasses analysiert. Die notarielle Vollmacht entsprach durch ihre Form ohne Siegel, standardisiertem Formular und dem Lateinischen einem weit verbreiteten Standard, was dem leichten Transport und einer weitreichenden Akzeptanz zugutekam. Bei den beglaubigten Abschriften hingegen ist wohl seit der Mitte des 14. Jh. das notariell ausgefertigte und durch den (Erz-)Bischof besiegelte Transsumpt als Idealform etabliert und auch in den untersuchten Beständen der Regelfall. Gerade bei der Legitimierung fragwürdiger Originale durch die Abschrift war das Mehraugenprinzip wichtig, ohne aber die Ignoranz mancher Notare gegenüber Auffälligkeiten der Originale verhindern zu können. In der dritten Gruppe von Notarsurkunden traten delegierte päpstliche Richter als Aussteller auf. Die Inhalte und Formulare dieser Delegatenurkunden nehmen erst in den theoretischen Schriften des 14. und 15. Jh. viel Raum ein. Fast ausschließlich ausgestellt in der Form der notariell beglaubigten Siegelurkunde machen sie zusammen mit den mehr als 300 Transsumpten rund 90 % dieser Urkundenform aus. Nicht nur die letzte, alle drei Urkundenformen mit notarieller Beglaubigung eigneten sich zur Überbrückung weiter Distanzen und scheinen den überregionalen Rechtsverkehr erleichtert zu haben, dessen Zentrum die päpstliche Kurie war.

Suse Andresen

Daniel Williman/Karen Corsano, The Right of Spoil of the Popes of Avignon 1316–1415, 2o ed., rivista e ampliata, Cambridge, Mass. (The Ames Foundation) 2020, XXIV, 612 pp., ISBN 978-1-941232-002 (pdf), 978-1-941232-01-9 (hardcover su richiesta).

Il diritto di spoglio (ius spolii), esercitato dai papi nei confronti dei beni mobili degli ecclesiastici di ogni rango, bene perfezionato ed esteso da papa Giovanni XXII (1316–1334) è attuato fino a quando il Concilio di Costanza decise la sospensione nel 1417. La documentazione riguardo questa pratica, in gran parte conservata nei fondi dell’Archivio Apostolico Vaticano, è stata studiata da Daniel Williman già dal 1970 e negli anni successivi insieme a Karon Corsaro. Nel 1988 sono stati pubblicati i risultati di questa ricerca dalla quale adesso si presenta una seconda edizione, riveduta ed aumentata, con una novità importante che risulta dal fatto che l’opera si propone nella veste tradizionale, in carta, ma anche in formato pdf, reperibile online, con una tavola statistica in aggiunta che raccoglie tutte le informazioni fornite nell’esposizione dei casi o causae oggetto del diritto di spoglio in un file Excel scaricabile. In linea di massima, il volume rispetta la struttura della prima edizione, a cominciare dall’introduzione, anche se si tratta di un testo più completo ed approfondito diviso in sei capitoli che trattano rispettivamente: la definizione del diritto di spoglio e la sua tradizione legale, l’autorità papale ed il testamento dei clerici (licentia testandi), le innovazioni fiscali imposte da papa Giovanni XXII, l’amministrazione e documentazione dei casi, l’incidenza economica degli spogli dal punto di vista territoriale e cronologico, per finire con l’esposizione delle possibili cause della decadenza di questo fenomeno. L’introduzione è seguita da un’appendice documentario arricchita una selezione di testi di diritto canonico e civile, tra cui le Decretali Praesenti (1298, Bonifacio VIII) e Frequens (1311, Clemente V), testi essenziali stipulati proprio contro il diritto di spoglio che però non sono riusciti a fermare l’appropriazione dei beni degli spogli da parte dei papi specialmente nel XIV secolo. Gli autori sostengono, in modo corretto a mio avviso, come la plenitudo potestatis sia stata la formula utilizzata dai papi, in primo luogo da Giovanni XXII, per andare oltre la legge e riservare per la Sede Apostolica i beni degli ecclesiastici deceduti, alcuni nelle proprie sedi e nonostante avessero una licentia testandi. Tuttavia, il valore principale di quest’opera radica nell’aumento del numero dei casi raccolti, che passa da 1191 a 1352, a testimonianza dei numerosi processi legali e amministrativi iniziati dalla Camera Apostolica. È interessante costatare come i nuovi spogli documentati confermano la tendenza già osservata prima, vale a dire, il predominio dei territori dove i sovrani (i re di Francia, la dinastia Angioina, o la Corona di Aragona) non si sono opposti all’operato dei collettori della curia papale. In poche parole, francesi (soprattutto del sud), italiani e spagnoli. Come era già successo con la prima edizione, il volume risulta ancora una volta fondamentale per lo studio della storia sociale ed economica degli anni del papato avignonese in numerosi ambiti di studio. Uno di questi, già esplorato dagli stessi autori ed altri (Pietro Guidi, „Inventari di libri nella serie dell’Archivio Vaticano [1287–1459]“, Città del Vaticano 1948; Daniel Williman, „Bibliothèques ecclésiastiques au temps de la papauté d’Avignon 1316–1415. Inventaires de bibliothèques de livres dans les Archives du Vatican“, Paris 1980) è quello degli spogli di libri ed intere biblioteche che attraverso questo procedimento passano in mano alla Camera Apostolica. Viene così evidenziato il valore „economico“ dei volumi, che sono venduti o mandati al macero, mentre occasionalmente alcuni di questi sono finiti nelle biblioteche private dei prelati o scelti personalmente dai pontefici, come le fonti attestano per Benedetto XIII (Pedro Martínez de Luna, 1394–1423; cfr. Marie Henriette Jullien de Pommerol/Jacques Monfrin, „La bibliothèque pontificale à Avignon et à Peñiscola pendant le grand schisme d’Occident et sa dispersion: inventaires et concordances“, Roma 1991, pp. 253–255). In conclusione, si tratta di un’opera notevole e molto curata. Benché la doppia veste in carta ed online crei qualche iniziale difficoltà, gli autori spiegano in dettaglio non solo ogni passaggio, ma anche i loro criteri per l’elaborazione degli indici e la presentazione dei risultati. Inoltre, l’utilissima tavola statistica in Excel funziona come uno strumento di lavoro al servizio degli studiosi permettendo delle ricerche incrociate e l’uso di questi dati altrove, ad esempio per completare altri studi. Il risultato è un’opera che adopera la tecnologia per valorizzare le fonti del passato e speriamo che serva di stimolo per tanti altri studi.

Marta Pavón Ramírez

Sebastian Kolditz/Markus Koller (Eds.), The Byzantine-Ottoman Transition in Venetian Chronicles/La transizione bizantino-ottomana nelle cronache veneziane, Roma (Viella) 2018 (Venetiana. Centro tedesco di studi veneziani 19), 324 pp., ill., ISBN 978-88-6728-917-2, € 32.

Il volume è frutto del workshop dal titolo „The Transition from the Byzantine to the Ottoman Era in the Romania in the Mirror of the Venetian Chronicles“, svoltosi a Venezia il 7–8 maggio 2014 e organizzato dal Centro Tedesco di Studi Veneziani e dalla Biblioteca Marciana. Esso raccoglie dodici comunicazioni inerenti all’importanza della consultazione dell’enorme patrimonio cronachistico veneziano al fine di comprendere le trasformazioni che interessarono il Mediterraneo orientale nei decenni che condussero e seguirono la definitiva affermazione ottomana. Non è un mistero il fatto che per il periodo che va all’incirca dalla metà del XIV sec. sin dopo la caduta di Costantinopoli vi sia penuria di fonti storiografiche, complete e attendibili. Sul versante bizantino la narrazione delle grandi opere storiche dell’ex imperatore Giovanni VI Cantacuzeno („Historiae“) e dell’erudito Niceforo Gregoras („Historia Byzantina“), nonostante la loro accertata parzialità, si ferma proprio ai primi anni ʻ60 del ʻ300 e in maniera frammentaria tale vuoto è solo parzialmente colmato da autori operanti nel secolo successivo e fortemente influenzati dal corso degli eventi (Dukas, Sfrantzes, Kritoboulos e Chalkokondyles). Sul fronte ottomano lo scenario appare ancor più desolante, dato l’orientamento dei cronachisti ottomani a una ricostruzione epicizzante e sovente inclinata alla partigiana esaltazione della casa regnante (dal „Destan“ di Umur Paşa al „Menākib“ di Aşiqpaşazade, dal „Tarihi“ di Oruç Bey al „Dusturname“ di Enveri, dal „Cosmorama“ di Neşri al „Tarih-i Ubülfeth“ di Tursun Beg). In questo panorama le fonti veneziane possono consentire di tracciare una rotta nel mare magnum della documentazione disponibile. Forse il maggior pregio della pubblicazione, se si valuta nel suo complesso il volume, è la dimostrazione che questa operazione non ha un mero fine di complemento. L’accesso alla sterminata produzione cronachistica veneziana, accumulatasi e stratificatasi nel corso dei secoli, ha infatti il vantaggio, assolutamente rilevante, di mettere in contatto questi due mondi della ricerca (bizantinistica e turcologia), che spesso e affannosamente tentano di sanare le incongruenze derivanti dalla consultazione e dall’indagine sulle rispettive fonti. Si tratta in sostanza di un invito a triangolare le prospettive di ricerche, troppo sovente appiattite e chiuse su sé stesse, avvertendo al contempo delle insidie che l’utilizzo affrettato di queste fonti cela. Va comunque osservato che il volume qui presentato non risolve l’enorme problema: esso segna un indirizzo, una rotta appunto, dando prova di quanto questo studio interdisciplinare possa essere proficuo, seppur muova i suoi primi passi. Il contributo di apertura (pp. 11–30), firmato dai curatori, è una sorta di State-of-Art. Esso offre un’ordinata analisi dei problemi e un’attenta rassegna delle ricerche in essere sul tema e delle loro prospettive, giustificando la collocazione e la ratio del volume. Si apprezza l’ampiezza e la precisione delle indicazioni bibliografiche che consentono un approccio aggiornato e pressoché esaustivo, provvedendo a una selezione ragionata della proliferazione di studi in svariate lingue che si concentrano sui vari problemi e le varie aree della cosiddetta Romània. I contributi successivi si concentrano essenzialmente su due temi: da un lato la presentazione e la valutazione del patrimonio cronachistico veneziano per se, spesso accompagnate da un’indagine sulle forme caratterizzanti questo genere letterario, e dall’altro l’applicazione delle fonti veneziane per risolvere o tentare di sanare alcuni vuoti nella storiografia bizantina od ottomana. Al primo obiettivo punta l’articolo firmato da Dorit Raines („Venetian Chronicle Writing: From Factual Compilation to Event Telling“, pp. 31–56). Nella sezione introduttiva l’autrice evidenzia l’evoluzione (XI–XV sec.) della scrittura cronachistica veneziana: da semplici compilazioni fattuali a forme narrative più complesse, in grado di armonizzare la riorganizzazione degli archivi cittadini con la definizione di un’immagine standardizzata del passato veneziano, attraverso un riordino e una selezione del materiale trasmesso, adattato ai nuovi indirizzi politici della città. Nella seconda parte dell’articolo si procede alla dimostrazione di questa evoluzione attraverso l’indagine quantitativa sui dati. Lo strumento adottato (narration flow charts), in sé stimolante poiché pone a confronto ordine di notizie e numero di clusters, in realtà non è sempre di facile comprensione e consultazione. Al tema delle caratteristiche della produzione veneziana si dedica anche Şerban V. Marin („The Venetian Historical Writing and Its Immobilisms“, pp. 57–107). Qui si approfondisce il tema dell’immobilismo delle cronache, ossia la persistenza di informazioni e modelli a prescindere dal periodo di composizione e dalle condizioni congiunturali, fattore che invece si riduce nelle sezioni diaristiche incluse in alcuni testi. Nella seconda parte, impreziosita da utili tavole bibliografiche, lo studioso considera lo sviluppo di studi moderni, rimproverando l’approccio di taluni (Thiriet e la scuola francese) troppo concentrati su cronache di autore conosciuto, quando sarebbe preferibile investigare quanto i testi anonimi abbiano influenzato ben più note compilazioni successive, e quanto queste ultime siano rappresentazioni del passato. Carlo Campana offre innanzitutto nel suo contributo „,… per la maggior parte è sottoposta a’ Turchi … e sono per il più Greci‘. Le cronache della Marciana e la Romania“ (pp. 235–255) una breve ma utile panoramica sull’organizzazione del fondo e sui cataloghi della Biblioteca Marciana di cui è membro. Il nerbo della comunicazione si concentra su un’ampia rassegna intorno alla ricchezza del patrimonio manoscritto della Biblioteca Marciana (secc. XIV–XVII), relativo alla produzione cronachistica e alla documentazione concernenti la Romania veneziana e – cosa ben più interessante – il settore meridionale della Penisola Balcanica. Campana per l’utilità del lettore propone una spigolatura di testi interessanti ora per contenuto ora per la fattura del manoscritto che li accoglie; a essa aggiunge una breve presentazione delle caratteristiche. Tali informazioni risultano utili per eventuali e più approfondite analisi. Ancora relativo al tema delle caratteristiche delle cronache veneziane è l’articolo a firma di Georg Christ („New from the Aegean. Antonio Morosini Reporting on the Battle of Gallipoli“, pp. 139–162). In questo caso si prende in esame la scarsa attenzione che il Morosini dedica alle notizie provenienti dai possedimenti veneziani nell’Egeo. Solo il resoconto della battaglia navale di Gallipoli, tra una flottiglia comandata da Pietro Loredan e navi ottomane, riceve opportuna luce. L’intero contributo è speso a giustificare la curiosa selezione di notizie operata dal cronachista. Christ attraverso un’indagine, attenta anche alle fonti bizantine e al contempo solida nell’analisi della documentazione epistolare dell’epoca, dimostra in maniera convincente quanto la cronaca del Morosini sia allestita al fine di incontrare gli interessi del pubblico e segua uno scopo propagandistico atto a giustificare l’espansione verso la Terraferma e l’esaltazione dell’azione della Serenissima come baluardo per la Christianitas Latina. In tale prospettiva è dunque da inquadrare la digressione sull’episodio di Gallipoli e il distratto sguardo alle faccende egee. La rimanente parte dei contributi si esercita invece sulla diretta lettura delle fonti cronachistiche veneziane per risolvere circoscritti problemi storiografici, relativi ora al mondo bizantino ora a quello ottomano, e generati dal vuoto o dalla vaghezza delle rispettive tradizioni storiche. Per le questioni bizantine si segnala il breve ma stimolante articolo di Peter Schreiner („Gli imperatori bizantini nella cronachistica veneziana“, pp. 109–123) come esempio paradigmatico di utilizzo delle cronache veneziane. Oltre all’attenzione per le informazioni contenute nel Chronicon Altinate, dove sono registrate utili cronologie su decessi e sepolture di imperatori bizantini, a nostro avviso particolarmente interessante e curiosa è la seconda parte dell’articolo. Qui ci si concentra invece sul tema delle visite dei sovrani bizantini (Giovanni V, Manuele II, Giovanni VIII). L’autore propone ampi stralci dalla documentazione cronachistica per restituire vitalità ai singoli episodi attraverso lo specchio schietto e colorito dell’osservatore veneziano. Di chiaro interesse prosopografico il dettagliato articolo di Thierry Ganchou („Les chroniques vénitiennes et les unions ottomanes des filles de l’empereur byzantin Jean V Palaiologos Eirènè et Maria [1358 et 1376]“, pp. 163–196). In esso l’autore affronta con grande competenza il tema della politica matrimoniale adottata dai membri della dinastia paleologa nei confronti delle autorità turche. Ganchou fa finalmente luce sui singoli casi, mettendo le basi per una complessiva valutazione politica di questa pratica, ancora da venire. In particolare per il caso di Maria, si osserva l’importanza della documentazione di origine veneziana per la ricostruzione prosopografica. Sebastian Kolditz offre invece un’indagine sul resoconto nelle fonti veneziane delle vicende del Concilio di Ferrara-Firenze („The Council of Ferrara-Florence as Reflected in Venetian Chronicles: Preliminary Observations“, pp. 197–234). Si tratta di un lavoro preliminare nel quale si ammette l’assenza nel materiale cronachistico di novità degne di nota. Il pregio e l’utilità di compulsare queste fonti – a detta dell’autore – sta nella ricostruzione del soggiorno veneziano della delegazione greca (febbraio 1437). Nello specifico egli identifica due famiglie di cronache, caratterizzate da una diversa composizione e selezione del materiale. L’autore quindi menziona alcune versioni posteriori, specificando rapporti testuali e dipendenze con le precedenti („Vite dei Dogi“ di Marino Sanudo il Giovane e quella di Stefano Magno in „Annali Veneti“). Assai utili risultano le notizie circa la composizione della delegazione greca, confermate anche dalla lettera del doge Francesco Foscari all’Elettore di Sassonia. Le appendici sintetizzano i dati raccolti: vi si trova la recensio dei manoscritti contenenti le versioni a e b, la sinossi dei rispettivi testi, la trascrizione della lettera di Foscari con lista dei partecipanti e loro titolatura. Tali appendici mostrano lo stadio preliminare dei risultati ai quali Kolditz è approdato e che necessitano ancora un serrato confronto con le fonti greche e latine ad oggi disponibili. Sul versante ottomano si concentra invece l’articolo-caso di Colin Imber („Fact and Fantasy: Venetian Reports on the Anti-Ottoman Rebellion in Syria, 1520–1521“, pp. 257–268). Partendo dai dispacci veneziani raccolti nei „Diarii“ di Marino Sanudo lo studioso riesamina la rivolta del nā’ibs Jānbirdi al-Ghazālī in Siria (1520–1521) all’avvento del regno di Solimano il Magnifico. Va sottolineata l’accurata analisi condotta da Imber che mette in rilievo la volontaria e progressiva distorsione operata dalle fonti veneziane e di conseguenza pone l’interrogativo sull’attendibilità di questo genere di letteratura. Di interesse metodologico è invece il testo di Maria Pia Pedani („Chronicles and Documents. Two Kinds of Sources, One Study“, pp. 125–137). Qui l’autrice propone un percorso atto a dimostrare quanto un proficuo incrocio delle fonti (documentarie e cronachistiche) possa superare parzialità o inattendibilità delle notizie in nostro possesso. L’applicazione del metodo è rivolta ai seguenti casi: il problema della titolatura emiro/sultano, la presa di Edirne e l’ascesa di Murad I (1361), gli eventi che precedono la battaglia di Ankara (1402), le notizie sul cartografo Piri reis, le origini del gran vizir Ibrahim paşa (1523–1536) e di Nūr Banū, moglie di Selīm II, e infine i legami genealogici tra casato d’Este e la dinastia ottomana. Di certo il contributo ha il merito di evidenziare la convergenza tra fonti in lingua turca e cronache veneziane e si ravvisa la necessità – per i casi limitati alla prima metà del XV sec. – della consultazione delle fonti in lingua greca. Non sempre impeccabile di conseguenza il sistema di riferimenti bibliografici. Il contributo di Giorgio Vespignani („Romània e Romei tra Venezia, Mosca e il Mar Nero dopo la caduta di Costantinopoli [secoli XV–XVI]“, pp. 269–284) segna solo un’apparente divagazione dal focus del volume. L’autore infatti propone un’ampia panoramica sulle vicende – essenzialmente militari – del mondo balcanico e russo a partire dalla metà del XV sec. attraverso la lente veneziana. Egli approda a due risultati degni di nota: la penetrazione documentata di soggetti veneziani alla corte russa già nella seconda metà del XV sec. e l’alterna attenzione che le cronache veneziane riservano alle vicende russo-balcaniche sulla base della loro adesione al progetto di una crociata antiturca. Si apprezza la dettagliata bibliografia per un’area poco battuta. Conclude il volume la comunicazione di Hans Georg Majer sul tema „Franz Babinger und die italienischen Quellen“ (pp. 285–300). Con felice posizionamento questo intervento di storia della storiografia pone in evidenza quanto gli studi e l’interesse precipuo del grande studioso tedesco del primo periodo ottomano, particolarmente attenti a ricostruire le vicende familiari e la rete di contatti e relazioni tra mondo ottomano e intellettuali dell’Italia nel primo ‘500, abbiano trovato solido sostegno nelle notizie da cronache. Tale analisi, puntualmente arricchita dalla menzione di studi successivi ora riafferma la qualità dell’approccio di Babinger ora conferma quanto l’informazione proveniente da fonti cronachistiche italiane possa contribuire alla ricostruzione della storia bizantino-ottomana. Il volume è infine corredato da preziosi indici dei nomi di persona e dei luoghi, atti anche a una rapida ricerca prosopografica.

Marco Fanelli

Massimo Miglio/Isa Lori Sanfilippo (a cura di), Roma 1347–1527. Linee di un’evoluzione, Roma (Istituto Storico Italiano per il Medioevo) 2020 (Nuovi studi storici 116), 311 S., ISBN 978-88-98079-97-1, € 25,50.

In 17 Beiträgen wird im vorliegenden Bd. eine Bilanz zur jüngsten Forschung zum Rom des langen Spätmittelalters vorgelegt. Dabei werden immer wieder zwei Milieus miteinander konfrontiert, die Rom sozial und kulturell so einzigartig machten: das der nicht kirchlich gebundenen Einwohner und das der Angehörigen der Römischen Kurie, die zum größeren Teil von auswärts kamen. Zwischen beiden Lagern kam es oft zu – auch blutigen – Auseinandersetzungen, aber insgesamt nahmen im Laufe des 15. Jh. die Spannungen ab, wobei das Papsttum als Stadtherr und kultureller und urbanistischer Promotor dominierte. Giuseppe Galasso verfolgt den ambivalenten Ruf Roms („avara Babilonia“ usw.) in literarischen und polemischen Werken bis in die Zeit Luthers. Den Gegenpol bildete die Metapher Rom-Jerusalem. Im selben Zeitraum sank die Kirche von einer Universalgewalt zu einer italienischen Territorialmacht herab. Arnold Esch zeichnet die schrittweise Aushöhlung der kommunalen Autonomie durch die Päpste nach. Für die entscheidenden Jahre 1395–1398 zieht er Quellen aus dem Datini-Archiv in Prato heran. Francesco Tateo unterscheidet drei Typen von „römischen“ Humanisten, zu denen Gelehrte wie Lorenzo Valla, Tranquillo Tomarozzi, genannt Tamira, und der von auswärts stammende Bartolomeo Platina gehörten. Den wirtschaftsgeschichtlichen Faktoren widmet sich Ivana Ait. Mit der an der Kurie dominierenden italienischen Hochfinanz konnten die Kaufmannbankiers aus Rom (S. 54) kaum konkurrieren. Bei den Römern hatte die Viehhaltung Priorität, während der Getreideanbau von den Päpsten gefördert wurde (S. 51). Marina Caffiero nimmt sich der jüdischen Gemeinde in Rom an, die ab 1492 von – stets mit Misstrauen betrachteten – Flüchtlingen von der iberischen Halbinsel erweitert wurde. Im Roman „La Lozana Andalusa“ versinnbildlicht die Prostituierte und jüdische Konvertitin Lozana die Stadt Rom selbst (S. 72). Anna Esposito und Anna Modigliani arbeiten sozialgeschichtliche Themen auf, wobei sich erstere auf die Familien der stadtrömischen Oberschicht konzentriert. Bekannt ist die Unterscheidung zwischen cives Romani und den Curiam Romanam sequentes. Gelegentlich gelang auch gebürtigen Römern als Investition die Übernahme von Kurienämtern. Kultur- und kunstgeschichtliche Fragen greifen die nächsten Beiträge auf. Maria Giuseppina Muzzarelli untersucht die bewusst schlicht gehaltene Kleidung der römischen Frauen in der Anti-Luxus-Gesetzgebung. Die römische Gewandung war letztlich ein Identitätsfaktor für die städtische Oberschicht gegenüber den Baronen und Kurialen, die von den Bestimmungen ausgenommen waren. Alberto Giorgio Cassani analysiert die Schriften des Leon Battista Alberti, der auch die Verschwörung des Stefano Porcari geschildert hat. Ausführlich wird aus jüngsten Studien zu den urbanistischen Projekten der damaligen Zeit zitiert. Für Raimondo Guarino spiegeln die öffentlichen Festlichkeiten und Spektakel auch die politischen Rahmenbedingungen wider. Giulio Del Buono hebt die das Spätmittelalter berührenden archäologischen Ausgrabungen in Rom mit zwei Beispielen hervor: der Crypta Balbi und der Haltestelle Piazza Venezia der Metro-Linie C. Man kann als Startschuss für die Mittelalter-Archäologie in der Ewigen Stadt das Jahr 1981 festhalten (S. 143 f.). Sandro Notari untersucht die Statuten Roms als Scharniere zwischen den kommunalen Institutionen und dem päpstlichen Stadtregiment. Notari weist auch auf Synergien zwischen der kommunalen Regierung und der päpstlichen Oberherrschaft über Rom hin (S. 160 f.). Dario Internullo wartet mit vielen Details zu Bibliotheken und Lesern in Rom auf, die eine Laienkultur belegen, die auch während der Abwesenheit der Päpste in Avignon beachtlich war (man denke nur an die Chronik des Anonimo Romano). Im Gegensatz hierzu sieht Amedeo De Vincentiis fast generell nur kulturell überforderte Römer. Dabei spricht er selbst eigentlich mehr über Päpste und Kardinäle. So sei Paul II. bürgernah gewesen (S. 239 f.). Viel vorweisen kann auch die Forschung zum frühen Buchdruck, die Paola Farenga resümiert. Heute gehe man davon aus, dass, als Sweynheym und Pannartz über Subiaco in Rom ankamen, der Buchdruck in Rom schon im Gange war und wichtige technische Neuerungen zwischen Rom und Neapel stattgefunden hatten (S. 202). Bald kam es auch zu starker Konkurrenz auf dem römischen Buchmarkt (S. 216, 219). Für seine Analyse des örtlichen Dialekts, des Volgare romanesco, greift Paolo D’Achille sowohl auf bekannte Schlüsseltexte wie auf neue aus den Zeugenaussagen zum Schisma-Ausbruch von 1378 stammende Quellen zurück. Massimo Miglio schließt den Bd. mit eher impressionistischen Hinweisen zur Wahrnehmung Roms durch auswärtige Reisende ab.

Andreas Rehberg

Walter Angelelli/Serena Romano (a cura di), La linea d’ombra. Roma 1378–1420, Roma (Viella) 2019 (I libri di Viella: Arte), 471 pp., ill., ISBN 978-88-3313-091-0, € 58.

Rome and its role during the Great Western Schism has often remained in the shadow in historical research, but recently it has begun to receive the attention it reserves. An important contribution in this respect is the anthology „La linea d’ombra. Roma 1378–1420“ edited by Walter Angelelli and Serena Romano. The volume consists of an introduction by the editors and 20 articles based on papers presented in workshops organized by the University of Lausanne and Università di Roma 2 „Tor Vergata“. Most articles are in Italian; one is in French and two in English. The volume begins with Armand Jamme, „Prendre Rome aux temps du Grand Schisme. Méthodes et chimères“, which investigates Rome and its administration and political alliances during the Schism. Jamme explains how each of the three separate regions of Rome – Leonine City, Communal City and Trastevere – had their own leaders, political goals and alliances, and how that functioned surprisingly well alongside the political goals and alliances of the entire city of Rome. Most articles concern art history and challenge the old estimation that artistic production in Rome during the Schism was insignificant. Based on notarial sources, Beatrice Cirulli, „Maestri, pittori e venditori d’immagini nella documentazione d’archivio (1347–1417)“, shows that several artists were active in Rome during the Schism, while Matteo Mazzalupi, „Giovenale e dintorni: qualche aggiunta alla pittura del primo Quattrocento romano“, investigates the activities and choices of one Roman artist and his family. Francesca Manzari studies the production and illumination of manuscripts („Committenza libraria a Roma durante lo scisma: codici miniati per papi, cardinali, vescovi e laici [1380–1410]“). Antonio Manfredi, „Nella linea d’ombra: Gregorio XII, i suoi studi e i suoi libri“, and Silvia Maddalo, „Rifondare antichi miti. Immagini di Roma negli anni dello scisma“, discuss the history of Rome during the Schism through book history and manuscript illuminations. The volume also considers other artists than painters. Julian Gardner, „Traitors, Turncoats and Brothers-in-Arms“, and Nicolas Bock, „Artisti anonimi romani. Monumenti funebri e scultura all’epoca di Bonifacio IX“, study the funeral monuments produced in Rome during the Schism and identify several Roman artists. Benedetta Montevecchi, who examines goldsmiths’ activity in her „Oreficeria sacra a Roma al tempo del Grande Scisma“ could not find active Roman goldsmiths at the time of Schism. Many articles adress the production of frescoes, and conclude that it was larger and more important activity than earlier thought. Irene Quadri, „Ricomporre disiecta membra. Decorazioni pittoriche in ambienti monastici all’epoca dello scisma“, and Roberta Cerone, „Subiaco, Montecassino, Farfa e l’obbedienza romana. Arte e cultura al tempo del Grande Scisma“, explore the role of religious communities in promoting the pictorial arts. Philine Helas, „San Giacomo a Roma tra Trecento e Quattrocento“, studies the role of confraternities and Francesca Pomarici, „Le Rivelazioni di Santa Brigida e il problema della canonizzazione. Riflessi culturali e artistici“, the role of cardinals. Art was an important factor also in the self-representation and symbolic communication, as we can read from Pio F. Pistilli, „,Se tu vuoi mantenere lo Stato di Roma, acconzia Castiello S. Angelo‘. Bonifacio IX e il confezionamento della Mole Adriana a presidio urbano“, Claudia Bolgia, „Strategie di riaffermazione dell’autorità papale. Bonifacio IX e il tabernacolo per l’icona di Santa Maria del Popolo“, and Joëlle Rollo-Koster, „Rome during the Schism. The Long Carnival“, which analyzes neatly also the political events in Rome. The use of art was not only reserved for the Roman clergy but it had an important role for laypeople too, as shown in Dario Internullo, „Nobilità romana e cultura all’epoca del Grande Scisma. Consumi, produzioni e committenze in casa Orsini“, and Andreas Rehberg, „Le ricadute del Grande Scisma per la vita culturale del baronato romano: il caso dei Colonna“. Both baronial families were active patrons of artists, and other Roman families and individuals followed their examples. Well-known personages in Rome were in the focus of Ilari Morresi, „,In ista navicular fluctuanti‘. Leonardo Bruni e Roma: riflessioni sull’Epistolario“, and Maria Beltramini’s and Laura Cavazzini’s closing chapter „In viaggio a Roma di Brunelleschi e Donatello nel racconto delle fonti“. The volume offers a plethora of intriguing case studies to the city of Rome and its culture at the turn of the fifteenth century. The articles are based on meticulous archival studies and bring forth the neglected aspects of Rome in the Schism. The volume is intended for experts already familiar with the period. Less experienced readers would have benefited from a more extensive introduction describing Rome’s situation during these troubled times. Anni Hella, Teemu Immonen, Marika Räsänen, Reima Välimäki as members of the SCISMA project research group (University of Turku), contributed to this review.

Kirsi Salonen

Luciano Palermo, Il mercato romano nel carteggio di Francesco Datini 1377–1409, Roma (Roma nel Rinascimento) 2020 (RR inedita 91, saggi), 332 S., ISBN 978-88-85800-16-8, € 32.

Der Autor, der schon früh über Rom als Markt gearbeitet und auch schon früh die Bedeutung von Datini-Briefen für dieses Thema erkannt hat, verwertet hier nun systematisch die Korrespondenzen dieses unvergleichlichen Geschäftsarchivs, das die Firma Francesco Datini in Prato mit ihren zahlreichen Filialen im westlichen Mittelmeer-Raum für die Jahre 1377–1409 in ihrer Zentrale verwahrt hat. Natürlich wurde Rom auch in dem großen Werk von Federigo Melis bereits am Rande erfasst. Hier aber zeigt sich, wieviel schon die Korrespondenz einer Datini-Filiale für Rom hergibt: der Compagnia di Catalogna (Barcelona, Valencia und Mallorca, zwischen 1397 und 1407), die hier im Mittelpunkt steht, mit zahlreichen Briefen im Anhang (die Quelle als solche ist in einem ersten Kapitel unter allen Aspekten kompetent behandelt). Das Besondere an diesem Zeitausschnitt ist, dass wir Rom hier auf einem der Tiefpunkte seiner Geschichte antreffen: während des Großen Abendländischen Schismas, das die Christenheit spaltete und Rom selbst zutiefst traf. Was wir aus anderen Quellen als beredte Klage hören, wird hier vom nüchternen Blick des Kaufmanns dokumentiert. Deutlich wird auch in diesem carteggio die Dominanz der toskanischen Firmen, die die römischen Kaufleute ganz an den Rand drängen: nur sie, nicht die Römer, bieten dem Papst durch bargeldlosen Transfer die Möglichkeit, an seine Gelder aus aller Christenheit zu kommen. Und wo Geld fließt, da fließt auch Ware. Und so sehen wir in diesen Briefen einmal auch den römischen Markt und nicht nur die besser dokumentierte Papstfinanz. Die Briefe sagen uns viel, zumal in diesen Jahren die römischen Quellen schweigen. Sie sprechen, wie Kaufmannsbriefe oft, auch über „le chondizioni di questa terra“ (sogar über das definitive Ende der freien römischen Kommune 1398 erfahren wir aus Datini-Briefen mehr als aus römischen Quellen!). Was wir da erfahren, sind die Bedingungen des römischen Marktes im Urteil erfolgsgewohnter, scharf beobachtender Kaufleute wie Portinari und Spini; Nachrichten über Geld- und Warenfluss, über Warensortiment, Transportmöglichkeiten, Gütermengen, Preise und Preisentwicklung, die Eingriffe der Kommune in das Wirtschaftsleben, die Rolle des Hofes (und die wirtschaftlichen Konsequenzen bei längeren Abwesenheiten des Papstes – wo schon die Ärmlichkeit des Hofes bei seinen Käufen beklagt wird), den Massenzustrom in Heiligen Jahren. Neben dem inneren Markt tritt Rom auch als internationaler Markt in den Blick, wie ihn der stetige Informationsfluss zwischen den weitläufig operierenden toskanischen Firmen erkennen lässt: welche Stelle Rom im internationalen Handelsnetz einnahm, was die Iberische Halbinsel für Rom interessant machte (und umgekehrt), wie Rom zwischen den Handelsmetropolen Genua und Venedig stand. Und hervor tritt sogar das Wenige, was man von Rom, das doch eher Gnaden, Ablässe, Pfründen statt materieller Güter produzierte, exportieren konnte (genannt werden Honig, Papier, Salpeter, Häute, etwas Tuche). Dabei erhalten wir immer auch (und vom Autor sorgfältig beachtet) Einblick in die verwendeten Zahlungs- und Kreditsysteme. Kurz: eine wichtige Erweiterung unserer Kenntnisse anhand einer nun auch für Rom systematisch erschlossenen Quelle, die nüchtern beobachtet uns – von innen und außen zugleich, und weit über das Wirtschaftliche hinaus, ja bis ins Atmosphärische hinein – ein Bild der römischen Verhältnisse an der Wende vom Trecento zum Quattrocento bietet.

Arnold Esch

Mario Ascheri, Rimedi contro le epidemie. I consigli di diritto europeo dei giuristi (secoli XIV–XVI), Canterano (Aracne) 2020 (Storia del diritto e delle istituzioni, Sezione III: Materiali 12), 120 S., 2 Abb., ISBN 978-88-255-3196-1, € 10.

Der schmale, aber dichte Bd. nutzt die (Un-)Gunst der Stunde. Wer könnte, wenn er von juristischen „Mitteln gegen die Epidemien“ liest, der Versuchung widerstehen, diese aktualisierend auf die staatlichen Maßnahmen gegen die Covid-19-Pandemie anzuwenden? Es handelt sich um die Neuauflage eines 1997 durch die Universität Siena publizierten, wenig verbreiteten Buches, das seinerseits auf früheren Arbeiten des Vf. fußte. Kap. I bietet einen Überblick über die ersten systematischen juristischen Pesttraktate. Deren Autoren waren Gianfrancesco Sannazzari della Ripa („De peste libri tres“, gedruckt 1522), Girolamo Previdelli („Tractatus legalis de peste“, gedruckt 1524) und Silvestro Aldobrandini, der seine traditionskritische Stellensammlung („Tractatus de peste“, vollendet 1523), anders als die beiden Kollegen, nicht in den Druck gab. Ascheri kontextualisiert diese Werke, charakterisiert sie in methodischer Hinsicht, trägt biografische Details über ihre Autoren zusammen und betont ihren Wert als Quellen auch für andere als rein rechtsgeschichtliche Aspekte der Pestepidemien. Die Traktate stützen sich nicht nur auf die römischen und kirchlichen Rechtsquellen, sondern auch auf die Kommentare und consilia vieler (ganz überwiegend italienischer) Legisten und Kanonisten des 14.–16. Jh., deren Aussagen über die Rechtsfolgen der Pest den Gegenstand der beiden folgenden Kap. II und III bilden. Hier resümiert der Vf., unter Verweis auf die wichtigsten Rechtsquellen, die Argumente von etwa 40 Juristen – von Bartolo und Baldo über Paolo di Castro oder Giovanni dʼAndrea bis zu weniger bekannten Namen. Angesichts dieser Zahl und der weiten Streuung der einschlägigen Stellen wäre das eine Herkulesaufgabe gewesen, könnte man nicht auf die genannten Traktate zurückgreifen, in denen die älteren Juristen bereits verarbeitet wurden. Aber auch so beeindruckt die Vielfalt der im Buch angesprochenen Rechtsprobleme. Die Obrigkeiten (Kap. II) ergriffen Maßnahmen wie Verbesserung der öffentlichen Hygiene, Sicherung der ärztlichen Betreuung, Einschränkung der Bewegungsfreiheit (Quarantäne, geschlossene Häuser) und Kontaktverbote (z. B. Schließung von Schulen und Universitäten). Durften sie, so fragten die Juristen, entsprechende Statuten erlassen, durften sie zur Finanzierung der Maßnahmen Sondersteuern erheben? Wie weit konnten sie gehen, wo doch ein „Krieg gegen die Pest“ (bellum ad pestem) zu führen war, oder die Menschen sich im „Krieg mit Gott“ (bellum Dei, S. 39) wähnten? Die Antworten tendierten insgesamt dazu, den Regierungen große Handlungsspielräume zu gewähren und deren Verordnungen gegen Klagen abzusichern, die unter Berufung auf das ius commune denkbar gewesen wären. Anknüpfungspunkte an heutige Polemiken sind kaum zu übersehen. Und doch: Rechtshistorisch gesehen, ist die privat- und prozessrechtliche Seite (Kap. III) interessanter. Denn bei so trockenen Themen wie der Gültigkeit formaler Erfordernisse an Testamente, Verträge und Gerichtsprozesse auch in Pestzeiten rührten die Juristen an fundamentale Fragen, die sie nicht immer zu lösen vermochten: Was ist eine Notlage (necessitas), was eine Ausnahme, was kann durch Rechtsfiktion bewältigt werden, wie können künftige, unvorhersehbare Zufälle oder höhere Gewalt vom Recht eingehegt werden? Das Buch gibt den Leserinnen und Lesern viele Anregungen, über die Grenzen des Rechts nachzudenken, auch wenn es keine Zusammenfassung hat, die solche allgemeineren Aspekte auf den Punkt brächte. Schon in den Vorlagen des Bd., Ascheris Buchkapitel von 1991 und vor allem einem zweiteiligen Aufsatz von 1995–1996, fehlte eine Schlussbetrachtung. Hätte man eine solche nicht hier nachtragen können? Bei allem Verständnis für die Gunst der Stunde ist ein Bedauern über die Eile der Neuvermarktung schwer zu unterdrücken. Merkwürdigkeiten des Layouts überraschen beim Aracne-Verlag nicht. Diverse Druckfehler lassen auf nicht korrigierte Scans schließen, der Forschungsstand ist der von 1994 (der Klappentext des Vf. gibt beide Mängel zu). Manche Anmerkungen verweisen auf Textpassagen oder abgekürzte Buchtitel, die nur in den Originaltexten verständlich gewesen sein mögen, während Referenzen auf Stellen im selben Buch, die leicht hätten eingefügt werden können, oft fehlen. Gravierend ist der Verzicht auf jeglichen Beleg für die ausgewerteten spätmittelalterlichen Juristen. In Kap. III werden wenigstens deren Namen genannt, in Kap. II nicht einmal diese (und so schon im genannten Aufsatz von 1995–1996). Sollen die Leserinnen und Leser die Editionen, sofern vorhanden, etwa selbst nach den sie interessierenden Stellen durchsuchen? Mario Ascheri hätte ihnen einen großen Gefallen getan, wenn er seine profunde Lektürearbeit angemessen dokumentiert hätte.

Thomas Frank

Monika Neugebauer-Wölk, Kosmologische Religiosität am Ursprung der Neuzeit 1400–1450, Paderborn u. a. (Schöningh) 2019, 838 S., ISBN 978-3-506-77861-1, € 69.

Mit dieser umfangreichen Studie hat die Frühneuzeit-Historikerin Monika Neugebauer-Wölk ein wegweisendes Opus magnum vorgelegt: Dem Trend zu zeitlich weit ausgreifenden Groß-Synthesen zum Trotz beschränkt sie sich auf ein reichliches halbes Jh. und einen überschaubaren Kreis von Protagonisten, um dafür umso tiefer und mit souveränem Zugriff in eine komplexe Quellenlandschaft jenseits der konventionellen Epochengrenze vorzudringen. Dabei geht es ihr um die aus Paradigmen der europäischen Religionsgeschichte sowie der Esoterikforschung eingehend motivierte Frage nach den Ursprüngen religiöser Entwürfe, die sich „auf Räume und Wesen des Kosmos“, gedacht in Verbindung zur menschlichen Existenz, beziehen (S. 13). Kosmologie ist hier also nicht im modernen physikalischen Wortsinn zu verstehen, sondern bezieht sich in den behandelten Entwürfen oft auf die Rezeption der vielgestaltigen antiken Götterwelt als den Kosmos bevölkernde Wesen oder die Stellung der menschlichen Seele innerhalb des Kosmos. Dieser wird hingegen nicht selbst als göttliche Manifestation im Sinne eines Kosmotheismus (Jan Assmann) verstanden. In den Mittelpunkt ihres Untersuchungsprogramms stellt Neugebauer-Wölk jedoch die unterschiedlichen Träger solcher Vorstellungen, ihre Durchsetzungsstrategien und Argumentationen (vgl. S. 44) und nicht zuletzt ihre Interaktion mit kirchlichen Eliten. Es ist also ein mindestens ebenso sehr auf die Menschen wie auf ihre Konzepte fokussierter Zugang, der zu einer Vielfalt an Beobachtungen und Erträgen führt, die weit über die zentrale Frage des Werkes hinausweisen und in deren Mittelpunkt berühmte Protagonisten des italienischen Humanismus stehen. Jedoch vermeidet Neugebauer-Wölk diese gängige Etikettierung mit Bedacht. Das Buch gliedert sich in 13 Teile, aus je 3–4 Kapiteln bestehend, die Sinn- und Erzähleinheiten von letztlich unterschiedlichem Gewicht für die Gesamtdarstellung markieren. Es setzt ein mit dem spannungsreichen Kontrast zweier getrennter Welten an der Wende zum 15. Jh.: der obskuren Welt der 1398 von der Pariser Theologenfakultät verdammten nigromantischen Praktiker (Teil 1) im Kontrast zum antikebegeisterten Intellektuellenzirkel um Coluccio Salutati in Florenz (Teil 2). Salutatis vorsichtige Reaktion auf das Gerücht von der Zerstörung einer Vergil-Statue durch Carlo Malatesta steht für die begrenzten Spielräume, die zunächst für eine Hinwendung zum intellektuellen Erbe der Antike, vor allem zur antiken Götterwelt, bestanden, konnten diese Götter doch als gefährlich wirkmächtige Dämonen angesehen werden. Auf die doppelte Exposition folgt in Teil 3 und 4 jeweils eine dominikanische Antwort: einerseits die Predigten Vicente Ferrers über den Antichrist, andererseits das beharrliche Wirken des Giovanni Dominici gegen das Studium heidnisch-antiker Schriften in Florenz, welches einige Antikenfreunde wie Leonardo Bruni und Poggio Bracciolini ausgerechnet an die römische Kurie als Wirkungsraum führte. Nach der prägnanten Erörterung der Rolle der Konzilien von Pisa und Konstanz sowohl für die Verbreitung kosmologischer Ideen als auch den Zusammenhalt des Netzwerks der Antikenfreunde fokussiert sich die Darstellung zunehmend auf eine zentrale Bühne: das italienische gelehrte Milieu mit seinem Zentrum in Florenz. So rückt neben Brunis weiterem Denkweg nun auch die geistige Entfaltung des Camaldulensers Ambrogio Traversari, des nimmermüden Reisenden Ciriaco d’Ancona oder des jungen Nikolaus von Kues in den Blickpunkt – wobei alle Protagonisten nicht separat für sich stehen, sondern in ihren persönlichen und intellektuellen Bezügen porträtiert werden, die wiederum mit verschiedenen Impulsen für das Substrat kosmologischer Entwürfe korrelieren: u. a. ägyptische Hieroglyphen, kabbalistische Konzepte oder der areopagitische Neoplatonismus. Mit Bernardino von Siena findet wiederum ein charismatischer Prediger ausführliche Berücksichtigung, da die von ihm propagierte Verehrung des Jesus-Namens auch einen wirkmächtigen Impuls in dieser intellektuellen Landschaft darstellte, aber auch, da er Hexen- und Dämonenvorstellungen neu belebte. Für die 1430er Jahre betreten dann einerseits die Medici, andererseits das Basler Konzil die Bühne des Textes, verbunden durch Traversaris ruheloses Wirken im Dienst seines Ordens und der Kurie. Damit ist bereits die Vorgeschichte des Florentiner Unionskonzils berührt, welches schließlich von Teil 10 bis zum ersten Kapitel von Teil 13 auf etwa 200 Seiten ins Zentrum der Darstellung rückt, nachdem Neugebauer-Wölk zuvor mit Georgios Gemistos Plethon den griechischen intellektuellen Protagonisten kosmologischer, polytheistischer Religions- und Kultvorstellungen ausführlich behandelt hat (Teil 9). Ferrara-Florenz erscheint nicht nur als zentraler Begegnungsort östlicher und westlicher Gelehrsamkeit – zumal die Belege dafür in den Quellen nicht zahlreich sind –, sondern die auf dem Konzil geführten theologischen Debatten selbst (Schicksal der Seelen nach dem Tod, Hervorgang des Heiligen Geistes) werden von Neugebauer-Wölk prägnant mit dem Leitthema kosmologischer Religiosität verknüpft; auch Plethon erscheint hier als Protagonist. Differenziert fällt die ausführliche Gesamtbilanz (S. 749–781) aus, von der hier nur ein Hauptergebnis erwähnt sei, dass nämlich kosmologische Konzepte sowohl mit einer Abwendung vom Christentum einhergehen konnten (Ciriaco, bei Bruni erscheint das weniger evident) als auch in Eintracht mit christlichen Überzeugungen aufgegriffen und zur „Rechristianisierung“ argumentativ genutzt werden konnten (Traversari, Cusanus, Bernardino). Diese kurze Inhaltsskizze kann freilich dem Reichtum dieses Buches nicht annähernd gerecht werden. Auch abseits ihrer zentralen Fragestellung wartet Neugebauer-Wölk mit zahlreichen neuen Erkenntnissen auf, so zu einzelnen Episoden und Protagonisten des Unionskonzils, aber auch zum Verständnis der Lebenswege und Persönlichkeiten großer Helden der Humanismusforschung. Indem sie diese Lebenswege in ihrer Verflochtenheit verfolgt und dabei auch maßgebliche Gegenkräfte wie Giovanni Dominici zur Geltung kommen lässt, werden die situativen Beweggründe für biographische und intellektuelle Entscheidungen greifbar – und damit auch deren historische Kontingenz. In ein helles Licht tritt etwa die Relevanz des kurzen, wenig beachteten Pontifikats Innozenz’ VII. für die Entstehung der prägenden Verbindung von Kurie und Humanisten (vgl. S. 138–158) oder auch die für diesen Kreis potentiell desaströsen Folgen der Absetzung Johannes’ XXIII. in Konstanz, die Poggios spektakuläre Handschriftensuche erst ermöglichten (S. 190–203). Mit der großen erzählerischen Kraft einer stets einfachen und klaren Sprache spürt die Autorin solchen Momenten nach und zeigt dabei auch Bruchlinien im alles andere als homogenen Gelehrtengefüge auf, etwa die subtilen Austragungsformen der Konkurrenz Brunis, Traversaris und Filelfos um die Geltung als maßgebliche Autorität auf dem Gebiet des Griechischen (vgl. u. a. S. 209–229, 340–343), die auch Brunis philosophische Positionen teils in neuem Licht erscheinen lassen. Auch das oft verklärte Bild des heiligen Asketen Bernardino erhält durch den von Neugebauer-Wölk stringent herausgearbeiteten Fanatismus seiner Verfolgung von ihm selbst konstruierter Hexen deutliche Risse. Neugebauer-Wölk ist ein großes Werk gelungen – nicht nur im Sinne ihres religionsgeschichtlichen Erkenntnisziels, sondern als grundlegender Beitrag zur Erforschung der geistigen Landschaft Italiens (und in manche Richtung darüber hinaus) in der ersten Hälfte des 15. Jh. Sicher hat es das Potential, neue interpretatorische Debatten auszulösen. Ihm ist eine umfassende internationale Rezeption unbedingt zu wünschen.

Sebastian Kolditz

Antonio Santilli, Orvieto nel Quattrocento, Foligno (Il Formichiere) 2019, 295 S., Abb., ISBN 978-88-312-4818-1, € 25.

Antonio Santilli wendet sich einer Epoche der Geschichte der Stadt Orvieto zu, die bisher historiographisch geringeres Interesse auf sich gezogen hat: Nach einer Glanzzeit im 13. und 14. Jh. als freie Stadtkommune geriet Orvieto im 15. Jh. in eine Phase der vermeintlichen wirtschaftlichen Stagnation und Absorbierung in den Kirchenstaat. Der Autor kann daher viel dokumentarisches Neuland betreten, wobei die Riformanze und die päpstlichen Verlautbarungen besonderes Gewicht einnehmen. Die Arbeit ist klar strukturiert und widmet sich zunächst der Ereignisgeschichte. Diese war von den inneren Konflikten zwischen den Parteiungen der Muffati und Mercorini – eigentlich zwei Blöcken der verzweigten dominierenden Adelsfamilie der Monaldeschi – geprägt. Die Interventionen der Päpste höhlten zunehmend die kommunalen Strukturen aus, was auch nicht durch die Einführung neuer Ämter wie das der conservatori della pace aufgehalten werden konnte. Erste institutionelle Reformen waren die Folge von Umsturzversuchen, die scheiterten. 1430 wurde der von Martin V. gestützte, aus Rom stammende Podestà Renzo de’ Sordi ermordet; 1437 versuchte der bekanntere Stefano Porcari, ebenfalls aus Rom, als Podestà über ein komplexes Wahlsystem für den Stadtrat die Parteiungen zu überwinden (S. 57–62). Erst eine Reform unter Paul II. führte ab 1465 zu einer Beruhigung der ständischen Gegensätze, indem sie die Ausbildung eines „städtischen Patriziats“ vorantrieb. Die eigentlichen Vertreter des Papsttums waren dabei schon seit dem Jahr 1420 die von Rom eingesetzten Gouverneure und die seit 1450 berufenen Kastellane (S. 69–95). Trotzdem zeigen die Riformanze, dass die Bürger von Orvieto erbittert um ihre finanzielle Autonomie kämpften. Wie man allerdings auch aus anderen Städten des Kirchenstaates weiß, verstand es die Camera Apostolica, insbesondere die Zölle – zumal die auf die während der Transumanz den Contado Orvietos durchquerenden Rinderherden – und das Salzmonopol in die eigenen Kassen zu lenken. Wenig half da, dass die Ratsherren auf die Finanzierung des Schulmeisters und des Stadtarztes pochten (S. 140 f.). Ein päpstlicher Depositar flankierte ab 1469 den städtischen Kämmerer in der Rechnungsführung (S. 154–157). Neben der wirtschaftlichen Entwicklung, die vom Anwachsen des Textilgewerbes geprägt war, untersucht Santilli auch die demographische Entwicklung. Während die Bevölkerungszahl nach einem ersten Anstieg 1466 bei 3056 bocche lag, waren es 1494 schon fast 5000 (genau: 4936) (S. 180 f.). Dieser Erfolg war auch den Bemühungen um die Ansiedlung von Auswärtigen und Juden zu verdanken. Letztere waren als Kreditgeber unersetzlich, aber ungeliebt. Dies zeigte sich insbesondere bei der Einführung des ersten päpstlicherseits mit Ablass unterstützten Monte, einer Bank, die mit ihren formell zinslosen Krediten die Dienste der Juden überflüssig machen sollte. In der Realität gelang dies allerdings nur sehr bedingt (S. 203–237). Die Auswärtigen kamen aus weiten Teilen Europas; die offenbar größte Gruppe stellten die Deutschen, die im Textilgewerbe eingesetzt wurden. Ein Deutscher muss die Einheimischen besonders beeindruckt haben: Nikolaus von Kues. Der Kardinal weilte zwischen 1461 und seinem Todesjahr 1464 mehrmals in der Stadt und sollte dort auch den Klerus und die Hospitäler reformieren (S. 200 f.). Bei den im Bauwesen spezialisierten Lombarden (S. 192–196) hätte man ein paar Worte mehr zum berühmten Dom und seiner auch einen Wirtschaftsfaktor darstellenden Dombauhütte erwartet. 1425 wurde die Kapelle des hl. Brictius im Rohbau vollendet; 1447 malte Beato Angelico das Gewölbe aus und von 1499 bis 1502 gestaltete Luca Signorelli die Seitenwände. Wie sich dieses Kunstschaffen etwa mit den wirtschaftlich-sozialen Gegebenheiten verknüpfen ließe, ist allerdings nicht das Thema des vorliegenden Buchs. Dabei schließt die solide gearbeitete Studie mit der Bedeutung der Fronleichnamsprozession – dieser Feiertag wurde 1264 von Urban IV. in Orvieto eingesetzt – für die Selbstdarstellung der Zünfte der Stadt. Der Kämmerer der Dombauhütte führte Buch über die mitgeführten Votivkerzen (S. 248–257).

Andreas Rehberg

Luciano Piffanelli, Politica e diplomazia nell’Italia del primo Rinascimento. Per uno studio della guerra „contra et adversus dominum ducem Mediolani“, Roma (École française de Rome) 2020 (Collection de l’École française de Rome 569), 534 S., ISBN 978-2-7283-1440-9, € 48.

Die an den Universitäten Roma La Sapienza und Toulouse 2 entstandene Doktorarbeit widmet sich dem ersten der Kriege gegen Filippo Maria Visconti im Zeitraum 1420–1426, mithin dem ersten großen Konflikt, der in einer langen formativen Phase zur Ausbildung des „Systems von Lodi“ mit der Lega Italica 1454/1455 führte, also der so genannten Pentarchie Florenz-Mailand-Neapel-Papsttum-Venedig. Eine Spezialuntersuchung hat der erste Anti-Visconti-Krieg durch Italo Raulich im Jahr 1888 erhalten, der ihn als Konflikt zwischen Mailand und Venedig beschrieben hatte. Ferner wurde er unter anderem durch Gene Brucker und Hans Baron thematisiert, bei letzterem im Kontext seiner berühmten, mittlerweile stark modifizierten These der „Crisis of the Early Italian Renaissance“ sowie des „Bürgerhumanismus“, die mit einem Fokus auf den Schriften des Leonardo Bruni das Spannungsfeld des Konflikts zwischen der tendenziell „demokratischen“ Republik Florenz als Hort der libertas und den Visconti als „Tyrannen“ von Mailand erkannte (hier wird stattdessen das Konzept Barbara Rosenweins einer politisch geschaffenen „emotional community“ adaptiert; S. 226). Piffanelli analysiert seinen Gegenstand auf anderer Quellengrundlage und Perspektive und kommt dabei zu einigen bemerkenswerten Neuinterpretationen. Mit einem – unter anderem erkennbar von den Forschungen Nicolai Rubinsteins, Riccardo Fubinis und Isabella Lazzarinis inspirierten – diplomatiegeschichtlichen und philologischen Ansatz operiert Piffanelli mit umfassender Kenntnis der italienisch-, englisch-, französisch- und deutschsprachigen Literatur, Quelleneditionen sowie sämtlicher Archivmaterialien, die in Bologna, Ferrara, Florenz, Genua, Mailand, Rom, Siena, Turin, im Vatikan und Venedig zu finden waren. So verdeutlicht er, dass es sich hauptsächlich nicht um einen Konflikt Mailand-Venedig handelte, sondern vorwiegend um einen Konflikt Florenz-Mailand, der allerdings keineswegs einer zwischen libertas und Tyrannis gewesen sei, sondern einer zwischen – in Diplomatie und Krieg sich konstituierenden – Herrschaftsgebilden, ihren territorialen und wirtschaftlichen Interessen sowie wechselnden Koalitionen, in einem politischen System der Potentiae Italicae, das nicht nur jenes von Lodi präfigurierte, sondern erst in internationalem Kontext nachvollziehbar wird. Dabei betont der Autor zu Recht, dass die im Zuge der Verhandlungen erstellten Vertragsentwürfe und Verträge nicht – wie die ältere Forschung es sah – als unverbrüchliche „Staatsverträge“ anzusehen seien, sondern als Elemente in einem immerwährenden Aushandlungsprozess, zu dessen Erfassung Piffanelli in Anlehnung an Gérard Genette und Pierre-Marc de Biasi die Methodologie von Transtextualität und Intertextualität nutzbar macht. Im Einzelnen ist der Bd. in drei Hauptteile geteilt: Der erste (S. 39–126) stellt Materialbasis und Methodologie dar, der zweite (S. 127–216) rekonstruiert minutiös den politischen Konflikt und die diplomatischen Verhandlungen, der dritte (S. 217–360) untersucht das Zustandekommen des Friedensvertrages von 1426. In einem Anhang werden die bedeutendsten Verträge ediert (S. 379–424). Drei Aspekte seien im Folgenden hervorgehoben: Für die Geschichte von Florenz ist das Buch bedeutsam, weil es die Phase kurz vor dem Aufstieg der Medici neu beleuchtet. Unter anderem bestätigt und vertieft Piffanelli in Nahanalyse, dass die Medici die Netzwerke und politischen Koordinaten des Albizzi-Regimes übernehmen konnten, in einer sozialen Situation, die durch größten Steuerdruck gekennzeichnet war (u. a. S. 51 und 240 f.). Bedeutsam ist es auch für die Papstgeschichte, nicht nur, weil Piffanelli auf neuer Quellenbasis darzustellen vermag, wie Papst Martin V. als politisch relevante Macht auf die Apenninenhalbinsel zurückkehrte (und sogleich den Dualismus Befriedung im Inneren und Schaffung von Kreuzzugsmöglichkeiten etablierte, S. 343), sondern auch, weil er die politischen und ökonomischen Voraussetzungen dafür, dass die Florentiner einige Jahre später Papst Eugen IV. aufnahmen, bis in die Pakt- und Finanzpolitik zurückverfolgt, welche die Florentiner mit dem damaligen Legaten Martins V., eben: Gabriele Condulmer, führten (S. 214 mit Anm. 44). Schließlich ist hervorzuheben, dass Piffanelli auch für die Italienpolitik König Sigismunds von Luxemburg vor allem aus Florentiner Archivalien Neuigkeiten bringt, welche die deutschsprachige Forschung befruchten werden. Dabei erweist sich, dass der römisch-deutsche König und Kaiser seit jener Zeit ein immer wieder gesuchter Mediator zur Herstellung des inneritalienischen Friedenssystems war (dem Visconti ausrichten ließ, Markgrafen gebe es in Italien schon zur Genüge; wenn schon, dann wolle er nur mit dem Herzogstitel belehnt werden!, S. 195), auch wenn man sich im Zweifel eher für den Papst entschied (S. 337 f.). Piffanelli ist ein starker Beitrag gelungen, dem man auch angesichts der komplexen Argumentationsketten eine Übersetzung ins Englische wünschen würde.

Tobias Daniels

La loi du prince. La raccolta normativa sabauda di Amedeo VIII (1430), sous la direction de Franco Morenzoni, avec la collaboration de Mathieu Caesar, vol. I: Les Statuts de Savoie d’Amédée VIII de 1430. Une œuvre législative majeure, vol. II: Compendium statutorum generalis reformacionis Sabaudie, Torino (Deputazione subalpina di Storia Patria) 2019 (Biblioteca storica subalpina 228), 2 Bde., 547; LXXXIV, 457 S., Abb., ISBN 978-88-97866-25-5; 978-88-97866-26-8.

Schon lange wusste man, dass Amadeus VIII. von Savoyen sich mit dem als „Statuta Sabaudiae“ bekannten Gesetzeswerk von 1430 ein Monument gesetzt hat; dank der vorliegenden Publikation unter Federführung Franco Morenzonis (in Zusammenarbeit mit Mathieu Caesar) wird dessen Ausmaß nun nochmals deutlicher: Schon der Text selbst umfasst in der sorgfältigen, von Chantal Ammann-Doubliez besorgten Edition (Bd. II) beinahe 400 Druckseiten. Die präzise Einleitung der Bearbeiterin dokumentiert die breite Überlieferung des Werks und beschreibt ausführlich die Hss. (S. IX–XLIV; in ital. Übersetzung S. XLV–LXXIX). Als Leithandschrift dient ein in Turin aufbewahrter Papiercodex, der die Unterschrift des Notars Nicod Festi trägt und der dem 1430 in Chambéry promulgierten Text am nächsten kommt (Turin, Archivio di Stato, Corte, Museo storico, IV.1). Ergänzend werden drei weitere Hss. herangezogen, die eine erste Revision des Werks von 1432 widerspiegeln und teils annotiert sind (Bern, Burgerbibliothek, Mss. Mül. 379; Genf, Bibliothèque de Genève, Mss. Lat. 73; Zürich, Zentralbibliothek, Car C 114). Insgesamt sind 27 handschriftliche Exemplare der Statuten bekannt, die ab 1477 auch in mehreren Drucken mit unterschiedlicher Qualität verfügbar waren. Hinzu kommt noch eine Wiener Hs., die einen Auszug bietet (nämlich eine Reihe von Artikeln, die am 16. Februar 1430 in Thonon promulgiert wurden) und von Job Vener kopiert wurde, wie bereits Hermann Heimpel unterstrich. Dieser Text wurde von Ammann-Doubliez und Morenzoni gesondert ediert (I, S. 87–104). Wohl noch im 15. Jh. entstand auch eine Übersetzung des 5. Buchs der Statuten in das Französische, die in Sitten überliefert ist (s. Lorraine Fuhrer u. a., I, S. 137–175, mit Edition). Die Edition des lateinischen Texts bietet die ursprüngliche Fassung der Statuten von 1430, ist an Stellen signifikanter Abweichungen aber auch um die überarbeitete Fassung von 1432 angereichert. Die Tafel der Titelüberschriften wird im lateinischen Original geboten (II, S. 357–384) sowie in französischer (II, S. 385–406) und italienischer Übersetzung (II, S. 407–428). Ein ausführlicher Sachindex sowie ein Index der Personen und Orte erschließen das Werk. In der Forschung zur savoyischen Geschichte sind die Statuten wohlbekannt: Die thematische Weite und die Ausführlichkeit der in fünf Büchern organisierten Regelungen verbieten hier jegliche inhaltliche Zusammenfassung dieses „Monument[s] staatlicher Verfassung“ (Heimpel), das den Status der Juden in Amadeus’ Herrschaftsbereich ebenso regelte wie die Einrichtung des Rats und der Verwaltung, das Rechtswesen, Kleidervorschriften oder Trauer- und Begräbnisordnungen. Besondere Aufmerksamkeit erfuhren nicht zuletzt die Vorgaben zum Umgang mit Juden oder Häretikern, die den herzoglichen Willen zur Herstellung einer gottgefälligen Gesellschaft zum Ausdruck bringen mögen. Die Lektüre des bislang meist in frühen Drucken benutzten Werks macht aber schon rein quantitativ rasch deutlich, dass vor allem Verwaltungs- und Rechtsfragen breit geregelt wurden, von der Arbeit der Kanzlei über die Tätigkeit der Notare bis hin zu den Tarifen für Beurkundungen. Einem solchen Werk gerecht zu werden ist einer Person kaum möglich – und so kann man den Hg. nur dazu gratulieren, dass ein regelrechter Kommentarbd. zur Edition nicht weniger als 23 Beiträge ausgewiesener Expertinnen und Experten versammelt, welche die „Statuten“ überlieferungsgeschichtlich, hinsichtlich ihres historischen Kontexts sowie im Hinblick auf ausgewählte Themen und Fragen detailliert untersuchen. Der Fokus der Zugänge umfasst Aspekte des herrschaftlichen Ideals und der sozialen Ordnung (Luisa Gentile, I, S. 177–196; Alessandro Barbero, I, S. 197–212; Nicolas Carrier, I, S. 213–231) ebenso wie Vorgaben für savoyische Amtsträger (Eva Pibiri, I, S. 253–268; Roberto Biolzi/Daniel Jaquet, I, S. 269–290) oder die Haltung gegenüber Juden (Mathieu Caesar, I, S. 357–373; Laurence Ciavaldini Rivière, I, S. 375–389) und Häretikern (Martine Ostorero, I, S. 317–356). Auch der vergleichende Blick über Savoyen hinaus fehlt nicht (Jean-Marie Cauchies zum Burgund Philipps des Guten, I, S. 469–483; Gisela Naegle mit Blick in das Reich, I, S. 485–512). Gerahmt von einer Einleitung aus der Feder Guido Castelnuovos (I, S. 11–21) und einer Zusammenfassung von Agostino Paravicini Bagliani (I, S. 513–522) sowie durch einen Orts- und einen Personenindex erschlossen, bietet dieser Bd. eine nunmehr unerlässliche Basis für die weitere Arbeit mit den Statuten. Zweifellos sind weder alle Fragen endgültig geklärt, noch wird der Reichtum der Quelle erschöpfend behandelt: Zu Fragen der Kleiderordnung, der Verwaltungsorganisation oder auch ganz grundsätzlich zum „Gesellschaftsprojekt“ (nach Comba), das sich in diesem Gesetzeswerk spiegelt, werden noch weitere Einblicke eröffnet werden können. Dass dies nunmehr auf einer gesicherten Textbasis und mit Hilfe zahlreicher begleitender Detailstudien möglich wird, ist das große Verdienst dieser eindrucksvollen Publikation.

Klaus Oschema

Kristina Odenweller, Diplomatie und Pergament. Karriere und Selbstbild des gelehrten Juristen Giovan Francesco Capodilista, Tübingen (Mohr Siebeck) 2019 (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation/Studies in the Late Middle Ages, Humanism, and the Reformation 110), XI, 393 pp., ISBN 978-3-16-156952-4, € 104.

Giovan Francesco Capodilista è noto al di fuori della cerchia degli studiosi di storia veneta e di storia dello Studium padovano, se non altro per la vecchia voce di Mirella Tocci nel „Dizionario Biografico degli Italiani“, vol. 18 (Roma 1975). La dissertazione di Kristina Odenweller, discussa a Friburgo nel 2015 e ora pubblicata, ne offre una biografia completamente rinnovata, che è strutturata attorno ai due poli enunciati nel titolo – un po’ bizzarro – del volume: „Diplomatie e Pergament“, l’attività come legato e l’„autopresentazione“ del giurista padovano nel codice B. P. 954 della Biblioteca Civica di Padova. Nella prima parte vengono approfondite le sue principali missioni, rispettivamente come inviato della Repubblica di Venezia al concilio di Basilea nel 1433–1435, poi presso Eugenio IV a Firenze nei due anni successivi; quindi nel 1437, a nome del pontefice e dei veneziani insieme, dall’imperatore Sigismondo in Ungheria, infine alle diete di Norimberga e di Magonza (1438–1439) e a Bourges (1440) nelle trattative con Carlo VII. La valorizzazione di fonti inedite permette di acquisire numerose informazioni sulle vicende del concilio basileese, che negli ultimi anni ha finalmente sollecitato una crescente attenzione da parte degli studiosi. Gli elementi tratti in primis dalle deliberazioni del Senato veneziano, quindi dai registri vaticani e da altra documentazione vengono posti in relazione con le testimonianze edite, per essere meticolosamente presentati in successione quasi annalistica: durante il Präsidentenstreit del 1433 e nel conflitto con il patriarca di Aquileia eletto Ludwig von Teck, oggetto di discussione a Basilea negli anni 1433–1435, ma più in generale in riferimento al vivace ruolo di Venezia nelle dinamiche interne all’assemblea conciliare e ai suoi rapporti con Sigismondo. I dati sugli incarichi svolti a nome di Eugenio IV fra il 1437 e il 1440, benché più scarni, risultano altrettanto preziosi per la conoscenza dell’azione pontificia nell’impero (e presso il re di Francia). Alle diete di Norimberga e di Magonza, in cui si decise la posizione dei principi e delle città imperiali nel contrasto fra papa e concilio, Capodilista fece opera di mediazione e difese l’autorità papale; appunto a Norimberga, nel 1439, compilò un prezioso e inedito trattato „Super diversis quaestionibus“, il cui contenuto l’autrice sintetizza nei suoi punti essenziali. Si tratta del contributo più esplicito di Capodilista alle brucianti questioni ecclesiologiche e politiche del momento; una sua auspicabile edizione e una puntuale analisi in relazione con i testi contemporanei – auctoritates giuridiche, prestiti e originalità – potrà forse permettere di cogliere la qualità degli interventi e lo stile personale del giurista padovano nel corso delle sue missioni, che risultano ancora sfuggenti data la natura della documentazione superstite, in prevalenza di emanazione ufficiale. Se si sposta l’attenzione sul personaggio, il suo cursus honorum è istruttivo: il confino a Venezia per ragioni politiche nel 1419, a seguito di un’accusa de verbis inhonestis, si tramutò in trampolino di lancio per la carriera diplomatica. Scelto grazie alle sue competenze giuridiche per una missione in Friuli, in forza dell’esperienza colà acquisita Capodilista ottenne l’incarico per Basilea, dove appunto doveva discutersi la „causa Aquileia“. L’ambasceria al concilio lo proiettò in un mondo e in una rete „internazionali“, promovendone la „storia di successo“ (pp. 178, 333). Dopo il 1440, alla fine dell’attività diplomatica, egli poté svolgere funzioni di rilievo nella vita politica e amministrativa di Padova come pure nello Studium patavino. Durante l’ambasceria al concilio, Capodilista entrò in speciale contatto con Sigismondo, il quale nel 1434 lo nominò conte palatino. Proprio tale riconoscimento, che non fu semplicemente formale ma, come mostra l’autrice, comportò un discreto esercizio delle facoltà legate al titolo, tra cui quella di conferire lauree per autorità imperiale, si colloca all’origine del codice padovano. In esso Capodilista rappresentò e celebrò se stesso e i suoi familiari, raccontando la storia della famiglia e delle parentele Transelgaldi e Forzaté, inventando origini genealogiche fantastiche, elencando i possessi di Montemerlo. Lʼautrice indaga in modo sistematico ed esaustivo testo e immagini del codice: le pregiate miniature nei loro dettagli araldici e nelle rappresentazioni di tipo cavalleresco, le liste di nomi, i documenti trascritti, le biografie di alcuni predecessori e l’autobiografia di Capodilista. Il manoscritto, di cui esiste sin dal 1972 una trascrizione e riproduzione in facsimile a cura di Mirella Blason-Berton, è stato ed è tuttora oggetto di studio da parte di storici e storici dell’arte per la sua eccezionalità, ma anche per gli interrogativi che suscita, a partire dalla sua confezione: sui fogli in Pergament di mediocre qualità (p. 191), miniature raffinate si accompagnano a un testo in grafia non posata, con integrazioni e correzioni che fanno piuttosto pensare a una minuta. L’autrice esamina con acribia il genere letterario dello scritto, a mezza strada fra raccolta di viri illustres, libro di famiglia (semmai molto sui generis) ed Ego-Dokument, seguendone tradizione e ricezione fino alla copia ottocentesca di un’esponente della famiglia (Emma Emo-Capodilista, 1858). Molto convincente l’esame del „contesto di redazione“ del codice, con lo studio dei marginalia che Capodilista appose all’esemplare del „De generatione“ di Giovanni da Nono a lui appartenuto e fortunatamente pervenuto alla Biblioteca civica di Padova, nonché del privilegio di nobilitazione, ampiamente influenzato dall’iconografia del codice, da lui concesso in quanto conte palatino a Manfredo del Cortivo. La „prospettiva della rete“ e il concetto di Einschreiben o Inscription, ampiamente descritti nei loro fondamenti teorici, vengono applicati per mostrare come il codice possa offrire risultati relativi all’analisi dei gruppi sociali in cui Capodilista si sentì inserito – giuristi dello Studium, cerchie intellettuali. È forse eccessivo parlare di „strategie di contatti e gruppi sociali“ (p. 298), cioè di una consapevole costruzione di essi all’interno del testo, mentre si può senz’altro riconoscere una „strategia narrativa“ nella „narrazione abilmente costruita attorno agli Annali di d’Alessio“ (p. 341): secondo questa lettura decisamente decostruzionista, Antonio d’Alessio fu autore dall’incerta esistenza, abilmente sfruttato da Capodilista per dare dignità cronachistica alle favolose gesta dinastiche che andava raccontando. La connessa sfida lanciata ai lettori, autorizzati a mettere in discussione tutte le sue affermazioni qualora anche un unico elemento del proprio scritto fosse risultato falso, potrebbe allora essere frutto, più che di autocoscienza, di una certa autoironia; al di là di rigide strategie, una componente ludica si potrebbe scorgere anche negli elementi fantastici delle insegne di bellezza tardogotica, nella teoria di cavalieri e nel famoso orologio rappresentati nelle miniature. Tale eventualità non inficia certo le conclusioni dell’autrice: „L’autoritratto di un giurista erudito, quale inviato di successo ed esponente di una famiglia ai suoi occhi di rango, ricca e tradizionalmente attiva in campo diplomatico, diventa così, in testi e immagini su pergamena, immediatamente percepibile“ (p. 341). „Diplomatie und Pergament“ amplia le conoscenze sull’età conciliare e sul suo intenso processo comunicativo, sulle possibilità di ascesa sociale tramite la formazione giuridica e tramite l’impegno in campo diplomatico, nonché sull’orizzonte culturale, sulle capacità di messa in scena, sulle ambizioni e sulle fantasticherie di un gelehrter Jurist. Il volume avrebbe in verità meritato una migliore cura redazionale e una maggiore attenzione alla filologia, giacché oltre ai refusi e alle sviste nella bibliografia, la trascrizione delle fonti inedite suscita dei dubbi. Il sic! inserito dall’autrice in un passo latino farebbe pensare a uno scriba quantomeno distratto: „Sumus certissimi que faciet honore nostrom (sic!) et suum“ (p. 27); invece nel registro originale, comodamente consultabile on line, il passo è accurato: „sumus certissimi quod faciet honorem nostrum et suum“ (sia detto en passant: la data della pars votata dal Senato veneziano è il 5 luglio, non il 10, i voti a favore furono 15, non 14). L’inciso „in Ius Civila – Ad lectura Iuris Civibus“ della p. 34 nel registro originale recita: „In iure civili – Ad lecturam iuris civilis“, e anche la lettera indirizzata dal Capodilista al Consiglio dei Dieci il 30 luglio 1421, edita integralmente in appendice (p. 349) e già pubblicata dal benemerito Arnaldo Segarizzi, si presta a correzioni. Ad es.: „supplico vemehmente“ (i. e. umelmente, con umiltà), „vostro suidore“ (i. e. seruidore), e l’invocazione finale: „… miser san Marco evangelista per simele confermi per soa gratia e Amplisi che semper questa vostra Excellentissima Republica“ va letta: „… conserui per soa gratia e amplifiche semper questa vostra Excellentissima Republica“.

Daniela Rando

Marco Cavina, Maometto papa e imperatore, Roma-Bari (Laterza) 2018 (i Robinson/Letture), X, 165 S., ISBN 978-88-581-3318-7, € 18.

Der Vf., Rechtshistoriker an der Universität Bologna, behandelt religiöse, politische und literarische Deutungen und Konzepte, die sich im Umfeld und vor allem nach der osmanischen Eroberung Konstantinopels (1453) zum Verhältnis von Islam und Christentum, zur Rolle des Sultans und zu den Implikationen des Untergangs des byzantinischen Reichs verbreiteten. Er berücksichtigt dabei westliche und östliche, christliche und islamische Autoren, wobei sein Fluchtpunkt Entwürfe einer religiösen Versöhnung zwischen Ost und West sind, wie sie im 15. Jh. z. B. durch Nikolaus von Kues vorgelegt wurden. Das breitere Publikum, für das diese Abhandlung gedacht ist, soll offenbar durch die Gliederung angesprochen werden, die mit ihren Unterpunkten („§ 1 Dove si apprende che Maometto, prima che profeta, ambiva essere papa di Roma“, usw.) einen erzählerischen Ton anschlägt. Dieser ist allerdings leicht irreführend, denn es handelt sich keineswegs um eine Erzählung, sondern um einen klar geschriebenen, gut lesbaren Essay, der seine Quellen mit knappen Endnoten ausweist. Nach einer Einleitung zum (weithin negativen) Bild des Propheten Mohammed im westlichen Mittelalter folgen vier Abschnitte, welche die Auswirkungen der osmanischen Eroberung auf christliche Konzepte von Kaisertum und Weltherrschaft, die ambivalente Aufnahme der osmanischen Expansion im Westen zwischen Feindbildern und Verständnis für die Rächer Trojas, „pazifistische“ Vorstellungen von einer Bekehrung des Sultans und Frieden unter den Religionen und die Auseinandersetzungen um die Schriften des Georg von Trapezunt behandeln. Der seltsam anmutende Titel erklärt sich durch diesen letzten Abschnitt, der den Kreis zum Prolog schließt: eine der im Mittelalter zirkulierenden negativen Mohammed-Viten hatte diesen als christlichen Apostaten gezeichnet, der als römischer Diakon selbst vorgehabt habe, Papst zu werden, und sich nach der Wahl eines Konkurrenten vom Christentum abgewandt habe; Georg von Trapezunt entwarf das Projekt eines durch den Sultan geführten neuen Imperiums, in dem eine christlich-muslimische Einheitsreligion herrschen sollte. Die Leserinnen und Leser erhalten einen konzisen Überblick über alle in diesem Kontext wichtigen Autoren, von den Berichten über den Untergang Konstantinopels, die nach der durch Agostino Pertusi herausgegebenen Anthologie ausgewertet werden, über Pius II., Nikolaus von Kues, Johannes von Segovia, Rodrigo Sanchez de Arevalo, die beiden Filelfo und andere Humanisten; byzantinische Autoren wie Georgios Gemistos Plethon kommen ebenfalls zu Wort, und es werden auch die neuzeitlichen Vorstellungen von der Rolle Moskaus als des Dritten Rom angesprochen. Da ein Großteil der Autoren Bezüge zur Kurie aufweisen und diese das wichtigste Zentrum der christlichen Kreuzzugsbemühungen war, rücken immer wieder Probleme der Papstgeschichte des 15. Jh. in den Fokus, wie z. B. die „Verschwörungen“ gegen Nikolaus V. und Paul II. Implizit stellt der Essay auch Konzepte wie die mittelalterliche Vorstellung vom Imperium, das Zwei-Kaiser-Problem, die Konstantinische Schenkung, das Verhältnis von Papst und Kaiser u. a. vor. Der Vf. versteht sein Buch als Beitrag zur Reflexion über eine „verpasste Gelegenheit“ (S. 139), nämlich die Gelegenheit, nach der Eroberung Konstantinopels eine neue Einheit, sei es unter christlichen, muslimischen oder synkretistischen Vorzeichen, herzustellen. Vermittelt wird auf jeden Fall eine gut informierte Einführung zu einem Thema, das nur auf den ersten Blick exotisch wirkt, in Wahrheit aber einen der zentralen Aspekte des ausgehenden Mittelalters und der Frühen Neuzeit darstellt: nämlich die Integration des osmanischen Reichs in Vorstellungen von der rechten Weltordnung, um es im Stil der Zeit, oder in die europäische Geschichte, um es nach heutigem Verständnis auszudrücken.

Claudia Märtl

Daniele Solvi, Il mondo nuovo. L’agiografia dei Minori Osservanti, Spoleto (Fondazione Centro italiano di studi sull’alto medioevo) 2019 (Uomini e mondi medievali 63), XII, 302 S., Abb., ISBN 978-88-6809-275-7, € 34.

Daniele Solvi, Professor für lateinische Literatur des Mittelalters und des Humanismus an der Università della Campania „Luigi Vanvitelli“ und ausgewiesener Kenner des observanten franziskanischen Schrifttums, hat im Laufe der Jahrzehnte maßgebliche Beiträge zur Thematik verfasst, die nun bequem in einem Bd. zugänglich sind. Zwölf, vier großen thematischen Blöcken – 1) „Il culto e la scrittura“; 2) „La seconda Pentecoste“; 3) „Il ritorno dell’Apostolo“; 4) „La Gerusalemme terrestre“ – zugeordnete Artikel, darunter zwei bisher unveröffentlichte, widmen sich der observanten Hagiographie des 15. Jh. Indizes der Personen- und Ortsnamen, für die Giuseppe Caputo verantwortlich zeichnet, leisten gute Dienste bei der Erschließung der in den einzelnen Beiträgen ausgebreiteten Materialfülle. Der Bd. eignet sich aufgrund der vielen Wiederholungen vor allem zur punktuellen Lektüre. Wenig überraschend sind es stets dieselben Persönlichkeiten, die Solvis Personaltableau bevölkern, an der Spitze Bernardino da Siena, gefolgt von Giovanni da Capistrano. Bernardino, 1444 gestorben und bereits sechs Jahre später kanonisiert, verkörpert die Erfolgsgeschichte der observanten Franziskaner, die durch eine buchstabengetreue Beachtung der Franziskusregel den Lockerungen, die im Ordensleben im Laufe der Jahrhunderte eingetreten waren, entgegenwirken wollten. Ein verfälschtes, ja pervertiertes franziskanisches Ideal sah man in der konkurrierenden Gruppe der Konventualen verwirklicht. Bernardino, dessen Einfluss noch über den Tod hinaus so groß war, dass Franziskanerobservanten als „Bernardini“ tituliert wurden, dominierte zunächst die observante Hagiographie, deren Beginn genau datiert und lokalisiert werden kann: 1444 schrieb Giuliano da Milano in L’Aquila einen Brief, um den Brüdern seines Mailänder Heimatkonvents den Tod Bernardinos zu verkünden. Dieser Rundbrief bildete, unterstützt von der Kommune Siena, den Startschuss für die Abfassung einiger Wunderlisten und Viten, die nur ein Ziel verfolgten: die Kanonisierung Bernardinos, die bereits 1450 erfolgte. Solvi liefert in einem einleitenden Überblicksbeitrag zum Heiligenkult der Observanten („Il culto dei santi nella proposta socio-religiosa dell’Osservanza“, S. 3–36) die Erklärung: Bernardino war auch für die Konventualen „anschlussfähig“ – nicht zuletzt deshalb, weil sein Leichnam fast 30 Jahre lang in LʼAquila in der Kirche der Konventualen gehütet wurde. Erst 1472 wurden seine Reliquien in den neu gebauten Observantenkonvent S. Bernardino in LʼAquila überführt. Anschlussfähigkeit resultierte auch aus seiner ausgeprägten Marienfrömmigkeit („Bernardino da Siena: una santità mariana?“, S. 197–216). Giovanni da Capistrano hingegen steht für die zweite Generation observanter Prediger. Wie Bernardino starb auch er im Ruch der Heiligkeit, doch anders als beim Sieneser Heiligen wurde sein Kanonisationsprozess nicht zur Erfolgsgeschichte. Päpstlicherseits zögerte man, die Gräben, die Observanten und Konventualen voneinander trennten, durch eine rasche Heiligsprechung noch weiter zu vertiefen. Dass mit Sixtus IV. ein Franziskanerkonventuale den Thron Petri bestiegen hatte, war der Sache ebenfalls nicht förderlich. Den Observanten ging es um eine über jeden Zweifel erhabene Kultauthentisierung. Der Weg einer rechtliche Vorgaben verletzenden „Spontanerhebung“ kam somit nicht in Frage. Die hagiographische Vitenproduktion durch Brüder, die um und mit Giovanni gelebt hatten, setzte schnell ein; flankiert wurde sie von Bittbriefen von Souveränen und Kommunen Europas (die es in ihrer vollen hagiographischen Aussagekraft freilich erst noch zu erfassen gilt). Zu Recht unterstreicht Solvi die Bedeutung der Predigt, die als kommunikativer Eckstein begriffen wird, „in cui viene calata la materia agiografica“ (S. 17). „Fare i santi, più che raccontarli“ (S. 32) – darum ging es in den Predigten de sanctis der Observanten. Die Heiligkeit der Protagonisten sollte dabei weniger auf persönliche Modelle, sondern ganz allgemein auf die sanctitas der Observanz verweisen, die ihre Existenz und ihr (heiligmäßiges) Tun durch Gott selbst begründet und legitimiert sah („Santi e agiografi dell’Osservanza minoritica cismontana [1444–1531]“, S. 37–58). Predigten waren auch wichtig für die Propagierung des sog. Portiunkula-Ablasses („L’indulgenza in predica. I sermoni sul Perdono nel 400“, S. 237–248). Dieser Plenarablass, vom hl. Franziskus selbst erbeten und von Papst Honorius III. bewilligt, durch den die kleine Kapelle vor den Toren Assisis in die erste Liga der Wallfahrtsstätten Europas katapultiert worden war, taucht im 15. Jh. als Sujet in vielen Sermones observanter Prediger auf. Bereits Bernardino da Siena hatte über diesen Ablass gepredigt und dabei den Schwerpunkt auf die gratuità des göttlichen Erbarmens gelegt. Ablass-Predigten dienten der Schärfung observanter Identität. In der zweiten Jahrhunderthälfte scheint es für junge Franziskaner zwecks Beförderung ihrer Karriere als Prediger zum „passaggio obbligato“ (S. 243) geworden zu sein, die rechten Worte zum Portiunkula-Ablass zu finden. Dies wird anhand dreier Predigten des Cherubino da Spoleto (gest. 1484) demonstriert, in denen Franziskus eine tragende Rolle in der mendikantischen Heilsökonomie zugewiesen wird. Insgesamt scheint observante Predigt im 15. Jh. stark ortsgebunden und hat „nel favore del palazzo signorile le sue condizioni di realizzabilità e nella piazza il teatro ideale della sua performance“ (S. 217). Jeder noch so flüchtige Blick auf die Bernardino gewidmeten Kanonisationsdossiers zeigt, welche Bedeutung darin lokalen Elementen zukam („Da Siena ad Aquila. Il ruolo della santità civica nella memoria agiografica di Bernardo“, S. 217–235). Bernardino wurde ebenso in seiner Heimatstadt Siena wie in seinem Sterbeort LʼAquila verehrt, wobei LʼAquila durch den Besitz des „heiligen Leibes“ heilsökonomisch im Vorteil war. Lokale Elemente spielen auch im abschließenden Beitrag des Bd. eine große Rolle („The Lands of Europe as reflected in John of Capistrano’s Hagiography“, S. 273–289). Fokussiert auf Giovanni da Capistrano geht es darin um eine Rekonstruktion der „geopolitical map of Europe that emerges from the hagiography“ (S. 273). Dazu wird zunächst die Genese des hagiographischen Dossiers skizziert, um dann auf den Raum, in dem Giovanni sein Apostolat entfaltete, einzugehen. Zentrale Bedeutung kommt hier einer um 1462 entstandenen Vita aus der Feder des Niccolò da Fara zu. In ihr wird Giovanni, der im Kampf gegen die Türken vor Belgrad stirbt, nicht zum Märtyrer verklärt, sondern zum Apostel erhoben, der zentrale Glaubenswahrheiten verkündet. Er erscheint „as a perfect avatar of the pope, a kind of vicar of the vicar“ (S. 283). Die Franziskusforschung wird von dem vorliegenden Sammelbd. ohne Zweifel profitieren. Einziger Wermutstropfen ist das Layout. Das, was man seit Jahrzehnten nur von englischen Hochpreisverlagen kennt, feiert hier fröhliche Urständ: Die graphische Gestalt (samt Paginierung) der Originalpublikationen wurde leider beibehalten. Zum Glück ist fehlende visuelle nicht gleichbedeutend mit fehlender inhaltlicher Kohärenz. Denn gerade auf letzterem Gebiet hat der Bd. einiges zu bieten.

Ralf Lützelschwab

Fulvio Delle Donne/Giovanni Pesiri (a cura di), Principi e corti nel Rinascimento meridionale. I Caetani e le altre signorie nel Regno di Napoli, Roma (Viella) 2020 (I libri di Viella 364), 368 S., ISBN 9788833137049, € 45.

Der im November 2018 in Fondi abgehaltene Kongress des Centro Europeo di Studi su Umanesimo e Rinascimento Aragonese (CESURA) hat ein Gebiet in den Fokus genommen, das bislang weniger Beachtung gefunden hat als vergleichbare Regionen in Nord- und Mittelitalien, nämlich die Grafschaft Fondi. Xavier Barral i Altet spannt einen großen baugeschichtlichen Bogen von Avignon (Papstpalast) über Barcelona (Palau Major) und Neapel (Castel Nuovo) nach Fondi (Palazzo Caetani), indem er bestimmten architektonischen Ausdrucksformen nachspürt. Graf Onorato II. aus dem Hause Caetani beschäftigte in Fondi Künstler, die auch am Castel Nuovo in Neapel tätig waren, und folgte damit dem Geschmack der Könige aus dem Hause Aragon. Damit präsentierte er sich sichtbar als treuer Alliierter der Aragonesen (S. 42). Bianca De Divitiis vertieft diese Aspekte und erweitert den Blick auf die Residenzen in Salerno (Sanseverino) und Nola (Orsini). Diesen Residenzen ist gemeinsam, dass in ihr Bauprogramm als antik empfundene lokale Einflüsse Eingang fanden, und dazu gehörte auch das normannisch geprägte Mittelalter (S. 64). Francesco Storti beschreibt die Geographie der Herrschaften (signorie), die in das Königreich Neapel integriert waren, Sylvie Pollastri gibt einen Abriss der Caetani-Geschichte in der Zeit zwischen Onorato I. und Onorato II. Sie hebt die wirtschaftliche Bedeutung des Olivenanbaus (um Fondi und Gaeta) und – damit im engen Zusammenhang stehend – der Seifenproduktion in Sperlonga (S. 98) hervor. Damit sind solide Voraussetzungen geschaffen für die richtungweisende Untersuchung Giovanni Pesiris zu den „glücklichen 50 Jahren“ der Herrschaft Onorato II. Caetanis (1441–1491) in Fondi. Weil dieser ein getreuer Gefolgsmann König Alfonsos war, durfte er ab 1460 auch das aragonesische Wappen führen und erhielt 1464 eine umfassende Zollbefreiung für den Hafen Gaeta. Fondi gestaltete er zu einem bedeutsamen wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Zentrum aus, wobei der wirtschaftliche Erfolg erst die Mittel für die kulturellen Möglichkeiten bereitstellte. Pesiri charakterisiert ihn zutreffend als „barone imprenditore“ (S. 104). Eine wesentliche wirtschaftliche Basis war neben Olivenöl und Seife die Schafzucht mit der daraus resultierenden Wollproduktion einschließlich der Färberei (S. 109). Onorato II. stellte seinen Wohlstand durch ein beachtliches Bauprogramm sichtbar zur Schau: neben seinem Palast mit Fenstern im katalanischen Stil waren dies die Kirchen S. Domenico, S. Francesco und S. Maria Assunta (S. 123). Aber auch in Neapel erwies er sich als Mäzen, indem er zur Erhaltung der Kirchen S. Maria di Piedigrotta, S. Maria del Carmine, S. Agostino und S. Domenico beitrug, wie Pesiri aus der Widmung De Tuppos im „Aesopus moralisatus“ (1485) herausgefiltert hat. In der am Ende des hier besprochenen Buches angefügten, für alle Beiträge gültigen Literaturliste fehlt leider der genaue Titel, er ergibt sich aus dem Kolophon p. 166v und sei hier nachgetragen: FRANCISCI TVPPI PATHENOPEI … in vitam Esopi fabulatoris laepidissimi philosphique clarissimi traductio materno sermone fidelissima: … Impressa Neapoli … Anno Domini M.CCCC.LXXXV. Die XIII. Mensis Februarii (die Widmung an Onorato dort p. 2r). Dieser Aesop war Bestandteil der umfangreichen Bibliothek Onoratos II., deren Bestandteile Pesiri aus einem im Zusammenhang mit dem Tode Onoratos II. angelegten Inventar herausgearbeitet hat. Es wird für die Zukunft ein lohnendes Unterfangen sein, auf der Basis dieses Aufsatzes die Gründe zu erforschen, warum die Herrschaft Onoratos III. von Sermoneta trotz struktureller Ähnlichkeiten nicht ebenso erfolgreich war. Immerhin waren unter dem gemeinsamen Vorfahren Giacomo II. die Contea Fondi und die Signoria Sermoneta einmal in einer Hand gewesen. Das erwähnte Inventar ist für Fabio Aprea neben einigen Briefen die wichtigste philologische Quelle, um den privaten und administrativen Sprachgebrauch im Gebiet der Caetani zu beschreiben. Das verwendete Italienisch lässt darauf schließen, dass im Gebiet von Fondi und Sermoneta eine gewisse sprachliche Eigenständigkeit herrschte, die zwischen den Idiomen von Rom und Neapel anzusiedeln ist. Aprea zeigt dies an grammatikalischen Strukturen und dem Gebrauch der Vokale e/i und o/u (S. 143). Anzufügen wäre ein Hinweis auf die Auflösung von Doppelkonsonanten (tt > ct oder pt; ss > x), für die es im zeitgenössischen Italienisch und Latein der Region zahlreiche Beispiele gibt. Auch hätte die Materialbasis etwas breiter angelegt sein können, z. B. durch Einbeziehung einer Vollmacht Onoratos III. vom 19. September 1452, die er seinem Kanzler diktiert hat (G. Caetani, Reg. Ch., V, S. 60), eines Pachtvertrages über eine Eisenhütte aus 1471 oder etwas später (G. Caetani, Varia, S. 220 f.) oder einer Quittung seiner Schwester Beatrice für seine Gattin Caterina Orsini vom 17. Juli 1459 (G. Caetani, Varia, S. 191). Außerdem: in dem Brief Onoratos II. an seinen Vetter Onorato III. (S. 140) sollte doch besser „logotheta prothonot(arius) Regni Sicilie“ statt „logotheta (et) prothonot(ario) Regni Sicilie“ gelesen werden, der Absender ist Subjekt in der auf Latein abgefassten Adressierung. Grundsätzlich ist es aber ein sehr verdienstvolles Unterfangen, die Sprachkultur in historische Untersuchungen umfassend mit einzubeziehen. In diesem Lichte ist auch der Beitrag Gabriella Macchiarellis zu sehen, die einen auf Latein abgefassten Trostbrief Onorato I. Caetanis an Nicola Orsini aus dem Jahre 1393 untersucht. In eine spätere Zeit, als die Caetani-Herrschaft in Fondi schon ein Ende gefunden hatte, führt Lorenzo Miletti, der anhand von Dokumenten des Colonna-Archivs (heute in Subiaco) den Gedankenaustausch zwischen Humanisten wie Giovan Battista Suardi, Battista Maddaleni de’ Capodiferro oder dem aus Fondi stammenden Francesco Peto mit Prospero Colonna nachzeichnet, der Vat. Lat. 3351 liefert ihm dafür wertvolle Informationen. Dem aus Rom verbannten und in Fondi seine Residenz findenden Kardinal Francesco Soderini wiederum ist es zu verdanken, dass die Tradition einer Verbindung zwischen dem römischen Polyhistor Marcus Terentius Varro (116 v. Chr. – 27 v. Chr.) und Fondi wiederbelebt wird, und zwar über den Namen von Varros Frau Fundania. Punktuelle Untersuchungen zu Mäzenatentum und Residenzen an den Rändern des Königreichs Neapel runden den Tagungsbd. ab, und zwar mit Beiträgen von Marco D’Attanasio (Cappella del Presepe in Maranola), Domenico Defilippis (Hof der Sforza in Bari), Guido Cappelli (Acquaviva in Nardò), Teresa D’Urso (Miniaturen in der Bibliothek des Andrea Matteo III. Acquaviva), Alessandra Acconci (Cantelmo in Atina/Terra di Lavoro), Luigi Tufano (Grabinschriften der Familie Albertini in Nola) und Antonio Milone (Sanseverino in Mileto). Aus der Gesamtschau aller Beiträge wird deutlich, wie der Adel an den kleinen Höfen an der Peripherie des Königreichs Neapel zunächst das Zentrum in Neapel zu kopieren suchte und dabei administrative Aufgaben noch relativ selbstständig ausübte, dann aber über seine Repräsentanzen in Neapel zu einem hauptstädtischen Hofadel mutierte, der zwar für das kulturelle Niveau der Hauptstadt wichtig war, aber seine politische Funktion weitgehend verloren hatte. Auch die Grafschaft Fondi, die im Fokus der Tagung von 2018 stand, war diesem Prozess unterworfen; sie hat sich dadurch, insbesondere nach dem Ende der dortigen Caetani-Herrschaft, administrativ von der in ähnlicher Weise nach Rom ausgerichteten Herrschaft Sermoneta getrennt. Fulvio Delle Donne und Giovanni Pesiri als den spiritus rectores der Tagung gebührt das Verdienst, diesen Sammelbd. durch die Beigabe von hervorragendem Bildmaterial und einer für alle Beiträge gültigen und damit den Anmerkungsapparat merklich entlastenden Bibliographie (S. 283–343) zu einem unverzichtbaren Standardwerk für die Geschichte der Grafschaft Fondi im 15. Jh. gestaltet zu haben.

Rudolf Hüls

Vivere la città. Roma nel Rinascimento, a cura di Ivana Ait e Anna Esposito, Roma (Viella) 2020 (Studi del Dipartimento di Storia Antropologia Religione Arte Spettacolo 17), 296 S., ISBN 978-88-331-3291-4, € 30.

Der Sammelbd. „Vivere la città“ stellt gleichsam einen Meilenstein in der Erforschung der stadtrömischen Geschichte der Renaissance dar. Das Buch ist erschienen anlässlich der anstehenden Pensionierung der zwei Direktorinnen des Vereins Roma nel Rinascimento, die den Alltag und die Einwohner Roms für die Geschichtsschreibung entdeckten: Ivana Ait und Anna Esposito. Wie zu erwarten, weisen die 16 Aufsätze, die der Wirtschafts- und der Sozialgeschichte zuzuordnen sind, auf vergangene Beiträge in ihrem gemeinsamen Seminar an der Università Roma La Sapienza und beim besagten Verein hin. Es lässt sich eine Vorrangstellung von Notariatsakten und Zollregistern als bedeutende Quellen für die Erfassung des „Roms der Römer“ ausmachen. Das Buch ist in fünf Einheiten gegliedert: „Abitare, consumare“, „Lavorare, organizzarsi“, „Insegnare, scrivere“, „Pregare, aiutare, assistere“ und „Mostrarsi, fare festa“. Im Vorwort geben die Hg. einen Überblick über die Publikation. Dem folgt eine Einführung aus der Hand von Arnold Esch. Darin lassen sich seine Vorliebe für die Methodologie sowie seine Forschungsbereiche erkennen. Autobiographisch stellt er fest, dass „non è lo storico a fare qualcosa di Roma, ma Roma a fare qualcosa dello storico“ (S. 18). Im ersten Teil behandeln Andrea Fara, Daniele Lombardi, Alexis Gauvain und Angela Lanconelli das Wohnen und den Güterverbrauch. Faras Beitrag erhellt die Strategien des Immobilienbesitzes der Familie Frangipani Ende des Mittelalters, nach einer Untergangsperiode. Sie hätten zwar ihren Besitz in anderen rioni ausgebaut, aber ihr Schwerpunkt blieb das Immobilienbesitztum am Kapitol. Ausgehend von seiner Studie zum Weinkonsum im Rom der Renaissance, widmet sich Lombardi den „Licht- und Schattenseiten“ der römischen Gastwirtschaft. Er stellt den Bedeutungszuwachs dieses Sektors nach der Rückkehr der Päpste sowie den hohen Ausländer- und Frauenanteil in diesem Gewerbe fest. Dies habe, mit den Investitionen der Elite, zur Ausbildung von „Restaurantketten“ in wenigen Händen geführt (S. 52). Gauvain bemerkt, aufbauend auf den von ihm edierten Memoiren des Priesters Ansuino de Blasiis, dass die Immobilien des Domkapitels von St. Peter insbesondere an Verwandte der Domherren vermietet wurden. Lanconelli kommt in ihrem Beitrag über die Zunftstatuten der Metzger und der Fischhändler zu dem Ergebnis, dass diese Rechtstexte vorrangig das Ausschalten von Konkurrenz und nicht die Hygiene gefördert haben (S. 80). Im zweiten Teil untersuchen Alfio Cortonesi, Ivana Ait, Manuel Vaquero Piñeiro und Luciano Palermo die Arbeitsbedingungen in der Renaissancestadt. Cortonesi befasst sich mit den Gemüsegärten, von größter Bedeutung für die Topografie der römischen campagna intramurana. Ait fragt nach den technologischen Innovationen im Bauwesen und in der Textilindustrie infolge von privaten und öffentlichen Investitionen am Beispiel von Dachziegeln aus Blech oder Waschmitteln. Vaquero Piñeiro vertieft seine Erkenntnisse zu den Bauarbeitern und bescheinigt den Lombarden eine Dominanz im römischen Bauwesen (S. 130). Palermo widmet sich der Arbeit in der öffentlichen Verwaltung im Pontifikat Martins V. Leider sind seine Postulate zum Paradigma des Staatausbaus durch die Bürokratie und zum „päpstlichen Absolutismus“ (S. 145) nicht unbedingt innovativ. Im dritten Teil widmen sich Carla Frova und Luisa Miglio der Geschichte des Lernens und des Schreibens. Obgleich es in Rom wenige Quellen dazu gibt, untersucht Frova das schwierige Leben der Grammatiklehrer am Beispiel eines gewissen Giovanni Antonio Sabino (S. 160). Mit Rückgriff auf ihre Veröffentlichung „Governare l’alfabeto“ (Roma 2008) belegt Miglio die ausgeprägte Schriftkultur der Frauen vom Hause Orsini am Beispiel von Clarice, Maddalena und Alfonsina Orsini sowie deren Verwandten Aurante da Carpio. Im vierten Teil befassen sich Giulia Barone, Claudia d’Avossa und Andreas Rehberg mit Frömmigkeitspraxis und Armenfürsorge. Barone untersucht Beweggründe für die Wahl eines geistlichen Lebens und stellt die herausgehobene Quellenlage der Bruderschaften sowie die einfache Religiosität der ungebildeten Bevölkerungsschichten Roms fest. D’Avossa widmet sich einer dieser Bruderschaften, nämlich der der Annunziata, und beobachtet eine soziofunktionale Bedeutung der Mitgift (S. 210). Rehberg überprüft das Konkurrenzverhältnis der zwei großen Hospitäler auf beiden Seiten des mittelalterlichen Tibers, die jeweils mit einem Orden bzw. mit einer Bruderschaft ausgestattet waren: Santo Spirito in Sassia und Santissimo Salvatore. Im fünften Teil gehen Anna Modigliani und Anna Esposito der Festkultur nach. Modigliani unterstreicht am Beispiel von Cola di Rienzo, Giovanni Vitelleschi und Paul II. den häufigen Rekurs auf die Antike als politisches Legitimationsmittel in der Renaissance (S. 261). Esposito schließt den Sammelbd. mit einem Aufsatz über Frömmigkeit und Feste am Beispiel der Bruderschaft des Gonfalone ab. Mit „Vivere la città“ konnte ein sehr gelungenes Werk vorgelegt werden, das den Reichtum der Alltagsgeschichte Roms in der Renaissance erneut und eindrücklich unterstreicht.

Ignacio García Lascurain Bernstorff

Gabriella Erdélyi, Negotiating Violence. Papal Pardons and Everyday Life in East Central Europe (1450–1550), Leiden-Boston (Brill) 2018 (Studies in Medieval and Reformation Traditions 213), X, 247 S., Abb., ISBN 978-90-04-36115-7, € 129.

Erdélyi untersucht Appelle an eine flexible Handhabung von Strafnormen des kanonischen Rechts durch die päpstliche Kurie anhand von Petitionen, die die fälligen Sanktionen von Fehlverhalten und Gewaltakten zum Gegenstand von Aushandlungsprozessen werden lassen (daher der Titel des Buches). Studien zu diesem Themenfeld schöpfen, so auch hier, im Wesentlichen aus den Überlieferungen der apostolischen Poenitentiarie, einer der oberen kurialen Gerichtsinstanzen, zuständig für päpstliche Gnadenerlasse. Das Forschungsfeld ist durch die (nicht zitierten) Arbeiten von Ludwig Schmugge zum Ehe- und Personenstandsrecht markiert. Der Schwerpunkt der Studie von Erdélyi liegt auf strafrechtlichen Belangen und Fällen aus Ostmitteleuropa, vor allem Ungarn. Die methodische Einleitung (S. 1–14) gibt einen konzisen Überblick zu den relevanten rechts- wie institutionengeschichtlichen Kontexten. Die folgenden neun Kapitel befassen sich mit Beispielen kategorial unterschiedlicher Causae, die jeweils anhand anschaulicher Fallbeschreibungen strukturell analysiert werden. Ein kombiniertes Personen-, Orts- und Sachregister bietet nützliche Informationen. Die Petitionen lassen sich als Spiegel einer Krisenzeit der Kirche lesen, weshalb die Berücksichtigung Martin Luthers und der Ordensaustritte bei den Mendikanten einbezogen werden. Nicht die Kirche, sondern die Laiengesellschaft bis hin zum common man wird als Akteur des Wandels identifiziert. Der Zugang der Autorin erweist sich nicht nur darin als weniger rechts- denn kultur- und sozialhistorisch ausgerichtet. Entsprechend basiert die Analyse auf den narrativen, legitimatorischen Konstrukten der Petitionen, die mit lesenswerter Detailgenauigkeit zitiert werden. Damit gelingt es, in die Breite der bezeugten Fälle vorzustoßen: Weniger von Aufsehen erregenden Einzelfällen ist die Rede als von einem geradezu als Alltäglichkeit wahrzunehmenden Bedarf etwa an Befreiung von zuvor eingegangenen Selbstverpflichtungen (etwa Klagen von Novizen in Ordenskonventen) und insgesamt als Konsequenz aus der lokalen Nähe von Klerus und Laien, die zu sozialem Sprengstoff und Institutionenkritik bzw. -flucht führten. Entflohene Kleriker bis hin zu Aussteigern als Vaganten oder Mietpriestern und den ökomischen Problemen infolge eines Pfründverzichts mit dem drohenden Absturz in die Kriminalität wie auch die Verhältnisse in kirchlichen Schulen als Folie für Normenkonflikte werden sehr (vielleicht zu) ausführlich thematisiert. Die Entwicklung prekärer und devianter Verhältnisse im Niederklerus, die als Erscheinungsformen der sozialständischen Gesellschaft im Allgemeinen wie der Pfründwirtschaft oder auch der Schülerdienste und des Verfalls kirchlicher Schulen infolge minderwertiger Vermietung von Lehrämtern im Besonderen bekannt ist, wird hier als Massenphänomen erkennbar. Es führte faktisch zu einer Auflösung der sozialen Grenze zwischen Klerus und Laien auf dem Niveau einer exzess- und gewaltbasierten, auch für magische Verfahren offenen Alltagspraxis, die mit einem Buchtitel von Frank Rexroth als „Milieu der Nacht“ bezeichnet werden könnte, hier als „crime in the dark“ (S. 124) gefasst. Aus der vermischten klerikal-laikalen Devianz resultierten schließlich Akte von Kapitalkriminalität, etwa dem Mord an Klerikern durch Laien in nicht weniger als 250 Fällen (S. 137), die ebenfalls zum Gegenstand „normaler“ Anträge auf Gnadenerlass wurden. Mit dem Bauernkrieg und vor allem den Synkretismen in der „christian-muslim contact zone“ werden Spezifika der ungarischen Geschichte angesprochen. Die Studie konzentriert sich auf Fallbeispiele aus Ungarn um 1500, deren systematische Analyse bislang ausstand und hier überzeugend geleistet wird. Inwieweit damit regionale Befunde die allgemeine Situation in Europa um 1500 exemplarisch anzeigen, müsste noch durch Vergleichsstudien erwiesen werden. Stärker als es bei Erdélyi nur vereinzelt geschieht, wäre dann auch nach den geltenden Rechtsnormen und der Überlieferung der kurialen Entscheidungen zu den vorgelegten Petitionen zu fragen, womit die Narrationen der Petenten noch genauer als zeit- und umständebedingte Konstrukte erkannt werden könnten.

Martin Kintzinger

Roma centro della diplomazia internazionale tra Quattrocento e Cinquecento, a cura di Andrea Fara e Eleonora Plebani, Roma (Roma nel Rinascimento) 2019 (RR inedita 83. Saggi), XIX, 152 S., ISBN 978-88-85800-06-9, € 22.

Der von Andrea Fara und Eleonora Plebani herausgegebene, knapp 150 S. zählende Bd. widmet sich einem großen Thema: der Rolle Roms als Zentrum „internationaler Diplomatie“ zwischen dem 15. und 16. Jh. Leider wird er nicht durch ein Vorwort oder eine Zusammenfassung der Hg. in den seit Jahren sehr breiten und größer werdenden Forschungskontext eingeordnet. Ein einleitender Beitrag von Maria Antonietta Visceglia übernimmt dies weitgehend aus der Perspektive der frühen Neuzeit, im Hinblick auf die Herausbildung des Stato moderno, der Territorialität, der Konsolidierung der päpstlichen Herrschaft in Rom und Italien seit der Rückkehr aus Avignon und der Ausbildung der sovranità pontificia. Ferner formuliert sie zukünftige Forschungsfragen, etwa zur Rolle Roms in der erweiterten Welt nach den Entdeckerfahrten. Isabella Lazzarini schließt einen guten forschungsgeschichtlichen und methodischen Beitrag an, in dem sie mit Recht konstatiert, die von Watkins 2008 terminologisch geprägte „New Diplomatic History“ sei in Italien schon seit langem (konkret seit den 1970er Jahren mit dem ersten von vielen folgenden Editionsunternehmen zu den Briefen des Lorenzo de’ Medici) betrieben worden. Ferner stellt sie aktuelle Fragen der Forschung nach diplomatischen Praktiken, Öffentlichkeit(en), Transformationen spätmittelalterlicher Politik, der Erforschung von Botschaftertraktaten, sowie auch der Länge von Missionen (Stichwort: Ausbildung residenter Gesandtschaften) und Ressortbildung vor. Die nachfolgenden Einzelstudien fallen dann recht heterogen aus. Den zeitlich frühesten Beitrag bildet jener von Gianluca Battioni, der aus seiner Arbeit an den Sforza-Korrespondenzen jene dispacci vorstellt, die über Obödienzmissionen an Papst Calixt III. berichten. Anna Modigliani betont den Quellenwert der Mailänder und Mantuaner Berichte für die Verhältnisse in Rom hauptsächlich im Pontifikat Pauls II. Andrea Fara gibt einen aus der Literatur schöpfenden, soliden Überblick über die ungarischen Gesandten an der Kurie in der zweiten Hälfte des 15. Jh., der einen guten Ansatzpunkt zu archivalischer Unterfütterung bietet. Eleonora Plebani – Autorin u. a. des Eintrags im „Dizionario biografico degli Italiani“ zu dem florentinischen Gesandten Pier Filippo Pandolfini – versucht vorwiegend im Spiegel von Pandolfinis (schon durch Nicolai Rubinstein ausgewerteten) Berichten von der Kurie die internationalen Verhandlungen am Papsthof nach der Verschwörung der Pazzi im Frühjahr 1479 darzustellen. Hier hätten eine Hinzuziehung weiterer Gesandtschaftsberichte, Verhandlungsorte und zumindest ein Blick in das exakt diese römischen Verhandlungen auf der Basis italienischer Berichte (auch jener Pandolfinis) differenziert thematisierende Buch von Jürgen Petersohn zu dem kaiserlichen Gesandten Andreas Jamometić (2004) weitere Perspektiven erschlossen. Catherine Fletcher analysiert die Schriften der päpstlichen Zeremonienmeister des späten 15. und frühen 16. Jh. (Burchard, Patrizi, Grassi) im Hinblick auf die Frage nach Ausbildung und Verfestigungen des ordo regum, wie er bekanntlich in dem – durch Philipp Stenzig herausgegebenen – Tractatus de oratoribus von 1508 festgehalten wird, sowie den Konsequenzen für das Botschafterzeremoniell und die Strategien der Gesandten. Die hier vertretene These einer Verfestigung jenes ordo im Rom des 16. Jh. muss allerdings mit Blick auf die fundamentalen Forschungen von Hermann Heimpel (1994) und Johannes Helmrath sowie zuletzt Gerald Schwedler (2008) als irrig angesehen werden: Die ordines sind weit älter und im diplomatischen Verkehr mit der Kurie spätestens zu Zeiten des Basler Konzils eingespielt. Marcello Simonetta schließlich tritt in seinem Beitrag der von Lazzarini ausgewogen abwägend dargestellten Forschungsposition, die Gesandtschaftsberichte konstituierten Öffentlichkeit(en), explizit entgegen, betont unter Anführung eigener Schriften den geheimen Charakter der Memoranden sowie die Rolle der Sekretäre, persönlicher Profile und privater Dispositionen der Briefschreiber und illustriert dies anhand einiger frankophiler Berichterstatter des 16. Jh. Dieser Bd. behandelt ein großes, längst nicht erschlossenes Thema mosaikhaft. Eine wohlsituierende Einordnung durch die Hg. hätte nicht nur die Quellen- und Themenauswahl verdeutlichen, sondern insbesondere klären müssen, was Rom im Unterschied zu den vielen weiteren „Zentren der Diplomatie“ in Europa (etwa den Kaiser-, Königs- und Fürstenhöfen) im gewählten chronologischen Rahmen ausmachte. Die Perspektive aus dem 16. Jh. zurück in die zweite Hälfte des 15. Jh. erweist sich als hinderlich: Notwendig wäre es hingegen nicht nur gewesen, den Blick zurückzuwenden (Berichte von der Kurie gibt es bekanntlich schon im 14. Jh., Hinweise bei Modigliani; der Papsthof war lange vorher Verhandlungsort), sondern auch das päpstliche Gesandtschaftswesen und seine mannigfaltige Erforschung zu thematisieren. Hier ist noch viel Arbeit zu leisten.

Tobias Daniels

Pilgerspuren. Orte, Wege, Zeichen. Begleitband zur Doppelausstellung Pilgerspuren „Von Lüneburg an das Ende der Welt“, 26.7.2020–01.11.2020 im Museum Lüneburg, und „Wege in den Himmel“, 3.10.2020–14.2.2021 im Museum Schwedenspeicher, Stade, hg. von den Museen Stade und dem Museum Lüneburg, bearb. durch Hartmut Kühne, Petersberg (Michael Imhof) 2020, 528 S., 670 Farb- und 70 sw-Abb., ISBN 978-3-7319-1004-6, € 43,20.

Der im Folgenden zu besprechende Bd. nahm seinen Ausgang von einer einjährigen Forschungsarbeit eines Teams bestehend aus dem Kirchenhistoriker Hartmut Kühne und der Nachwuchswissenschaftlerin Nadine Mai und dem Nachwuchswissenschaftler Martin Sladeczek, in deren Rahmen sie den großen Pilgerzeichenfund aus dem Stader Hafenbecken von 1989/2013 bestimmten, die Pilgerreisen aus Norddeutschland zu den großen Wallfahrtzentren der Christenheit untersuchten und die einstigen, oft ganz und gar vergessenen Wallfahrtsorte in Norddeutschland wiederentdeckten. Das Vorhaben, das um ein Symposium zu „Pilgerfahrten und Wallfahrtskirchen zwischen Weser und Elbe“ in Lüneburg im April 2019 ergänzt wurde, war angesichts des bisherigen marginalen Forschungsstands zum Thema „Pilgerschaft und Wallfahrtswesen im Norden Deutschlands“ ein wirklich drängendes Desiderat; seine Realisierung verhieß daher von vornherein umso wertvollere, weiterführende Resultate. Diese Ergebnisse werden nun durch ein Kollektiv von sage und schreibe 64 beteiligten Autorinnen und Autoren im Rahmen des voluminösen und überaus farbenprächtig illustrierten Begleitbuchs zu zwei Ausstellungen präsentiert, wovon die eine in Lüneburg den großen überregionalen Pilgerzentren wie Rom, Jerusalem und Santiago de Compostela, die andere in Stade den regionalen Wallfahrtszentren im Norden gewidmet ist. Ausstellungen und Begleitbuch sollen wiederum – ganz innovativ im Sinne der Third Mission, also des Forschungstransfers in die Gesellschaft – die Basis zur touristischen Inwertsetzung der Erforschung der regionalen Wallfahrtsgeschichte für ein geplantes Tourismusprojekt bilden. Der Bd. wird eröffnet von zwei größeren einführenden Beiträgen zur Forschungsgeschichte und zur Genese und Ausgestaltung der norddeutschen Wallfahrtslandschaft (Hartmut Kühne/Nadine Mai) sowie zur Wallfahrtsbegeisterung der Lübecker im späten Mittelalter und zu den Spuren der Pilgerreisen im heutigen Lübecker Stadtbild (Heinrich Dormeier). Letzterer Beitrag hat seine markante Position anscheinend wegen der in Lübeck vorzüglichen Überlieferung zum Thema zugewiesen bekommen. Dennoch wäre irgendwo zum besseren Verständnis ein Hinweis angebracht gewesen, ob nun Lübeck in der historischen Gesamtschau eine Ausnahme oder doch eher die bestätigende Regel darstellte – denn schließlich geht es um Norddeutschland im Ganzen und nicht bloß um die Stadt an der Trave. Der eigentliche Hauptteil des Begleitbd. ist dann übersichtlich in zehn in etwa gleich umfängliche Kapitel gegliedert (Ausnahmen sind die deutlich kürzeren Kap. 5, 6 und 8), deren erstes den Quellen und Zeugnissen der Wallfahrtsforschung wie Pilgerbriefen, Testamenten, Mirakelbüchern, Rechnungen usw., das zweite Reisen aus Norddeutschland nach Santiago de Compostela, etwa des Lübecker Krämers Hinrik Dunkelgud und seines Kompagnons Hans Sledorn 1479 oder einer fiktiven Gräfin aus Schweden 1520/1521, und das dritte Reisen aus Norddeutschland nach Rom, z. B. des Lüneburger Bürgermeisters Albert van der Molen 1453/1454, Herzog Johanns IV. von Sachsen-Lauenburg 1474 oder König Christians I. von Dänemark und seiner Gemahlin Dorothea von Brandenburg 1474/1475 gewidmet ist. Der vierte Abschnitt handelt von Reisen aus Norddeutschland nach Jerusalem, wobei am Beispiel der Fahrt des Braunschweiger Stadtkämmerers Hans Porner 1418/1419 – insgesamt wohl eher überraschend – Protestanten als Jerusalempilger, Pilgertätowierungen im Heiligen Land, spannend, exotisch, angesichts der aktuellen allgemeinen Tattoo-Begeisterung auch irgendwie aktuell, und anderes mehr thematisiert werden. Die Rheinische Wallfahrtslandschaft mit dem Pilgerdreieck Aachen, Maastricht und Köln kommt fünftens zur Sprache, gefolgt von sechstens den großen Wallfahrten im Nordosten des Reiches, Wilsnack und Sternberg. Im siebten Kapitel sind Zeugnisse ehemaliger Wallfahrtskirchen in Norddeutschland wie Nikolausberg bei Göttingen, das Kloster Marienwohlde bei Mölln oder das Hildesheimer Kloster St. Michael versammelt. Auch werden von Ahrensbök bis Windbergen spätmittelalterliche Wallfahrten nördlich der Elbe vorgestellt. Um den vergessenen Heiligenkult des St. Hulpe kreisen die Ausführungen in Kap. 8, wonach neuntens das Ende der Wallfahrten im Reformationszeitalter abgehandelt wird. Zehntens und letztens folgt der Katalog zum bereits erwähnten Stader Pilgerzeichenfund. Ein Anhang mit ausführlicher, lobenswert vollständiger Bibliografie, Bildnachweisen, Verzeichnis der beteiligten, im Inhaltsverzeichnis, wiewohl mehr als verdient, leider nicht eigens namentlich ausgewiesenen Autorinnen und Autoren, Dankesworten, Impressum und Aufstellung der Leihgeber und Leihgeberinnen beschließt den Begleitbd. im eigentlichen Sinne. Der Bd. ist übersichtlich und, wie gesagt, mit eindrucksvollen, meist farbigen Illustrationen und Karten überaus ansprechend gestaltet; die Texte sind ausnahmslos akkurat redigiert, sodass einzelne Fehler kaum der Erwähnung wert sind (z. B. Wal(!)fahrtskirchen auf S. 24, Hin-sicht mitten in der Zeile auf S. 25, Nennung der Anm. 82 auf S. 385, deren Text erst auf der umzublätternden Folgeseite steht). Der Inhalt der verschiedenen Beiträge, die im Fall der zwei eröffnenden Aufsätze einen Anmerkungsapparat und sonst jeweils am Schluss eine kurze Bibliografie zum Thema aufweisen, entspricht qualitativ dem imposanten Erscheinungsbild, sodass die zu Beginn abgedruckte Vorhersage Heike Düselders und Sebastian Möllers’ mit Sicherheit eintreten wird: „Der umfangreiche und reich bebilderte Katalog wird langfristig den Forschungsstand zum mittelalterlichen Wallfahrtswesen in Norddeutschland prägen und eine wichtige Ergänzung zu den Forschungen in anderen Regionen darstellen.“ (S. 13) Hier wurde in nachhaltiger Weise wirkliche und wichtige Grundlagenarbeit geleistet, wie es beileibe nicht bei jedem Ausstellungsvorhaben passiert! Dazu ist allen Beteiligten, insbesondere natürlich Hartmut Kühne, aufrichtig zu gratulieren. Ihnen ist es gelungen, aus einem bisher nahezu weißen Fleck der norddeutschen kirchen- und frömmigkeitsgeschichtlichen Vergangenheit ein überzeugendes Bild mit vielen farbigen, nunmehr festen Konturen zu zeichnen. Aus der Perspektive des schleswig-holsteinischen Regionalhistorikers, der sich auch schon einmal mit dem Kloster- und Stiftswesen nördlich der Elbe befasst hat, wurde in den einzelnen Beiträgen vieles in neuem Licht beleuchtet und gar manches Neue über Orte, Wege und Zeichen des vergangenen Wallfahrtswesens vermittelt, er konnte in jeder Hinsicht aber von der Lektüre des äußerst facettenreichen Bd. profitieren. Dass hier und da durchaus noch zu ergänzen ist, wie z. B. – bestimmt marginal – die Tatsache, dass auch der als Reliquie hoch verehrte Ohrenschmalz Mariens zur Rolle Bordesholms als Wallfahrtsort beigetragen hat, was im Text unerwähnt bleibt (zu S. 385), oder dass natürlich noch weitere wichtige norddeutsche Pilgerfahrten hätten angesprochen werden dürfen – man denke nur an die berühmte und hervorragend überlieferte Fahrt Herzog Bogislaws X. von Pommern nach Rom und Jerusalem – liegt in der Natur der Sache. Angesichts dieses positiven Fazits und in Anbetracht des erschwinglichen Preises kann man den Bd. wirklich nur zum Erwerb und zum eingehenden Studium empfehlen.

Oliver Auge

Michael Matheus/Rainer C. Schwinges (Hg.), Studieren im Rom der Renaissance, Zürich (vdf) 2020 (Repertorium Academicum Germanicum RAG. Forschungen 3), 254 S., Abb., ISBN 978-3-7281-3994-8, eBook open access, DOI: 10.3218/3994-8.

Der von Michael Matheus und Rainer Christoph Schwinges herausgegebene Sammelbd. geht auf eine Tagung zurück, die 2012 am Deutschen Historischen Institut in Rom stattfand. Thema ist der Studien- und Promotionsort Rom, dem die Autorinnen und Autoren anhand von vorwiegend prosopographischen und biografischen Fallstudien nachgehen. Den zeitlichen Rahmen gibt der Renaissance-Begriff vor, der hier – wie in der Geschichtsschreibung der Stadt Rom üblich – das 15. Jh. sowie das beginnende 16. Jh. bis zum Sacco di Roma (1527) beschreibt. Erklärtes Ziel ist, den „lange unterschätzten Studienort Rom ins rechte Licht zu rücken“. Der Bd. enthält acht Beiträge, von denen sechs deutsch- und zwei italienischsprachig sind. Zu bedauern ist, dass sich u. a. der Tagungsbeitrag von Carla Frova zu den cisalpinen Studenten in Rom nicht wiederfindet, da neben den ultramontanen zwar die stadtrömischen Studenten behandelt werden (Anna Modigliani), weitere Studenten der italienischen Halbinsel aber nur am Rande Thema sind (Andreas Rehberg/Anna Esposito). Eine Gesamtschau, für die zusätzlich eine Erweiterung auf den französischen und spanischen Raum interessant wäre, ist allerdings auch nicht der Anspruch. Die Einleitung von Michael Matheus geht weit über eine Hinführung zum Thema hinaus und liefert eine Analyse der Quellenlage sowie eine grundlegende Standortbestimmung der Forschung. Zugleich bietet sie einen Überblick über die beiden römischen Universitäten, das Promotionswesen sowie das gelehrte Leben in der Stadt und resümiert auf diese Weise auch die Ergebnisse des Bd. Es finden sich im Folgenden zwei Beiträge zu verschiedenen Herkunftsgruppen: Marek Daniel Kowalski trägt eine Untersuchung zu polnischen Studenten in der zweiten Hälfte des 15. Jh. bei. Insbesondere dank der Erweiterung um die kurialen Quellen kann er den Eindruck der älteren Studie von Henryk Barycz, Rom sei in erster Linie ein Ort der schnellen Promotionen, relativieren. Suse Andresen und Rainer Christoph Schwinges widmen sich den Studierenden aus dem Reich und nutzen dafür die Daten des RAG, das, obwohl Italienstudierende nicht systematisch erfasst wurden, eine beachtliche Anzahl „Romgelehrter“ enthält. Ein konkreter Einfluss des Romaufenthalts auf den nachfolgenden Lebensweg ist, wie schon für die polnischen Studenten, nur sehr bedingt feststellbar. Diesen prosopographischen Beiträgen sind Einzelfallstudien zur Seite gestellt, die das Bild der Studenten aus dem Reich ergänzen. Paul Sebastian Moos nimmt mit einer erkenntnisreichen Analyse von Briefen und kurialer Registerüberlieferung Johannes Regiomontanus’ Romaufenthalt sowie dessen personelles Netzwerk vor Ort in den Blick. Michael Matheus geht dem römischen Studienort am Beispiel der prominenten Studenten Ulrich von Hutten und Wilhelm von Enckenvoirt nach und weist auf weitere ultramontane Studierende aus deren Umfeld hin. Er kann zudem zeigen, dass die kurialen Promotionsverfahren zwar verkürzt waren, es aber keinen Anlass gibt, von einem geringeren Niveau der Prüfungen auszugehen. Besonders hervorzuheben ist der Beitrag von Andreas Rehberg, der dem im Bd. zentralen Thema der außeruniversitär verliehenen Doktorgrade auf den Grund geht. Mithilfe der kurialen Registerüberlieferung bietet er eine (auch prosopographische) Analyse der päpstlichen Hofpfalzgrafen mit Promotionsvollmacht im 15. und beginnenden 16. Jh. Anhand der Notariatsüberlieferung fördert er außerdem eine Reihe durch zwei Hofpfalzgrafen verliehene Doktorpromotionen zu Tage. Abgerundet wird der Bd. durch zwei italienische Beiträge, die das Bild um das studentische Leben in der Stadt erweitern. Anna Esposito nimmt die Kollegien Capranica und Nardini ins Visier und kann nicht nur Namen vieler Kollegiaten ausfindig machen, die anders als bei der Gründung beabsichtigt keineswegs vorwiegend Römer waren, sondern auch Hinweise auf deren studentischen Alltag liefern. Anna Modigliani richtet den Fokus auf die stadtrömischen Bürger. Durch die Untersuchung von Inventarlisten stellt sie fest, dass Buchbesitz unter diesen wenig verbreitet war. Während die humanistischen Schulen Roms einen ausgezeichneten Ruf genossen, zogen die Römer zum Universitätsbesuch zudem eher in die norditalienischen Städte. Wie in der Reihe üblich, steht der Bd. als eBook zum freien Download zur Verfügung. Auf einen Anhang wird, abgesehen von einem Verzeichnis der Autorinnen und Autoren, verzichtet. Für ein personengeschichtlich so reiches Buch wäre ein Namensregister sicher wünschenswert gewesen. Insgesamt leistet der Bd. zweifellos einen bedeutenden Beitrag zur Erforschung Roms als Studienort, gibt für deren Fortführung wichtige Impulse und zeigt das Potenzial unterschiedlichen Quellenmaterials. Die zahlreichen zu Tage geförderten Namen Studierender sowie Erkenntnisse zu übergeordneten Fragen wie jene der Promotionen lassen sich auch als Ermutigung lesen, vor Quellenmangel nicht zurückzuschrecken, sondern den Blick für andere Quellengattungen zu weiten und die Grundlagenforschung voranzutreiben.

Lotte Kosthorst

Antonella Barzazi/Michela Catto/Dainora Pociūtė (a cura di), Eretici e dissidenti tra Europa occidentale e orientale: secoli XVI–XVIII, Padova (Padova University Press) 2018 (Collana del Dipartimento di Scienze Politiche, Giuridiche e Studi Internazionali 5), 216 pp., ISBN 978-88-6938-144-7, € 20.

Il volume pubblica gli atti di un seminario tenuto presso l’Università di Vilna nel settembre del 2016 e consta di nove saggi preceduti da una breve introduzione delle curatrici (pp. 9–12) e seguiti da un indice dei nomi e degli autori citati (pp. 205–216). Oggetti della raccolta – che spazia dal XVI al XVIII secolo e copre svariate realtà geografiche – sono le „categorie di eresia e dissenso“, la „loro applicazione nei diversi contesti europei“, la „loro capacità di fornire chiavi di lettura di processi centrali della prima età moderna“ (p. 9). Si tratta di categorie difficili, a tratti sfuggenti (anche perché sicuramente contigue, ma non certo equivalenti); il libro purtroppo non prova mai a definirle e purtuttavia ben evidenzia varie complessità connaturate e alle categorie stesse e ai metodi d’indagine divenuti consueti del loro studio. Mi concentrerò su soli tre aspetti. 1) Il primo concerne il rapporto tra singolo e gruppo: se ortodossia è di per sé fenomeno collettivo (cfr. il Battaglia, Grande dizionario della lingua italiana, ad vocem: „adesione piena … a una dottrina religiosa o filosofica … seguiti dalla maggioranza di una comunità, di un popolo“), al contrario eresia e (più ancora) dissenso sono, alla loro nascita, sempre e comunque opzioni individuali; spesso e volentieri però lo rimangono pure in seguito. È assai significativo a questo riguardo che la benemerita „Bibliotheca dissidentium“ fondata e a lungo diretta da André Seguenny è rimasta sostanzialmente fedele negli anni a una trattazione prettamente individuale, anche nei volumi dedicati a esperienze collettive. Ai casi di singoli eretici/dissidenti sono dedicati qui gli interventi di Dainora Pociūtė sul medico padovano Niccolò Buccella (pp. 35–57) e quello, ricco di novità, di Antonella Barzazi su Paolo Sarpi scettico (pp. 119–143), mentre il saggio di Laura Ronchi De Michelis sui dissidenti religiosi russi degli anni ’50 del ’500 (pp. 59–83) mostra assai bene come risulti difficile staccarsi da un approccio biografico anche indagando fenomeni numericamente non minimi. La questione è forse ancora più evidente nell’innovativo lavoro di Guido Mongini (pp. 13–34), volto a mostrare le specificità di un movimento italiano di Riforma – estraneo a Roma quanto a Wittenberg (o Ginevra), autonomo e nelle premesse e negli esiti – ma che è indagabile per davvero solo confrontando singole vicende personali (su Strasburgo, convincentemente posta al centro della vicenda religiosa italiana della prima metà del ’500, tornerò a breve in altra sede). 2) Non fosse altro perché sono di norma i vincitori a scrivere la storia, l’indagine d’eresie e dissenso raramente ha potuto prescindere dallo studio della polemica antiereticale – alle volte prodromica, altre coeva, alla repressione vera e propria – condotta dai rappresentanti di questa o quella ortodossia. È l’approccio che si ritrova nei saggi di Gianvittorio Signorotto sul ruolo della Compagnia di Gesù nel contrastare l’emergere secentesco del quietismo (pp. 107–118); di Franco Motta sulla reazione cattolica al copernicanesimo („eresia mai definita“ eppure, convincentemente, eresia; pp. 145–154); di Michela Catto sull’opposizione delle ortodossie del vecchio continente al convincimento, dovuto all’attività missionaria extraeuropea, del supposto ateismo degli indigeni (pp. 183–201). Anche lo studio di Moreno Bonda sul matematico scozzese John Craig e il suo „calcolo delle probabilità a posteriori da applicare alla valutazione della credibilità delle fonti storiche“ (pp. 155–181) si inserisce in questo solco per il ruolo che ebbe la polemica contro il coevo millenarismo inglese nel favorire tali indagini scientifiche. Fra l’altro, i saggi di Signorotto, Motta e Catto mostrano tutti assai bene l’ambiguità più o meno implicita insita sempre nel discutere le idee sostenute da eretici e dissidenti: quello di far loro da cassa di risonanza (il meccanismo è qui evidenziato dal punto di vista di chi, in teoria, tali idee le avrebbe volute condannare; per vederlo utilizzato anche da qualcuno intenzionato a propagandarle si cfr. Silvana Seidel Menchi, „Spiritualismo radicale nelle opere di Ortensio Lando attorno al 1550“, in: „Archiv für Reformationsgeschichte“ 65 [1974], pp. 210–277, qui 258–260). 3) Per accumunare due (o più) dissidenti in sede d’analisi non basta accertare che costoro credessero la stessa cosa. Lo ricorda assai bene, anche se implicitamente, Gintarė Petuchovaitė (pp. 85–106), che studia l’identificazione del papa con l’anticristo in ambito polacco-lituano (con un’indagine documentata e precisa da integrarsi però con l’apporto degli esuli italiani, Negri e Ochino su tutti: cfr. Henryk Barycz, „Odrodzenie i Reformacja w Polsce 16 [1971]“, pp. 58–64; Jan Ślaski, „Le ‚Tragedie‘ di Bernardino Ochino in Polacco“, in: „Movimenti ereticali in Italia e Polonia 1974“, pp. 103–117). Più che le credenze, sono le azioni a contare; più che la teologia, è l’ecclesiologia. Se una distinzione si può tentare tra dissidenti (secondo l’esempio di Seguenny) ed eretici è che i secondi possono, e forse tendono a, riunirsi in gruppi; che questo sia anche il primo passo per diventare, almeno in potenza, nuova ortodossia, è questione che però esula dal volume.

Federico Zuliani

Père Charles-Pierre Martin, Histoire du couvent royal des Minimes français de la très Sainte Trinité sur le Mont Pincius à Rome, Édition critique par Maria Giovanna Canzanella-Quintaluce, Regestes des actes latins par Benoît Schmitz, Coordination éditoriale de Jean-François Chauvard avec la collaboration de Laurence Beck, Sophie Conte, Sebastiano Roberto et Antonella Romano, Roma (École française de Rome) 2018 (Sources et documents publiés par l’École française de Rome 6), IX, 1234 S., 54 Abb., ISBN 978-2-7283-1208-5, € 80.

Es gibt viele Möglichkeiten, das Rom der Frühen Neuzeit kennenzulernen. Eine Option besteht nun darin, dank der vorliegenden Publikation aus der Perspektive eines französischen Ordensmannes vom Ende dieser Periode auf diese Zeit zu blicken. Mit der kritischen Edition der Klostergeschichte von Charles-Pierre Martin wird ein Manuskript der Wissenschaft zugänglich gemacht, das als eines der wenigen wertvollen Dokumente aus den reichen Archiv- und Bibliotheksbeständen des ehemaligen königlichen Paulanerklosters von Trinità dei Monti in Rom erhalten blieb, nachdem Konvent und Kirche durch die Besetzung französischer Truppen unter General Berthier 1798 irreparable Schäden und Verluste hinnehmen mussten. Der in drei Bücher unterteilte Text beleuchtet aus unterschiedlichen Perspektiven und auf der Grundlage heterogener Quellen 300 Jahre Geschichte der Ordensniederlassung auf dem Pincio beginnend mit der Vision des Francesco di Paola während dessen Romaufenthalts 1484, die der Gründung der Einrichtung voranging, bis zur Aufhebung Ende des 18. Jh. Durch die starke Bindung an die französische Krone wurde der Konvent im 16. und 17. Jh. auch zu einem Ort, der im Zusammenhang mit dem französisch-habsburgischen Antagonismus Bedeutung erlangte (nicht zuletzt durch die unmittelbare Nachbarschaft zur spanischen Botschaft). Verfasst wurde der Text von Charles-Pierre Martin, einem der letzten Paulanerbrüder des römischen Konvents von Trinità dei Monti. Als Senior, der für die Registrierung der Kapitelsbeschlüsse zuständig war, Bibliothekar und Historiker der Ordensniederlassung waren ihm die zentralen Archivalien und Druckwerke bekannt und zugänglich. Die Abfassung der Schrift fällt in die Zeit traumatischer Umbrüche für die Gemeinschaft von Trinità dei Monti (Ende der französischen Monarchie 1792, Verlust der Autonomie 1793, Aufhebung des Konvents und Zuweisung der verbliebenen Mönche an das zwischen Forum und Esquilin gelegene Kloster von San Francesco di Paola ai Monti 1798) und bildet damit auch ein wichtiges zeitgenössisches Dokument für die krisenhafte Zeit am Ausgang des 18. Jh. Dabei war es die Intention des Autors, die Bedeutung des Paulanerkonvents als geistiges und kulturelles Zentrum am Rande der römischen Altstadt gerade in diesen Zeiten, welche die Fundamente der Institution erschütterten, schriftlich zu fixieren und als geistiges Vermächtnis der Nachwelt zu hinterlassen. Der Aufbau folgt einer groben chronologischen Gliederung und behandelt folgende Themen: die Zeit der Gründung mit den Protagonisten Francesco di Paola, Sixtus IV., Ludwig XI. und Karl VIII. von Frankreich, die Förderung durch Kardinal Briçonnet, den französischen Geschäftsträger in Rom Étienne Gueffier und andere, der Bau der Kapellen und der von französischen Künstlern und französischen Ressourcen geschaffenen „spanischen“ Treppe (Buch I), den Konflikt mit der Ordensspitze um die Autonomie der Niederlassung zwischen der Mitte des 16. und der Mitte des 17. Jh., Titelkardinäle und Kardinalsgrablegen, Zerstörungen von 1798 (die Darstellung letzterer als Augenzeugenbericht; Buch II), Biographien berühmter Paulaner des Konvents, die wegen ihres karitativen (z. B. Versorgung der Kranken und Bedürftigen durch die Klosterapotheke durch Charles Plumier) bzw. theologischen (Beichtväter der Päpste) oder wissenschaftlichen Profils Berühmtheit erlangten wie der Mystiker Étienne Justice, die Mathematiker Maignan und Niceron (Anamorphosen), der Physiker Le Seur oder der Numismatiker Magnan (Buch III). Das Dokument präsentiert sich gattungsspezifisch als eine Mischung aus annalistischem Geschichtswerk, Biographie, Hagiographie und Handbuch (Sammlung von Inschriften und juristischen Texten). Die Publikation, die neben der Edition des gesamten Textes einführende Beiträge zum Autor und seinem wissenschaftlich-kulturellen Umfeld enthält, ist das Ergebnis der Zusammenarbeit mehrerer Personen unter der Regie von Jean-François Chauvard: Sebastiano Roberto (Biographie von Père Martin), Antonella Romano (Beitrag zur Pflege der Wissenschaften in Trinità dei Monti), Laurence Beck und Sophie Conte (Übersetzung der kürzeren lateinischen Zitate), Benoît Schmitz (detaillierte Inhaltsangaben der lateinischen Dokumente). Die Hauptlast lag freilich bei Maria Giovanna Canzanella-Quintaluce (Transkription, Kommentierung, Indices, Rekonstruktion der von Père Martin benutzten Quellengrundlage). Der komplexen Natur der Quelle mit ihrem Wechsel von französischen und lateinischen Passagen wurde bei der Edition Rechnung getragen. Während die kürzeren lateinischen Einschübe in der Edition auch übersetzt erscheinen, finden sich im Anhang für die ca. 60 längeren lateinischen Dokumente Regesten und im gegebenen Fall auch die Drucknachweise. Die Grabinschriften werden lediglich im lateinischen Wortlaut wiedergegeben (leider mitunter fehlerhaft: S. 747, 794 f.). Das Gesamtregister mit mehr als 3500 Einträgen ist nach Personen und (römischen und extraurbanen) Orten unterteilt. Wer immer sich mit der Geschichte des Paulanerordens und seiner römischen Niederlassung auf dem Pincio, aber auch mit der Geschichte Roms in der Frühen Neuzeit oder der monastischen Gelehrtenwelt und Frömmigkeitspraxis zwischen Renaissance und Aufklärung beschäftigen möchte, sollte diese wichtige Publikation zur Hand nehmen.

Alexander Koller

Giuseppe Mazzanti, Matrimoni post-tridentini. Un dibattito dottrinale fra continuità e cambiamento (secc. XVI–XVIII), Bologna (Bononia University Press) 2020 (Diritto, cultura, società 13), 235 pp., ISBN 978-88-6923-588-7, € 30.

Attraverso un minuzioso scavo documentario il testo mette in discussione l’idea, fino a oggi radicata nella storiografia, che il decreto De reformatione matrimonii, emanato dal Concilio di Trento l’11 novembre 1563, abbia avuto una capillare diffusione in tutti i territori sottoposti alla giurisdizione romano-cattolica, e che abbia uniformato ai propri principi le preesistenti forme di celebrazione del matrimonio. Sulla base di una scrupolosa analisi del dibattito dottrinale e giuridico del tempo, l’autore ritiene al contrario che il valore di decisiva svolta attribuito finora al Tametsi debba essere ridimensionato. La riflessione prodotta da influenti canonisti e teologi tra la fine del XVI e il XVIII secolo mostra infatti che, dopo il 1563, si contraevano matrimoni che, pur non conformi alla lettera del Tametsi, venivano ritenuti giuridicamente validi. La sopravvivenza delle prassi matrimoniali previgenti al decreto è da imputare da una parte al fatto che il Tametsi fu applicato soltanto nei territori in cui era stato pubblicato e recepito e, dall’altra, alla forza della consuetudo loci, variabile secondo il ceto delle famiglie e la tradizione dei luoghi. Quest’ultima si impose certamente sia laddove andò perduta la memoria della pubblicazione del Tametsi, sia quando alla recezione dello stesso seguiva l’oblio e s’instaurava un’usanza ad esso contraria. La continuità con il passato fu favorita nondimeno dal fatto che nel Tametsi erano riconosciuti come essentialia matrimoni soltanto la libera manifestazione del consenso da parte dell’uomo e della donna, e la presenza del parroco e di due testimoni, mentre non era previsto l’obbligo di attenersi agli altri elementi citati. Concepito in questo modo, il decreto lasciava ampio spazio all’interpretazione, soprattutto in riferimento a otto specifiche situazioni liminari, del resto molto frequenti, scrupolosamente indagate da Mazzanti. La prima fattispecie presa in esame attiene al matrimonio presunto. Fino al 1563 la Chiesa aveva ritenuto che gli sponsali (la promessa espressa con i verba de futuro), contratti in presenza di curato e di testimoni e seguiti da copula carnale, potessero mutare in matrimonio valido, poiché l’atto sessuale lasciava presumere che uomo e donna si fossero scambiati il consenso de praesenti. Un’interpretazione simile fu riproposta anche dopo la pubblicazione del decreto. Sul punto si espresse l’autorevole gesuita spagnolo Tomás Sánchez (1550–1610), secondo il quale l’amplesso amoroso costituiva di per sé una manifestazione attuale e sufficiente del mutuo consenso nuziale; pertanto, se l’unione fisica aveva luogo in presenza del curato e dei testi, e se gli stessi avevano in precedenza assistito alla promessa di matrimonio, s’instaurava il vincolo matrimoniale (cap. I). Lo stesso ragionamento si applicò alla solemnis traductio della donna a casa dello sposo: qualora la ductio seguisse gli sponsalia per verba de futuro, era ritenuta sufficiente per contrarre validamente coniugio, poiché essa faceva presumere la consumazione del matrimonio (cap. II). I canonisti si orientarono nel senso della validità anche in merito ai numerosi casi di nubendi che, per superare la resistenza delle famiglie o nascondere gravidanze inattese o legami di consanguineità, si spostavano in un territorio diverso da quello del proprio domicilio per contrarre matrimonio, benché il decreto stabilisse che gli imenei dovessero essere celebrati dal parroco del territorio nel quale si aveva l’abituale domicilio. Potevano quindi contrarre matrimonio nella clandestinità, senza parroco e testimoni, coloro che si spostavano in un territorio in cui il decreto non era entrato in vigore, sia che trasferissero là il domicilio, sia che vi transitassero soltanto. In questo contesto, i giuristi sottolineavano che i peregrini giunti in un nuovo territorio erano tenuti a osservare, in materia di contratti, le norme locali, comprese quelle relative al matrimonio (cap. III). Un altro caso di coniugio legato allo spostamento dei nubendi era quello dei vagi, ovvero coloro che non avevano fissa dimora o che abbandonavano il proprio domicilio per acquisirne uno nuovo. Secondo Sánchez, non rilevava dove si era alloggiati temporaneamente e, finché non si acquisiva una nuova parrocchia, gli erratici potevano rivolgersi a qualunque parroco della diocesi per contrarre matrimonio valido (cap. IV). Neanche lo studio delle nozze di coloro che vivevano nelle terre degli infedeli (prigionieri di guerra, esploratori, commercianti, e le rispettive famiglie) fu trascurato. Data la totale assenza di vescovi, parroci e sacerdoti in quei territori, i matrimonialisti optarono per un’interpretazione secondo epicheia, che consentiva di discostarsi dalla legge in nome dell’applicazione della giustizia nel caso particolare. Si pronunciarono così a favore della validità delle nozze dei cristiani che abitavano in partibus infidelium, assente il parroco ed eventualmente anche i testi (cap. V). Sulla base del principio di epicheia fu chiarito anche il caso del matrimonio in articulo mortis o urgente necessitate. Considerare irrite le nozze del moribondo che, senza attenersi alle formalità previste dal decreto, sposava la concubina per legittimare i figli e conquistare la salvezza spirituale, andava contro la carità umana (cap. VI). Sulla base della stessa ratio, secondo cui la Chiesa non richiedeva la stretta osservanza delle sue leggi quando tale osservanza comportasse un grave danno per i fedeli, si ammetteva una forma straordinaria di coniugio quando lo stesso, celebrato davanti al parroco, all’ordinario o al vescovo, costituiva un serio pericolo di vita per i nubendi (cap. VII). Teologi e canonisti convenivano infine sulla validità dei matrimoni celebrati davanti a parroci costretti a garantire la propria presenza, benché la violenza nei loro confronti fosse stigmatizzata come gravemente peccaminosa (cap. VIII). Dopo il 1563, tutti i cristiani poterono continuare a sposarsi secondo le forme della tradizione tardo-medievale. La mancata pubblicazione del decreto in molte parrocchie e in diversi Paesi d’Europa, la limitazione degli essentialia matrimonii, il fatto che si potesse ancora esprimere il consenso come in passato, eventualmente in forme non verbali delle quali la comunità era in grado di intendere il senso, furono tutti „importanti fattori nel senso della continuità in un quadro decisamente conservativo dell’esistente“ (p. 222). Nonostante le declarationes della Sacra Congregazione del Concilio e la presenza di interpretazioni rigoriste del decreto, come quella di Pedro de Ledesma (1550 ca.–1616), la giurisprudenza adottò la linea della validità, fondata sullo ius communis, depotenziando in maniera evidente la portata innovativa del decreto.

Alessandra Quaranta

Carolyn James, A Renaissance Marriage. The Political and Personal Alliance of Isabella d’Este & Francesco Gonzaga, 1490–1519, Oxford (Oxford University Press) 2020, XVI, 204 S., Abb., ISBN 978-0-19-968121-1, GBP 60.

Carolyn James untersucht die Sicht der Akteure auf Geschlechterrollen und normkonforme oder normüberschreitende Handlungen in ihrem politischen und persönlichen Kontext. Vorrangig arbeitet Carolyn James mit Korrespondenzquellen. Die Monographie zum Herrscherpaar Francesco Gonzaga und Isabella d’Este nimmt starken Bezug auf die Arbeit von Sarah Cockram, „Isabella d’Este and Francesco Gonzaga. Power Sharing at the Italian Renaissance Court“, London-New York 2013, die sich ebenfalls mit dem Herrscherpaar auseinandersetzte und es als Arbeitspaar analysierte. Carolyn James rezensierte Sarah Cockrams Arbeit in „Gender & History“ 27,1 (2015), S. 213 f. und monierte die ihres Erachtens nach schwierige Verwendung des Terminus „Renaissance“ im Untertitel bei einer Einzelfallstudie. Diesen Terminus verwendet Carolyn James ebenfalls für ihre Analyse dieses ehelichen Arbeitspaares. Im Gegensatz zu Sarah Cockrams Studie nutzt Carolyn James wenige, ausgewählte Korrespondenzquellen aus dem mantuanischen Archiv, ergänzt diese jedoch mit Akten aus Modena. Sie füllt eine von Sarah Cockram benannte Forschungslücke, indem sie das dynastische Umfeld der Eheleute bei der Analyse berücksichtigt. Carolyn James geht bei der Geschichte einer politischen Ehe und der sich fortlaufend entwickelnden persönlichen Beziehung der Partner und dem selbst reflektierten Wandel ihrer Geschlechterrollen chronologisch vor. Die acht Kapitel sind nach Phasen der Ehebeziehung voneinander abgesondert. Im ersten Kapitel „Betrothal“, wird die Verlobung der beiden Adligen und erste Treffen in Vorbereitung der Ehe benannt. Das zweite Kapitel „Building a Spousal Relationship“ thematisiert, wie beide Partner beginnen, sich als Ehepartner wahrzunehmen, und den unterschiedlichen Umgang mit der an sie gestellten Erwartung der Geburt eines Erben. Das dritte Kapitel „The Crafting of Identity and the Division of Political Labour“ zeigt auf, wie beide Partner sich in ihren Zuständigkeiten als Herrscherpaar geschlechterrollenkonform oder diese modellierend präsentierten. Im folgenden Kapitel „Parallel Aspirations“ zeigt Carolyn James die Zusammenarbeit beider Akteure in ihren jeweiligen Bereichen – Francesco im Militär, Isabella in der Diplomatie – während der ersten französischen Invasion der Italienischen Kriege auf. „Risk-Taking and Risk Management“ führt vor Augen, wie Isabellas „männlich“ konnotiertes rationales Agieren Francescos unberechenbare Winkelzüge im Krieg kompensieren konnte. Das Kapitel „Parenthood and Politics“ zeigt auf, wie die Eltern entgegen der bisherigen Forschungsposition eine emotional enge Verbindung zu ihren Kindern aufnahmen, und wie das gemeinsame Großziehen der Kinder die Eheleute in ihrer Beziehung stärkte. In „Years of Crisis“ umschreibt Carolyn James wiederum Probleme als Arbeitspaar, da die fortlaufende Erkrankung und Gefangennahme Francesco Gonzagas die Handlungsmöglichkeiten einschränkte. Zum einen räumte dies Isabella mehr Handlungsmacht ein, zum anderen mehrte sich jedoch der Widerstand anderer Akteure deutlich. Im letzten Kapitel „A Mind of Her Own“ wird angesichts des sich abzeichnenden Todes Francesco Gonzagas Isabellas Loslösung aus dem ehelichen Arbeitspaar thematisiert. Der Aufbau zur Erarbeitung der emotionalen Entwicklung der Eheleute und wie diese von den politischen und persönlichen Begebenheiten gezwungen sind, mit den an sie gerichteten Geschlechternormen als Herrscherpaar zu spielen, ist gut nachvollziehbar. Carolyn James erarbeitet das Ehepaar als politische Akteure in ihrer Beziehung zueinander vor den zeitgenössischen Rollenvorstellungen. Sie positioniert sie in ihren dynastischen Rollen als Vertreter ihrer Ursprungsdynastien und macht in den entsprechenden Kapiteln deutlich, welcher Motivation folgend die Eheleute agieren. Sie argumentiert quellennah und reflektiert mit den veränderten Aufgaben und Problemstellungen im Laufe des Ehelebens der Marchese, und schildert dabei kenntnisreich die jeweilige Bedrohung und Handlungsrahmen durch die italienischen Kriege. Es ist erfreulich, dass Carolyn James mit dem Ziel, die persönliche Beziehung des Herrscherpaares herauszuarbeiten, auch Anekdoten aus der langen Verlobungszeit des Paares erwähnt. So wird die historiographisch oft vernachlässigte Kindheitsforschung und die Sozialisation in der Jugend thematisiert. Dieser klar gegliederten, logisch argumentierten Studie fehlen nach Ansicht der Rezensentin ergänzende Abb., da besonders im dritten Kapitel die Kunstpatronage beider Akteure zur Untersuchung ihres Rollenverständnisses herangezogen wird. Carolyn James kann zeigen, wie beide Akteure ihr Handeln in Auseinandersetzung mit weiblichen und männlichen Rollenmustern adaptierten und dies reflektierten. Letztendlich eine lesenswerte Studie, die kenntnisreich den psychologischen Moment der Beziehung der Eheleute vor dem politischen und gesellschaftlichen Hintergrund analysiert und einen Beitrag zur Emotionsgeschichtsschreibung leistet.

Cathérine Annette Ludwig-Ockenfels

Monika Frenzel/Christian Gepp/Markus Wimmer (Hg.), Maximilian I. Aufbruch in die Neuzeit, Innsbruck (Haymon Verlag) 2019, 296 S., Abb., ISBN 978-3-7099-3462-3, € 29,90.

Aus einer Vielzahl der Publikationen, die anlässlich des fünfhundertsten Todestages Kaiser Maximilians I. (12.1.2019) erschienen sind, ist hier der wissenschaftliche Katalog anzuzeigen, der als Begleitbd. zu einer Ausstellung in der Innsbrucker Hofburg mit dem prägnanten Titel „Aufbruch in die Neuzeit“ erschienen ist. Der Katalogteil dokumentiert die in 22 thematische Räume gegliederte Ausstellung mit Katalogbeiträgen und vielen Farbabb. (S. 141–287). Vorgeschaltet sind 23 wissenschaftliche Kurzaufsätze im Umfang von je 4 bis 7 Seiten, die einen Schwerpunkt auf Innsbruck, Tirol sowie das Themenfeld Kunst und Kultur legen und bei deren Verfassung auch Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern eine Chance zur Autorschaft gegeben wurde. In dieser Dimensionierung wird der Katalog seinem Zweck als erstem Zugriff und historischer Orientierung der Museumsbesucher gerecht und liefert wissenschaftliche Novität vor allem in lokaler Hinsicht (etwa zur Baugeschichte der Hofburg von Nicole Riegel, Petra Mayrhofer, Reinhard Munzel und Markus Wimmer). Die meisten Beiträge sind kurze, solide Zusammenfassungen des Forschungsstandes mit Einführungscharakter, wobei man sich oft eine stärkere Fokussierung auf die Leitfrage der Ausstellung gewünscht hätte. Mit Blick auf die weiteren Dimensionen des großen Themas sowie die Italienforschung hervorzuheben sind hier insbesondere der elegante einführende Beitrag des Maximilian-Experten Manfred Hollegger, der mit Überblick und gleichzeitig großer Quellennähe diese Herrscherpersönlichkeit in einer „beschleunigten Zeit“ (S. 13) vorstellt, ferner die Beiträge zu Bianca Maria Sforza von Christina Antenhofer (S. 62–68), die mit ihrer Auswertung des Brautschatzinventars einen Vorgeschmack auf ihre 2014 eingereichte, nun im Erscheinen befindliche Habilitationsschrift gibt, sowie von Christina Lutter (S. 69–73), die die Gemahlin Maximilians unter Aspekten weiblicher Herrschaft neu bewertet, und schließlich der Beitrag von Alexander Koller, der ein prägnantes Panorama der Papst-Kaiser-Beziehungen um 1500 entwirft und zeigt, wie Maximilians Verhältnis zu Innozenz VIII., Alexander VI., Julius II. und Leo X. „über weite Strecken von gegenseitigem Misstrauen geprägt und eher von politischem Kalkül als religiösen Erwägungen geleitet (war)“ (S. 120–127, hier S. 120).

Tobias Daniels

Heinz Schilling, Karl V. Der Kaiser, dem die Welt zerbrach, München (C. H. Beck) 2020, 457 S., 3 Karten, 40 Abb., ISBN 978-3-406-74899-8, € 29,95.

Die vorliegende Biographie reiht sich ein in eine große (vor allem deutsche) Forschungstradition (Brandi, Kohler, Schulin), möchte aber auch die beiden Werke des Vf. („Martin Luther“, 2016; „1517: Weltgeschichte eines Jahres“, 2017) zu einer Trilogie ergänzen, wodurch gleichzeitig die Zentralität der Reformation und der Konfessionalisierung Europas für die Biographie des zweiten habsburgischen Kaisers der Frühen Neuzeit unterstrichen wird. „Glückliche Todesfälle“ (S. 17) hatten Karl ein Weltreich in den Schoß gelegt, hinzu kam die höchste säkulare Würde in Europa, das Kaisertum, welches Karl bekanntlich nicht auf dem Erbwege, sondern durch Wahl erhielt, wobei für die Entscheidung des Kurkollegiums zugunsten des Habsburgers eher das Ansehen Maximilians I. sowie die allgemeine Stimmung und nicht so sehr – wie oft behauptet – Bestechung der Wahlmänner den Ausschlag gegeben habe, so Schilling (S. 96). Nachdrücklich unterstreicht der Vf., welch große Bedeutung das burgundische Erbe für das Selbstverständnis Karls (auch für die persönliche Religiosität, S. 135) zeitlebens hatte, etwa bei der Schilderung des Zeremoniells nach dem Ableben des Vaters 1507 (S. 51), wie auch bei der gut 40 Jahre später erfolgten Umbettung der sterblichen Überreste seines Urgroßvaters Karls des Kühnen wohl in die Kathedrale St. Donaas von Brügge. Dort stiftete der Kaiser darüber hinaus an einem weiteren symbolträchtigen Sakralbau ein Grabmal (Kenotaph) für den letzten Burgunderherzog, wodurch nunmehr in Brügge die drei Generationen, die dem Kaiser vorangingen, mit Karl, Maria von Burgund und Philipp dem Schönen repräsentiert waren und so ein burgundisch-habsburgischer Erinnerungsort entstand (S. 27). Wie nicht anders zu erwarten, weist aber auch diese Biographie Karls V. einen starken Italienbezug auf, zum einen wegen des auf der Apennin-Halbinsel ausgetragenen zentralen politischen Antagonismus zwischen Karl V. und Frankreich und zum anderen wegen der konfessionellen Frage und des damit verbundenen Anliegens einer (auf einem Konzil zu behandelnden) Reform der Kirche, die Karl nur im Verein mit Rom zu lösen bereit war. Bei aller Loyalität Karls zum römischen Stuhl (für ihn war eine religiös-kirchliche Erneuerung nur im Rahmen der römischen Papstkirche denkbar, S. 131) gestaltete sich dabei das Verhältnis zwischen dem Kaiser und den Päpsten als überwiegend angespannt (Kap. 7), nicht zuletzt bedingt durch das lange folgenreiche Trauma von 1527 (S. 168) und wegen der komplexen weltlich-geistlichen Doppelnatur der päpstlichen Amtsträger, die lange Zeit säkularen gegenüber religiösen Erwägungen in ihrer Politik den Vorzug gaben (S. 177). Durch eine souveräne Kenntnis der Quellen und der Fachliteratur und aus der Perspektive des Forschers, der sich jahrzehntelang intensiv mit Fragen der Konfessionalisierung befasst hat, gelingt dem Vf. eine magistrale Studie, die gerade die menschlichen Facetten seines Protagonisten herauszuarbeiten vermag (v. a. bei den Kapiteln zu den Abdankungsriten und zum Rückzug nach Yuste und der Vorbereitung auf den Tod) und ihn konfessionell und religiös neu zu bewerten versucht (S. 135, 365–371). Mit dieser faszinierenden Lebensbeschreibung (mit überzeugenden Teilinterpretationen etwa S. 348 zum Machtverzicht, S. 381 zu dem für Karl „negativen“ biologischen Zufall des Todes von Maria I. Tudor und den damit verbundenen machtpolitischen Folgen) charakterisiert Schilling Karl V. als Schlüsselfigur der anbrechenden Neuzeit, wie sie nicht zuletzt in dem für die Zeitgenossen unerhörten, aus heutiger Sicht modern anmutenden Rückzug aus allen Herrschaften (Vergleich mit dem Rücktritt Benedikts XVI. 2013, S. 11) hervortritt, und regt an, über Karl V. im gesellschaftlichen Kontext des 21. Jh. neu zu reflektieren (v. a. im Zusammenhang mit der Kaiseridee und der „europäischen“ Dimension der kaiserlichen Politik, u. a. S. 140 f.).

Alexander Koller

Lutero 500 anni dopo. Una rilettura della Riforma luterana nel suo contesto storico ed ecclesiale. Raccolta di studi in occasione del V centenario (1517–2017), a cura di Gert Melville e Josep Ignasi Saranyana Closa, Città del Vaticano (Libreria Editrice Vaticana) 2019 (Pontificio Comitato di Scienze Storiche. Atti e documenti/Ecclesia Catholica/Consilium de Scientiis Historicis 51), VII, 450 pp., ill., ISBN 978-88-266-0323-0, € 26.

Questo libro può essere definito, senza enfasi, una pietra miliare nel cammino ecumenico intrapreso dalla Chiesa cattolica e dalla Chiesa luterana per sanare la rottura dell’unità cristiana avvenuta con la Riforma protestante. Un primo, fondamentale passo in questa direzione è stato rappresentato dall’incontro di Papa Francesco e di Munib A. Younan, presidente della Federazione luterana mondiale, a Lund il 31 ottobre 2016 per commemorare il 500esimo anniversario della Riforma di Martin Lutero, conclusosi con il comune auspicio di superare gli ostacoli alla comprensione reciproca. Il convegno promosso dal Pontificio comitato di scienze storiche, i cui atti sono raccolti nel volume, ne costituisce un altro, e di larga falcata, per il suo intento di analizzare la Riforma nel contesto storico ed ecclesiale del XVI secolo, sostituendo alla retorica dell’ideologia e della propaganda, la scabra ma solida concretezza del dato storico. Seppur non esente da interpretazioni, la ricerca scientifica è, con le parole del Presidente del Comitato, Bernard Ardura, „l’unico modo per andare alla ricerca della verità“; in questo caso, anche per costruire su basi salde la casa comune dei cristiani. Consonante il parere espresso dal segretario di Stato della Santa Sede, card. Pietro Parolin, nell’inaugurare il convegno. L’articolazione del volume ne rispecchia appieno il fine, per l’orizzonte dei temi, per le riflessioni storiografiche ed ecclesiali, per la dimensione internazionale. Nei contributi, in cinque lingue, la Riforma luterana è esaminata nella sua realtà storica. Le indagini mirano a metterne in luce sia l’origine e l’identità dottrinale, anche con un confronto con posizioni riformatrici interne alla Chiesa, sia le condizioni politiche del Sacro romano impero germanico in cui si sviluppò sia le reazioni al suo messaggio in vari paesi. Oltre la storia, la storiografia, con interventi nel dibattito sulle discusse categorie di Vorreformation e di Riforma cattolica. Infine, a completamento, una tavola rotonda ecumenica, dedicata alle „prospettive di incontro e di incrocio di due vie separate“, animata da autorevoli ecclesiastici e giornalisti di entrambe le Chiese. L’interesse dei saggi emerge dalla pur sintetica illustrazione di temi e problemi qui effettuata, nell’impossibilità di dar conto nel dettaglio dei singoli testi. Che il pensiero luterano sia debitore della tradizione religiosa medievale è ormai assodato, malgrado gli sviluppi originali che vi impresse, divenendo, secondo la bella definizione di R. H. Bainton, „un uomo del Medioevo che aprì l’età moderna“ („La Riforma protestante“, p. 36). Attestano tale eredità anche i contributi di Rob Faesen e Mirko Breitenstein, dedicati rispettivamente alla dottrina della Devotio moderna („Tentamen vitae contemplativae in actione“) e all’influenza di Bernardo di Chiaravalle sulla nozione luterana di coscienza. Dietrich Korsch, partendo dall’assunto che Lutero „war kein Heiliger“ (p. 15), si concentra invece sul farsi dell’uomo e del teologo attraverso il confronto con questioni cruciali nella visione cristiana quali la libertà e la Trinità. Quello del processo teologico formativo del riformatore, dietro la spinta di istanze interiori e di influenze esterne, è problema affrontato anche da Berndt Hamm, nel saggio intitolato appunto „Verinnerlichung und Aussenorienterung: Luthers reformatorische Neuorientierung bis 1518“, che arricchisce recenti studi (ad esempio, di Adriano Prosperi). Lutero partecipò al coro di vescovi e di esponenti degli ordini religiosi che invocavano allora il rinnovamento della Chiesa e che cercarono di attuarlo secondo vari orientamenti, ma nel complesso con risultati spesso parziali e disomogenei a causa del loro isolamento, come nota B. Ardura analizzando l’opera riformatrice dei vescovi Guillaume Briçonnet e Matteo Giberti, del cardinale spagnolo Francisco Ximénes de Cisneros, del benedettino di Santa Giusta da Padova Ludovico Balbo e di altri ecclesiastici in Sassonia, Boemia, Inghilterra. La presenza di queste voci ha posto agli storici il problema dell’esistenza di un moto di riforma interno alla Chiesa, precedente e coevo alla Riforma protestante. Particolarmente influenti furono le risposte fornite dai grandi studiosi tedeschi Joseph Lortz e Hubert Jedin, rispettivamente autori, tra le altre, delle innovative opere „Die Reformation in Deutschland“ (1939–1940, 2 voll.) e „Geschichte des Konzils von Trient“ (1949–1975, 4 voll.); Jedin definì nella sua storia il paradigma interpretativo della Controriforma come risposta alla Riforma protestante e della Riforma cattolica come moto spirituale interno alla Chiesa, poi riproposto in un fortunato libretto, dal titolo „Katholische Reformation oder Gegenreformation“ (1946). La questione è ancora molto dibattuta in ambito storiografico per la sua importanza nella valutazione dell’intero corso storico della Chiesa in quel secolo cruciale e, più in generale, del ruolo della Controriforma nella storia dell’Italia, con letture anche molto divergenti rispetto a quella jediniana, ad opera in primis di Massimo Firpo. Sulla discussione in atto riferisce Alain Tallon, per concludere che la sua dimensione utopica „ne doit pour autant conduire à discréditer le concept de Réforme catholique“ (p. 41); Johannes Grohe illustra le posizioni „tradizionali“ e il loro persistente valore euristico. Il messaggio luterano ebbe una rapida e ampia diffusione in Europa, mentre le reazioni di condanna non furono sempre celeri da parte delle istituzioni cattoliche (Chiesa e Università) o comunque non lo furono in modo omogeneo, a causa delle peculiari situazioni nazionali – in Italia le risposte furono più lente per l’iniziale pervasività del movimento e la passività della Curia, così come in Francia per politica adottata da Francesco I malgrado la condanna della Sorbona, più drastiche in Spagna, dove la penetrazione fu più circoscritta anche per l’occhiuta sorveglianza dell’Inquisizione ecc. Nel complesso, i giudizi contro Lutero furono però molto duri e, sedimentandosi, dettero vita a durevoli tradizioni interpretative di carattere ideologico. All’approfondimento di questi aspetti sono dedicati i testi di Davis Abadias Aurin sulla ricezione e percezione di Lutero in Spagna e di Alicia Mayer nel Messico, di Matteo Al Kalak in Italia, di Bernard Dompier in Francia; sulla risposta della Corona francese getta luce anche il saggio di Jean-Louis Cazzaniga, dedicato al Concordato di Bologna stipulato tra la Francia e la Santa Sede nel 1516. La peculiare risposta data da Lutero alla diffusa esigenza di rinnovamento, sfociata nella Riforma protestante, ottenne un esito positivo anche per la congiuntura storica coeva: quello della ricerca di emancipazione dei principi tedeschi dall’imperatore per la creazione di Stati nazionali, con la conseguente necessità di introiti finanziari, soprattutto quelli tradizionalmente convogliati verso la Santa sede sotto varie forme. Sono note l’importanza cruciale della protezione del riformatore e della sua causa fornita da Federico il saggio, duca di Sassonia, e della campagna di indulgenze promossa nel 1517 da Leone X per risolvere la vicenda del cumulo di benefici da parte di Alberto di Hohenzollern. Le concause politiche ed economiche, tanto della nascita quanto del successo del movimento protestante, sono oggetto dei contributi di Alexander Koller su „I grandi poteri dell’Impero e Lutero“, di Christopher Ocker su „Financial Interests and the Secularization of Church Property“ come pure, in senso più lato, di Enrico Dal Covolo sulla storia delle indulgenze. Per suo conto Lutero, per il precipitare degli eventi – segnatamente la guerra dei contadini in Germania e la Confessione di Augusta –, modificò la propria iniziale concezione dei rapporti tra Chiesa e Stato, basata sull’idea dei „due regni“ („Sull’autorità temporale“, 1523), ponendo la Riforma sotto l’egida del potere politico. Illustrata tale visione, Emmanuel Tawil, analizza la sua ricezione da parte delle Chiese luterane e i punti di convergenza con quella cattolica. Sulla ricerca di una via comune concordano i partecipanti alla tavola rotonda finale. Il cardinal Walter Kasper, facendo propria la definizione di papa Francesco come di „un camminare insieme“, sottolinea la necessità di una „guarigione delle memorie“, ossia di un superamento unitario delle divisioni e dei conflitti che hanno diviso le due Chiese come momento di arricchimento reciproco nel perseguimento dell’unità in Cristo, pur nel rispetto delle differenze. Differenze ridotte al livello di tollerabilità nella „Dichiarazione congiunta sulla giustificazione“ (1999), ma da smussare ancora in vista di un documento sulla Chiesa, eucaristia e ministero nella Chiesa (pp. 393 sg.). Il vescovo luterano Heinrich Bedford-Strohm, richiamandosi alla prima lettera paolina ai Corinzi, sottolinea il valore fondamentale dell’unità dei fedeli in Cristo, nonostante le diverse confessioni („Er ist der Eine und er ist unser Herr“), invitando a fare del 2017 „ein grosses Christusfest“ (p. 397) con l’auspicio che con la celebrazione del cinquecentenario della Confessio augustana nel 2030 sia possibile festeggiare anche l’accordo sull’Eucaristia tra le due Chiese. Su questa linea si pongono anche i giornalisti Jörg Bremer e Andrea Tornielli, insistendo sulla necessità di riscoprire „il battesimo comune di tutti i cristiani“ per realizzare la vera natura di una Ecclesia semper reformanda (pp. 411–421). Con tale spirito riformatore, il professor Serge-Thomas Bonino O. P. si dichiara convinto che „Luther a quelque chose d’essentiel à dire aux catholiques d’aujourd’hui. En particulier sur la manière de se tenir devant Dieu dans la foi“ (p. 404). Un’altra delle affermazioni notevoli contenute in questo libro. La contestualizzazione storica e dottrinale, la comprensione reciproca e la comune volontà ecumenica sembra in conclusione imporsi dopo secoli di anatemi e condanne. Certo questa tensione non dovrebbe tradursi in una diminutio della diversità tra le Chiese cattolica e luterana, valorizzando le continuità piuttosto che le rotture introdotte da Lutero, pena la svalutazione della rivoluzionaria portata storica della Riforma protestante. Questa tendenza è visibile nel volume, forse inevitabilmente dati i sui scopi. Ma può essere superata nell’auspicabile proseguimento di studi storici comuni, che amplino ancora il panorama di riferimento, che presenta qui alcune lacune storiche e storiografiche. La molteplicità dei punti di vista, come già sosteneva Michel de Montaigne, risulta infatti essenziale per la costruzione della nostra identità e per il miglioramento dei rapporti nella comunità umana.

Lucia Felici

Frances Luttikhuizen, Underground Protestantism in Sixteenth Century Spain. A Much Ignored Side of Spanish History, Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 2017 (Refo500 30), 434 pp., ISBN 978-3-525-55110-3, € 89,99.

Il libro di Frances Luttikhuizen offre una sintesi sul complesso fenomeno dell’impatto della Riforma nella Spagna del Cinquecento. Come recita il titolo e come scrive l’autrice nella sua breve introduzione, il tema viene considerato un argomento molto poco frequentato dalla bibliografia sulla Spagna del Siglo de Oro e il libro nasce per ovviare a questa presunta mancanza e soprattutto alla mancanza di libri in inglese sull’argomento. Pensato rigorosamente per un pubblico di lingua inglese, che si suppone non conoscere – e non poter leggere – la vastissima bibliografia scritta invece in spagnolo, francese, italiano, olandese, tedesco, portoghese sull’argomento, il libro offre in effetti un’importante ricompilazione sugli effetti della diffusione delle idee protestanti in Spagna, rendendo disponibili a un pubblico anglofono un’ampia carrellata di personaggi, storie, testi e documentazione inquisitoriale sul tema. Dopo un primo breve capitolo dedicato alla situazione religiosa della Spagna della fine del Quattrocento all’educazione religiosa del „popolaccio“ e, en passant, alla nascita dell’Inquisizione, il libro si apre sulla gigantesca figura di Francisco Jiménez de Cisneros e sul suo straordinario progetto della Bibbia Complutense, uno dei più innovativi e avanzati d’Europa. Francescano, confessore reale e uomo chiave della politica di questi anni, Cisneros è stato primate e poi governatore di Spagna, fondatore dell’Università di Alcalá de Henares, ma anche uomo profondamente intriso di misticismo, vicino al carisma devozionale di beatas e „sante vive“. Alla sua intrigante e contraddittoria figura Marcel Bataillon ha dedicato pagine a tutt’oggi insuperate, che rendono appieno la complessità culturale e umana del personaggio, la sua politica di traduzioni e di scelte editoriali e i legami con l’erasmismo successivo. Ricordarle avrebbe sicuramente dato profondità e complessità alle pagine iniziali, che liquidano invece l’enorme problema del rapporto della religiosità filo-riformata spagnola con la corrente erasmiana in poche righe. Il volume poi continua dedicando un capitolo alla cosiddetta eresia alumbrada e uno a Juan de Valdés, tra Spagna e Italia. Entrambi i fenomeni sono stati al centro, negli ultimi trent’anni, di studi che ne hanno evidenziato la molteplicità di radici e di sviluppi, strappando fenomeni complessi e multiformi a una dicotomia che voleva incasellarli, come a suo tempo fecero gli inquisitori, a un campo cattolico o protestante. Uno sforzo storiografico ancora più imponente è stato fatto dalla storiografia italiana, che ha dibattuto per più di cinquant’anni, tra gli anni Settanta del Novecento e il primo ventennio del Duemila sulle sfumature e le complessità della Riforma in Italia, con una impressionante e quasi ossessiva produzione che copre centinaia di libri e contributi fondamentali. Nulla di questa stagione ritorna nelle pagine dedicate a Juan de Valdés e alla Penisola italiana. Emblematico in questo senso che, nel capitolo dedicato a Juan de Valdés in Italia la breve nota dedicata al best-seller del Cinquecento religioso italiano, il „Beneficio di Cristo“, riporti indietro il lettore all’intervento di Salvatore Caponnetto del 1972, senza dar conto dell’effervescenza di letture e interpretazioni seguite a „Giochi di pazienza“ (1975) il libro di grandissimo successo di Carlo Ginzburg e Adriano Prosperi dedicato appunto al „Beneficio di Cristo“, „cifra della nostra ignoranza“ (p. 75). Ma del tutto assenti, forse perché lontani dalla prospettiva confessionale dell’autrice sono anche i grandi affreschi dedicati al dissenso religioso in Italia di Adriano Prosperi, Silvana Seidel Menchi, Delio Cantimori e il grande scavo portato avanti per quasi trent’anni da Massimo Firpo attorno a Juan de Valdés e il valdesianesimo in Italia. Prima di entrare nel vivo del problema della diffusione di opere e idee luterane nella Penisola iberica il volume dedica un capitolo all’ambiente della corte europea di Carlo V. I numerosi capitoli successivi affrontano invece la storia e i personaggi del luteranesimo spagnolo. Sono organizzati per medaglioni biografici e sono inframmezzati da capitoli dedicati unicamente alle donne. Nonostante si tenti di ricostruire la storia di un ancora troppo poco conosciuto movimento aragonese e catalano, personaggi e temi sono quelli molte volte affrontati e raccontati attorno ai due principali poli geografici: i circoli ereticali di Siviglia e Valladolid. Attorno a queste due aree urbane e tra gli anni Quaranta e Sessanta del Cinquecento si sviluppa gran parte della storia protestante spagnola raccontata da Luttkhuizen. Sono pagine avvincenti, come avvincenti sono state le vite delle donne e degli uomini che si scelgono di raccontare. Accanto alle figure più note vale la pena ricordare la straordinaria storia delle due sorelle Bohorquez, figlie di un noto magistrato di Siviglia, che conoscevano il greco, il latino e che resistono all’Inquisizione e alla censura con la loro memoria prodigiosa, o la tentata fuga tutta al femminile di Catalina de Medina, sorelle, figlie, serve e amiche verso la Francia (pp. 225 sg.). Come l’autrice spiega nella sua introduzione, la maggior parte della documentazione procede da fonti di tipo inquisitoriale. Sono relazioni degli auto de fe, processi e confessioni a sostanziare le vite di donne e uomini che in quegli anni difficili e cupi osarono ribellarsi al conformismo che la chiesa istituzionale richiedeva loro, per scegliere forme di pensiero e di spiritualità più autonome e più personali. Buona parte di questi documenti sono ripresi dalla traduzione spagnola di Ernst Schäfer (traduzione e introduzione a cura di Francisco Ruiz de Pablos, „Protestantismo Español e Inquisición en el Siglo XVI“, 4 voll., Sevilla 2014, ed. originale Gütersloh 1902) o dalle edizioni più recenti messe a disposizione nell’opera di Tomás López Muñoz („La Reforma en la Sevilla del XVI“, 2 voll., Sevilla 2016). L’autrice sceglie di tradurle all’inglese per renderle disponibili a un pubblico anglofono e di inframmezzarle, anche con citazioni molto lunghe, che si estendono per pagine e pagine, all’interno del testo. La repressione ereticale brutalmente avviata dall’Inquisizione negli anni Cinquanta del Cinquecento e gli affollati auto de fe che dal 1558 al 1561 condannarono, in persona o „in effigie“ perché fuggiti in Europa, chiudono idealmente il vasto ed esteso panorama dedicato al successo della Riforma in Spagna. Molti dei protagonisti delle pagine precedenti fuggirono infatti dalle persecuzioni inquisitoriali e trovarono rifugio tra Londra, Ginevra, Basilea, Anversa e le principali città tedesche. Molti di loro però, una volta arrivati in Europa, scoprirono che autoritarismo, letture a senso unico e pretese di ortodossia li aspettavano anche in territorio riformato. Alcuni, come Pedro de Sosa, morto affogato come anabattista ad Anversa, Antonio del Corro, Casiodoro de Reina, nonché il convitato di pietra del libro, Miguel Servet, finirono per non identificarsi in alcuna delle confessioni riformate verso cui fuggivano. Accusarono i pastori delle Chiese riformate di essere nuovi inquisitori, peggio di quelli da cui erano fuggiti, e di pretendere adesioni alle confessioni religiose riformate „come se fossero un quinto vangelo“, come affermò indignato Antonio del Corro. Forse per questo a loro è dedicato così poco spazio e attenzione nel libro, che, in oltre 430 pp. riesce a non citare mai la scomoda figura di Servet. Dopo un capitolo che segue l’evolversi della diffusione delle idee protestanti nella Spagna della seconda metà del Cinquecento fino agli anni Trenta del Seicento, per arrivare velocemente all’abolizione dell’Inquisizione spagnola, il volume si chiude con un capitolo storiografico dedicato alla riscoperta ottocentesca della riforma spagnola. Particolarmente belle e riuscite sono le pagine dedicate a Luis Usoz y Ríos, nato in Bolivia nel 1805 e alla sua avventurosa vita familiare, che per primo scelse di riscattare dall’oblio le opere dei riformati spagnoli nei suoi venti volumi di „Reformistas antiguos españoles“, pubblicati clandestinamente tra il 1847 e il 1865. Il volume di Luttkhuizen restituisce, spesso con vivacità, storie affascinanti e complesse, e la lunga stagione di non conformismo confessionale che visse, nonostante la cupa ombra dell’Inquisizione, la Spagna imperiale. Racconta figure straordinarie di frati e monaci, sarti e nobili, mercanti e avventurieri, di donne letterate e consapevoli, che anche nel chiuso di un claustro e tra i patios di Siviglia, guardarono alle idee riformate come a una scelta di autonomia e libertà. E, senza alcun dubbio, rende disponibile una notevole quantità di fonti e documenti a un pubblico anglofono. Ma, che sia una scelta consapevole oppure no, che riguardi il citare solo bibliografia scritta in lingua inglese, il volume colpisce per le lacune e le assenze. Non si tratta solo di assenze, come quelle che genericamente richiamavo più sopra, che avrebbero potuto dare complessità ma anche sfrangiare e mettere in crisi l’idea di una filiazione monotematicamente protestante del dissenso eterodosso spagnolo, ma spesso anche di contributi fondamentali che avrebbero portato acqua al proprio mulino confessionale, all’idea di una ‚Spagna protestante‘. L’insuperato volume di Carlos Gilly del 1985, „Spanien und der Basler Buchdruck bis 1600. Ein Querschnitt durch die spanische Geistesgeschichte aus der Sicht einer europäischen Buchdruckerstadt“, mai citato nelle note ma neanche nella bibliografia finale, avrebbe potuto dare all’autrice numerosi spunti, arricchendo enormemente capitoli deboli come quello sulla corte di Carlo V in Europa, o quello dedicato all’esilio europeo dei luterani spagnoli. Analogamente la sua fondamentale lettura luterana del „Diálogo de doctrina cristiana“ di Juan de Valdés, cui l’autrice preferisce quella farraginosa e contraddittoria di Nieto, l’avrebbe aiutata a rafforzare la propria ipotesi di una lettura luterana di Valdés. Di fronte all’unico capitolo che tenta una propria interpretazione del più importante martirologio dell’Inquisizione spagnola, le famose „Artes Aliquot“, fonte importante all’interno della stessa ricostruzione, l’assenza di Gilly si staglia ancora più inquietante. Le pagine dedicate ad Antonio del Corro e Casiodoro de Reina l’avrebbero sicuramente aiutata a non cadere in errori e attribuzioni poco fondate come quelle sollevate nel cap. 8 „Reginaldo Gonzalez de Montes“. Qui prima l’autrice insiste su una non dimostrata traduzione latina da parte di un inglese del testo spagnolo e poi porta avanti, senza riscontri documentari né attribuzioni filologiche interne al testo, possibili attribuzioni a due domenicani spagnoli, allora prigionieri dell’Inquisizione sivigliana, Domingo de Valtanás (che tra l’altro era accusato di sollecitatio ad turpia, di atti osceni in confessionale e non di simpatie luterane) e Domingo de Guzmán, nonché al notaio dell’Inquisizione di Siviglia Domingo de Azpteitia. Le Artes dunque sarebbero state composte in spagnolo ma nella penisola iberica, in condizioni proibitive e di forte controllo, arrivate a Londra, tradotte in latino e qui pubblicate con la falsa indicazione di stampa di Heidelberg. Proprio nel suo „Spanien und der Basler Buchdruck“ Gilly dimostrò che Reina, in quel momento residente a Strasburgo, aveva ultimato l’ultima stesura dell’edizione latina delle Artes e tentato di pubblicarla nella stessa città presso Theodosius Richel: „Lo spagnolo che per benevolenza dei signori del Consiglio risiede nella città – dichiarò lo stampatore – mi ha consegnato un libro scritto in latino col titolo ‚De Inquisitione hispanica‘ e mi ha pregato di stamparlo, cosa che non ho voluto fare prime di avere il parere dei signori del Consiglio.“ (Gilly 1985, p. 378) Il consiglio cittadino decise che il libro non poteva essere stampato a Strasburgo. Dopo un secondo tentativo a Basilea con il celebre stampatore Johannes Oporinus il libro vide la luce ad Heidelberg, nel settembre dello stesso anno. Il 21 settembre Casiodoro fu il primo a comunicare da Strasburgo l’apparizione del libro: „i misteri dell’Inquisizione sono stampati in latino“ (Gilly 1985, p. 375). Ci si chiede davvero perché non confrontarsi con prove documentarie di questo tipo e non discutere né ricordare i dati storiografici già acquisiti nel momento in cui si lanciano nuove ipotesi. Su questo punto mi sembra davvero importante rimandare i lettori agli scritti di Carlos Gilly e ora all’edizione inglese curata per Brill da Pinilla, Nelson ed Herraus Pareja („Inquisitionis Hispanicae artes/Reginaldus Gonsalvius Montanus. The arts of the Spanish Inquisition. A critical edition of the Sanctae inquisitionis Hispanicae artes aliquot (1567) with a modern English translation“, ed. by Marcos J. Herraiz Pareja, Ignacio J. Garcia Pinilla, Jonathan L. Nelson, Leiden-Boston 2018). Ma se Gilly è l’assenza più macroscopica mancano all’appello anche numerosi interventi di José Ignacio Tellechea, del grande ispanista Augustin Redondo e tutta una bibliografia che è stata fondamentale per ricostruire il panorama della galassia riformata in Spagna. In generale l’autrice, come dimostra anche l’appassionato capitolo finale, sembra preferire il dialogo con i grandi eruditi di fine Ottocento, meglio se protestanti, e con il loro positivismo, da Ernst Schäfer, recentemente tradotto in spagnolo, da cui l’autrice prende anche buona parte delle sue fonti inquisitoriali, a Thomas M’Cry a Luis Usoz y Ríos e Adolfo de Castro, quasi come se la grande stagione novecentesca di studi di storia spirituale e religiosa spagnola ma anche italiana, non fosse mai esistita e nulla avesse da dire alla storia delle idee riformate in Spagna e come se spesse frontiere confessionali continuassero ad esistere all’interno del dibattito scientifico. Se dunque il grande sforzo prosopografico sui protagonisti del dissenso religioso spagnolo e sulle loro traiettorie all’interno del variegato mondo protestante è sicuramente meritorio e necessario, l’effetto finale appare, a chiunque sappia quanto e quanto dettagliatamente e profondamente è stato scritto su questi temi, decisamente straniante.

Stefania Pastore

Heinrich Lang, Wirtschaften als kulturelle Praxis. Die Florentiner Salviati und die Augsburger Welser auf den Märkten in Lyon (1507–1559), Stuttgart (Franz Steiner) 2020 (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Beihefte 248), 724 S., Abb., ISBN 978-3-515-12491-1, € 99.

Die Feststellung, dass in den Rechnungsbüchern der Florentiner Salviati im frühen 16. Jh. für den Handels- und Finanzplatz Lyon von den Augsburger Welsern die Rede ist, war der Ausgangspunkt dieser Arbeit – und wird jeden anziehen, der die Schwierigkeiten von Transaktionen zwischen italienischem und deutschem Raum noch im späten 15. Jh. kennt. Und die Erwartungen werden nicht enttäuscht. Nach einem einführenden Kapitel über historische Buchführung (denn nicht erst die Auswertung, sondern schon die Entzifferung solcher Rechnungsbücher erfordert spezifische Kenntnisse, über die der Vf. in vollem Umfang verfügt) werden zunächst die Akteure – zwei Firmen von Rang – vorgestellt und in ihren Eigenheiten, ihrer landsmannschaftlichen Umgebung, ihrer archivalischen Dokumentation gekennzeichnet. Die Quellenlage ist sehr ungleich: auf der einen Seite das reiche, immer noch unzureichend ausgewertete Salviati-Archiv in Pisa (jetzt im Gebäude der Scuola Normale); auf der anderen die eher lückenhafte Überlieferung der (im Übrigen andersartigen, komplexeren) Buchführung bei den Welsern, deren fragmentarisches Geschäftsarchiv vor kurzem von Geffcken und Häberlin in den Deutschen Handelsakten veröffentlicht bzw. rekonstruiert wurde. Die Welserschen Geschäfte müssen darum mehr von außen, aus den Akten der Geschäftspartner erschlossen werden. Doch ist dieses Problem asymmetrischer Überlieferung hinreichend bedacht, seine Bewältigung eine anerkennenswerte Leistung, denn die Welser-Betreffe mussten, für Darstellung und Edition, ja erst einmal in den umfangreichen Salviati-Akten aufgefunden und (wegen der Asymmetrie) richtig gewichtet werden. Die dokumentierten Geschäftsinteressen reichen von Spanien bis in die Levante, doch bleibt der zentrale Punkt der Begegnung beider Gesellschaften der Messeplatz Lyon, der in seiner zunehmenden Bedeutung als Kapitalmarkt und als Umschlagplatz für den Warenhandel (und im Verlauf der Warenströme: besonders Antwerpen) ausführlich behandelt, die Kooperationsformen beider Firmen sorgfältig analysiert und immer auch das weitere Feld anderer Firmen und Plätze einbezogen wird. Neben der verarbeiteten Literatur auf dem neuesten Forschungsstand eindrucksvoll das Verzeichnis der benutzten ungedruckten Archivalien. Die bank- und handelstechnischen Ausführungen werden ergänzt durch mentalitätsgeschichtliche, sprachgeschichtliche, kulturgeschichtliche Reflexionen.

Arnold Esch

Niccolò Machiavelli, Der Fürst. Italienisch-Deutsch, übersetzt, eingeleitet und mit Anmerkungen versehen von Enno Rudolph, unter Mitarbeit von Marzia Ponso, Hamburg (Felix Meiner Verlag) 2019 (Philosophische Bibliothek 706), XXXIV, 236 pp., ISBN 978-3-7873-3622-7, € 26,90.

L’edizione tedesca del „Principe“ pubblicata dalla casa editrice Meiner di Amburgo nel 2019, nella collana „Philosophische Bibliothek“, è il frutto di un progetto finanziato dal Fondo Nazionale Svizzero per la Ricerca scientifica e condotto da Enno Rudoph, professore emerito di filosofia dell’Università di Lucerna dal 2011, incaricato di insegnamenti anche negli anni successivi, in particolare presso l’Istituto di teoria politica e storia delle idee dell’Università di Dresda. Sono di Rudolph l’introduzione al testo machiavelliano, la traduzione e l’apparato critico. Ha collaborato Marzia Ponso, attualmente ricercatrice presso il Dipartimento di Culture, Politica e Società dell’Università di Torino. Rispetto alle precedenti edizioni tedesche di questa celeberrima opera machiavelliana (fra cui quella curata da Zorn nel 1955, giunta nel 2016 alla sua settima edizione), questa si caratterizza anzitutto per il testo bilingue. Il testo italiano a fronte era presente solo, per il passato, nell’edizione curata da Rippel nel 1986, più volte ristampata dalla Reclam in edizione tascabile (ultimamente nel 2020), la quale riporta però ancora il testo del „Principe“ nella versione apprestata da Martelli per l’edizione degli „Opera omnia“ di Machiavelli del 1971. Qui troviamo invece, per la prima volta in un’edizione italo-tedesca, il testo del „De principatibus“ stabilito da Giorgio Inglese nel 1994, privato delle note critiche. A fronte si legge la nuova traduzione tedesca, condotta, come spiega Rudoph, su una sinossi dell’edizione critica del 1994 e di quella, curata sempre da Inglese, del 2013, il cui carattere divulgativo imponeva di normalizzare la grafia e scegliere un’opzione in presenza di lezioni diverse (p. XXVIII). L’edizione in oggetto è volta ad offrire al pubblico tedesco un testo aggiornato allo stato della ricerca e a sostenere, al contempo, il lettore non specialista. Da qui anche la scelta di fornire una traduzione tedesca non letterale e rigida, ma adattata al contesto e alle sfumature del discorso. Così, ad esempio, i tre termini chiave del testo machiavelliano – necessità, fortuna, virtù – si trovano resi, di volta in volta, il primo con Bedingung, Gegebenheit, Voraussetzung o Notwendigkeit, il secondo con Zufall, Glück o Schicksal, il terzo con Exzellenz, Energie, Tugend o Kompetenz; occasionalmente, tuttavia, sono anche lasciati non tradotti (p. XXIII). L’interpretazione del testo è condotta con riferimento costante ai „Discorsi“, in una lettura delle due opere machiavelliane che Rudolph, sulla scia di Reinhardt („Machiavelli oder die Kunst der Macht“, 2012, trad. it. 2014), definisce „necessariamente sinottica“. I „Discorsi“ costituiscono l’imprescindibile contesto nel quale leggere il „Principe“, del quale „prefissano l’obiettivo strategico“, che è quello della „fondazione di una repubblica italiana su modello dell’antica Roma“. Al „Principe“, in questa prospettiva, è affidato il compito specifico di aprire la strada e approntare „il metodo da seguire“ per raggiungere quell’obiettivo. Una lettura dello scritto al di fuori di questo contesto sarebbe l’errore alla radice di quel fraintendimento, che ha portato a vedervi la „fonte autentica di un machiavellismo“, con cui sia l’opera che il suo autore hanno poco a che fare (p. XXIV). Su questa tesi poggia anche la scelta di mettere in primo piano, nell’apparato di note che correda e chiude il testo originale e la traduzione („Anmerkungen“, pp. 208–233), i molti collegamenti possibili con i „Discorsi“, e anzi di incorporarne ampie citazioni. Sui rapporti fra „Principe“ e „Discorsi“ Rudolph torna a più riprese, per chiarire il suo rigetto dell’impostazione della Scuola di Chicago e in particolare dell’idea di destinatari distinti delle due opere: un pubblico giovanile per la prima e uno maturo per la seconda (p. XXV). Fra gli altri temi approfonditi incontriamo il contesto storico e ideologico in cui prendono forma le due opere del Segretario fiorentino e la particolare forma di umanesimo di Machiavelli. La letteratura di riferimento, al di là del già citato Reinhardt, contempla il classico Meinecke, „Die Idee der Staatsräson in der neueren Geschichte“ (1924), il volume di Münkler su Machiavelli e la fondazione del pensiero politico moderno (1995), quello sulla filosofia politica di Heinrich Meier (2013), alcuni saggi degli anni Ottanta e Novanta su aspetti specifici dell’opera machiavelliana (Buck, Kessler, Witt), per arrivare alla raccolta di saggi su Machiavelli e lo „stato di potenza“ curata da Reinhardt, Saracino e Voigt (2015). Sono assenti la storiografia e la critica letteraria italiane, ma anche il frutto di alcune ricerche importanti uscite nel mondo tedesco negli ultimi anni, come il volume a cura di Cornel Zwierlein e Annette Meier, „Machiavellismus in Deutschland“ (2010). Completa la parte introduttiva una bibliografia limitata alle opere utilizzate e ad alcuni grandi classici del pensiero antico e moderno (pp. XXXI–XXXIV). Chiude il volume un indice dei nomi principali (pp. 235 sg.).

Lucia Bianchin

Tatjana Bartsch, Maarten van Heemskerck. Römische Studien zwischen Sachlichkeit und Imagination, München (Hirmer) 2019 (Römische Studien der Bibliotheca Hertziana 44. Veröffentlichungen der Bibliotheca Hertziana, Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte in Rom), 620 S., Abb., ISBN 978-3-7774-3294-6, € 145.

Maarten van Heemskerck gehört zu den großen niederländischen Künstlern, die Rom im 16. Jh. als Inspirationsquelle und Ort der Schulung ihrer Kunstfertigkeit besuchten. Der gebürtige Haarlemer weilte zwischen 1532 und 1536/1537 in der Ewigen Stadt. Wie viele andere war er von der antiken Kunst begeistert und er verewigte sich mit seinem Namensgraffitto auch in den „Grotten“ der Domus Aurea Neros (Abb. 57). Das, was ihn auch für Historikerinnen und Historiker (und diese Besprechung erfolgt aus dieser Perspektive) so interessant macht, sind seine 116 meist beidseitig gefüllten Blätter mit Zeichnungen aus Rom, die 1886 zum großen Teil vom Kupferstichkabinett in Berlin angekauft wurden (Kat. Nr. 1–212). Die Kopien nach unbekannten bzw. verlorenen römischen Zeichnungen van Heemskercks (Kat. Nr. 228–247) zeigen, dass sein zeichnerisches Opus einst viel größer gewesen sein muss. Mit akribischer Sorgfalt – Lob verdient auch die brillante Wiedergabe der Blätter – hat Tatjana Bartsch dieses Schaffen dokumentiert und kommentiert. Kontextualisiert werden die in Rom entstandenen Werke des Meisters (Zeichnungsbuch, Einzelblätter, Gemälde) und die Sujets, die Maarten in den Bann zogen. Dies waren insbesondere die antike Skulptur und Architektur sowie (Panorama-)Ansichten der Stadt Rom und ihrer prominentesten Plätze. Die historische Forschung interessiert natürlich dieses Material auch wegen seines dokumentarischen Charakters. Dabei gilt es, die ästhetisch-dokumentarischen Besonderheiten zu beachten (S. 72). So ist bei den Veduten mitunter die offenbar bewusste Ausblendung von Gebäuden des Mittelalters und der eigenen Gegenwart zu berücksichtigen (S. 73, Kat. Nr. 23/128 Doppelblatt, Nr. 24/97 Doppelblatt, Nr. 141). In Kat. Nr. 29 sind mittelalterliche Mauern ruinöser dargestellt, als sie es waren. Die Autorin gibt oft den genauen Aufnahmeort an: So stieg der Künstler nicht nur auf den Gianicolo, sondern auch auf die Kuppel des Pantheon (S. 91). Wichtige topographische Informationen bieten vor allem die Ansichten des Kapitols und des Forum Romanum, die von der Autorin detailreich kommentiert werden (Kat. Nr. 149, 185). Hat man es im Skizzenbuch in der Regel mit Studien nach der Natur zu tun, so kopiert van Heemskerck einige Tierdarstellungen nach Vorlagen, was im Falle eines Straußes und eines Leoparden auf Fresken Giulio Romanos in der Villa Madama verweist (S. 78). Hilfreich zum Verständnis der Zeichnungen sind Erläuterungen zur Arbeitstechnik des Künstlers sowie den zur Orientierung in der Stadt herangezogenen Hilfsmitteln wie der von ihm mit hoher Wahrscheinlichkeit konsultierten Romguiden (zu letzteren siehe S. 96–100). Unter seinen römischen Kontaktpersonen stechen die kunstsinnigen Kardinäle Willem van Enckenvoirt, Andrea Della Valle und Rodolfo Pio da Carpi hervor (S. 110–114). Er traf Künstlerkollegen aus dem niederländischen Raum wie Herman Posthumus und Lambert Sustris. Unter den von ihm frequentierten italienischen Meistern sind besonders Giorgio Vasari und Francesco Salviati zu nennen. Letzterem könnte eine Schlüsselrolle für Maartens Rom-Aufenthalt zugekommen sein, war er doch an der Ausarbeitung der Festdekoration zum Triumph Karls V. in der Ewigen Stadt (April 1536) beteiligt, an der auch – am Bogen an der Piazza di S. Marco – der Niederländer mitgewirkt haben könnte (S. 85–87, 105). Indizien gibt es auch für weitere Bekanntschaften. Maarten hatte vielleicht sogar Zugang zu Entwürfen Michelangelos (S. 109). Die Kontakte zu seinen Mäzenen ermöglichten ihm den Zugang zu den Antiken-Sammlungen in Rom, die er mit Zeichnungen dokumentierte, die ihrerseits – wie viele andere Blätter – Vorlagen für Druckgrafiken (z. B. Hieronymus Cocks Ruinenserien) wurden (zur weiteren Nachwirkung siehe S. 141–158). Man verdankt dem Künstler auch einige besondere Details zum römischen Stadtbild, die sonst oft unbeachtet geblieben wären. Dies gilt zumal für heraldische Zeichen, die mitunter in ungewohnten Zusammenhängen erscheinen (S. 79, 367; vgl. Kat. Nr. 51, 61, 77, 119, 174, 184). Maarten selbst muss eine Vorliebe für Wappen gehabt haben, brachte er doch auch sein eigenes auf dem Grabmal seines Vaters an (S. 139).

Andreas Rehberg

Stefan Bauer, The Invention of Papal History. Onofrio Panvinio between Renaissance and Catholic Reform, Oxford (Oxford University Press) 2020 (Oxford-Warburg Studies), VIII, 262 S., Abb., ISBN 978-0-19-880700-1, GBP 70.

Stefan Bauer gehört zweifellos zu den besten Kennern der historiographischen Hintergründe der Papstgeschichte als einer Disziplin, die die katholische Kirche trotz einiger vorausgegangenen Ansätze erst in der Gegenreformation für sich entdeckte. In der neuen Monographie beschäftigt sich der Vf. nach Bartolomeo Platina nun mit dem Augustinereremiten Onofrio Panvinio (1530–1568). Erklärtermaßen geht es um die Verquickung von drei Erzählsträngen: Panvinios akribisch rekonstruierte Biographie und sein personelles Netzwerk; die „invention“ einer kritischen, quellenbasierten Papstgeschichte sowie zuletzt die Konfessionalisierung und Dogmatisierung der Kirchengeschichte (S. 212). Panvinios Herkunft aus einer einfachen Veroneser Familie, die er nach seinem Ordenseintritt zeitlebens finanziell unterstützte, erklärt seinen Drang, sich immer einflussreichere Gönner und Protektoren zu suchen (Kardinal Alessandro Farnese in Rom, Hans Jakob Fugger in Augsburg, wohin Panvinio auch 1559 reiste und wo er kurz mit Kaiser Ferdinand I. zusammentraf). Bei der Behandlung der Auftragswerke zu Familiengeschichten einiger römischer Familien (Frangipane, Savelli, Massimo, Mattei, Cenci), bei denen er schon gelegentlich Konzessionen machen musste, um gewisse Eitelkeiten zu befriedigen, hätte man darauf hinweisen können, dass sich auf diesem Markt noch Schlimmeres zutrug. Der Vf. führt präzise in die Werkstatt des stets quellennah arbeitenden Historikers Panvinios ein, der bald nach ehrgeizigeren Projekten strebte. Und hier wurde die Luft zunehmend dünner. Die Darstellung zur Geschichte der Papstwahlen („De varia creatione Romani pontificis“) und die gegen die Magdeburger Centurien (1559–1574) gerichtete Hs. „De primatu Petri“ blieben unpubliziert. Waren die Wahlen des Mittelalters und der Renaissance schon komplex genug, musste Panvinio bei den zeitgenössischen Konklaven ebenfalls sehr vorsichtig sein. Anhand des Papstwahl-Traktats zeigt der Vf. die Argumentations- und Arbeitsweise der römischen Index-Kongregation auf, hier insbesondere die des Zensors Francisco Peña (S. 187–200). Es wird nicht erstaunen, dass die Behandlung des Papstwahldekrets von 1059 (vgl. hierzu auch den Exkurs, S. 213–220) und Gregors VII. (1073–1085) besonders heikel war. Die Index-Kongregation sah eine verdächtige Nähe zu kaiser(freund)lichen Positionen. Im Falle des „De primatu Petri“ war es Kardinal Roberto Bellarmino, der 1588 harrsche Kritik an Panvinios Sicht übte (S. 181–187). In der Zeit des Augustinereremiten Panvinio war der Primat der Theologie über der Geschichte noch nicht ausgemacht (S. 13, 146–149). Panvinio wurde zum Opfer des verstärkten Anpassungsdrucks, der von der religiösen Propaganda ausging. Auf diesem Feld schlug ihn eindeutig Cesare Baronio, dessen „Annales ecclesiastici“ zur Leitschnur für das katholische Kirchengeschichts-Verständnis wurden. Dabei war der langlebige Baronio (gest. 1607) nur acht Jahre jünger als Panvinio (S. 177–180). Hingewiesen sei auf Panvinios Spürsinn, sein Werk auch mit Bildquellen und heraldischen Elementen (S. 76) zu bereichern. Das Rennen machte allerdings auch auf diesem Gebiet wieder ein anderer, Alonso Chacón (1530–1599), mit den „Vitae et gesta summorum Pontificum“, die 1601 posthum erschienen. Anerkennung widerfuhr Panvinio erst viel später: Im 19. Jh. schätzte man ihn für seine wissenschaftliche Leistung. Wie der Vf. verzieh man ihm die ein oder andere Ungenauigkeit (S. 11: „introducing small falsifications“, S. 16, 40 f., 53, 74). Die Angst vor Plagiaten war allgemein (S. 69, 86). Der Vf. verschweigt ansonsten die sachlichen Mängel im Werk Panvinios (S. 84, 96, 102) nicht, sodass man ihm für ein insgesamt gelungenes und stimulierendes Portrait eines Gelehrten danken kann, der mit 38 Jahren zu früh verstarb, als dass er selbst für seine Werke hätte kämpfen können.

Andreas Rehberg

Alessandra Quaranta, Medici-physici trentini nella seconda metà del Cinquecento. Sapere medico, identità professionale e scambi cultural-scientifici con le corti asburgiche, Trento (Università degli Studi di Trento) 2019 (Studi e ricerche 21), 429 pp., ISBN 978-88-8443-871-3, € 15.

Medicina e sanità in Trentino nel Cinque-Seicento tra saperi, società e scambi culturali, a cura di Giovanni Ciappelli e Alessandra Quaranta, Trento (Università degli Studi di Trento) 2019 (Quaderni 9), 213 pp., ISBN 978-88-8443-872-0, € 12.

I due volumi in esame sono uniti da un tema di grande interesse: la storia della medicina e delle figure della cura in un’area al crocevia tra due mondi, il Trentino in età moderna. La regione alpina, grossomodo corrispondente ai principati vescovili di Trento e Bressanone, piattaforma di contatto tra Italia e Impero, è stata in passato oggetto di numerosi studi che tuttavia hanno privilegiato il Sette e Ottocento o le sole figure apicali della vita culturale dell’area. Nella sua monografia „Medici-physici trentini nella seconda metà del Cinquecento“, Alessandra Quaranta sposta la focale verso il XVI secolo, enfatizzando comunque la natura imperiale dei percorsi professionali dei medici trentini, degli scambi culturali e delle condizioni di esercizio della medicina. Il testo, versione rielaborata di una tesi di dottorato, si articola in quattro parti. La prima parte introduce, per così dire, gli attori, conducendo il lettore in un’ideale galleria di ritratti dei medici trentini nel Cinquecento. Seguendo con tenacia tracce documentarie talvolta esili e talvolta copiose, Quaranta disegna undici medaglioni biografici di figure professionali e intellettuali di caratura diversa, che incarnano diverse dimensioni della pratica medica di età moderna. La definizione di ‚trentino‘ è duttile: si tratta sia di medici nati nella regione ma che non vi esercitarono, come Ottaviano Rovereti, sia di medici come Pietro Andrea Mattioli, nati in altri stati italiani ma impiegati a vario titolo in Trentino. L’autrice tenta comunque di seguire la trama delle loro relazioni con la realtà trentina, in particolare attraverso le loro reti epistolari. Le relazioni con il contesto trentino e imperiale sono appunto il tema delle altre parti. Quaranta s’interroga sul rapporto tra i medici e i loro patroni e colleghi (cap. 2) e tra medici e malati (cap. 3). Il terzo capitolo è articolato a sua volta in varie parti che alternano il punto di vista del curante e del paziente, confermando l’interesse delle fonti relative alla pratica. Infine, nel quarto e ultimo capitolo, l’autrice formula alcuni interrogativi e piste di ricerca future sulla definizione dei profili professionali tra corte e città e il ruolo del medico nella società di antico regime. Un ventaglio assai ampio di fonti, reperite con acume e abilità in diversi archivi e biblioteche europee (molte delle quali, è bene sottolinearlo, di difficile letture e interpretazione) e la capacità di individuare dei problemi cruciali per la storia sociale e culturale della medicina, traendo spunto dalla storiografia internazionale più recente sull’argomento, rappresentano i punti forti del libro di Quaranta. Il testo pullula, letteralmente, di figure e di spunti, e l’autrice declina sul caso trentino le complessità dei percorsi che strutturano l’universo dei medici di età moderna. A fronte, c’è da dire che un certo deficit nella gerarchizzazione delle questioni appesantisce tale straordinaria mole di fonti, mentre l’organizzazione narrativa alquanto farraginosa rende piuttosto arduo tirare le fila delle tante vicende presentate. Una più rigorosa rielaborazione del materiale avrebbe reso maggiore giustizia all’amplissimo lavoro di ricerca svolto dall’autrice, che resta comunque un pregevole contributo alla storia culturale della medicina tra Cinque e Seicento. Alessandra Quaranta è anche la curatrice con Giovanni Ciappelli dell’altro volume qui in esame. Frutto di una giornata di studi svoltosi a Trento nel 2017, il volume comprende contributi di ottimi specialisti della storia, storia della scienza e storia della medicina dell’area trentina e non solo intorno al tema federatore della circolazione dei saperi medici e farmacologici. In particolare, Luca Ciancio, analizzando le lettere dedicatorie di opere di medicina e di astronomia a Bernardo Cles, ricostruisce da un punto di vista originale la fisionomia intellettuale e la politica culturale di un principe-vescovo che impresse una forte e durevole impronta sulla vita culturale della regione. Rodolfo Taiani esplora invece l’interdipendenza tra medicina dotta e medicina popolare nei libri di segreti; in particolare lo studio dei manoscritti, legati ad ambienti territoriali più ristretti, gli permette di seguire la circolazione dell’esperienza e la validazione di conoscenze empiriche tra Cinque e Settecento. Marina Garbellotti, dal canto suo, ricostruisce con maestria l’organizzazione corporativa della medicina nel principato vescovile e offre un panorama dell’offerta terapeutica a servizio delle comunità. Infine, Quaranta firma un saggio con Gianni Angelini su un tipo particolare di letteratura medica da qualche anno al centro di un rinnovato interesse storiografico, i consilia, esaminando il caso clinico del barone Nicolò Madruzzo attraverso i consulti del medico roveretano Francesco Partini. In conclusione, i due volumi gettano nuova luce su un contesto culturale, quello trentino, da un punto di vista originale, dimostrando l’interesse e la fertilità di un approccio regionale quando sia irrigato, da un lato, dalla comprensione di più ampi circuiti di circolazione del sapere e, dall’altro, dallo studio dei rapporti di potere che concretamente e politicamente strutturano i circuiti dello scambio culturale.

Maria Pia Donato

Tomáš Černušák/Pavel Marek, Gesandte und Klienten. Päpstliche und spanische Diplomaten im Umfeld von Kaiser Rudolf II., Berlin-Boston (De Gruyter) 2020, VI, 298 S., ISBN 978-3-11-061383-4, € 69,95.

Bereits durch die Forschungen Wolfgang Reinhards sowie seiner Schülerinnen und Schüler über das Papsttum im Pontifikat Pauls V. avancierte das frühe 17. Jh. im Hinblick auf Beziehungsnetzwerke und Mikropolitik zu einem sehr ertragreichen Untersuchungsfeld. Eine jüngere Studie zweier tschechischer Historiker wendet sich dem in dieser Hinsicht ebenfalls vielversprechenden Prager Kaiserhof Rudolfs II. und insbesondere den Klientelstrategien der dortigen spanischen und päpstlichen Vertreter zu. Pavel Marek und Tomáš Černušák sind auf dem Gebiet der böhmischen, österreichischen und spanischen bzw. päpstlichen Geschichte des späten 16. und frühen 17. Jh. bestens ausgewiesen. Die Einleitung fasst den Forschungsstand informativ und prägnant zusammen. Sie führt sehr überzeugend sowohl in die Neuere Diplomatiegeschichte und das Problemfeld Beziehungsnetzwerke als auch in die Themenbereiche Nuntiatur und spanische Gesandtschaft am Hof Rudolfs II. ein. Dabei verdeutlicht sie die Erkenntnispotentiale des Untersuchungsobjekts vor dem Hintergrund exakter Kenntnis der einschlägigen älteren Studien und eines exzellenten Überblicks über jüngere Forschungsbeiträge, -ansätze und -methoden. Ferner werden argumentativ schlüssig Möglichkeiten und Grenzen des Quellenkorpus reflektiert. Die Studie gliedert sich in drei Kapitel. Das erste Kapitel widmet sich den spanischen und päpstlichen Gesandten, ihren jeweiligen Netzwerken, deren Überschneidungen sowie den Beziehungen beider Gesandtschaften untereinander und ihrer Rolle als „Protagonisten makropolitischer Ereignisse“. In letzterer Hinsicht werden drei Aspekte näher untersucht: erstens die Besetzung der höchsten Landesämter im Königreich Böhmen 1599, zweitens die „persönliche Krise“ Rudolfs II. und drittens der Niedergang seiner Herrschaft in den durch den „Bruderzwist“ mit Matthias geprägten letzten Regierungsjahren. Das zweite Kapitel wendet sich einer systematischen Untersuchung der päpstlichen und spanischen Beziehungsnetzwerke zu. Darin werden die jeweiligen Klienten methodisch sauber in zwei eigenständigen Unterkapiteln behandelt. Das dritte Kapitel analysiert schließlich die päpstlichen und spanischen klientelpolitischen Strategien im Hinblick auf Begegnungsräume und aktivierte Ressourcen zur Belohnung der Klienten. Neben beiden Gesandten prinzipiell gleichermaßen zur Verfügung stehenden materiellen Ressourcen wie finanziellen Zuwendungen, Geschenken und Pensionen werden dabei die (gegebenenfalls durch finanzielle Vorteile ergänzten) symbolischen Ressourcen fokussiert, die der spanischen Gesandtschaft mit der Aufnahme in die Ritterorden des Landes und – als höchste Auszeichnung – der Verleihung des Ordens vom Goldenen Vlies sowie der Nuntiatur mit geistlichen Gnaden, Ämtern und Benefizien zur Verfügung standen. Das Schlusswort fasst die Hauptergebnisse der Studie konzise und in allen Punkten überzeugend zusammen. Sie verdeutlicht, dass die – 16 Personen an der Spitze der Nuntiatur gegenüberstehenden – vier spanischen Gesandten der Jahre 1576–1612 vom Netzwerk der Kaiserinwitwe Maria von Spanien profitierten, dieses jedoch erheblich erweitern und dabei – wie auch die Nuntien – je nach situativem Kontext Teile hervorheben oder in den Hintergrund treten lassen konnten. Beide Beziehungsnetzwerke überlappten und ergänzten sich offenbar hervorragend und wurden – ungeachtet der Gegensätze zwischen dem katholischen König und dem Papst – für eine fruchtbare Kooperation beider Gesandtschaften in Prag benutzt, die letztlich verhindern konnte, „dass das Machtsystem in der Habsburgermonarchie erheblich vom Kurs abwich, der von den Grundsätzen der einheitlichen dynastischen Politik und des posttridentinischen Katholizismus vorgegeben war“ (S. 258), makropolitisch also auch im mikropolitisch schwierigen Fahrwasser des eigensinnigen, schwer berechenbaren und zurückgezogenen Herrschers Rudolf II., der bei offenem spanischen oder päpstlichen Wohlwollen gegenüber seinen Amtsträgern nicht vor deren Absetzung zurückscheute, recht erfolgreich agierte. Ein durch seinen Umfang und seine Qualität beeindruckendes Quellen- und Literaturverzeichnis sowie ein Personenregister runden das Buch ab. Die Autoren ziehen in großer Fülle wohlausgewähltes Archivmaterial aus neun Ländern heran, darunter das über die übliche Nuntiaturkorrespondenz weit hinausreichende, mikropolitisch aufschlussreiche Briefkorpus des Nuntius Giovanni Stefano Ferreri und Dokumente aus den Familienarchiven der Klienten. Die von Eliška Boková besorgte, von wenigen Quisquilien abgesehen, hervorragend gelungene Übersetzung verdient eine besondere Würdigung. Die Forschungen sowohl zu Beziehungsnetzwerken und zu Höfen, namentlich zum Hof Rudolfs II., als auch zum spanischen und päpstlichen Gesandtschaftswesen um 1600 erfahren durch das rundum gelungene Buch eine erfreuliche Bereicherung, die zudem für weitere Forschungen inhaltliche Anregungen und methodische Impulse zu geben vermag.

Guido Braun

Alessia Ceccarelli, „In forse di perdere la libertà“. La Repubblica di Genova nella riflessione di Giulio Pallavicino (1583–1635), Roma (Viella) 2018 (Studi del Dipartimento di Storia Antropologia Religioni Arte Spettacolo – Sapienza Università di Roma 14), 215 pp., ill., ISBN 978-88-3313-031-6, € 27.

Il libro di Alessia Ceccarelli è un’interessante messa in contesto dell’opera storiografica e della biografia di Giulio Pallavicino (1558?–1635), un erudito e antiquario genovese che ha lasciato una produzione piuttosto densa di spogli d’archivio e manoscritti. Si tratta di una produzione particolarmente interessante, perché fatta di continui rimandi tra un autore e l’altro e fortemente ancorata alla storia della Repubblica di Genova, rimasta in gran parte inedita. A questa produzione possiamo affiancare anche i lavori di Andrea Spinola (1562?–1631), Raffaele Della Torre (1579–1666), Agostino Franzone (1573–1658), Federico Federici (1570?–1647) e Gio. Michele Zoagli (1576–1650?), che come lui si occuparono di guerra e di congiure. Molta parte di questa produzione è rimasta manoscritta e poco conosciuta, come aveva già rilevato alcuni anni fa Arturo Pacini, che aveva cominciato a trascrivere in modo sistematico parte di questo materiale, studiato in parte da Edoardo Grendi, Carlo Bitossi, Rodolfo Savelli e Claudio Costantini. Ora il lavoro di Ceccarelli comincia a far luce su tale produzione. L’opera principale di Pallavicino, il „Ragionamento“, è discussa nel volume e pubblicata dall’autrice in rete (https://www.viella.it/media/30008d2a.pdf). Di Pallavicino sono rimaste oltre al „Ragionamento“, diverse altre opere, quali il „Raccolto delle famiglie genovesi“, la „Narratione“, un racconto della congiura di Bartolomeo Coronata e l’„Inventione“, una cronaca con dettagli della vita cittadina. Di queste opere e della sua biografia si occupa il primo capitolo del lavoro di Alessia Ceccarelli. Il secondo capitolo approfondisce il contesto storico nel quale si collocano alcune delle opere di Pallavicino. Ceccarelli prende in esame diversi avvenimenti. La prospettiva è interessante, perché non si tratta in tutti i casi di eventi politici di rilevanza fondamentale per il primo Seicento genovese, ma anche di casi di microstoria che permettono di scendere nel dettaglio della relazione tra Pallavicino e la società genovese del tempo. L’autrice si concentra sull’omicidio di Lorenzo Sauli, un procuratore della Repubblica di Genova, delitto inizialmente rubricato dalle magistrature criminali come un crimine politico, una congiura. Poi il lungo contenzioso tra Barbara Spinola e Marcello Doria, due coniugi, che si snoda tra Genova e Roma. La vicenda è stata approfondita dall’autrice scavando nella documentazione non solo genovese, ma anche romana. Emergono qui anche questioni, come quelle relative alla storia della condizione delle donne (sulla quale si possono vedere anche i riferimenti a p. 129), molto trascurate dalla storiografia specialistica genovese, se si escludono alcuni rari casi (come quelli approfonditi dai lavori pionieristici di Diane Owen Hughes). L’autrice dedica alcune pagine (70–80) alle sorti di Barbara Spinola e al modo in cui Pallavicino ne scrisse e partecipò alle vicende processuali. Alcune pagine sono infine dedicate in questo capitolo da Ceccarelli alla figura del medico, poi divenuto „magnifico“ della Repubblica di Genova, ma che fu anche poeta, filosofo e letterato, Benedetto Riccardi, e ai suoi legami con Giulio Pallavicino. La figura del medico di origine popolare diventa un modo per entrare nella visione di Pallavicino sui rapporti tra nobili e popolari (pp. 88–92) e per discutere dei legami tra sapere medico e sapere politico (pp. 92–103). Il terzo capitolo, quello centrale, si concentra sul „Ragionamento“ di Giulio Pallavicino, un’opera che descrive la guerra del 1624–1625 tra il Duca di Savoia e la Repubblica di Genova e la congiura del 1627–1629, che – è questa la tesi di Ceccarelli – „pose la Repubblica di Genova in forse di perdere la sua libertà“. Ceccarelli mette in luce come a quell’altezza cronologica la Repubblica di Genova soffrisse della mancanza di una storiografia ufficiale strutturata e come Pallavicino ne fosse pienamente consapevole. Alcune pagine sono dedicate alle influenze del modello machiavelliano (per esempio il binomio virtù e fortuna) e guicciardiniano sull’opera di Pallavicino. L’ultimo capitolo si sofferma sui „caratteri e limiti della controffensiva oligarchica“ che seguì la congiura. Attraverso un’analisi di varie opere di Pallavicino (tornano qui alcuni riferimenti alla „Narratione“), ma anche ad alcune riflessioni sui lavori di Della Torre e Spinola, l’autrice fa il punto sulla prospettiva di Pallavicino sul dissenso e la repressione quali strumenti di governo. Alcune pagine finali, piuttosto interessanti, menzionano non solo il modo ambiguo con cui Pallavicino tratteggiò le caratteristiche della „plebe“, ma anche il tema del „corbetto“, una peculiare figura genovese, una sorta di ragazzo di strada, che avrebbe avuto anche una funzione politica. Nel complesso la ricerca di Ceccarelli mostra come sia possibile mettere mano ad un’analisi di un materiale per nulla composito, qual è la produzione manoscritta del primo Seicento genovese. Alcuni spunti potrebbero in futuro essere ulteriormente approfonditi, come per esempio un’indagine su come Pallavicino ed altri eruditi e antiquari lavorassero, utilizzando il materiale d’archivio e come questo venisse rielaborato ed assemblato per produrre opere di storiografia. Si tratta tuttavia di un aspetto piuttosto tecnico e minuto, che nulla toglie all’analisi politica del volume.

Carlo Taviani

Javier Francisco, Die spanisch-amerikanische Jesuitenuniversität in Córdoba, Argentinien – transatlantische Verflechtungen und gesellschaftliche Verankerung in der Kolonialzeit, Stuttgart (Hans-Dieter Heinz) 2018 (Historamericana 43), 282 S., ISBN 978-3-88988-712-7, € 29,90.

Bei der vorliegenden Monografie handelt es sich um die Dissertationsschrift des Autors, die am Latein-Amerika Institut der FU Berlin entstanden ist und 2016 verteidigt wurde. Einige zentrale Ergebnisse dieser Untersuchung zur asymmetrischen Praxis transatlantischer Rekrutierung und Mission der Jesuiten im 16. und 17. Jh. wurden zwischenzeitlich separat in Aufsatzform publiziert. Demnach dominierte das tatsächliche Betätigungsfeld von Erziehung und Unterricht deutlich gegenüber der Mission, die den Motivationsschreiben (indipetae) zufolge das Primärziel der meisten Antragssteller war (Javier Francisco, „,Para convertir a los infieles‘. Asymmetries in the Global Circulation of Jesuit personnel“, in: „Transfer, Begegnung, Skandalon? Neue Perspektiven auf die Jesuitenmissionen in Spanisch-Amerika“, hg. von Nikolaus Klein, Paul Oberholzer und Esther Schmid Heer, Basel 2019, S. 127–145). Das vorliegende Buch ist in drei Kapitel unterteilt: Das erste, umfangreichste Kapitel (S. 21–105) widmet sich in drei Anläufen der Jesuitenuniversität in Cordoba als „Knotenpunkt sozialer Integration“ und geht dabei durch eine datenbankgestützte Vertiefung der Exklusionsmechanismen insbesondere auf die enge Verquickung von Elitenproduktion und sozialer Breitenwirkung ein (S. 78–83). Auch wenn aufgrund fehlender Quellen keine abschließende Antwort zu den determinierenden Faktoren universitärer Zulassungspraxis gegeben werden kann (S. 85–91), lässt sich dennoch von „kontinuierliche(n) Verhandlungsprozesse(n) der unterschiedlichen sozialen Gruppen“ sprechen, die in Hinblick auf den „Zugang zu begehrten Berufen“ verstärkt durch Konkurrenz um akademische Grade geprägt waren. In diesem Kontext gelang es der Jesuitenuniversität gegen Ende des 16. Jh., sich durch „Ansätze eines meritokratischen Systems“ als entscheidendes Zentrum „sozialer Teilhabe in der transandinen Gesellschaft“ zu etablieren (S. 103–105). Das zweite, kürzeste Kapitel (S. 107–153) widmet sich in zwei Anläufen der Universität in Cordoba als „Knotenpunkt der jesuitischen Wissenszirkulation“ und stellt dabei, ebenfalls in datenbankgestützter Analyse sowohl deren „starke Abhängigkeit“ von europäischem Personal als auch die in wissenspragmatischen Schwerpunkten (Medizin, Sprachen, Handwerk etc.) materialisierte translokale Mobilität heraus (S. 123, 125, 134, 151–153). Das dritte und letzte Kapitel (S. 155–235) widmet sich abermals in drei umfassenderen Anläufen der Universität als „Knotenpunkt zur Machtsicherung“ und geht hier neben der bereits angesprochenen „globalen, asymmetrischen Personalrekrutierung“ und einem „verstärkten inner-jesuitischen Wettbewerb“ (S. 156–185) vor allem auf die militärische und wirtschaftliche „Rolle der Jesuiten bei der Herrschaftssicherung“ ein (S. 192–194, 211–213, 229–231). Die in der Schlussbetrachtung resümierten Ergebnisse zur sozialen Verankerung und transatlantischen Verflechtung der Jesuitenuniversität Cordoba im 16. und 17. Jh. (S. 237–247) lassen eine Art Synthese der unterschiedlichen Forschungsansätze zur kolonialen Verortung der Gesellschaft Jesu erkennen (Bernd Hausberger, Peter Claus Hartmann, Sabine Anagnostou, etc.). Dabei steht ein institutioneller Konsolidierungsprozess der Jesuitenuniversität in Córdoba im Vordergrund, der in erster Linie wissens- und erziehungspragmatisch gesteuert war. Insgesamt handelt es sich bei der vorliegenden Studie um eine solide ausgearbeitete, lesenswerte Untersuchung, die aus primär institutionengeschichtlicher Sicht stets informativ operiert und dabei frei von vernebelnder Theorie einen kompetenten Zugriff auf die spanische Kolonialgeschichte bietet. Der Schnitt durch koloniale Historiographie, jesuitische Missionsgeschichte und transatlantische Geschichte der Erziehung vermag auch aufgrund innovativen Quellenzugangs durchaus zu überzeugen. Ein gewisses Manko bilden nur die vergleichsweise sporadisch integrierten wissenschafts- und missionsgeschichtlichen Fragen. In Hinblick auf die Rolle der Jesuiten als neuzeitliche Pioniere eines modernen Wissenschaftsverständnisses wäre eine genauere Verortung der untersuchten Jesuitenuniversität wünschenswert gewesen, d. h. über die Rolle jesuitischer Naturforscher hinaus gerade das Verhältnis von Theologie und Naturkunde sowie die einsetzende Rezeption der „Neuen Wissenschaften“ (siehe hierzu vor allem die Forschungsbeiträge von Mordechai Feingold, Marcus Hellyer, Victor Navarro Brotóns, Antonella Romano und Agustín Udías bzw. zur Einführung zuletzt z. B. Romano Gatto, „Jesuit Mathematics“, in: „The Oxford Handbook of the Jesuits“, hg. von Ines G. Zupanov, Oxford 2019, S. 637–669). Auch eine Auseinandersetzung mit Identität und Methodik jesuitischer Mission – über die ordensvergleichende Perspektive hinaus (Christián Leal Pino/Rodrigo Moreno Jeria, „Jesuitas y franciscanos en la frontera sur del imperio español. La administración económica del Colegio de Naturales en Chillán“, in: „Anuario de Estudios Americanos“ 75,1 [2018], S. 12–155) – etwa mit kritischem Blick auf die interkulturelle Dimension jesuitischer Ausbildung und Erziehung hätte sich angesichts der hierzu einschlägigen Literatur gelohnt (u. a. Francisco B. de Medina Rojas SJ, „¿Exploradores o evangelizadores? La Misión de los Mojos: cambio y continuidad (1667–1676)“, in: „La Misión y los Jesuitas en la América española, 1566–1767: cambios y permanencias“, hg. von José J. Hernández Palomo und Rodrigo Moreno Jeria, Madrid 2010, S. 187–238, sowie umfassend etwa für Chile: Rodrigo Moreno Jeria, „Misiones en Chile Austral: los Jesuitas en Chiloé, 1608–1768“, Madrid 2007).

Carlos Lemke Duque

Catholic Missionaries in Early Modern Asia. Patterns of Localization, ed. by Nadine Amsler, Andreea Badea, Bernard Heyberger and Christian Windler, London-New York (Routledge) 2020, VII, 272 pp., ill., ISBN 978-1-367-02881-7, GBP 115.

Nel ricco panorama di studi sulle missioni che vertono sia sulle istituzioni romane responsabili della evangelizzazione sia, superata una visione eurocentrica della storia degli ordini religiosi, sulla specificità delle forme di cattolicesimo che emersero nelle relazioni tra missionari e locali questo volume si ritaglia un suo spazio per l’originalità del suo approccio attento alla dimensione spaziale della missione. Come è chiarito dai curatori nella introduzione (pp. 1–11), il volume si propone di cogliere l’azione dei missionari nella molteplicità e varietà di alcune situazioni locali di vaste aree del continente asiatico, regioni la cui configurazione politica prevalente era quella complessa e variegata dell’impero. I dodici saggi che seguono, scanditi in quattro parti concernono l’azione missionaria nell’impero Ottomano, in Persia, in India, in Cina, nel Tibet e in Giappone e sono strutturati applicando una griglia di lettura centrata su differenti modelli di localizzazione: la corte, la città, la campagna, lo spazio domestico. Nella prima parte „Missionaries at princely court“, Christian Windler ricostruisce i molti livelli dell’azione missionaria dei diversi ordini che nel XVII secolo raggiunsero la corte safavide che aveva peraltro rapporti diplomatici con le corti asburgiche e papale, alimentati dalla comune attitudine antiottomana: i Carmelitani scalzi da Roma (1602–1607), i Cappuccini (1628) sotto la protezione francese, gli Agostiniani sotto il patronato portoghese. Le forme di integrazione di questi religiosi alla corte dello Shah si modularono secondo il peso che assunsero gli obiettivi diplomatici nel loro mandato, maggiore per gli Agostiniani, minore per i Carmelitani che comunque combinarono la predicazione con la pratica delle traduzioni di testi sacri e con l’acquisizione di competenze linguistiche che consentirono anche la partecipazione a dispute formalizzate con il clero sciita (p. 21). La inclusione nello spazio della corte, l’adozione di segni di distinzione sociale da parte dei religiosi generavano conflitti all’interno di ordini in cui il voto di povertà, la contemplazione erano tratti fondativi della identità, ma le condizioni della vita quotidiana rendevano nella pratica le norme non sempre attuabili e Roma appariva distante dall’Asia (p. 27). Come mostra Eugenio Menegon per i Gesuiti alla corte cinese Ming le vesti e l’acconciatura indossate espressero visivamente la scelta di presentarsi come „letterati“. Nei decenni successivi con la medesima duttilità, mantenendo le loro posizioni nelle istituzioni culturali della corte, essi adottarono lo stile della nuova dinastia Qing. In un altro contesto, ricostruito da Ines G. Županov, alla corte Mughal, il nobile gesuita napoletano Rodolfo Acquaviva rappresentò la sua missione (1580) come l’instaurarsi di un rapporto personale di amicizia con il sovrano timuride Akbar, fondato sulla esemplarità della sua vita ma anche sull’impegno nello studio del persiano, risorse non abbastanza efficaci anche in una corte dotta e religiosamente „pluralista“ come quella Mughal ma che si rivelarono assolutamente non idonee pochi anni dopo (1583) nella missione nel villaggio di Cuncolim dove, travolti da una ribellione locale provocata anche dalle pretese fiscali portoghesi, Acquaviva e i suoi confratelli trovarono il martirio. La seconda e la terza parte del volume che possono essere letti in modo intrecciato presentano casi di studi che ricostruiscono l’azione missionaria in contesti urbani e rurali. Ronnie Po-Chia Hsia esplicita le logiche spaziali dell’insediamento dei Gesuiti in Cina dove le missioni fiorirono nel corso del Seicento, nonostante il violento mutamento dinastico, fino alla proibizione imperiale della evangelizzazione, considerando due chiavi esplicative: il patronage, concetto centrale nella sua analisi, e la tendenza a percorrere le gerarchie urbane per raggiungere la capitale. Adattandosi alle reti del patronage e alle esigenze economiche i movimenti dei Gesuiti potevano disegnare percorsi transregionali o irradiarsi dai centri urbani maggiori ai minori, attivando così un intenso scambio tra funzioni urbane e rurali (p. 79) che nel Settecento con le note vicende della Compagnia, si sbilanciò fino a declinare nella clandestinità rurale. Precoce anche l’inizio della evangelizzazione in Giappone nei centri urbani dell’ovest e del sud. Carla Tronu si sofferma sul caso di Nagasaki, città porto dove i Gesuiti fondarono la confraternita della Misericordia e, nonostante l’instabilità politica e il decreto di l’espulsione (1587) che li colpì, riuscirono a continuare la loro azione e a partecipare alla creazione di un sistema parrocchiale sul modello tridentino, costruito su impulso del vescovo Luis Cerqueira, da preti diocesani e da missionari mendicanti accettati in Giappone, per ordine papale, tra 1608 e 1610. Spostandoci nello stesso Giappone in uno scenario rurale quale quello descritto da Hélène Vu Thanh vediamo i Gesuiti puntare sui network locali per assicurarsi risorse materiali di vario tipo elargite non solo dai daimyō, ma anche da mercanti, artigiani, contadini. Il coinvolgimento dei padri in attività economiche come il commercio della seta tra Giappone e Cina poteva essere stigmatizzato dagli ordini mendicanti e dai superiori degli stessi Gesuiti ma appariva indispensabile per realizzare gli obiettivi educativi della missione. Non meno complesso il quadro che Cesare Santus delinea per alcune realtà urbane dell’impero Ottomano dove i missionari di vari ordini (i Francescani, dal Medio Evo custodi del Santo Sepolcro, i Cappuccini, i Gesuiti), dovevano destreggiarsi tra il clero locale ortodosso, le chiese melkite e maronite, i diplomatici e agenti della Corona di Francia e le autorità della Sublime porta. I religiosi erano spesso in competizione tra loro ma non contrapposti secondo i tradizionali schemi (Gesuiti „accomodanti“ contro Francescani „rigoristi“) bensì in modo vario secondo le situazioni e i contesti come Santus mostra analizzando la controversia della communicatio in sacris. A conclusioni non dissimili giunge Felicita Tramontana focalizzando il coinvolgimento dei Francescani del convento di Santa Caterina di Betlemme nei circuiti della economia locale: dalla coltivazione dei frutteti, al controllo delle scarse risorse idriche, alla produzione di oggetti di artigianato, di souvenirs per pellegrini, alla vendita di tessili. E tuttavia l’uso dell’arabo tra questi religiosi rimase limitato e le loro abitudini vestimentarie e alimentari sostanzialmente invariate. Molto interessante la quarta sezione del volume „Missionaries and households“ al centro della quale è il rapporto tra donne e missionari che si modulò secondo la situazione legale delle donne nei diversi contesti. Nadine Amsler si sofferma sulle implicazioni spaziali di questa relazione nella Cina Ming dove i Gesuiti si attennero all’ideale confuciano della separazione dei sessi, non puntando alla conversione femminile se non dopo quella del capofamiglia. Lo spazio religioso femminile coincideva qui con la dimora domestica dove si allestirono oratori che conciliavano le preghiere cristiane con il culto degli antenati (p. 165). Pure in Giappone lo spazio domestico fu terreno fertile per la evangelizzazione, anche perché i missionari potevano puntare direttamente sulla conversione delle donne. Haruko Nawata Ward si sofferma su alcune figure femminili di diversi ambienti sociali che insieme ai padri gesuiti nel primo periodo della cristianizzazione crearono, lavorando sull’oralità e sulle differenziazioni linguistiche del giapponese, una letteratura cristiana locale, documento di una religiosità Kirishitana (dal portoghese cristão) elaborata in una sorta di „spazio terzo“ (p. 227). Ancora più decisamente, in Medio Oriente in alcune città dell’Impero Ottomano (Damasco e Aleppo), secondo quando dimostra Bernard Heyberger, i missionari puntarono in una situazione di semiclandestinità sulla conversione delle donne delle famiglie che religiosamente appartenevano alle chiese d’Oriente ma che legalmente erano soggette al Sultano (dhimmī). Soprattutto ad Aleppo che contava una popolosa comunità cristiana, le conversioni delle donne, specie se vedove o abbandonate, furono frequenti e con esse si imposero nuovi comportamenti e costumi. Come Nicolas Standaert e Birgit Emich mostrano nei loro interventi di commento a conclusione del libro, le autrici e gli autori, facendo ricorso a fonti molto varie, iconografiche oltre che documentarie, sviluppano pertinenti rilievi comparativi tra le situazioni esaminate e soprattutto dimostrano una vigile consapevolezza delle categorie storiografiche che utilizzano anche in modo nuovo rispetto agli usi consolidati. Molti contributi fanno riferimento all’accomodamento che si rivela essere una strategia non solo dei Gesuiti ma praticata anche dai Cappuccini in Persia e, in misura minore, dai Francescani in Palestina e che indicava l’attitudine a mitigare le inevitabili tensioni tra l’uniformità delle regole missionarie e i modi di vita locali con flessibilità, adeguando i comportamenti agli spazi della conversione e alla situazione legale dei possibili convertendi. Il luogo di attività missionaria diventa quindi, nella prospettiva del volume, la variabile prioritaria, più condizionante persino della differenza di appartenenza alle varie famiglie religiose. Rifiutando la visione tradizionale della missione come processo di diffusione lineare tra centro e periferia e anche il topos della dicotomia tra accomodamento e ricezione del Tridentino, le ricerche fanno ricorso a chiavi interpretative che indicano situazioni mobili e che possano aiutare a rendere conto della disomogeneità, pur sullo sfondo di ineliminabili caratteri comuni, delle situazioni locali: categorie come „spazio terzo“ (quello della religiosità Kirshitana ad esempio), l’„essere tra“, cioè nel luogo dell’incontro, della interazione, della intermediazione, della traduzione linguistica, ma anche del conflitto. In conclusione, avvalorando una visione policentrica del cattolicesimo, questo volume si situa più in una linea di storia sociale e culturale che di storia religiosa in senso stretto anche se contribuisce a ridefinire molte delle categorie e del lessico della storia religiosa.

Maria Antonietta Visceglia

Saverio Ricci, Campanella. Apocalisse e governo universale, Roma (Salerno) 2018 (Profili 79), 601 S., ISBN 978-88-6973-299-7, € 32.

In seiner 600 Seiten starken Monographie versucht sich Saverio Ricci an der gewiss nicht ersten Biographie Campanellas – wobei ein wenig merkwürdig anmutet, dass die Einleitung diese Herausforderung nicht eigens zum Thema macht. Der Aufbau des Buches ist dem Autor keine Erörterung wert – so sehr scheint es sich von selbst zu verstehen, dass die einzelnen Kapitel chronologisch die grundlegenden Lebensabschnitte des Helden und die im jeweiligen Zeitabschnitt entstandenen Texte darlegen werden. Auch abschließend kommt es zu keiner resümierenden Gesamtinterpretation. Deutlich wird der Anspruch formuliert, den zahlreichen Forschungen Rechnung zu tragen, die in den letzten Jahrzehnten zu Campanella erschienen sind. Dabei weiß sich der Autor einer Tradition verpflichtet, die von Giorgio Amabile zu Luigi Firpo und Germana Ernst führt, und in die er auch seinen Lehrer, Giuseppe Galasso, einreiht. Eine genauere Charakterisierung des Forschungsstandes bleibt hingegen aus. Seinen Ansprüchen wird das Buch durchaus gerecht. Das Leben Campanellas wird auf der Grundlage einer intimen Kenntnis der Sekundärliteratur sowie der vorhandenen Quellen dargestellt, die sich nicht allein auf die Werke und die Korrespondenz des Philosophen beschränken, sondern auch zahlreiche Sekundärquellen umfassen – etliche Werke von Zeitgenossen etwa, aus denen immer wieder direkt zitiert wird, aber auch die zahlreichen Dokumente, die von der jahrzehntelangen Haft des Dominikaners in den Gefängnissen vor allem Neapels zeugen. Dabei nimmt Ricci die Aufgabe sehr ernst, den Lebenslauf präzise nachzuzeichnen, wobei – im Gegensatz zu vielen oberflächlicheren Vertretern des Genres Biographie – jedes Detail in einem auf insgesamt 85 klein gedruckten Seiten ausgebreiteten Fußnotenapparat, der dem Text nebst einer ausführlichen Bibliographie angehängt ist, aufs Genaueste nachgewiesen wird. Gewiss ist es die Sache Riccis nicht, bis in die Archive hinein das Zeitkolorit einzufangen. Handschriftliche Quellen werden nur selten zitiert, und wenn es doch geschieht, dann sind sie in der Regel der Sekundärliteratur entnommen. Auch interessiert den Autor das Alltagsleben seines Helden wenig. Wie der Mann gegessen und geschlafen hat, wie er gereist ist, wo er unterkam, ja selbst, wie man sich sein langes Leben im Kerker genauer vorzustellen hat, wie er dort hat arbeiten, sprich lesen und Texte verfassen können – all dies kommt nur wenig zur Sprache. Sehr genau werden hingegen die intellektuellen Beziehungen herausgearbeitet, die Campanella zu knüpfen vermochte. Auch wäre das Buch nicht so umfangreich, würde es nicht eine ganze Reihe von in der Regel kurzer, aber hellsichtiger Charakterisierung jener Personen und ihrer Anschauungen aufbieten, die ihn sei es über die Lektüre ihrer Werke, sei es im persönlichen Aufeinandertreffen beeinflusst haben, oder mit denen sich ein Vergleich förmlich aufdrängt. Man denke, was den frühen Campanella betrifft, respektive an Bernardo Telesio, Francesco Pucci, mit dem er in Rom den Kerker geteilt hat, und Giordano Bruno (über den Ricci ebenfalls eine Biographe verfasst hat). Das Buch beeindruckt hier durch seine gelehrte Detailkenntnis – auch wenn, analog zur ausgesparten historiographischen Problematisierung des Themas eingangs, das Geschilderte nur selten „kontrovers“ diskutiert wird, sprich in Auseinandersetzung mit der in Wahrheit ja längst nicht immer unisono daherkommenden Forschung. So umstritten Campanella zu Lebzeiten gewesen sein mag, die Rekonstruktion seines Lebens – so scheint der Autor zu suggerieren – fußt allein auf Fakten, die gegensätzliche Deutungen kaum dulden. Riccis Ansatz ist der eines Philosophiehistorikers, der die Werke seines Autors in die vor allem politisch-religiösen Verhältnisse der Zeit einzubetten sucht. Auch ist sich Ricci darüber bewusst, dass er einen philosophischen Lebensweg nachzeichnet, der in ständiger Entwicklung begriffen war, und dass das sehr weit gefächerte Werk Campanellas eines gewissen Eklektizismus nicht entbehrte. Dennoch hat Ricci zufolge das Werk durchaus seine innere Kohärenz, für die resümierend die schon im Untertitel der Studie genannten Stichworte „apocalisse e governo universale“ einstehen. Demnach steht Campanella zuvörderst in einer prophetischen Tradition, die neben intellektuellen auch familiäre Quellen hat: seine Schwester scheint in ihrer Jugend mit entsprechenden Gaben beglückt gewesen zu sein. Campanellas eigenes Prophetentum ist gewiss nicht ekstatischer Natur; es will die Kunst sein, die Zeichen der Zeit zu lesen. Einer Zeit, die als ein dramatisch anwachsendes, das Weltenende ankündigende Chaos wahrgenommen wird, dem allein eine universale Herrschaft Ordnung verschaffen kann. Schon die (für Campanella fatale) Beteiligung an der antispanischen Revolte des Maurizio de Rinaldis in Kalabrien mag so motiviert gewesen sein. Auch in der Folgezeit ist Campanella nicht müde geworden, entsprechende staatsphilosophische Schriften zu verfertigen, auch wenn dabei die ausgemachten Heilsbringer variieren. Und noch der berühmte Sonnenstaat liefert dazu ein Modell – eine Utopie, die keine ist, da die in einem entfernten Winkel der Welt bereits realisierte Gesellschaftsordnung eine in Zukunft auch anderswo zu erwartende Entwicklung antizipiert. Aufs Ganze gesehen ist Riccis Biographie eine beeindruckende Leistung. Gewiss dürfte es auch frustrierte Leser geben, denn aus dem Buch, so umfangreich es ist, entsteht weder ein „Sittengemälde“ der in Frage stehenden Zeit im Spiegel der Werke Campanellas, noch bietet es eine ausführlichere philosophische Analyse der einzelnen Werke in ihrem jeweiligen Gehalt, ihrem Zusammenhang untereinander oder auch ihrer Widersprüchlichkeit auf. Wer hingegen sucht, worum es Ricci geht, eine sehr genaue Darstellung der einzelnen Lebensstationen Campanellas, seiner Kontakte und Einflussquellen, in die dann auch die einzelnen Werke eingebettet werden (ohne sie in aller Ausführlichkeit zu analysieren), greift hier zweifelsohne zu einer vorzüglichen Lektüre.

Albrecht Burkardt

Aislinn Muller, The Excommunication of Elizabeth I. Faith, Politics, and Resistance in Post-Reformation England, 1570–1603, Leiden-Boston (Brill) 2020 (St Andrews Studies in Reformation History), X, 242 S., Abb., ISBN 978-90-04-42599-6, € 125.

Mit der Bulle Regnans in Excelsis vom 25. Februar 1570 exkommunizierte Papst Paul V. die englische Königin Elisabeth I. und befahl ihren papsttreuen Untertanen, sich gegen die Herrscherin zu widersetzen. Diese Exkommunikation entfaltete langfristige Auswirkungen auf Politik und Öffentlichkeit in England und Irland im späten 16. Jh. Diesen Entwicklungen widmet sich die vorliegende Studie von Aislinn Muller auf der Basis englischer und päpstlicher Quellen. Muller stellt die Exkommunikationsbulle als zentrales Referenzgeschehen für konfessionelle Auseinandersetzungen in und um England in den folgenden 30 Jahren des elisabethanischen Regimes dar. Der päpstlichen Exkommunikation und dem Anathem von 1570 müsse höhere Bedeutung als bislang zugerechnet werden, weil sie die Grundlage für außen- wie innenpolitische Konflikte, Legitimitätsdiskussionen und bewaffnete Agitationen (in Irland) legten. War die Bulle im Winter 1570 von Papst Pius V. noch als Krisenbeschleuniger angedacht, scheiterte ihr unmittelbarer Effekt: Die Northern Rebellion katholischer Adeliger wurde niedergeschlagen, die bedrohliche Krise beim Nachbarn Schottland gelöst und die katholischen europäischen Potentaten ließen der Bulle nicht die Relevanz zukommen, ihretwegen alle Verbindungen nach England zu brechen. Kurzfristig schien der Effekt des päpstlichen Paukenschlags verhallt zu sein. Mit der langfristigen Wirkung der Bulle aber beschäftigen sich die folgenden Kapitel quellennah. Muller legt dar, dass die Interpretation der päpstlichen Ordonanz an die englischen Altgläubigen nicht einheitlich ausfiel. In den Auseinandersetzungen um ihre Auslegung fand die Bulle weite mündliche, gedruckte und handschriftliche Verbreitung, auf dem Kontinent wie auf den britischen Inseln. Insbesondere mit der Bestätigung der Bulle 1580 durch Gregor XIII. und dem Beginn jesuitischer Mission in England wurde der Angriff auf die Legitimität der Königin und ihres Regimes nachhaltig in der englischen Öffentlichkeit verankert. Da sich Mullers Untersuchung der katholischen Agitation in der Verbreitung der Bulle weitgehend auf die Überlieferung des elisabethanischen Regimes in den State Papers stützt, darf zu vermuten sein, dass die klandestinen Wege der Bulle sogar noch breiter waren, als sich mit diesem Quellenbestand nachzeichnen lässt. Doch wie sehr aber auch das päpstlich-katholische Kommunikationsnetzwerk die Exkommunikation zu verbreiten versuchte, übertraf dies – so die Darstellung Mullers – nicht die Reichweite, die die Bulle durch ihre protestantischen Kritiken und darin integrierten Wiedergaben und Übersetzungen erhielt. Mediale und argumentative Varianz prägten diese Verbreitung: Gedichte, Pamphlete, Predigten, Angriffe auf päpstliche Suprematie, historische Argumentationen mit Verweis auf die Belanglosigkeit und Beliebigkeit der Exkommunikation weltlicher Herrscher und die Verhöhnung der Bulle in der Metapher eines wildgewordenen Stiers trugen die Nachricht von der päpstlich delegitimierten Königin ins Reich. In der Geringschätzung möglicher Konsequenzen der Bulle entdeckt die Autorin die Sorge um die Sicherheit von Reich und Königin vor drohender Invasion und katholischem, bewaffnetem Widerstand. So wird in den mündlichen wie schriftlichen Erwiderungen die langfristige Bedeutung der Bulle für eine enge Verbindung von Anti-Katholizismus, Anti-Papismus und ein identitätsstiftendes Sicherheits- und Abgrenzungsbedürfnis unter englischen Protestanten deutlich. Da die Bulle argumentatives Einfallstor für auswärtige Invasionsversuche war, beschleunigte sie auch die Konfessionalisierung der Außenbeziehungen im späten 16. Jh. Im vierten Kapitel spürt Muller der Exkommunikation in innen- und außenpolitischen Entscheidungen des Regimes nach. Dabei erscheint die Bulle als die Schere, die den seidenen Faden der englischen Sicherheit immer wieder zu durchschneiden drohte. Der Wirkungsanteil der Exkommunikation in die Faktorenbündel dieser tatsächlichen und gefühlten Bedrohungslagen erscheint dabei nicht immer überzeugend – viele der Herausforderungen hätten sich wohl in gleicher Weise und Tragweite gestellt, wäre der konfessionelle Graben zwischen Elisabeth und der Mehrheit der europäischen Fürsten nicht durch die Bulle verschriftlicht worden. Dass die Exkommunikation kaum zu direktem bewaffneten Widerstand geführt hat, heißt für die Autorin wiederum nicht, dass sie ihr Ziel verfehlt hätte. Muller weitet im letzten Kapitel den Blick auf Widerstandsmöglichkeiten und subversive, gewaltlose Ausdrucksformen. Sie begründet entgegen der bisherigen Forschung die tatsächliche Wirkmacht und Inspirationskraft des päpstlichen Banns für englische (und irische) Katholiken, die auch abseits der Legitimierungsstrategien der irischen Rebellionen nach 1570 prägend war. Mullers Studie zu den Konsequenzen der Exkommunikation Elisabeths I. ist vor allem ein Beitrag zur Geschichte der politischen und religiösen Partizipation, der (Dis-)Obödienz und Resistenz katholischer Untertanen des elisabethanischen Regimes zwischen Krone und Papsttum. Sie arbeitet dabei die diskursive Rolle der Exkommunikationsbulle in den innerenglischen Öffentlichkeiten klar heraus. Inwiefern aber die so gewonnenen Langzeitfolgen tatsächlich Ausweis über die Stärke des päpstlichen Instruments der Exkommunikation im Zeitalter der Konfessionalisierung waren, wie Muller behauptet, oder nicht eher letzter formaler Schritt angesichts eigener Ohnmacht muss eine intensivere Analyse der römischen Überlieferungen und vergleichbaren Untersuchungen zu Herrscherexkommunikationen des späten 16. Jh. (Henrich von Navarra, Gebhard Truchsess von Waldburg) beurteilen. Die Studie Aislinn Mullers bildet dabei methodisch wie inhaltlich einen hervorragenden Anknüpfungspunkt.

Jonas Bechtold

Rotraud Becker, Päpstliche Politik in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, Berlin u. a. (Peter Lang) 2020 (Beiträge zur Kirchen- und Kulturgeschichte 33), 426 pp., ISBN 978-3631806647, € 69,95.

Numerosi sono stati gli studi pubblicati, nel 2018, in occasione dei 400 anni dell’inizio della Guerra dei Trent’anni. È stata avviata una riflessione sulle cause, sui protagonisti, sugli esiti: tema, quest’ultimo, già oggetto di attenzione da parte di storici, soprattutto tedeschi, per le celebrazioni dell’anniversario della conclusione delle paci di Westfalia, nel 2008. L’interpretazione di „guerra europea“ ha prevalso soprattutto nella storiografia tedesca che ha contribuito anche a rileggere, alla luce di nuovi stimoli e suggestioni, singoli episodi, spesso drammatici, che segnarono il lungo conflitto. Non sono mancati poi studi su singoli protagonisti, sui molteplici aspetti della comunicazione, sulla diffusione e la ricezione di notizie non solo militari, nelle corti europee e nella corte papale. Il volume di Rotraud Becker raccoglie dieci saggi pubblicati fra il 1971 (non 1972, p. 11) e il 2018, frutto del suo costante e profondo confronto con l’edizione delle nunziature di Giovan Battista Pallotto (1628–1630) e Ciriaco Rocci (1630–1633), Girolamo Grimaldi (1631–1633), Malatesta Baglioni (1634–1639). Proprio l’analisi puntuale dell’edizione delle „Nuntiaturberichte aus Deutschland“, ha prodotto, non solo in questo caso, risultati scientifici di grande qualità e spessore, affrontando tematiche non limitate alla storia diplomatica e politica. I dispacci dei nunzi alla Segreteria di Stato, arricchiti spesso anche dalla loro corrispondenza con esponenti della corte o della famiglia pontificia, hanno consentito a Rotraud Becker di gettare la luce su figure che ruotavano intorno alla corte del nunzio e di analizzare problemi solo apparentemente accessori rispetto ai temi preminenti nei carteggi dei diplomatici pontifici. L’autrice ha precisato nell’introduzione che, pur consapevole della quantità non indifferente di contributi apparsi di recente sui rapporti fra Urbano VIII e l’imperatore Ferdinando II nel quadro della guerra, ha deciso di non aggiornare la bibliografia. Già il primo saggio del 1971 mostra significative novità tematiche. L’attenzione alla fiera di Francoforte, ai mediatori che informavano il nunzio e la corte romana del traffico di libri, in particolare di quelli proibiti, apre squarci di indubbio interesse sull’editoria, sul difficile controllo della stampa durante gli anni della guerra che rendevano più facile approfittare di spazi e occasioni per far entrare e diffondere, anche in Italia, opere „perniciosissime“. Non preoccupavano solo gli scritti di agguerriti teologi riformati, ma libelli, stampe, pamphlets che circolavano in Germania. Questa produzione alimentava la sempre vivace polemica contro il papato e contro Urbano VIII, giudicato, anche da parte cattolica, troppo tiepido nel difendere gli interessi cattolici nei territori imperiali. Da questi saggi emergono con forza anche tratti significativi della quotidianità dell’operato di nunzi: contatti formali e informali si rivelavano proficui per conoscere l’„animo e gli humori“ delle persone che ruotavano intorno all’imperatore e ai suoi potenti consiglieri. Talvolta un proficuo contatto fra questi e il diplomatico pontificio poteva rivelarsi decisivo per risolvere complesse questioni. I diversi saggi fanno emergere alcuni profondi e costanti motivi di frizione fra il papato e l’imperatore Ferdinando II in questo periodo di guerra. Innanzitutto, la preoccupazione di smussare le frizioni con la posizione di Urbano VIII, impegnato a non far crescere la presenza asburgica in Italia. La sua posizione di neutralità, etichettata a Roma come „padre comune“, appariva agli osservatori imperiali una malcelata posizione filofrancese. I già complessi rapporti fra il papa e l’imperatore furono resi ancor più tesi da questioni di precedenza alimentate dalla carica di Praefectus Urbis attribuita a Taddeo Barberini. Non furono solo i nunzi, in particolare Ciriaco Rocci, a dover far accettare alla corte questa nomina che sconvolgeva l’ordine delle precedenze nelle cerimonie, nelle udienze, non solo nella corte imperiale, ma in tutto il panorama cerimoniale delle monarchie cattoliche. La questione della prefettura rappresentò un argomento costante, ad esempio, nelle lettere di Federico Savelli, testimoniando come anche i militari di rango si adoperassero per sostenere l’azione diplomatica dei nunzi. Se il gesto di Urbano VIII era riconducibile alla volontà di creare un percorso ed una eredità dinastica ai Barberini (p. 330), alla corte imperiale fu letto come una prova della scarsa considerazione del papa nei confronti dell’imperatore. Ma, sebbene le questioni cerimoniali e di precedenza non possano essere considerate marginali, come ben dimostrano le pagine dedicate da Becker a questi temi, altre spinose questioni segnarono la corrispondenza fra i nunzi e Roma, coinvolgendo l’opera di congregazioni come la Propaganda fide e il Sant’Uffizio. Anche in questi casi, la corrispondenza dei diplomatici pontifici inviata a Roma, come già è stato dimostrato da studi recenti, seguiva un percorso triangolare che lasciava al Sant’Uffizio l’ultima parola. Problemi riguardanti la disciplina dei matrimoni misti, la liturgia, l’uso del volgare, l’istruzione del clero cattolico, la concessione di facoltà di assolvere eretici convertiti rappresentarono gli argomenti preminenti esposti nelle lettere indirizzate alle congregazioni romane, come ben messo in evidenza da Becker (pp. 265–302). Spesso, però, le risposte non erano soddisfacenti per chi agiva in loco, subendo inevitabili pressioni politiche. Un volume, insomma, ricco di spunti che potrebbero ancora essere approfonditi da indagini mirate e, soprattutto, conferma la straordinaria ricchezza delle Nuntiaturberichte, analizzate e commentate con la acribia e la passione che sempre hanno distinto i lavori dell’autrice.

Irene Fosi

Nedim Zahirović, The Register of Ottoman-Venetian Diplomatic Affairs at Leipzig University Library (1625–1640), Paderborn u. a. (Schöningh) 2020 (Mittelmeerstudien 20), XVIII, 198 pp., ill., ISBN 978-3-506-78580-0, € 73,83.

Frutto di ricerche presso la collezione dei manoscritti orientali conservata nella biblioteca universitaria di Lipsia, questo volume curato da Nedim Zahirović presenta un interessante documento relativo ai rapporti diplomatici tra gli Ottomani e la repubblica di Venezia. Si tratta di un registro redatto presso il consiglio imperiale ottomano (mühimme defterleri) in cui sono raccolti gli ordini emanati dal sultano in riferimento alle petizioni inoltrate da Venezia, in materia dei suoi sudditi, tramite il bailo o ambasciatore a Istanbul. Gli anni sono compresi tra il 1625 e il 1640. Il documento, secondo il curatore, probabilmente è stato trovato in Ungheria durante la guerra della Lega santa (1684–1699), dato che risulta in possesso di Andreas Acoluthus, professore di lingue orientali a Breslavia, già alla fine del Seicento. Dopo vari passaggi, è finito alla biblioteca universitaria di Lipsia. Ad esso è allegato, senza un particolare nesso funzionale, un altro registro che raccoglie gli atti di nomina degli imam e dei meuzzin per varie moschee di Rumelia (Balcani) e Anatolia. Zahirović ha scelto di presentare in questa edizione quello che definisce un registro degli affari esteri (düvel-i ecnebiyye defteri), testimone della riorganizzazione della corrispondenza diplomatica presso la corte del sultano agli inizi del Seicento, quando l’intera materia delle relazioni fu ripartata per singoli stati, tra cui ovviamente Venezia. Sono noti altri registri dedicati a questioni sorte con la Serenissima e i suoi sudditi per gli anni 1604–1619, 1618–1628 e per il dopo 1669 (dopo la guerra di Candia), quando essi diventano regolari e le serie complete. Questa edizione, relativa agli anni 1625–1640, colma dunque una lacuna. Siamo in una fase storica di pace fra l’impero ottomano e la repubblica di Venezia, compresa tra le guerra di Cipro e quella di Candia. Un settantenio, il 1573–1645, in cui entrambi gli stati cercarono di appianare inevitabili vertenze o incidenti che potevano capitare tra i rispettivi sudditi sia per mare sia lungo le vie commerciali di terra. Il curatore individua una casistica di massima tra i 132 ordini presentati. Ci sono gli editti su questioni relative alla violazione dell’immunità diplomatica, su questioni di natura economica, ovvero la tutela dei mercanti veneziani e la tutela dei commerci trasfrontarlieri, su questioni di conflitti e violenze reciproche fra gruppi o singoli, casi di pirateria e attività corsare, tensioni e violenze di natura religiosa. Per quanto concerne le azioni di garanzia dell’immunità diplomatica (sicurezza e approvigionamento durante il transito), i vari documenti illustrano bene la trasmissione degli ordini tra il potere centrale e i vari governatori di provicia (beylerbey), i vari sanjakbey a capo di distretti, i vari giudici (kadi), i capi di fortezza (dizdar) e gli addetti alle dogane (emin). Tra le azioni di politica economica è rilevante riscontrare un paio di ordini affinché le carovane bosniache venissero indirizzate dai sanjak di Clissa e dell’Erzegovina verso Spalato, emporio veneto, e non verso Ragusa, per quanto repubblica vassalla. I casi di conflitto confermano la rissosità endemica lungo i confini posti tra Zara, Sebenico, Spalato città venete e l’entroterra ottomano, così come nelle Bocche di Cattaro. Un editto emesso dal sultano nel febbraio 1626 e indirizzato ai corsari di Tunisi, che avevano rapito diverse centinaia di persone di Perasto nelle Bocche di Cattaro, di Paxo, Antipaxo e di Itaca, tutti sudditi veneziani, ordinava il loro immediato rilascio, dopo che i tunisini, adducendo varie pretese, continavano a trattenere i prigionieri. Interessanti sono pure gli editti concernenti le tensioni tra cattolici e ortodossi, i rispettivi monasteri, a Gerusalemme, o le lamentele dei mercanti veneziani, perseguitati per le loro preghiere, in Egitto. La natura stessa del documento, un registro di provvedimenti a fronte di casi critici, non può che evidenziare quanto fosse problematica la convivenza tra sudditi veneziani e quelli ottomani. Ciascuno dei 132 atti è introdotto da un’utile ma spesso troppo contenuta sinossi in lingua inglese, tant’è che si evince la vicenda denunciata, a volte i nomi degli interessati, ma poco più. Una redazione pensata quindi più per gli ottomanisti, introdotti nel turco ottomano traslitterato, che per gli studiosi di Venezia o in genere del Mediterraneo. Peccato che l’edizione non presenti un indice analitico, che faciliterebbe la consultazione. In appendice (pp. 135–198) sono collocate le fotoriproduzioni dei documenti originali ottomani. L’inserimento di questo volume all’interno di una collana dedita agli studi storici mediterranei è ovviamente del tutto giustificata e rilevante per la ricerca storica dello spazio mediterraneo.

Egidio Ivetic

Fürstabt Celestino Sfondrati von St. Gallen 1696 als Kardinal in Rom, bearb. von Helena Müller, Christoph Uiting, Federica Germana Giordani, Giuanna Beeli und Birgit Heinzle, hg. von Peter Erhart, Wien-Köln-Weimar (Böhlau) 2019 (Itinera Monastica 2), 724 S., 41 Abb., ISBN 978-3-205-20735-1, € 59,99.

Die vorliegende Dokumentation enthält mehrere Dokumente von unterschiedlicher Länge, die den letzten Lebensabschnitt des Fürstabts von St. Gallen Celestino (Luigi) Sfondrati von der Aufnahme ins Kardinalskollegium am 12. Dezember 1695 bis zu seinem Tod in Rom am 4. September 1696 beleuchten. Großen Raum nimmt das „Elogium et Itinerarium“ von P. Hermann Schenk ein, dem Privatsekretär und Vertrauten von Sfondrati, das die Details der Reise von St. Gallen nach Rom und des Aufenthalts in der Ewigen Stadt enthält (den Reiseverlauf zeigt die Karte S. 22; interessant der überaus freundliche Empfang durch die Herzöge von Modena und der Toskana mit Beschreibung der als Geschenke übergebenen Delikatessen, S. 132–135), eingerahmt von einer Würdigung des Kardinals. Es beschreibt darüber hinaus ausführlich den Krankheitsverlauf des Kardinals (samt Testament). Ein weiteres Itinerar (mit Angaben zur Rückreise) schließt sich an. Es wurde von P. Dominikus Ritter, der in St. Gallen wichtige Funktionen bekleidet hatte, verfasst. Es folgt ein dritter Text aus der Hand des Kammerdieners Franz Lorenz Piller, der sich derselben Themen aus der Sicht eines vertrauten Laien widmet (mit der Beschreibung der Chinea vom 28. Juni, die bei Schenk fehlt). Das letzte Lebensjahr von Celestino Sfondrati wird weiter erschlossen durch Avvisi und Briefe, die in diese Periode fallen. Auf die Korrespondenz beziehen sich Tabellen (S. 579–621) mit archivalischen Angaben, aber leider ohne Hinweise zum Inhalt der Stücke. Weitere kleinere zeitgenössische Quellen wurden in die Edition aufgenommen (Bericht über die Festlichkeiten in St. Gallen anlässlich der Kardinalserhebung Sfondratis, Auszug aus dem „Diarium“ des P. Dionysius Mattlin zum Jahr 1696 sowie vier lateinische Urkunden). Die Frage stellt sich, ob nicht eine stringentere Auswahl der Texte und Kürzungen hätten angestrebt werden sollen (das Testament des Kardinals findet sich zweimal in vollem Wortlaut, die Glückwunschschreiben europäischer Fürsten an Sfondrati zur Aufnahme in das Hl. Kolleg und das Schreiben von Sfondrati an Innozenz XII. vom 20. Dezember 1695 etc. sind ebenfalls in mehreren Fassungen abgedruckt, S. 320, 348 f., 396, 414–416). Während die edierten Quellen textkritische Anmerkungen enthalten, wurde auf einen Fußnotenapparat für den Sachkommentar verzichtet (Identifizierungen von Personen und Orte finden sich direkt nach der betreffenden Textstelle in eckigen Klammern). Neben der Einleitung des Hg. sind der Edition weitere einführende Kapitel vorgeschaltet, u. a. zur Biographie des Kardinals, zu seiner römischen Residenz im Rione S. Eustachio bei San Luigi dei Francesi und zu den Chronisten der letzten Monate im Leben des ehemaligen Fürstabts. Insgesamt hätte die einschlägige Fachliteratur stärker Berücksichtigung finden können (so etwa Markus Völkel, „Römische Kardinalshaushalte des 17. Jahrhunderts. Borghese – Barberini – Chigi“, Tübingen 1993; eine Spezialbibliographie fehlt). Für sozialgeschichtliche Fragestellungen könnten die umfangreichen Rechnungen und Quittungen ergiebig sein (S. 469–572). Die Bildtafeln sind insgesamt aussagekräftig (mit Ausnahme von Abb. 41 mit der Grabinschrift des Kardinals in S. Cecilia). Eine Wiedergabe des entsprechenden Abschnittes des Nolli-Plans, auf den S. 49, Anm. 24 rekurriert wird, hätte zur Illustration ergänzt werden können. Einige Fehler wären vermeidbar gewesen: so war Papst Innozenz XII. kein „geweihter Jesuit“ (S. 39) und der Brief Sfondratis an Leopold I., den Schenk unter dem 31. August 1696 festhält, wurde wohl auf Schloss Laxenburg bei Wien und nicht in Luxemburg (wo sich nie ein frühneuzeitlicher Kaiser aufhielt) übergeben (S. 199). Der Anhang enthält neben einem Personen- und Ortsregister ein Glossar italienischer Wörter sowie Angaben zu Münzen, Maßen und Gewichten auch für den Bereich der Pharmazie.

Alexander Koller

Gernot Mayer/Silvia Tammaro (Hg.), Travelling Objects. Botschafter des Kulturtransfers zwischen Italien und dem Habsburgerreich, Wien-Köln-Weimar (Böhlau) 2018 (Schriftenreihe des Österreichischen Historischen Instituts in Rom 3), 248 S., Abb., ISBN 978-3-205-20770-2, € 49.

Im Rahmen der Integration neuer Perspektiven hat auch der material turn Einzug in die Geschichtswissenschaft gehalten. Die Frage nach materiellen Kulturen rückt Artefakte als Bezugspunkte und Ausdrücke menschlicher Praktiken in das Zentrum der Forschung. Gerade dieser Blickwinkel ermöglicht eine Kooperation zwischen Geschichtswissenschaft und Kunstgeschichte sowie den Anspruch, aus kunsthistorischer Perspektive historiographische Fragestellungen anzugehen. Einen solchen Versuch unternimmt der von Gernot Mayer und Silvia Tammaro hg. Sammelbd., der die Ergebnisse einer in Rom im Mai 2017 abgehaltenen Tagung zusammenfasst. Gefragt wird nach Kunstobjekten als Träger von Kulturaustausch zwischen Italien und den österreichisch-habsburgischen Gebieten sowie nach Akteurinnen und Akteuren von Objekt- und Kulturtransfers. Die zusätzliche Aufgabe, die „sammlungsgeschichtliche … Forschung“ (S. 11) zu bereichern, stellt einen traditionell kunsthistorischen Ansatz dar. Zeitlich konzentrieren sich die Beiträge auf das 17. und 18. Jh. mit einem Exkurs in das 19. Jh. Als Orte des Kulturtransfers stehen Wien und Rom im Fokus, nachfolgend mittel- und norditalienische Regionen, Krain und Tirol. Andere Gebiete, wie Böhmen und Süditalien – mit der Ausnahme einer kurzen Thematisierung von Agentennetzwerken in Neapel (S. 90–96) –, werden ausgelassen, was nicht nur angesichts süditalienischer Machtverschiebungen im 17. und 18. Jh. zu bedauern ist. Nach einer kurzen Einleitung folgen Ausführungen zum Kulturtransfer auf dynastischer Ebene. Anhand des Reisetagebuchs des Augsburger Kunsthändlers Philipp Hainhofer untersucht Christoph Orth die Besichtigung von Kunstobjekten Claudia de’ Medicis, der Erzherzogin von Österreich-Tirol, in ihrer Kunstkammer im Jahr 1628. Die Besichtigung erweist sich als Instrument der Wissenserlangung Hainhofers und der Selbstinszenierung Claudias als Trägerin mediceischer Hofhaltung. Roberta Piccinellis Aufsatz nimmt den Austausch von Kunstobjekten zwischen den Geschwistern Carlo II. Gonzaga-Nevers, Herzog von Mantua, und Eleonora, Ehefrau des 1657 verstorbenen Kaisers Ferdinand III., in den Blick. Beide Aufsätze verdeutlichen dabei einen reziproken österreichisch-italienischen Kulturtransfer. Kunstgegenstände als Geschenke beleuchten die Beiträge von Gudrun Swoboda, die das ikonographische Programm der päpstlichen Oberhoheit unter Urban VIII. entschlüsselt, und Gernot Mayer. Mayer betrachtet anhand der Schenkung zweier Gemälde durch den ehemaligen Papstnepoten Livio Odescalchi an den Reichsvizekanzler Dominik Andreas Kaunitz Kunsttransfer im Kontext von mikropolitischem Tauschhandel, den Mayer als normativ grenzwertig und zugleich „systemimmanent“ (S. 87) bewertet. Akteure von Kulturtransfer rücken in der nächsten Beitragssektion in den Vordergrund. Silvia Tammaro nimmt die Kunstankäufe Eugens von Savoyen mittels Agenten in Neapel, Mailand, Turin und Bologna in den Blick. Die Kohärenz zwischen politischem Aufstieg und interkulturellem Mäzenatentum zeichnet Laura Facchin anhand des in kaiserlichen Diensten stehenden paduanischen Militärs Ferdinando Obizzi nach. In einem pointierten Aufsatz zeigt Katra Meke den um 1700 einsetzenden kulturellen italienischen, insbesondere venezianischen Einfluss im Herzogtum Krain, getragen durch Händlerfamilien. Diese lenkten als verhältnismäßig kleine wirtschaftliche und intellektuelle Elite die kulturelle Entwicklung des Herzogtums. Tammaros und Mekes Untersuchungen lassen die vielschichtigen Netzwerke zum Teil subalterner Akteure hervortreten, die für den italienisch-habsburgischen Kulturtransfer unerlässlich waren. Die letzten vier Beiträge befassen sich mit Diplomaten als spezifischen Akteuren des Kunst- und Kulturaustauschs. So betrachtet Cecilia Mazzetti di Pietralata das Klientelnetzwerk der römischen Brüder Paolo und Federico Savelli, die in der ersten Hälfte des 17. Jh. in diplomatischen Diensten des Papstes und des Kaisers standen. Friedrich Polleroß, Matteo Borchia und Katarína Beňová zeigen anhand verschiedener Diplomaten des 18. und 19. Jh. Auftrags-, Sammler- und Förderaktivitäten auf. Deutlich wird dabei die Vermengung privater und offizieller diplomatischer Interessen. Dies gilt auch für den durch Beňová beleuchteten österreichischen Botschafter Graf Anton von Apponyi im Rom der 1820er Jahre, der noch klar nach frühneuzeitlichen Spielregeln agierte. Die Beiträge verdeutlichen die engmaschigen Verquickungen zwischen dynastie-, handelspolitischen und diplomatischen Außenverflechtungen einerseits und künstlerisch-kulturellem Wirken andererseits. Diese Verquickungen bildeten wichtige Faktoren eines wechselseitigen, wenn auch italienisch dominierten Kulturtransfers. Die Beiträge behandeln Artefakte, Praktiken und Akteure aus spezifischen Perspektiven, mit denen sich die neuere Geschichtswissenschaft unter verschiedenen Schlagworten (Materielle Kultur, Historische Praxeologie, akteurszentrierte Forschung) verstärkt befasst. Auch wenn einige Aufsätze ihren Schwerpunkt auf die Sammlungsgeschichte setzen, stellt der Tagungsbd. so einen erheblichen Gewinn für die Erforschung der Beziehungen zwischen süd- und nordalpinem Raum im Sinne einer „Neuen Kulturgeschichte“ dar.

Markus Laufs

John D. Schaeffer, Giambattista Vico on Natural Law. Religion, Rhetoric and Sensus Communis, Abingdon, London-New York (Routledge) 2019, 131 pp., ISBN 978-0-367-19106-1, GBP 115.

John Schaeffer è uno studioso che ha dedicato molta parte della sua vita scientifica allo studio di Giambattista Vico, sin dal 1981 („Vico’s Rhethorical Model of the Mind. Sensus Communis in the De nostris temporibus studiorum ratione“, in: „Philosophy&Rhetoric“ 14,3 [1981], pp. 152–167). Adesso ritorna su questo argomento rimettendo al centro, non a caso, il concetto di sensus communis per offrire una riflessione intorno al rapporto tra Vico e il diritto naturale alla luce del dibattito che si è sviluppato negli ultimi tre decenni. Come osserva infatti l’autore, la discussione internazionale sul diritto naturale si è polarizzata nel tempo attorno alle sue radici aristotelico-tomistiche piuttosto che attorno ai suoi caratteri razionalisti ripresi dalla cultura dell’Illuminismo. Il giusnaturalismo di Vico segue invece una terza via, che è quella sulle basi nella tradizione giuridica romana. Da qui, la riflessione di Schaeffer si spinge poi oltre, per analizzare la relazione che esiste in Vico tra il diritto naturale come codice morale e lo ius gentium, inteso come complesso delle regole che governa la società umana nelle sue forme di organizzazione sempre più complesse. Per sviluppare questa ricerca, il volume è organizzato in due sezioni: la prima dedicata ad un’analisi della consistenza e della rilevanza della tradizione del diritto romano nell’opera di Vico e in particolare nella „Scienza nuova“, la seconda dedicata all’originalità del pensiero di Vico rispetto alla cultura giusnaturalistica del suo tempo. Il trait d’union è costituito dal concetto di sensus communis, un’idea retorica capace di esprimere in termini filosofici, giuridici e culturali il consenso e la convergenza della comunità politica verso determinati valori e princìpi identificabili nella moralità, nell’equità e nei diritti della società rafforzati dal mito delle origini. La riflessione di Schaeffer, che riprende e rafforza quanto da lui già discusso nel volume „Sensus Communis. Vico, Rhetoric, and the Limits of Relativism“ (Durham 1990), offre una chiave importante per capire in che modo il pensiero di Vico si confronta non solo con la tradizione del diritto naturale ma anche con il problema della decadenza degli Stati e del regresso della civiltà conseguenti all’allontanamento dal sensus communis, che è uno dei grandi temi che ruotano attorno alla scrittura e ai rifacimenti della Scienza nuova. Più complesso rimane il problema di capire quanta parte di queste idee viene compresa e ripresa dalla filosofia dell’Illuminismo, che è l’argomento al quale Schaeffer dedica l’ultima parte del libro (cap. 7 e conclusione). Schaffer propone di indagare questi aspetti lungo una linea che porta alla filosofia kantiana. Si tratta di una prospettiva interessante, che costringe una volta in più a interrogarsi sull’effettiva persistenza della tradizione del diritto naturale di fronte alla critica kantiana della facoltà di giudizio e ai suoi fondamenti razionalistici (cfr. Zhengmi Zhouhuang, „Der Sensus communis bei Kant. Zwischen Erkenntnis, Moralität und Schönheit“, Berlin-Boston 2016) e che meriterà di essere approfondita.

Antonio Trampus

Lisa Herrmann-Fertig, „Jesuit canta“! „Musik“ in der interkulturellen Kommunikation jesuitischer Mission in Südindien während des späten 17. und 18. Jahrhunderts, Würzburg (Königshausen & Neumann) 2020 (Würburger Beiträge zur Musikforschung 6), 469 S., Abb., ISBN 978-3-8260-6996-3, € 68.

Nicht zum ersten Mal wird der vielzitierte Spruch, zumal in sein Gegenteil verkehrt, als Titel einer wissenschaftlichen Abhandlung verwendet. Neu sind allerdings das Ausrufezeichen und die Tatsache, dass es sich diesmal um eine wahrhaft umfangreiche Studie handelt. Beide Fakten signalisieren jedenfalls die grundsätzliche Anlage der äußerst motivierten Monografie. Es darf vorausgeschickt werden, dass das irreführende und vor allem auch häufig missverstandene Axiom Jesuita non cantat bereits sehr früh nach Gründung der Gesellschaft Jesu sich als absolut irrelevant erwies und überhaupt erst im Zusammenhang mit den gegenreformatorischen Ideen des Ordensgründers – keineswegs ein Musikverächter – verständlich wird. Gerade die taktisch, vor allem zielgerichtet orientierten Jesuiten haben die überwältigende Wirkung der Musik und die zahlreichen damit verbundenen Möglichkeiten zu eigenen Zwecken erkannt und besonders erfolgreich angewendet. Der vollständige Titel definiert nun den eigentlichen Gegenstand, der aber tatsächlich nur einen relativ überschaubaren Teil der viel komplexer gestalteten Arbeit ausmacht. Bekanntlich haben die Jesuiten die Musik, wie auch andere Kunstformen, in Europa selbst konsequent benutzt, um neue Gläubige an die katholische Kirche heranzuführen, oder alte bestärkt zu überzeugen. Doch die meistverbreitete Assoziation betrifft ihre entsprechenden Aktivitäten in den Missionen, hauptsächlich in Lateinamerika, insbesondere in den nunmehr legendären Reduktionen in der Provinz Paraguay, die zu kolonialer Zeit größere Teile heutiger Länder wie Argentinien, Chile, Bolivien, Uruguay und Brasilien miteinschloss. Einen Gegenpol zu besagtem „Musikstaat“, der nicht nur wissenschaftlich Beachtung fand, sondern auch mehrfach literarisch, dramatisch und auch kinematographisch aufgearbeitet wurde, bildete höchstens die spezifische Konstellation in China, das im Gegensatz zur Neuen Welt mit einer Hochkultur aufwarten konnte und somit die europäische Musik eher in theoretischer Hinsicht beobachtete. Mit dem vorliegenden Bd. rückt also ein dritter Schauplatz ins Blickfeld: Südindien, das in diesem Zusammenhang und in vergleichbarer Weise bislang kaum untersucht wurde. Die Originalität des Unternehmens ist damit schon von vornherein abgesteckt. Die tatsächliche Strukturierung der Arbeit zeigt dann allerdings Proportionen, die, gemessen an der Überschrift, sich nicht ganz als konsequent erweisen; auch wenn dadurch der interdisziplinäre Charakter – Geschichte, Musikwissenschaft, Musikethnologie, Soziologie – zugegebenermaßen erheblich unterstrichen wird. Doch scheinen die lexikal-methodologischen Überlegungen im ersten Teil, der fast schon ein Viertel des Bd. ausmacht, durchaus verzichtbar, umso mehr, als die aus vornehmlich heutiger Sicht herangezogenen Kategorien für den vorgegebenen Zeitraum sich eher als anachronistisch präsentieren. Dagegen ist der geschichtliche Überblick, und selbst im globalen Ausmaß, hervorragend dafür geeignet, dem unvorbereiteten Leser den vollständigen Themenkomplex leichter verständlich zu machen. Musik, als Wort und Begriff im ganzen Buch – unter methodologisch-phänomenologischer Begründung – beharrlich in Anführungszeichen geschrieben, wird dabei nur relativ wenig behandelt, was aber auch einleuchtend ist, wenn man die bedauerlich dürftige Quellenlage bedenkt. Immerhin wird der Versuch unternommen, selbst auf spekulativem Wege, im Aufeinandertreffen von westlicher und östlicher Musiktradition auch eine Möglichkeit zur Repertoirebildung zu vermuten, in folgerichtiger Anlehnung an den bekannten Akkommodationsansatz der Jesuiten. Der grundsätzliche Befund, dass die Patres die „Musik als Werkzeug“ zur Konvertierung indigener Völker eingesetzt haben, zieht sich wie ein roter Faden durch die ganze Studie. Nicht zuletzt den sorgfältigen Recherchen vor Ort sind erstaunliche Erkenntnisse zu verdanken: Diese können sich auf reale Dokumentation berufen, die im Bd. teilweise auch reproduziert werden. Das Fazit, dass eine vornehmlich, aber nicht ausschließlich durch Jesuiten propagierte beachtliche Musikkultur im kolonialen Südindien Fuß fassen konnte, mag vor allem auch jene überraschen, die das Vorgehen der Gesellschaft Jesu in Lateinamerika und China, das heißt in zwei ganz gegensätzlichen Umgebungen, gut kennen. Die Arbeit suggeriert übrigens geradezu eine Art Kompromiss zwischen den beiden entsprechenden Modellen. Das betreffende Gebiet mit dem Hauptsitz Goa hatte zwar auch eine Hochkultur vorzuweisen, wie das Reich der Mitte, doch war die Bevölkerung religiös, anthropologisch und soziologisch anders beschaffen als die konfuzianisch geprägten Chinesen, die der westlichen Musik höchstens theoretische Einsichten abzugewinnen bereit waren. Andererseits war ihre ursprüngliche Musikalität durchaus mit der der Bewohner Westindiens vergleichbar. Das Aufzeigen dieser Voraussetzung und der daraus resultierenden Konsequenzen ist mithin einer der bedeutendsten Vorzüge des vorliegenden Buches.

Johann Herczog

Edizione Nazionale del Carteggio di L. A. Muratori, vol. 25: Carteggi con Lazzari … Luzán, a cura di Maria Lieber e Daniela Gianaroli, con la collaborazione di Josephine Klingebeil e Chiara Maria Pedron, Firenze (Olschki) 2020 (Centro di Studi Muratoriani Modena), 506 pp., ISBN 978-88-222-6669-9, € 100.

Grazie al puntuale lavoro di ricostruzione e di edizione condotto da Maria Lieber e Daniela Gianaroli, il carteggio di Lodovico Antonio Muratori (1672–1750) si arricchisce di un ulteriore volume, tra i più interessanti dell’intera serie. Secondo i criteri stabiliti dal piano generale dell’opera, il venticinquesimo volume raccoglie i corrispondenti della lettera L (da Michele Lazzari a Ignacio de Luzán). Prima di esaminare gli aspetti di maggiore interesse, è opportuno dare brevemente conto della struttura complessiva del testo. Le quarantanove personalità riunite conducono il lettore all’interno della fitta rete di contatti tessuti da Muratori, nella sua attività di storico, erudito, letterato e riformatore. In particolare, colpisce il carattere internazionale del volume, ossia la varietà di corrispondenti di paesi e provenienze diverse. A titolo di esempio, ci si sposta dal mondo francofono di Jacques Le Long e Guillaume Léziart du Terre, sino al contesto germanico e imperiale con Anna Maria e Joseph Wenzel di Liechtenstein, Johann Jackob Leu, alla Spagna di Ignacio de Luzán. Si segnalano poi corrispondenti che aprono uno squarcio sui rapporti di Muratori con Roma e il cuore della Chiesa cattolica – significativa al riguardo la corrispondenza con il cardinale Giuseppe Livizzani. In questa rete, che collocò Modena, piccola capitale del ducato estense, in una trama di relazioni ad ampio spettro, trovano spazio eruditi locali, accademici, modesti parroci, frati e religiosi, che, per le ragioni più varie, videro nel bibliotecario degli Este un riferimento. Le introduzioni ai vari carteggi risultano complessivamente molto efficaci: mantenendo la giusta misura nel riassumere le vicende biografiche dei corrispondenti e i principali nodi trattati con Muratori, i testi iniziali coniugano sensibilità storica e filologica, raccordando le singole corrispondenze all’intricato network muratoriano. Se molti sono i corrispondenti che illuminano elementi importanti della biografia muratoriana e, più in generale, del clima politico-culturale di inizio Settecento (vale la pena citare almeno le dissertazioni letterarie con Francesco de Lemene o gli interventi, più politici e compassati, indirizzati a Luigi XIV e al suo entourage), a spiccare è certamente lo scambio tra Muratori e Leibniz. Facendo il punto sulla bibliografia che già si era occupata delle relazioni tra i due, Lieber e Gianaroli delineano il confronto che unì personalità trovatesi al servizio di due corti impegnate a dimostrare, per via storico-documentaria, una comune radice dinastica. Al servizio dell’elettore di Hannover (e futuro re d’Inghilterra) l’uno, degli Estensi l’altro, i due eruditi ebbero una vivace discussione epistolare, compresa tra il 1708 e il 1716, anno della morte di Leibniz. Il 1708 è un anno cruciale: nell’ambito della guerra di successione spagnola, le truppe imperiali occupano la città di Comacchio, nella valle del Po, anticamente dominata dagli Este, e passata dal 1598 allo Stato pontificio. Il presidio austriaco del distretto comacchiese accese le speranze estensi di poter riguadagnare il territorio perduto un secolo prima. Muratori era stato incaricato di dimostrare, grazie alla ricerca di archivio, la fondatezza di quelle rivendicazioni. Parallelamente, il duca Rinaldo I d’Este, sposatosi con Carlotta Felicita di Brunswick e Lüneburg nel 1696, aveva commissionato al suo bibliotecario un testo che ricostruisse la storia della dinastia estense, ritrovandone le origini comuni con il casato della moglie. Di qui l’idea di uno sforzo congiunto tra le due corti, all’origine appunto della collaborazione tra Muratori e Leibniz. La cornice è quella del progressivo posizionamento del ducato estense nell’orbita asburgica (la sorella di Carlotta, Amalia, sposerà l’imperatore Giuseppe I). Ciò che emerge dal carteggio tra Muratori e Lebniz è un rapporto accidentato: da un lato, si può osservare un Leibniz puntiglioso, impegnato a correggere le conclusioni storico-genealogiche del corrispondente, invitandolo a ponderare il giudizio, a rileggere e correggere il manoscritto delle „Antichità estensi“ inviato ad Hannover e a dare merito al collega dei consigli e delle modifiche introdotte; dall’altro si osserva un Muratori geloso del proprio lavoro, ansioso di vedere riconosciuta la sua autorialità, non troppo incline ad accettare i suggerimenti del più esperto compagno di avventura. Sullo sfondo, i mai risolti problemi confessionali: Leibniz si lamenta delle chiusure del mondo cattolico e delle acritiche censure riservate alla sua opera; Muratori lo rassicura, dovendo tuttavia ricredersi sui pregiudizi che, ancora, affliggevano la cultura italiana. Se ne ricava un quadro culturale travagliato, dove la collaborazione che la repubblica delle lettere cercava di favorire si scontrava con le ragioni della politica e della religione.

Matteo Al Kalak

Finn Fuglestad, Slave Traders by Invitation. West Africa’s Slave Coast in the Precolonial Era, London (Hurst Publishers) 2018, XIV, 443 pp., ill., ISBN 978-1-84904-906-1, GBP 55.

Come ha rilevato David Wheat („The Journal of African History“ 61,3 [2020], pp. 449 sg.) il libro di Finn Fuglestad non tratta della storia della schiavitù in Africa occidentale, come il titolo farebbe pensare, ma di questioni politiche e territoriali, ossia di come si costruì la sovranità del Dahomey nella Slave Coast, un’area corrispondente all’odierno Benin, nell’età moderna. Si tratta da questo punto di vista di una somiglianza con altri lavori, come per esempio quello di Herman L. Bennett, „African Kings and Black Slaves. Sovereignty and Dispossession in the Early Modern Atlantic“, Philadelphia 2018, che si concentra sulla sovranità territoriale in Africa occidentale, utilizzando le fonti europee del Quattro e primo Cinquecento. Nonostante il libro non tratti di processi e dinamiche di schiavitù, l’enfasi sull’invito ai mercanti di schiavi, posta nel titolo con riferimento agli europei invitati dagli esponenti dei regni africani, tende a sottolineare il ruolo preminente delle conformazioni statuali africane nella storia dell’Africa della prima età moderna. Il lavoro di Finn Fuglestad è composto da tre parti. La prima (A) è un’indagine storiografica molto ricca e attenta, la seconda (B) copre il periodo dal 1600 al 1720, mentre l’ultima (C) quello dal 1720 al 1851. Fuglestad costruisce l’indagine intorno ad alcuni snodi interpretativi. Presenta la teoria – elaborata dal famoso antropologo Jack Goody – della „contrapuntal paramountcy“ (p. 66), secondo la quale in Africa una nuova oligarchia non avrebbe davvero potuto conquistare un territorio e stabilirvisi governandolo, perché i proprietari originari detenevano un diritto rituale inalienabile. Solo attraverso una pratica della reciprocità la nuova oligarchia, integrando i precedenti detentori del potere territoriale, riusciva a impossessarsi della terra. La convivenza stabiliva un modus vivendi che integrava le due società attraverso matrimoni di rango e mediante la cooptazione dei membri dell’oligarchia originaria nel nuovo entourage del sovrano. Fuglestad procede utilizzando questa interpretazione e mostrando come i sovrani del Dahomey avrebbero tentato di egemonizzare i regni Allada e Hueda nel primo Settecento mediante una prassi modernizzante, rifiutando le pratiche di reciprocità e comprando direttamente la terra. Una serie di rituali di cui è rimasta traccia costituirebbe la prova di tale tentativo di autolegittimazione. La tesi di Fuglestad è che questa innovazione fu fallimentare nel lungo periodo. La metodologia usata dall’autore non è certamente nuova nell’africanistica, ma la mole di materiale utilizzato la rende molto solida. Nei primi capitoli della seconda parte, ad esempio, Fuglestad passa dalle fonti europee (cap. 1, „Focus on the European Side“), alle fonti orali e alle legende (cap. 2, „The African Side. The Early/Legendary Past“) e a un capitolo (il terzo, „Allada, Its Vassals and Neighbours, and the Europeans“) che integra i due approcci cercando di verificare la tenuta di alcune leggende alla luce delle fonti scritte europee. Nell’epilogo l’autore manifesta l’impressione che le vicende storiche dell’Africa siano di interesse secondario rispetto a quelle degli europei e dell’Asia nel panorama degli ultimi anni della storia globale. Eppure la storia della schiavitù in Africa occidentale – in particolare la storia della Slave Coast nel golfo di Guinea, che costituisce il cuore di tale soggetto – e le sue conseguenze hanno acquisito un’importanza enorme nell’attualità. Possiamo dunque immaginare oggi una storia globale senza la storia dell’Africa occidentale? Fuglestad chiarisce che però non si deve commettere l’errore di pensare che la storia della Slave Coast nella prima età moderna sia una storia eccezionale. Anzi. È una storia paragonabile a quella di molte altre aree del globo. In senso molto ampio, a suo avviso, la secolarizzazione, la separazione tra sfera sacra e secolare, fu un processo eminentemente europeo, perché in molte aree del mondo le religioni e in generale il sacro giocarono un ruolo fondamentale nel lungo periodo. In questo senso Fuglestad ha inteso chiarire che la parabola del Dahomey, al centro del suo volume, indica un’eccezione nella norma africana. La politeia del Dahomey provò a istituire un’innovazione, fallendo, perché quella che l’attorniava era un’area dove la sfera del sacro (e la presenza della „contrapuntal paramountcy“, come si è detto) era, come altrove, molto resistente. In conclusione si può mettere in evidenza come il volume di Fuglestad sia un libro con una tesi molto forte per gli studi di africanistica, ma abbia molto da dire anche a chi si occupa di storia dell’Europa e degli europei. Tra gli attori che ricorrono spesso nel volume ci sono le compagnie commerciali, come la Compagnia olandese delle Indie occidentali (WIC), la Royal African Company e la Compagnie des Indes Occidentales. Queste organizzazioni ebbero un peso rilevante nei tentativi di conquista del continente africano da parte degli europei. Man mano che, con le ricerche come quella di Fuglestad, si va elaborando e raffinando una storia delle compagini politiche africane e delle loro concezioni territoriali, i due percorsi di ricerca – quello più battuto delle compagnie europee e quello più innovativo della storia politica del continente africano – potranno essere incrociati.

Carlo Taviani

Anna Maria Rao (a cura di), Il popolo nel Settecento, Roma (Edizioni di Storia e Letteratura) 2020 (Biblioteca del XVIII secolo 38), XXXIV, 335 pp., ISBN 978-88-9359-425-7, € 48.

Il volume raccoglie una selezione di contributi presentati al Convegno annuale della Società italiana di studi sul secolo XVIII, tenutosi a Marina di Massa dal 24 al 26 maggio 2017 e avente per tema „Popolo e cultura popolare nel Settecento“. Si tratta di un libro davvero importante, che all’interno del sin troppo debordante dibattito, in anni recenti, sul concetto di „popolo“ e del suo gemello „populismo“, si segnala invece per serietà scientifica e ampiezza di analisi. Organizzato in 5 sezioni e 23 interventi, che seguono la preziosa introduzione della curatrice, il testo ripercorre le complesse vicende storiche e storiografiche del „popolo“ inteso sia come lemma che come soggetto, e del suo rapporto con la „cultura popolare“, in un’area geografica che tocca principalmente Francia, Italia e Germania. Le cinque sezioni sono dedicate rispettivamente a „Immagini e rappresentazioni“, „Idee e lessici“, „Spazi urbani e pratiche sociali“, „L’istruzione popolare“, e infine „Rivoluzione e politicizzazione“. „Oggetto sfuggente“, certamente, questo „popolo“ settecentesco che già agli occhi di Louis de Jaucourt, nell’Encyclopédie, appariva „difficile à definir“. E, tuttavia, al centro di una molteplicità di fonti (letterarie, artistiche, teatrali, simboliche, mediche, giuridiche, giudiziarie …), sapientemente valorizzate nei diversi capitoli del testo, e senza la pretesa di voler coprire in un solo volume le inesauribili angolature dalle quali è possibile osservare, lungo un intero secolo, un oggetto d’indagine complesso come la „produzione di rappresentazioni del e dei discorsi sul ,popolo‘ (p. XVI). Impossibile in questa sede dar conto sistematicamente della ricchezza dei singoli contributi; mi limiterò pertanto a segnalare alcuni aspetti a mio avviso interessanti degli stessi. Nella prima sezione, ad esempio, si getta uno sguardo stimolante sui criteri di allestimento di alcune mostre sulla cultura popolare sei-settecentesca nell’Italia della prima metà del Novecento. Tali criteri mostrano un’attenzione al mondo „popolaresco“ che ha singolari analogie con la rappresentazione dei popoli esotici e „altri“, in linea con gli interessi etnografici e razziali del tempo. Rilevante anche il contributo sul significato politico del rapporto tra la vox populi e il Coro nel teatro del XVIII secolo. La seconda sezione insiste sulla persistente duplicità del concetto di „popolo“ nella letteratura politica, visto sia come parte socialmente e intellettualmente deficitaria di una comunità, sia invece considerato come unità e identificato con il corpo dell’intera „nazione“. In questo senso appare dunque, nelle fonti, sia il ruolo „passivo“ di un popolo che deve essere guidato dai più capaci, sia anche – come nel caso di Emer de Vattel – il popolo come „Nation“, protagonista attivo della sua autodeterminazione, se necessario anche attraverso la resistenza contro „tiranni“ e „nemici dell’umanità“. All’interno della terza sezione troviamo anzitutto un originale tentativo di indagare la connotazione giuridica del „popolo“ all’interno dei governi cittadini, attraverso l’analisi di fonti giudiziarie relative ai diritti di successione. Altrettanto interessante il caso di studio sulla prostituzione a Napoli, tematica sociale intimamente connessa con le necessità di controllo e disciplinamento degli strati più bassi della popolazione. Un contributo illuminante sull’istruzione popolare, protagonista della quarta sezione, è quello sulle traduzioni di testi scientifici nella Repubblica di Venezia. Manuali, vi si sostiene, „ad uso del popolo“, e specialmente del „popolo delle campagne“, volgarizzati proprio con l’intento di diffondere la cultura scientifica a scopi eminentemente pratici. Chiude il volume la sezione sul periodo rivoluzionario nella quale, nuovamente, emergono le contraddizioni dei discorsi sul „popolo“: da un lato la spinta verso la coesione e l’unità sociale, concreta e simbolica, rappresentata dalle feste rivoluzionarie (da leggere assieme agli interventi sul Carnevale e sulle processioni sacre), dall’altro la questione ancora complessa della partecipazione femminile alla vita politica francese del tardo Settecento. Data la vastità del campo d’indagine, è normale che non tutte le facce del „popolo nel Settecento“ siano state prese in considerazione. Anzi, va apprezzata l’onestà intellettuale della curatrice, che nell’introduzione riflette sugli aspetti che non hanno potuto trovare un adeguato approfondimento all’interno del volume, e li segnala. Ciò detto, il testo appare senz’altro ben costruito e ricco di spunti originali, e costituisce un solido punto di riferimento „interdisciplinare“ per lo studio del polisemico concetto di „popolo“ nel secolo dei Lumi. Un concetto che, al di là di tutte le pur evidenti ambiguità e contraddizioni che la ricerca storica ha fatto emergere, non sembra oscurare il progetto illuministico di svelamento progressivo della „verità“ al „popolo“.

Alberto Clerici

Chiara Conterno/Astrid Dröse (Hg.), Kulturtransfer im 18. Jahrhundert. Konstellationen, Medien, Kontexte, Bologna (Bononia University Press) 2020 (Rizomatica 13), 245 pp., ill., ISBN 978-88-6923-557-3, € 25.

Il volume presenta gli atti dell’omonimo convegno svoltosi a Bologna tra il 18 e il 20 aprile 2018, riunendo nove saggi che offrono, nel loro complesso, uno stimolante quadro del transfer culturale italo-tedesco nel Settecento. Il percorso si snoda attraverso una pluralità di forme e generi, dando adeguato rilievo al contesto socio-culturale, alle motivazioni dei diversi soggetti coinvolti, alle reti di autori, traduttori, editori, direttori di riviste e corrispondenti. Un modello interpretativo esaurientemente illustrato da Chiara Conterno e Astrid Dröse in una densa introduzione che ha il pregio di unire chiarezza espositiva ed aggiornamento bibliografico (pp. 9–23). I primi saggi sono dedicati alla traduzione: non mera trasposizione linguistica, ma piuttosto complessa operazione di trasformazione, adattamento e riscrittura, come è evidente nella vicenda dell’„Ossian“ di Melchiorre Cesarotti, vera e propria catena di traduzioni che giunge fino alla „Übersetzung der Übersetzung der Übersetzung“ di Michiel Salom, ed esempio di un produttivo scambio tra lingue e culture (Elena Polledri, „Volksliedpoetik und synkretistische Übersetzung. Cesarottis Ossian zwischen Denis, Herder und Saloms Verter“, pp. 27–47). Di significative trasformazioni di concetti trattano Giulia Cantarutti e Silvia Ruzzenenti a proposito de „Della forza della fantasia umana“ di Muratori, la cui traduzione uscì nel 1785 – a 40 anni di distanza dall’edizione italiana –, iniziativa che coinvolge la rete operante intorno alle „Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen“, sulle cui pagine l’opera era stata recensita già nel 1745 („Muratori Della forza della fantasia umana in Göttingen. Übersetzung und Kulturtransfer“, pp. 49–80). Precoce, invece, la traduzione de „Dei delitti e delle pene“ di Beccaria, edita due anni dopo l’edizione originale del 1764, e di cui Gideon Stiening traccia – attraverso temi poco indagati quali suicidio e omosessualità – la ricezione, non priva di ombre e prese di distanza, all’interno della Popularphilosophie („,Chi teme il dolore ubbidisce alle leggi‘. Suizid und attische Liebe in den Strafrechtstheorien Christian Wolffs, Cesare Beccarias und Johann Adam Bergks“, pp. 81–110). Sfondo comune ai successivi saggi è il Grand Tour, pratica sociale che affonda le radici nella peregrinatio academica della prima modernità, e di cui sono variamente illustrati esiti letterari, esplicite reminiscenze o più sottili echi. Tra le opere prese in considerazione, i „Versuche über den Charakter und die Werke der besten italienischen Dichter“ di Johann Nicolaus Meinhard (1763–1764), centrali nella formazione del canone della letteratura italiana (Francesco Rossi, „Interkulturelle Charakteristik. Überlegungen zu Versuche über den Charakter und die Werke der besten italienischen Dichter von Johann Nicolaus Meinhard“, pp. 111–126), e i „Vorbegriffe zu einer Theorie der Ornamente“ di Karl Philipp Moritz (1793), di cui Martin Disselkamp analizza non solo la funzione nel dibattito sull’Italia classica, ma la stessa struttura, mostrando – attraverso le categorie del ‚sehen‘ e del ‚reden‘ – il passaggio dalla esperienza visiva alla esperienza narrativa („Spielende Phantasie. Das Thema der Ornamentik in Moritz’ ‚italienischer‘ Ästhetik“, pp. 151–171). Interessanti osservazioni sul genere stesso del Reise-Journal, e il suo oscillare tra esperienza personale, resoconto oggettivo e prodotto letterario, sono fornite da Astrid Dröse e Jörg Robert nel presentare l’originaria forma editoriale dell’„Italienische Reise“ di Goethe, ovvero quei „frammenti italiani“ apparsi tra il 1788 e il 1789 sul „Teutscher Merkur“ („Reise-Journale und Journalpoetik. Goethes Bericht aus Rosaliens Heiligthum und die Anfänge der Italienischen Reise in Wielands Teutschem Merkur“, pp. 127–149). I Transferprozesse tra Italia e Germania non si esauriscono però – come opportunamente sottolineano le curatrici – nella direzione privilegiata „vom Süden Richtung Norden“ (p. 14). Di qui il merito del saggio di Chiara Conterno a chiusura del volume, dedicato alle „Brandenburgische Briefe“ di Carlo Denina („Preußisch-italienischer Kulturtransfer. Carlo Deninas BrandenburgischeBriefe“, pp. 219–239). L’opera vide la luce nel 1786, sia in lingua italiana sia in traduzione; un secondo volume ne apparve nel 1788, ma solo in versione tedesca. L’iniziativa editoriale, maturata nel milieu della corte Anhalt-Dessau, rivela l’interesse per la prospettiva von außen: la Germania vista attraverso gli occhi del viaggiatore italiano. Si tratta di una linea di ricerca ancora scarsamente percorsa ma senza dubbio fruttuosa; auspicabile in tal senso il censimento delle tante relazioni di viaggio rimaste manoscritte, disperse in archivi e biblioteche. Piace, infine, che il volume sia dedicato a Merio Scattola (1962–2015), la cui generosa lezione continua ad essere essenziale nella Kulturtransferforschung.

Margherita Palumbo

Lodovico Antonio Muratori. Religione e politica nel Settecento, a cura di Mario Rosa e Matteo Al Kalak, Firenze (Olschki) 2018 (Biblioteca della Rivista di storia e letteratura religiosa. Studi 34), XI, 137 S., ISBN 978-88-222-6545-6, € 20.

Über Muratori wurde bereits sehr viel geschrieben und die großen Jubiläumsbde., mit denen sein zweihundertster Todestag 1950 und sein dreihundertster Geburtstag begangen worden waren, sind bis heute Standardwerke. Doch in den letzten ca. dreißig Jahren wandte sich die Forschung eher von dem Modenesen und seinem umfangreichen Werk ab. Deshalb will der vorliegende Bd. an die bisherigen Ergebnisse anschließen, einen Überblick über den derzeitigen Stand geben und zugleich darauf hinweisen, wie die stetig weitergeführten Editionsarbeiten des Centro di studi muratoriani nutzbar gemacht werden können. Alle acht Aufsätze gehen von Muratoris Wirken im italienischen und europäischen, politischen wie religiösen Leben aus und bieten so einen interdisziplinären Zugang zu seinem Werk und zu seinem gelehrten Austausch. Den Anfang macht Anna Burlini Calapaj mit einer Studie zu Muratoris Produktion von liturgischen Texten. Sie zeigt, dass er auch in diesen Arbeiten seit dem Pyrrhonismus entwickelten Methoden der Textanalyse folgte, um religiöse Praktiken kontextualisieren und erklären zu können. Seine Affinität für den Jansenismus führte zudem zu einer starken Einbindung der Gläubigen in die liturgischen Akte – ein Anliegen, das er intensiv in seinen Schriften diskutierte. Auf die philologischen Kompetenzen des berühmten Bibliothekars fokussiert auch Matteo Al Kalak, der sich mit der Akzeptanz der Bibelübersetzungen in Vulgärsprachen beschäftigt. Al Kalak nimmt es auf sich, sich auf sehr breiter Ebene mit Muratoris gelehrtem Schaffen auseinanderzusetzen, um dessen Einsatz für eine Öffnung und Einbeziehung der Gläubigen durch die Übersetzung der Heiligen Schrift beschreiben zu können. In einer kontrovers rezipierten Abhandlung, die Muratori 1743 unter dem Titel „Cristianesimo felice nelle missioni de’ padri della Compagnia di Gesù nel Paraguay“ veröffentlicht hatte, widmete er sich dem jesuitischen Missionsexperiment in Paraguay, das aus der Einführung frühchristlicher Kommunen bei der einheimischen Bevölkerung bestand. Mit dieser religionsgeschichtlichen Studie beschäftigen sich die Beiträge von Girolamo Imbruglia und Fabio Marri. Imbruglia geht vor allem auf die Rezeption dieses Textes durch Diderot ein, der ihn als Vorlage seiner polemischen Auseinandersetzungen mit den in seiner Zeit üblichen Missionspraktiken benutzt. Doch auch unabhängig davon brachte die Studie Muratori die Kritik der Reformorden ein, die ihn als Freimaurer und Aufklärer verfemten – beides Vorwürfe, die den Kleriker Muratori immer wieder in Schwierigkeiten brachten. Im Anschluss bietet Fabio Marri eine philologische Analyse der Entstehungsgeschichte des „Christianesimo felice“ auf der Grundlage des edierten Briefwechsels. Manuela Bragagnolo untersucht Muratori als Historiographen, der die italienische Reformation aus dem vorhandenen Quellenmaterial erklärt und so die intensiven Auseinandersetzungen auch mit als häretisch geltenden Autoren suchte. Ein solches Unterfangen war selbst für einen so prominenten und europaweit gut vernetzten Gelehrten sehr gefährlich, zumal Muratoris Beschreibungen der „tempi sì torbidi“, in denen Inquisition und Päpste Angst und Schrecken verbreitet hatten, auch stets als Autodiagnose gelesen wurden. Dass ihm auch in diesem Fall ein strenger Wind aus Rom entgegenblies, wundert wenig. Besonders nachdrücklich ist dies in den Reaktionen Giusto Fontaninis, seines römischen Erzfeindes abzulesen. In ihren Auseinandersetzungen ging es um den Vorwurf der Häresie, in die Muratori nach Fontaninis Ansicht nach dem Vorbild der gelesenen Autoren verfallen war. Was dem einen Häesie war, galt dem anderen im aufgeklärten Europa als Gesprächsbereitschaft. Wie ein roter Faden zieht sich die Frage nach Muratoris Bereitwilligkeit zum interkonfessionellen Diskurs durch die Aufsätze des Bd. Corrado Viola zeigt allerdings anhand eines nicht veröffentlichten panegyrischen Textes auf Ludwig XIV., dass diese Offenheit ein Zustand war, zu dem sich der Gelehrte erst hin entwickeln musste. Als junger Mann hatte Muratori den König noch für seine radikalen religionspolitischen Maßnahmen wie die Rücknahme des Edikts von Nantes gepriesen. Ennio Ferraglio wiederum beschäftigt sich intensiv mit dem Briefverkehr des Gelehrten und nimmt hier besonders die Auseinandersetzungen mit Kardinal Angelo Maria Querini um diverse religiöse Übergangsriten in den Blick. Abschließend greift Elisabeth Garms-Cornides Muratoris Rezeption in jansenistischen und lutherischen Kreisen am Beispiel Amalies von Braunschweig-Lüneburg auf und rundet so das Bild von einem aufgeklärten Theologen ab, dessen Werk auch multipel interpretierbar ist. Es ist ein eher schmaler Bd., den die beiden Hg. vorlegen. Dennoch gelingt damit nicht nur ein Überblick über den derzeitigen Forschungsstand zu Muratori, sondern auch ein Abbild der unterschiedlichen Arbeitsmethoden, wenn es um frühneuzeitliche Gelehrtengeschichte geht, zumal klassische, philologische Studien neben kulturgeschichtliche Ansätze gestellt werden.

Andreea Badea

Giro d’Italia. Die Reiseberichte des bayerischen Kurprinzen Karl Albrecht (1715/16). Eine historisch-kritische Edition, hg. von Andrea Zedler und Jörg Zedler, Wien-Köln-Weimar (Böhlau) 2019 (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 90), 694 S., ISBN 978-3-412-51361-0, € 74,99.

Bei der Italienreise, die der 18jährige Prinz Karl Albrecht von Bayern, der spätere Kaiser Karl VII., in der Zeit von Dezember 1715 bis August 1716 unternahm, handelte es sich weniger um die übliche Bildungsreise, wie es die im Adel verbreitete Kavalierstour war, sondern in erster Linie um eine Unternehmung am Rande der europäischen Politik. Nur Monate nach dem Friedensschluss, der den Spanischen Erbfolgekrieg beendete, führte die Reise den Prinzen auch an Fürstenhöfe, für die das Kurfürstentum Bayern noch vor kurzem ein geschmähter Kriegsgegner gewesen war, und seine Besuche waren bemerkenswerte Ereignisse, die aufzeigten, dass er nicht weiterwirkender Feindschaft ausgesetzt war, sondern geehrt und sogar mit viel Sympathie behandelt wurde. Politisch motiviert war ohne Zweifel bereits, dass es dem Kaiser überlassen wurde, den die Reise leitenden Oberhofmeister zu bestellen. Auch der ausgedehnte Rombesuch mit mehreren Audienzen bei Clemens XI., deren Verlauf als sehr harmonisch geschildert wird, war zweckbestimmt, denn er diente sichtlich dazu, sich der päpstlichen Bestätigung für die Bischofserhebung des bayerischen Prinzen Clemens August zu versichern und insgesamt eine Stimmung herzustellen, die päpstliches Wohlwollen für später anstehende Bistumsakkumulierungen erwarten ließ. Wichtig war dem Münchner Hof, durch die Reise des Kurprinzen Aufmerksamkeit zu erregen und zu demonstrieren, dass man dabei war, im Kreis der europäischen Fürstenhäuser seinen früheren Platz wieder einzunehmen. Aus diesem Grund scheute man nicht davor zurück, große Aufwendungen zu machen, und wünschte auch eine breite Dokumentation. Es entspricht diesen Erwartungen, dass im vom Kurfürsten ausdrücklich anbefohlenen Reisediarium genaue Angaben über zeremonielle Ehrungen und Bankette, Gastgeschenke und festliche Vergnügungen festgehalten sind, dass darin aber nur wenig von den Gesprächsgegenständen die Rede ist. Wir finden kaum etwas über die Eindrücke des Prinzen von den besichtigten Landschaften, Städten, Kunstwerken oder kirchlichen Schätzen und keine Äußerungen darüber, wie er nach seinen Begegnungen bestimmte Personen einschätzte. Man gewinnt insofern auch kein lebendiges Bild von der Persönlichkeit des Reisenden. Das Diarium liegt nun in einer umfangreichen und sorgfältig kommentierten Edition vor. Die Hg. ordneten den Aufzeichnungen des fürstlichen Sekretärs von Scholberg, die die ganze Reise erfassen, die Texte von drei Mitgliedern der Suite zu, die leicht variierend über dieselben Begebenheiten berichten. Vor allem der in französischer Sprache verfasste, mit Illustrationen versehene und vom Prinzen selbst ergänzte Bericht erweist sich hier als anschauliche Erweiterung. Die Einleitung erläutert Autorschaften, Umstände der Entstehung und Überlieferung der Texte und bietet im Übrigen einen instruktiven Überblick über die um 1715 neu stabilisierte politische Lage Europas, die die Rückkehr der über viele Jahre getrennten kurfürstlichen Familie nach Bayern erst ermöglicht hatte. Eine eingehende biographische Skizze gilt nicht nur Karl Albrecht selbst, sondern berücksichtigt auch einige der ihm im Sinne eines Hofstaats zugewiesenen Begleiter. Der Fußnotenapparat bringt über Verifizierungen verballhornter Personen- und Ortsnamen hinaus Literaturangaben, kunsthistorische Hinweise und auf weiteren archivalischen Quellen beruhende situationsbezogene Erklärungen und inhaltliche Ergänzungen. Der besondere Aussagewert der Quellenedition liegt zunächst auf dem Forschungsfeld der Reiseliteratur. Der Text stellt ein ergiebiges Beispiel für den Typus der Prinzenreise dar. Darüber hinaus aber enthält er Material zu einer Fülle ganz verschiedener Sachgebiete. Zur Sprache kommen Themen, die Schlüsse auf Bildungshorizont, Sprachkenntnisse, Frömmigkeit und Vergnügungssitten des Protagonisten und seines Gefolges erlauben; man erfährt aber auch Einzelheiten über die auf venezianischem Gebiet geltenden Quarantänebestimmungen. Es lassen sich Beobachtungen machen zu dem Aufwand, der an großen wie an kleineren Höfen für angemessen gehalten wurde anlässlich fürstlicher Besuche, zum gewährten und damit normsetzenden, abstufungsreichen Zeremoniell, zu kirchlichen Bräuchen im Festkalender Roms und anderer Städte, oder auch zur Gastlichkeit bedeutender italienischer Adelsfamilien. Aus Venedig wird über die politische Ordnung wie auch über den Verlauf einer feierlichen Regatta und über viele Vergnügungsangebote zur Zeit des Karnevals berichtet. Aus Florenz erfahren wir nicht nur von einer geradezu unübersehbaren Anzahl festlicher Visiten, Gesellschaften und Ausflüge ins Umland, sondern erhalten zudem die Beschreibung des Stadtfests mit der Veranstaltung des Palio dei Cocchi. Insgesamt hervorzuheben ist der reiche Ertrag an Quellenmaterial zur Theater- und Musikgeschichte im ganzen Reisegebiet durch viele Erwähnungen von Aufführungen von Bühnenstücken, kammermusikalischen Werken, Kirchenmusik und Opern.

Rotraud Becker

L’Affaire Giannone face à l’Europe. „Vie de Pietro Giannone“, „Profession de foi“ et „Abjuration“. Un choix de textes traduits, annotés et commentés par Gisela Schlüter et Giuseppe Ricuperati, Paris (Honoré Champion) 2019 (Libre pensée et littérature clandestine 72), 360 S., ISBN 978-2-7453-4962-0, € 49.

Der Jurist, Historiker und Philosoph Pietro Giannone (1676–1748) war ein Gelehrter von europäischem Format und im 18. Jh. auch ein Denker von europäischer Wirkung. Sein historiografisches Hauptwerk, die vierbändige „Istoria civile del Regno di Napoli“ (1723), wurde in mehrere Sprachen übersetzt, unter anderem in den Jahren 1758 bis 1770 ins Deutsche. Giannone zählte zu den Repräsentanten der radikalen, kirchenkritischen (Früh-)Aufklärung. Seine intellektuelle Wirkung war eng mit einem in vieler Hinsicht tragischen persönlichen Schicksal verknüpft: Aus Ischitella stammend, verbrachte Giannone fast drei Jahrzehnte in Neapel und später gut ein Jahrzehnt im Exil am Kaiserhof in Wien, bevor er 1736 auf Betreiben der Kurie in Savoyen verhaftet und bis zu seinem Tod in verschiedenen Gefängnissen des Königreichs Sardinien-Piemont gefangen gehalten wurde. Seine langjährige Haft machte Giannone schon zu Lebzeiten, besonders jedoch nach seinem Tod zu einem „Märtyrer der Wahrheit“ (Voltaire). Heute ist Pietro Giannone außerhalb Italiens nur noch wenig bekannt. Die vorliegende Publikation versteht sich – sehr bescheiden – als „premier aperçu de la vie et de l’œuvre de Giannone et de leurs répercussions en Europe“ (S. 7). Durch die Veröffentlichung soll vor allem das Interesse der französischen Forschung an Giannones Werk belebt werden. Bemerkenswert ist, dass dies nicht durch einen Wissenschaftler aus Frankreich, sondern durch die deutsche Romanistin Gisela Schlüter, die mit zahlreichen Publikationen zur europäischen Aufklärung und zu Giannone hervorgetreten ist, sowie durch den derzeit wohl besten Kenner von Leben und Werk Giannones, den italienischen Historiker Giuseppe Ricuperati, geschieht. Schlüter und Ricuperati konzentrieren sich in ihrer Publikation auf einen zentralen Aspekt der Giannone-Forschung: die sogenannte „Affaire Giannone“, das heißt die langjährigen Konflikte des Aufklärers mit der katholischen Kirche, die für Giannone schicksalhafte Bedeutung erlangten. Im Mittelpunkt der Publikation steht die Dokumentation der „abiura“ Giannones von 1738, mit der der inhaftierte Gelehrte die von ihm in früheren Werken vertretenen kirchenkritischen Thesen formal zurücknahm und der ihm unterstellten Heterodoxie abschwor. Schlüter und Ricuperati behandeln die Abjuration Giannones in ihrem historischen, insbesondere aber in ihrem biografischen Kontext. Der Bd. enthält Auszüge sowohl aus der von Giannone zwischen 1736 und (vermutlich) 1740 verfassten Autobiografie als auch aus der 1729 von ihm konzipierten „Professione di fede“, einer ironisch-satirischen Antwort auf die Angriffe des Jesuitenpaters Giuseppe Sanfelice. Diese beiden Texte waren zu Lebzeiten Giannones nicht („Vita“) bzw. lediglich ohne die Autorisierung durch den Verfasser („Professione di fede“) publiziert worden. Die Unterlagen über die „abiura“ sowie die Auszüge aus den beiden Schriften Giannones werden von Schlüter und Ricuperati jeweils in der Originalsprache (ital. bzw. lat.) und in französischer Übersetzung sowie mit ausführlichen Einführungen präsentiert. Die Dokumentation der Abjuration erfolgt im Unterschied zu älteren Editionen auf der Grundlage der in der Biblioteca Apostolica Vaticana überlieferten originalen Akten. Ferner enthält das Buch eine konzise biografische Einführung zu Giannone und zwei weiterführende Aufsätze: einen Beitrag über die diskursiven und performativen Strategien in den Schriften Giannones sowie einen Text über die Rezeption der Werke des italienischen Aufklärers im Europa des 18. Jh. Gisela Schlüter und Giuseppe Ricuperati gelingt ein luzider Problemaufriss der „Affaire Giannone“ und damit zugleich eine exzellente Einführung in Leben und Werk des bedeutenden italienischen Gelehrten. Die ausgewählten Textpassagen der „Vita“ sowie der „Professione di fede“ lassen nicht nur die argumentative Stoßrichtung, sondern auch die intertextuelle Vielschichtigkeit, die ironisch-satirische Doppelbödigkeit und die bisweilen polemische Schärfe der kirchenkritischen Schriften Giannones erkennen. Die Texte des Süditalieners antizipierten in mancher Hinsicht die ungleich wirkmächtigeren Publikationen Voltaires. Ein zentrales Problem der „Affaire Giannone“ bildet selbstverständlich die Interpretation der Abjuration von 1738. Giannone hoffte, durch den Widerruf zahlreicher seiner Schriften und durch seine demonstrative „Konversion“ zum Katholizismus seine persönliche Freiheit wiederzuerlangen. Diese Hoffnung wurde enttäuscht. Dabei spielte – wie Gisela Schlüter deutlich machen kann – unter anderem eine Rolle, dass die Kurie Giannone eine wirkliche intellektuelle Kehrtwende aufgrund seiner früheren Schriften nicht abnahm; der Gelehrte hatte vor allem in der „Professione di fede“ kirchliche Rituale ironisiert und der Lächerlichkeit preisgegeben. Das Buch Schlüters und Ricuperatis ist hervorragend geeignet, neues Interesse an der Biografie Pietro Giannones sowie an seinem Werk und dessen Rezeption zu wecken. Nicht nur die französische Aufklärungsforschung kann von dieser mustergültigen Edition profitieren.

Wolfgang Mährle

Stefano Ferrari (a cura di), La rete prosopografica di Johann Joachim Winckelmann. Bilancio e prospettive, Roma (Edizioni di storia e letteratura) 2019 (Biblioteca del XVIII secolo 37), 180 S., Abb., ISBN 978-88-9359-373-1, € 38.

Der Bd. gibt die Beiträge einer Tagung wieder, die im Oktober 2017 von der Accademia degli Agiati in Rovereto abgehalten wurde. Der Hg. Stefano Ferrari, Präsident dieser renommierten kulturellen Institution, ist selbst durch zahlreiche wichtige Arbeiten zu Winckelmann und zur Überlieferungs- und Rezeptionsgeschichte von dessen Werken hervorgetreten. Die Tagung verstand sich gewissermaßen als Abschluss der 2017 gefeierten 300-Jahre-Wiederkehr von Winckelmanns Geburt (1717). An das Doppel„jubiläum“ (sein tragischer Tod fiel in das Jahr 1768) wurde in Deutschland und Italien durch Ausstellungen (Weimar, Halle, Florenz, Rom, Neapel, Mailand) ebenso erinnert wie durch das Erscheinen des „Winckelmann-Handbuchs“ (hg. von Martin Disselkamp und Fausto Testa, Stuttgart 2017) und der italienischen Übersetzung von Winckelmanns Briefen durch die Germanistin Maria Fancelli und die Kunsthistorikerin/Archäologin Joselita Raspi Serra, beide als Winckelmann-Forscherinnen ausgewiesen (Roma 2016). Das Briefcorpus ist auch der zentrale Bezugspunkt der insgesamt zehn Beiträge des Roveretaner Bd. Nicht nur im Hinblick auf die „adressatenbezogene Selbstdarstellung“ Winckelmanns (Osterkamp 1988), sondern auch um seiner selbst willen ist das polyzentrische Beziehungsgeflecht von Gelehrten, Künstlern, Schriftstellern, Reisenden in seiner Dichte und europäischen Dimension bemerkenswert, weswegen der Hg. des Tagungsbd. die „rete prosopografica“ als Beitrag zu einer kollektiven Biographie verstanden sehen möchte (S. VIII–IX). Den Bd. eröffnet ein Blick auf die heute in der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek verwahrte Bünau’sche Bibliothek (Maria Lieber/Josephine Klingebeil), in der Winckelmann nach eigener Aussage „fleißig studieret hat“, allerdings nicht bis 1756 (S. 10, ebenso im Artikel Fornaro S. 134), da war der Schustersohn aus Stendal bereits in Rom angekommen. Die Autorinnen können bei der Analyse auf einer umfassenden Studie von Torsten Sander (2011) sowie auf der eigenen Arbeit an den Manuskripten der SLUB aufbauen. Dass Winckelmann nach seiner späteren Aussage in Nöthnitz in keiner Weise profitiert habe (vgl. S. 17, Anm. 59), gehört wohl in den Bereich des „self-fashioning“ (Disselkamp 1993) des inzwischen arrivierten Gelehrten. Giulia Cantarutti analysiert die „komplexe“ Beziehung zwischen ihm und dem Leibarzt und Hofrat am Dresdner Hof, Gian Lodovico Bianconi. Das Verhältnis zum Förderer der eigenen gesellschaftlichen Integration in Dresden blieb nach der Abreise nach Rom ambivalent, wie sich nicht zuletzt in Bianconis Vorrede zum Druck von Winckelmanns Briefen über die Ausgrabungen von Ercolano und Pompei zeigt, der 1779/1780 in der „Antologia Romana“ erfolgte. Mit ihrem Beitrag über Johann Georg Wille (1715–1808) weist Elisabeth Décultot auf die Bedeutung dieses als Stecher berühmten Kulturvermittlers hin, dessen umfangreichen Briefwechsel sie 1999 mitediert hat. Wille förderte Winckelmann in seinen römischen Anfängen und trug später wesentlich zur Verbreitung von dessen Schriften und Ideen in Frankreich bei, wobei er seine Aufgabe in einem „patriotischen“ Transfer deutscher intellektueller und künstlerischer Leistungen erblickte. Das enge, jedoch nicht konfliktfreie Verhältnis zu dem römischen Freund und Förderer, dem arrivierten Maler Anton Raphael Mengs und dessen Frau Margherita schildert Steffi Röttgen. Da die Briefe, die Mengs während seines langen Spanienaufenthalts (1761–1770) an Winckelmann schrieb, bis auf einen nicht erhalten sind, kann nur indirekt geschlossen werden, dass die Mitwirkung Mengs’ an der provokanten Fälschung eines antiken Gemäldefragments, mit der Winckelmann getäuscht werden sollte, die innige Freundschaft der beiden in eine „eterna rottura“ (S. 58) verkehrte. Clorinda Donato befasst sich mit dem in letzter Zeit vielfach diskutierten Verhältnis von künstlerischer Sensibilität und Homosexualität. Selbst wenn bei der Durchleuchtung des Briefcorpus dem zeitgebundenen „empfindsamen Freundschaftskult“ (Osterkamp) Rechnung getragen wird, so kann doch kein Zweifel bestehen, dass die homoerotische Neigung in Winckelmanns Leben eine große Rolle spielte, worauf das Sujet der erwähnten Fälschung (Jupiter und Ganymed) unmissverständlich Bezug nahm. Den Schattierungen des Freundschaftsbegriffs geht auch Wolfgang Adam nach, wobei er die Rezeption von Montaignes Reflexionen in Verbindung zur „amitié“ Winckelmanns mit Johann Jacob Volkmann setzt, dem höchst erfolgreichen Verfasser von Reiseführern, durch die Winckelmanns Ideen zur antiken Kunst ein breiteres Publikum erreichten. Die erwähnte peinliche Geschichte mit dem „antiken“ Jupiter und Ganymed-Wandgemälde spielt auch im Verhältnis zu Christoph Gottlob Heyne eine Rolle, das Sotera Fornaro behandelt. Ungeachtet vielfach vergleichbarer Lebensläufe und eines zunächst freundschaftlichen Kontakts kennzeichnen Missverständnisse, methodische Differenzen und persönliche Aversionen die Beziehung zwischen den beiden bedeutendsten Altertumswissenschaftlern ihrer Zeit. Matteo Borchia, Autor einer umfangreichen Monographie über Kardinal Alessandro Albani (2019), schöpft aus seiner Kenntnis der Korrespondenz des Kardinals mit Staatskanzler Kaunitz, um indirekt eine Reihe von Kontakten Winckelmanns mit vornehmlich deutschen – war doch Albani, die wichtigste von „Winckelmanns Eminenzen“ (Röttgen), Kardinalprotektor des Reichs – aber auch Persönlichkeiten anderer Nationen zu erschließen, die die Rehm’sche Briefedition ergänzen. Dadurch ergeben sich zudem interessante Details zur Drucklegung und Verbreitung von Winckelmanns Werken. Francesca Lui fasst die Ergebnisse ihrer Forschungen zu den Beziehungen zwischen Winckelmann und dem Architekten und Maler Charles-Louis Clérisseau zusammen, schließt aber auch andere französische Romreisende und in Rom lebende französische Künstler ein. Zu Clérisseau entwickelte sich eine freundschaftliche Beziehung ungeachtet der starken Vorurteile, die Winckelmann zeitlebens gegenüber Frankreich hegte. Diese überwand er auch durch seine Tätigkeit als Antiquarius für den jungen Herzog Louis-Alexandre de la Rochefoucauld während dessen Romaufenthalt 1765, wie Stefano Ferrari schildert. Das Beziehungsgeflecht, das den Geologen Nicolas Desmarest einschloss, bietet vielfältige Einblicke zur Rezeptionsgeschichte Winckelmanns im französischen Sprachraum, zur Übersetzung der „Geschichte der Kunst des Altherthums“ und zu den naturwissenschaftlichen Kenntnissen des Gelehrten. Alle Beiträge liegen in italienischer Sprache vor, allerdings erfolgt der Rekurs auf die Briefe etwas uneinheitlich teils nach der vierbändigen Edition von Walther Rehm (1952–1957), teils nach der italienischen Übersetzung (Fancelli/Raspi-Serra 2016). Möglicherweise wäre auch eine gemeinsame Bibliographie angebracht gewesen. Ein Index erschließt die historischen Persönlichkeiten. Angehörige regierender Häuser sind ungleichmäßig entweder nach Territorium oder Vornamen angeführt (unter dem Eintrag „Walpurgis Maria Antonia [Maria Antonia di Valburga]“ ist die sächsische Kurprinzessin und spätere Kurfürstin/Regentin Maria Antonia Walpurgis zu verstehen, vgl. S. 26 f.). Wünschenswert wäre eine deutlichere Zuordnung des Abbildungsteils zu den einzelnen Beiträgen.

Elisabeth Garms-Cornides

Christoph Cornelissen/Gabriele D’Ottavio (a cura di), Germania e Italia. Sguardi incrociati sulla storiografia, Bologna (Il Mulino) 2019 (Annali dell’Istituto Storico Italo-Germanico in Trento. Quaderni 105), 502 pp., ISBN 978-88-15-28439-6, € 39.

Il volume curato da Cornelissen e D’Ottavio ha un obiettivo molto ambizioso: quello di ragionare sulle premesse del dialogo tra Italia e Germania focalizzandosi sul contributo fornito dagli storici, cioè da coloro che lavorano sulla riflessione e la costruzione intellettuale del rapporto tra i due Paesi. Ancor più degna di attenzione è però l’aspirazione a chiarire l’impatto effettivo della storiografia sulla percezione e la definizione del rapporto italo-tedesco, sia analizzando le influenze reciproche tra storiografie nazionali, sia valutando la capacità degli storici di definire paradigmi che spieghino e definiscano il rapporto al di là del contesto limitato nel quale operano. Questo spiega la presenza, accanto a saggi di natura comparata su quattro ambiti rilevanti della ricerca storica (politico, giuridico, religioso, economico nonché di genere), di una serie di riflessioni trasversali circa l’evoluzione della disciplina nei due Paesi e i paradigmi interpretativi della storia italo-tedesca. Nell’impossibilità di entrare nel merito dei singoli interventi, tutti molto ricchi e documentati, è possibile riproporre qui, ad uso del potenziale lettore, alcune osservazioni e riflessioni originali che emergono dalla lettura del libro. Una prima constatazione, apparentemente ovvia, è che la storia „conta“ e conta in particolare per i rapporti tra Italia e Germania: come confermato da un’ampia letteratura, le relazioni tra i due Paesi risentono del peso (negativo ma anche positivo) dell’immagine che gli storici hanno contribuito a costruire. Il problema, ad avviso dei curatori, è però che le scuole storiche che si sono occupate di Italia e Germania sono rimaste ancorate, a dispetto della crescente internazionalizzazione della disciplina che si è realizzata nell’ultimo cinquantennio, alle tradizioni nazionali. È alla luce di questa considerazione che si può procedere alla lettura dei singoli saggi. Tra questi si segnalano, in particolare, quelli sulla storia del diritto e quelli sulla storia religiosa: si tratta infatti, di ambiti centrali per fornire un quadro prismatico dei rapporti italo-tedeschi, sui quali la storiografia ha per anni mantenuto un alto livello di attenzione ma che hanno sempre faticato a inserirsi costruttivamente nel filone analitico della storia politica. Un altro spunto di riflessione che giunge da questo volume riguarda le barriere strutturali e istituzionali al confronto e al dialogo tra storiografie. Come sottolineato dai curatori non va data per scontata la simmetria tra le strutture di ricerca operanti in Italia e in Germania, questo nonostante il quadro degli istituti incaricati di promuovere l’incontro tra gli studiosi e la loro riflessione collettiva sia „tutt’altro che malvagia“ (p. 15). Va però tenuto conto di un’asimmetria che caratterizza i sistemi universitari e della ricerca e che si riverbera sulle dinamiche di interazione culturale: su questo punto si veda l’interessante saggio di Lutz Klinkhammer che si integra alla perfezione con quello di Stefano Cavazza. Molto resta dunque da fare per promuovere un’effettiva compenetrazione tra universi molto spesso non comunicanti, la cui distanza dipende, ad avviso degli autori, sia da fattori strutturali sia dall’incapacità (o, se si vuole, da una non piena volontà) delle singole scuole storiche di abbandonare il paradigma nazionale. Un ultimo cenno lo merita la parte finale del libro, quello in cui si esce, almeno in parte, dal discorso sulle storiografie e si ritorna sulla questione del più ampio rapporto tra Italia e Germania (o sarebbe meglio dire tra italiani e tedeschi). Qui viene illustrata la categoria interpretativa degli „amici estranei“ (ferne Nachbarn). Come rilevato nell’excursus compiuto da Christof Dipper, la questione delle percezioni incrociate è tornata prepotentemente di moda, soprattutto a causa del farsi più problematico dei rapporti tra i due Paesi e le loro opinioni pubbliche (sulla linearità e gli sviluppi di questo scadimento ci sarebbe molto da dire ma non è certamente questa la sede). Posta di fronte a una dinamica bilaterale indubbiamente complessa, la comunità di studiosi ha formulato una serie di proposte interpretative, non ultima quella rusconiana dell’estraniazione strisciante. Quello dei fremde Nachbarn è però un approccio che, al di là della sua effettiva capacità di innovare l’interpretazione del rapporto di lungo periodo tra Italia e Germania, ha il pregio indubitabile di riportare al centro della comparazione il discorso sulle traiettorie della modernità. Quello della modernità è un fattore che è stato già chiamato in causa molte volte da chi si è occupato di Italia e Germania, da Helmut Plessner fino agli studiosi che, in tempi più recenti, hanno riproposto la teoria delle parallele Wege. In questo caso, però, vi è un interessante tentativo di considerare questo fattore prismatico e contraddittorio al di là dei paradigmi nazionali all’interno dei quali è sempre stato declinato.

Federico Niglia

Silvia Salvatici, A History of Humanitarianism, 1755–1989. In the Name of Others, translated by Philip Sanders, Manchester (Manchester University Press) 2019 (Humanitarianism), XII, 247 pp., ISBN 978-1-5261-2016-8, GBP 22,50.

A plethora of studies discussing the genesis and the reach of international humanitarianism have appeared in the past decade. This literature has dissected, in different methodological, theoretical, and empirical ways, the making of humanitarians and of their objects, related agendas, and practices of relief work. In her study, Silvia Salvatici builds on this historiography and develops a sleek narrative of what she creatively calls the „archaeology“ of humanitarianism; in this framework, she excellently surveys continuities and fractures in over two centuries of humanitarian work. Salvatici’s book takes a largely chronological approach and traces the roots of humanitarian sentiment from abolitionism to the rise of expert-driven organizations in wartime to the postcolonial period and the global expansion of aid. Salvatici expertly connects the three periods through the lens of a few core features of Western humanitarianism, with focus on humanitarians, their discourse, and practice in the field. She specifically pays attention to the paternalistic nature of the giver-recipient relationship, the interventionist nature of aid-giving, as well as the building of networks between humanitarians or between institutions designed to relieve those in need. In specific terms, Salvatici deftly highlights the making of a humanitarian language, the contouring of the ideal aid recipients (e. g. soldiers, children, refugees etc.), and related programming that included emergency relief and medium- and long-term rehabilitation on the ground. The strength of this survey comes from Salvatici’s conscious choice to highlight what we can colloquially call the „messiness“ of humanitarianism since its formalization and institutionalization. Thus, Salvatici does not shy away from highlighting the limits of humanitarian ambitions due to politicking around the necessity of intervention; this is seen, e. g., in the debates around abolitionist movements of the nineteenth century or in the agenda-making of the International Committee of the Red Cross ICRC. Further, she highlights the seeds of competition between institutions such as national Red Cross societies or among United Nations agencies. Moreover, tensions in countries of aid reception are highlighted particularly in the case of Cambodia, where, Salvatici argues, authorities in Phnom Penh misused and manipulated aid for refugees in Thai territories. Salvatici’s narrative also points to the heterogeneity in response to those in need. This is particularly evident in the author’s accounts on Hungarians fleeing Soviet rule in 1956 and those fleeing Maoist China in Hong Kong. In these cases, Hungarians were granted refugee status collectively, in a harsh response to Soviet persecution. At the same time, the Chinese did not receive similar aid resources in Hong Kong, due to the policy that entailed no international assistance to displaced people. Taking into consideration the breadth and the longue-durée chronology Salvatici chooses for her analysis, it is rather inevitable that some nuances and details do not receive full attention. For instance, the treatment of the uses and abuses in aid reception remains rather inconspicuous in the story. This is evident in the treatment of the post-First World War period. Here the focus remains on the institutionalization and professionalization of humanitarianism, while some key areas of tensions in relief work, such as the East-Central European space, are limitedly treated. I argue that this lacuna reveals, in fact, Salvatici’s choice to build on existent literature on the topic in general. Indeed, the treatment of aid reception in the post-First World War era has been rather insignificantly discussed in the broader literature. In this context, the survey rarely goes against already-circulated analyses of international humanitarianism in the interwar period, largely focused on the making of international and non-governmental organizations and professionalization of relief work. Furthermore, there are a few features of the history of humanitarianism that remain implicit, rather than expanded on. For one, the analysis spends little time in distinguishing the moments and rationales in the nexus between activism and lobbying and emergency material assistance. Moreover, there is little time given to meeting point of humanitarianism and development and its chronology. When and how did relief programs turn into more long-term agendas of education or rural modernization? Lastly, it is worth reflecting on the ways a history of humanitarianism is equated to international action par excellence; it is rather unclear in this book whether local mobilization in relief could and should be included in the broader histories of humanitarianism. Overall, despite a few sidelined nuances of the narrative, Salvatici’s study is an excellent analysis of the continuities, as well as the shifts and turns in the long history of humanitarianism. Rather importantly, it is a superb introduction that new students of humanitarianism can use as an analytical core and essentially build novel arguments and interpretations on.

Doina Anca Cretu

Mestiere di storico e impegno civile. Claudio Pavone e la storia contemporanea in Italia, a cura di Marcello Flores, Roma (Viella) 2019 (I libri di Viella 319), 226 pp., ISBN 978-88-3313-164-1, € 24.

Il volume raccoglie gli interventi presentati nel corso delle due giornate di studio dedicate alla figura e all’opera di Claudio Pavone presso la Casa della Memoria di Milano il 19–20 maggio 2017, organizzate dall’Istituto Nazionale Ferruccio Parri e dall’Irsifar. Pavone era morto il 29 novembre dell’anno precedente e a ricordarlo furono chiamati allievi e colleghi a lui vicini, nella cornice degli istituti che egli stesso aveva contribuito a creare e animato per molti anni. Una sede tanto più appropriata quanto fortemente rappresentativa del tema centrale degli studi di Pavone, la Resistenza, che lo ha reso famoso anche al di fuori della cerchia degli storici di professione. A „Pavone e la Resistenza“ è dedicata opportunamente una sezione specifica del volume, che si apre con un gruppo di saggi dedicato alla sua esperienza professionale: „Lo storico, l’intellettuale, l’archivista“. Caratteristica comune a tutti i saggi, comprese la presentazione di Marcello Flores e l’introduzione di Guido Crainz è l’assenza di frasi di maniera, di omaggi dovuti, di retorica: di Claudio Pavone si parla in termini di apporti storiografici ancora attuali, di riflessioni che aprono interrogativi e campi di ricerca, di rapporti umani densi, di un’attenzione agli interlocutori a prescindere dai ruoli e dallo scarto generazionale, di progettualità culturale tesa a rafforzare il tessuto civile della società. Dal volume appare chiaro che tra i meriti di Pavone c’è quello di aver lasciato nei luoghi e nelle relazioni, che ha animato una ricca eredità, a disposizione di chi la voglia far fruttare. Il saggio da cui partire per esplorare Pavone è quello di Mariuccia Salvati, in cui l’autrice esplicita la premessa dell’intera attività professionale di Pavone, cioè „l’essere e il sentirsi parte della nuova classe dirigente (seppure all’opposizione)“. È la „carriera come dirigente degli archivi a rivelare in lui questa consapevolezza, che si unisce a un senso di responsabilità: di intellettuale e insieme di funzionario dello Stato“ (Salvati, p. 61). Da lì egli si è mosso per innovare le istituzioni, a cominciare proprio dagli archivi, con la legge del 1963 che separando finalmente gli archivi dal Ministero degli Interni avvia un processo di apertura dell’accesso alle carte e quindi di incentivo alla libera ricerca. Con lo stesso spirito porta il suo decisivo contributo alla nascita e alla promozione di istituti culturali, a cominciare dall’Irsifar e dall’Insmli, e si impegna a vivificare le diverse riviste con cui ha collaborato e che ha diretto (Mariuccia Salvati, Paola Carucci, Mirco Carrattieri). Che l’uomo delle istituzioni diventi poi lo storico delle istituzioni e che in questa veste continui il lavoro consapevole di rinnovamento, non può stupire. Egli lo fa tessendo un filo rosso che attraversa i diversi campi di ricerca affrontati nel corso della carriera, un filo che Salvati chiama il „metodo Pavone“ ovvero una „costante attenzione alle persone e alle idee, insieme ai bisogni che le muovono nel produrre istituzioni“ (Salvati, p. 75). Una postura che gli consente di offrire „un contributo metodologico estremamente originale, rispetto a quello degli storici delle istituzioni e del diritto, capace di concentrarsi sul breve periodo ma avendo sott’occhio il lungo periodo della storia unitaria dell’Italia“ (Flores, p. 77). Essendo infatti in grado, grazie alla sua formazione giuridica, all’esperienza negli archivi e al rigore metodologico „di cogliere la complessità dei processi istituzionali rifuggendo dagli ideologismi – e così di leggere i processi che connotarono sia l’unificazione italiana, sia il passaggio dal fascismo alla Repubblica“ (Raffaele Romanelli, p. 22), Pavone ha portato nella storia contemporanea una „visione della vicenda istituzionale italiana che pur essendo politicamente impegnata era consapevole della complessità del processo storico“. Né le doti, né le inclinazioni, né la formazione gli hanno però risparmiato difficoltà e delusioni tanto che la sua parabola professionale appare caratterizzata dalla dialettica fra la sua opera di riforma e costanti resistenze e vischiosità istituzionali. Nonostante sia stato ostacolato e non riconosciuto – come osservano Carucci (p. 85) e Carrattieri (p. 118) egli non fu nominato né sovrintendente all’Archivio centrale dello Stato quando se ne presentò l’occasione, né ordinario di storia contemporanea e neppure presidente dell’Insmli – è riuscito tuttavia a ottenere importanti risultati grazie al prestigio, alla tenacia, al lavoro certosino e all’autorevolezza. Probabilmente alla base di questo particolare percorso si situa quella stessa cifra che ha caratterizzato il suo ruolo di docente. Il suo insegnamento – ricorda Vinzia Fiorino – „era dettato dalla volontà, certo di correggere e di guidare, ma soprattutto di educare alla libertà di scelta“ (Fiorino, p. 34). Agli allievi ha dato modo di osservare „la coerenza tra Pavone civile e vari ruoli professionali: storico, archivista, docente“ e di comprendere che „[n]on si può fare ricerca chiudendosi dentro lo specialismo e l’accademia, separando ambiti della ricerca e sfera civile: il problema, e Pavone lo ha risolto brillantemente, è quello di affrontare correttamente quelle relazioni senza confonderle“ (Agostino Bistarelli, pp. 48 sg.). E – si può aggiungere – di affrontare anche i costi che da queste scelte derivano. In Pavone non è del resto possibile separare gli ambiti della ricerca dal vissuto esperienziale come mostra l’impegno pluridecennale dedicato alla Resistenza. Nella seconda parte del volume questo tema diventa oggetto di riflessione a partire dai nodi del „Saggio storico sulla moralità nella Resistenza“: la guerra civile (Gabriele Ranzato), la violenza (Paolo Pezzino), la possibilità, a partire dalle tre guerre indagate da Pavone, della „pluralità interpretativa relativa alla Resistenza“ (Isabella Insolvibile, p. 162) mentre i contributi conclusivi sono dedicati proprio al volume del 1991 (Luigi Ganapini), alla puntuale analisi della sua problematica ricezione, a partire dagli istituti per lo studio della Resistenza (Nicola Labanca) fino alla diffusione nel Regno Unito, negli Stati Uniti e in Francia (Philip Cooke).

Tiziana Noce

Daniele Menozzi, Da Cristo Re alla città degli uomini. Cattolicesimo e politica nel ’900. Con una bibliografia degli scritti dell‘autore a cura di Giovanni Cavagnini, Brescia (Morcelliana) 2019 (Storia 94), 258 S., ISBN 978-88-372-3303-7, € 22.

„Der Christkönigssonntag krönt das Kirchenjahr und dieses Heilige Jahr der Barmherzigkeit … Sein Königtum ist paradox: Sein Thron ist das Kreuz, seine Krone ist aus Dornen; … er trägt keine funkelnden Ringe am Finger, sondern seine Hände sind von Nägeln durchbohrt; er besitzt keine Schätze, sondern wird für dreißig Silberstücke verkauft … Denn die Größe seines Reiches besteht nicht in der Macht nach Maßstäben der Welt, sondern gemäß der Liebe Gottes, einer Liebe, die alles erreichen und heilen kann … Er hat uns nicht verdammt, er hat uns auch nicht bezwungen, er hat nie unsere Freiheit verletzt, sondern er hat sich einen Weg gebahnt durch die demütige Liebe, die alles erträgt, die allem standhält, die alles hofft.“ (S. 5) Mit diesen Worten wandte sich Papst Franziskus in seiner Homilie zum Abschluss des Jahres der Barmherzigkeit am 20. November 2016 an die Gläubigen. Damit verknüpfte der Papst das Königtum Christi mit dem zentralen Thema seines Pontifikats, der Barmherzigkeit. Als Papst Pius XI. im Heiligen Jahr 1925 anlässlich der 1600-Jahr-Feier des Konzils von Nicäa 325 das Christkönigsfest durch die Enzyklika „Quas primas“ einsetzte, war von Barmherzigkeit allerdings nichts zu lesen. Pius XI. wollte mit der Verehrung Christi als König der Welt, der mit gesetzgebender, richterlicher und ausführender, also gleichsam mit absoluter Gewalt ausgestattet war, ein „wirksames Heilmittel jener Pest entgegenstellen, welche die menschliche Gesellschaft befallen hat. Die Pest unserer Zeit ist der sogenannte Laizismus mit seinen Irrtümern und gottlosen Absichten“. Aus der sozialen Herrschaft des Königs Christus ließ sich nicht nur die Autorität der Kirche, sondern insbesondere die seines Stellvertreters auf Erden, des Papstes in Rom, über die weltliche Ordnung ableiten. Die nur wenige Jahre nach dem Zusammenbruch vieler Monarchien in Europa erfolgte Einführung des Christkönigsfestes, das seine Wurzeln in der Herz-Jesu-Verehrung des 19. Jh. hatte, stand damit eindeutig im Spannungsfeld von Frömmigkeit und Politik. Indem Franziskus versucht, dieses durch den Bezug auf die Barmherzigkeit aufzulösen, vollzieht er eine nicht zu unterschätzende Umdeutung der traditionellen kirchlichen Lehre. Der ausgewiesene italienische Zeithistoriker Daniele Menozzi hat sich in seiner langjährigen wissenschaftlichen Laufbahn wiederholt mit der wechselvollen Ideengeschichte des Christkönigtums im 19. und 20. Jh. auseinandergesetzt. Im anzuzeigenden Bd. sind sieben einschlägige Aufsätze vereint, die er zwischen 1996 und 2005 teilweise an abgelegener Stelle publizierte. Der Autor weist in seiner knappen Einleitung darauf hin, dass er die neueren Forschungen zum Christkönigtum nicht berücksichtigen konnte; der Anmerkungsapparat der einzelnen Aufsätze wurde für die Publikation lediglich vereinheitlicht. Bedauerlicherweise verzichtete er darauf, seine Analyse auf nichttextliche Zeugnisse auszudehnen. Eine Bibliographie der zwischen 1971 und 2018 erschienenen Schriften des Vf. und ein Personenregister runden den Bd. ab. Die Beiträge sind nicht in der Reihenfolge ihres Erscheinens, sondern der Chronologie der behandelten Themen folgend abgedruckt. Sie beschreiben die Bemühungen um eine erste päpstliche Anerkennung des sozialen Königtums Christi im letzten Viertel des 19. Jh., die schließlich durch Papst Leo XIII. in seiner Enzyklika „Annum sacrum“ von 1899 erfolgte. Ausführlich zeichnet der Vf. das Ringen um die Einführung des Christkönigsfests im ersten Viertel des 20. Jh. sowie dessen Rezeption in der Zwischenkriegszeit nach. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte eine Umdeutung des Konzepts des sozialen Königtums Christi ein, das mit der neuen liberaldemokratisch-pluralistischen Nachkriegsordnung in Europa kaum mehr in Einklang zu bringen war. Über den katholisch-protestantischen Dialog zum Christkönigtum führt der Vf. die Linie bis in die postkonziliare Zeit fort, in der die katholische Kirche weitgehend auf den Anspruch der politischen Suprematie über die weltliche Ordnung verzichtete. Die Beiträge zeugen von der tiefen Detailkenntnis des Vf., dem es immer wieder gelingt, einzelne Episoden in langfristige Entwicklungen einzubetten. Allerdings führt der Abdruck selbstständig erschienener Aufsätze, die immer wieder neu ins Thema einführen, zu Redundanzen, die den Lesefluss stören. Es bleibt zu wünschen, dass der Vf. in naher Zukunft seine profunde Sachkenntnis nutzt, um eine eigenständige Studie über die Ideengeschichte des Christkönigtums seit dem 19. Jh. vorzulegen. Diese könnte die in diesem Bd. genannten Aspekte prägnant zusammenfassen, bestehende Lücken schließen, die Untersuchung unter Berücksichtigung des neuesten Forschungsstandes bis in die Gegenwart fortführen, nichttextliche Quellen heranziehen und die großen Entwicklungslinien aufzeigen, wodurch sie weit über das angezeigte Werk hinausreichen würde.

Sascha Hinkel

Gabriele Turi, Guerre civili in Italia 1797–1799, Roma (Viella) 2019 (La storia. Temi 69), 167 S., ISBN 978-88-3313-0897, € 22.

Der Zeit des triennio (der drei Jahre von 1796–1799) wird von der italienischen Forschung nicht zufällig große Bedeutung zugemessen: Für viele Historikerinnen und Historiker setzt mit diesen Jahren der Beginn der modernen Geschichte Italiens ein, wobei das triennio als epochale Phase eigenständiger politischer Projekte und relativer Unabhängigkeit bewertet wird. Zuvor beteiligten sich die italienischen Fürsten mehrfach an den europäischen Koalitionskriegen gegen das revolutionäre und napoleonische Frankreich, um sich vor einer weiteren Expansion des mächtigen Nachbarn zu schützen. Doch umsonst, den Verlust ihrer Herrschaft konnten sie nicht aufhalten. Auf italienischem Boden entstanden nach den französischen Eroberungen Republiken: in Genua die Ligurische, in der Lombardei die Cisalpinische Republik mit der Hauptstadt Mailand, die Cispadanische Republik mit Reggio Emilia, Modena, Bologna und Ferrara, 1798 die Römische Republik und 1799 schließlich diejenige Neapels. Die nach französischem Vorbild gestalteten Schwesterrepubliken mussten ihren finanziellen und militärischen Beitrag für die Kriege leisten. Während dieser unruhigen Jahre standen sich zwei politische Akteursgruppen gegenüber. Zum einen die Anhänger des neuen revolutionären und liberalen Regimes, die „filo-giacobini“ und zum anderen die „filo-insorgenti“, die konservativen Verteidiger des Ancien Régimes. Turi bezeichnet darüber hinaus die Volksmassen, die sich entweder für die einen oder für die anderen in den zahlreichen Konflikten mobilisieren ließen, als dritte, eigenständige Kraft. Alles in allem charakterisiert er die gewaltsamen Auseinandersetzungen samt und sonders als Bürgerkriege. Mit diesem Begriff will er die Ereignisse neu interpretieren, wobei seine hier versammelten Beiträge nicht auf eigenen Recherchen, sondern Analysen der Literatur beruhen. Dieser hält er vor, einseitig Partei zu ergreifen, häufig rein lokal oder regional zu forschen sowie sich zur sehr von einseitigen Erinnerungskulturen leiten zu lassen. Turi nimmt hingegen Gesamtitalien in den Blick und will die Republikaner, die alten Eliten sowie schließlich die Volksmassen, welche die Jakobiner im Zeichen der Religion bekämpften und im Prinzip ihre traditionellen Lebensbedingungen bewahren wollten, politisch, religiös, kulturell und symbolisch ausleuchten. Die populäre Bewegung als Bürgerkriegspartei zu interpretieren, überzeugt jedoch nicht. Deutlich wird dies etwa am Beispiel der von ihm breit referierten Sanfedisten-Bewegung in Süditalien. Gerade in Neapel war die politische Instrumentalisierung der Volksbewegung am offensichtlichsten. Als Kopf des Volksheeres fungierte der einer angesehenen kalabresischen Fürstenfamilie entstammende Kardinal Fabrizio Ruffo di Baranello. Er bot dem im sizilianischen Exil weilenden König die Wiedereroberung des Festlandes an. Unterstützt von einem legendären Banditen namens Fra Diavolo mobilisierte Ruffo die Bauern in Kampanien und Kalabrien für seine königlich-christliche Armee. Die Zahl der Anhänger wuchs rasch, weil der Kardinal den bäuerlichen Unterschichten soziale Wohltaten versprach. Dabei veränderte sich die Zusammensetzung seiner Truppen auf dem Weg von der Südspitze Italiens nach Neapel ständig, da seine Anhänger ihren eigenen Lebensraum nie für einen längeren Zeitraum verlassen wollten. Ruffo konnte es nicht verhindern, dass die Truppen gegen seinen Befehl raubten, brandschatzten und töteten. Beim Einmarsch in Neapel wurden Unschuldige verhaftet und bestohlen. So ist doch zu fragen, ob hier nicht die Logiken der Aufstände des Typus Ancien Régime wieder griffen: elementare Aufstände, geboren aus der Not und ohne politisches Programm. In den Wirren der politischen Übergangszeit eskalierten die gewaltsamen Auseinandersetzungen in einer Gesellschaft, in der die Bereitschaft, Konflikte mit Gewalt zu lösen, ohnehin hoch war. Wenn jeder gewaltsame Kampf als Bürgerkrieg interpretiert wird, verliert dieser Begriff an Erklärungskraft. Zudem gilt es bei den bewaffneten Auseinandersetzungen zu bedenken, dass sie auch in den Jahren 1796–1799 in erster Linie von regulären Truppen ausgefochten wurden. Gabriele Turi kann sein Anliegen, den Begriff „Bürgerkriege“ nicht als juristische Kategorie, sondern als Interpretationsschlüssel zu nutzen, um so den Einzelnen, seine Entscheidungen, seine Leidenschaften und Überzeugungen in den Vordergrund zu stellen, in diesem Bd. nicht überzeugend präsentieren.

Gabriele B. Clemens

Birgit Aschmann (Hg.), Durchbruch der Moderne?. Neue Perspektiven auf das 19. Jahrhundert, Frankfurt a. M.-New York (Campus-Verlag) 2019, 334 pp., ISBN 978-3-593-51087-3, € 29,95.

Attraverso dodici saggi, ciascuno dovuto a una o più penne diverse, questo volume rivisita l’Ottocento alla luce delle acquisizioni storiografiche degli ultimi lustri. Nell’introduzione la curatrice, Birgit Aschmann, enuncia con chiarezza sia le motivazioni sia le linee-guida che hanno ispirato la silloge. Dopo una fase contraddistinta – almeno in Germania – da un certo appannamento dell’interesse per quel secolo, soprattutto in coincidenza con la graduale perdita di mordente della tesi del Sonderweg tedesco, che aveva viceversa, tra gli anni ’80 e la fine del Novecento, conferito al XIX secolo un ruolo di primo piano nell’agenda storiografica, le ricerche sull’Ottocento sono negli ultimi quindici anni tornate a riproporsi con forza. Lo testimonia, tra l’altro, su scala globale, la fortuna di due volumi di grande respiro, come quelli di Christopher A. Bayly („The Birth of the Modern World“, Oxford 2004) e di Jürgen Osterhammel („Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts“, München 2009), con i quali non a caso i saggi raccolti in „Durchbruch der Moderne?“ si confrontano spesso. Ma, alla luce dei risultati della ricerca più recente, come si esplicita la riacquisita centralità dell’Ottocento? Come ci ricordano gli autori dei saggi di questa raccolta, esso è stato definito in passato come „il secolo borghese“, „il secolo della secolarizzazione“, „il secolo dell’emancipazione“, „il secolo delle rivoluzioni“, „il secolo del liberalismo e del costituzionalismo“, „il secolo delle nazioni e degli stati nazionali“, o, ancora, „il secolo degli imperi“. Erano queste le etichette prevalenti quando la master narrative storiografica, in linea con le teorizzazioni marxiane o weberiane, tendeva a risolversi soprattutto in una lettura progressista e teleologica, tesa a coniugare in modo indissolubile lo scenario ottocentesco con il processo di affermazione della modernità. All’immagine di questo Ottocento unilateralmente progressista gli studi più recenti, variamente ispirati dagli ormai innumerevoli turns che hanno contraddistinto la più recente stagione storiografica, propendono invece ad accostare e talvolta a giustapporre un ritratto dalle tinte assai più sfumate e denso di ambivalenze. Così, nel contributo di Monika Wienfort il „secolo borghese“ mostra di essere stato, profondamente, anche un „secolo monarchico“, mentre quello di Birgit Aschmann parla persuasivamente dell’Ottocento, riprendendo una definizione proposta recentemente da Evans, come di un „secolo delle emozioni“. Dal canto suo, Rebecca Habermas mostra come, di fronte alla sfida della secolarizzazione, la religione tende a rivitalizzarsi, e come una delle grandi novità del secolo consista nella ridefinizione della linea di confine tra il secolare e il religioso, non certo nella scomparsa di quest’ultimo. Angelika Schaser, a sua volta, attenua sensibilmente la luminosità del discorso emancipatorio e ne mostra le ombre in relazione alle dinamiche di genere. Mi pare, invece, che i saggi di Ute Planert, Heinz Gerhard Haupt e Daniel Schönpflug, Andreas Fahrmeir, Jörn Leonhard, Friedrich Lenger, Andreas Eckert – variamente dedicati al mutamento istituzionale e a quello nei modi della politica e dell’organizzazione del lavoro –, pur tenendo conto di un notevole ventaglio di nuances, tendano sostanzialmente a riconfermare l’associazione stretta tra Ottocento e rottura rispetto all’eredità del passato. I temi che affrontano sono quelli dell’affermazione di una statualità moderna radicalmente alternativa a quella di antico regime; dell’articolazione di forme e linguaggi della politica che sono orientati al futuro anche quando si avvalgono di matrici concettuali antiche (come risulta evidente tanto nell’ambivalenza tipicamente ottocentesca tra Verfassung e Konstitution, quanto nell’uso nuovo del concetto di rivoluzione); del radicamento di modalità insediative a forte caratterizzazione urbana; infine, della presenza, nel mercato globale del lavoro ottocentesco, di modalità di utilizzo della fatica umana comunque tutte funzionali alla logica del profitto capitalistico, a prescindere dal carattere solo apparentemente arcaico o premoderno di alcune di esse. Ha ragione, pertanto, Birgit Aschmann, a sottolineare come una definizione adeguata di sintesi dell’Ottocento sia probabilmente quella di „secolo delle contraddizioni e dei paradossi“. Anche tutte le espressioni di apparente riproposizione di valori e istituzioni del passato che vi si possono incontrare, vanno lette, infatti, più alla luce delle trasformazioni che le investono in seguito alla loro attrazione all’interno del nuovo contesto epocale, che nella chiave della persistenza dell’antico regime, come suggeriva invece Arno Mayer, ormai quarant’anni fa, in un testo che al momento della sua pubblicazione incontrò molti consensi. Illuminante mi è parso, infine, il saggio conclusivo di Dieter Langewiesche, che, indagando la sottile linea di confine tra il piano delle rappresentazioni e quello delle realizzazioni concrete, suggerisce di qualificare l’Ottocento soprattutto come „secolo volontaristico“; secolo di promesse, gran parte delle quali avrebbero dovuto attendere il secolo seguente per divenire, almeno in parte, realtà. La silloge di cui stiamo parlando aspirerebbe – informa la curatrice nell’introduzione – ad avere un respiro al tempo stesso locale, nazionale, europeo, globale. Mi pare che ci riesca solo in qualche caso; per esempio nell’originale saggio di Ulrike von Hirschhausen, dedicato alle ambivalenze caratteristiche della ricezione della modernità nello stato indiano di Baroda tra il 1880 e il 1920; o anche, naturalmente, in quello di Andreas Eckert, la cui prospettiva globale è non solo dichiarata, ma anche felicemente sviluppata nella trama della riflessione. Si tratta, dunque, soprattutto di un bel libro su un Ottocento in primo luogo tedesco e in secondo luogo europeo, nel quale il senso del globale affiora in modo rapsodico ed essenzialmente in relazione alle traiettorie planetarie dell’espansione europea. Eccellenti anche le selezioni bibliografiche offerte da tutti i saggi, anche se – salvo qualche eccezione – limitate purtroppo alle sole letterature in lingua tedesca e in lingua inglese.

Marco Meriggi

Felix Schumacher, Der preußische Diplomat und Historiker Alfred von Reumont (1808–1887). Ein Katholik in Diensten Preußens und der deutsch-italienischen Kulturbeziehungen, Berlin (Duncker & Humblot) 2019 (Historische Forschungen 121), 598 S., ISBN 978-3-428-15624-5, € 119,90.

Von den beiden großen deutschen Rom-Historikern des 19. Jh. gilt nicht Alfred von Reumont, sondern Ferdinand Gregorovius als der bedeutendere, und die Unterschiede zwischen dem aus Ostpreußen stammenden Protestanten Gregorovius und dem rheinländischen Katholiken Reumont sind nicht zu übersehen. Doch während Leben und Werk von Gregorovius schon seit längerem ausführlich erforscht sind, gab es bisher keine Reumont-Biographie. Dem wurde jetzt durch die ausführliche, sehr materialreiche Studie von Schumacher abgeholfen, in der erstmals die umfangreichen Korrespondenzen Reumonts in deutschen und italienischen Archiven und nicht zuletzt auch seine diplomatischen Berichte gründlich ausgewertet wurden. Damit hat der Vf. eine Pionierarbeit zu Leben und Werk eines heute zu Unrecht fast vergessenen Diplomaten und Kulturhistorikers vorgelegt. Eingehend werden Reumonts in Florenz und Rom verbrachte Jahre als preußischer Diplomat während der Jahre 1836 bis 1860 rekonstruiert, in denen er sich mit einer Fülle von Veröffentlichungen als einer der besten deutschen Italienkenner seiner Zeit profilieren konnte. Sein weitgespanntes italienisches Netzwerk, das er seit den 1830er Jahren knüpfte und von dem er immens profitierte, wird hier ebenfalls anhand einer gründlichen Auswertung des Briefmaterials nachgezeichnet. Hieraus wird vor allem deutlich, in welchen Kontexten Reumont zum wirkungsreichsten Kulturvermittler zwischen beiden Nationen werden konnte. Sein hohes Ansehen, das er sich in Italien selbst mit seinem neben der „Geschichte der Stadt Rom“ (1867–1870) zweiten großen Hauptwerk, der Biographie Lorenzos von Medici (1874), sowie mit weiteren Studien zur Geschichte der Toskana erwarb, zeigte sich, als er den heftig geführten Gelehrtenstreit um die Echtheit der spätmittelalterlichen Chronik des Dino Compagni mit entscheiden konnte. Nicht unproblematisch erscheint allerdings die politische Verortung Reumonts durch Schumacher, der die spätere kritische Beurteilung seines von ihm sehr positiv gezeichneten Helden darauf zurückführen möchte, dass dieser – im Gegensatz zu vielen seiner italienischen und deutschen Zeitgenossen – eine „teleologische“ Entwicklung hin zum Nationalstaat weder in Deutschland noch in Italien akzeptiert habe. Zwar verteidigt der Vf. Reumont zu Recht gegen den Vorwurf, ein „mittelalterlich-katholischer“, antiliberaler und antinationaler Reaktionär gewesen zu seien, denn dem Schriftsteller ging es vornehmlich um eine Verteidigung der auch von vielen liberalen Italienern vertretenen Idee einer föderalen Einigung Italiens unter Beteiligung des Papsttums; sein Ziel bestand in der (wie der Autor es mit einem etwas verunglückten Begriff sagt) Etablierung einer „christlichen Zivilgesellschaft“ in einem geeinten monarchisch-katholischen Italien. „Oberste Priorität“ hatten für Reumont, so Schumacher, „die Unabhängigkeit und selbständige Reformfähigkeit der Kirche und die christliche Durchdringung der Gesellschaft“ (S. 544). Aber dieses Modell blieb eine Wunschphantasie und war spätestens seit dem antiliberalen Syllabus errorum von 1864 zum Scheitern verurteilt. Aus diesem Grund wirken Schumachers Scheingefechte gegen das angebliche Modell einer „teleologischen“ Entwicklung zum Nationalstaat verfehlt. Denn die Einigungsprozesse der beiden „verspäteten Nationen“ Deutschland und Italien in den 1860er können wohl kaum als schwer zu begreifende historische Zufälle aufgefasst werden. Der Weg zum modernen Nationalstaat mit einheitlicher Zoll- und Wirtschaftsregion, gemeinsamer Rechtsordnung, einer einzigen nationalen Währung, vereinheitlichten Maßen und Gewichten und einer funktionierenden modernen Verwaltung entsprach dem Trend der Epoche und den Interessen des damals aufsteigenden, um politische Teilhabe kämpfenden Bürgertums, einmal abgesehen von der in der zweiten Jahrhunderthälfte heraufziehenden Konkurrenz der europäischen und der Weltmächte. Das Verharren im Winkel einer rückständigen Kleinstaaterei mit politischer Repression, korrupter Verwaltung und ökonomischer Dauermisere stellte keine Alternative dar. Und auch Reumonts „neoguelfisches“ Modell eines italienischen Bundes unter dem Papst ließ sich unter den gegebenen Umständen nicht realisieren. Damit ist nicht gesagt, dass Reumonts Ideen an sich unberechtigt oder gar „falsch“ gewesen seien. Sie haben sich eben, und zwar aus klar zu benennenden Gründen, nicht durchgesetzt. Deshalb kann man es bei dieser Feststellung nicht, wie Schumacher es tut, belassen, sondern müsste tiefer graben und fragen, warum dies so war. Nur der Verweis auf eine angebliche siegreiche „teleologische Nationalstaatsideologie“ reicht dabei nicht aus. Dennoch wird man die neue Reumont-Biographie auch ungeachtet einzelner kritischer Einwände als bedeutende Forschungsleistung anerkennen und die Darstellung wegen der vielen neuen Informationen und Erkenntnisse mit großem Gewinn zur Kenntnis nehmen können – nicht zuletzt als gewichtigen Beitrag zum deutsch-italienischen Kulturtransfer im 19. Jh.

Hans-Christof Kraus

Andreas Sohn/Jacques Verger (Hg./Éds.), Ludwig von Pastor (1854–1928). Universitätsprofessor, Historiker der Päpste, Direktor des Österreichischen Historischen Instituts in Rom und Diplomat/Professeur, historien des papes, directeur de l’Institut historique autrichien de Rome et diplomate, Regensburg (Schnell und Steiner) 2020, 440 S., Abb., ISBN 978-3-7954-3476-2, € 40.

Mit dem Bd. liegen die in vier Abschnitte gegliederten Materialien der im Römischen Institut der Görresgesellschaft und der École française de Rome stattgehabten Tagung vom 22. und 23. Februar 2018 vor. In der Einleitung beschreibt Andreas Sohn den Lebensweg des in Aachen geborenen und in Frankfurt a. M. aufgewachsenen Historikers, der wegen seiner dezidiert katholischen Einstellung – er war Konvertit – im Deutschland der Kulturkampfzeit keine Chance hatte, seine bereits in seiner Jugendzeit geäußerte Vorstellung, eine Papstgeschichte als Gegenentwurf zu der von Ranke zu schreiben, nur in Österreich verwirklichen konnte, aber selbst dort nur in Graz (1878) promovieren und sich in Innsbruck (1880) habilitieren konnte, bevor er nach einer längeren Lehrtätigkeit Direktor des Österreichischen Historischen Instituts in Rom wurde und nach dem Ersten Weltkrieg als Gesandter die Interessen der Republik Österreich beim Hl. Stuhl vertrat. Im ersten Abschnitt untersucht Thomas Brechenmacher seine Selbsteinschätzung und Sozialisation, besonders die durch den kulturkämpferischen Historiker Johannes Janssen und den „welfischen“ Historiker Onno Klopp. Er attestiert Pastor eine extreme Selbststilisierung, oftmals verbunden mit opportunistischer Rücksichtslosigkeit und Hochmut. Die Schwierigkeiten seiner akademischen Laufbahn in Österreich schildert Michaela Sohn-Kronthaler. Seine Verdienste als Direktor des Österreichischen Historischen Instituts (1901–1915) beschreibt Andreas Gottsmann. Thema des zweiten Abschnitts ist Pastors Verhältnis zum Archivio Segreto Vaticano (heute: Archivio Apostolico Vaticano). Obwohl er noch vor der offiziellen Öffnung dort arbeiten durfte, besuchte er es für seine Papstgeschichte lediglich an 40 Tagen zwischen 1879 und 1901 und überließ es jungen Forschern, vornehmlich seinen Schülern, die Dokumente abzuschreiben (Sergio Pagano). Möglicherweise war das Sammeln seiner Korrespondenz seit frühester Kindheit (Christine Maria Grafinger), die er dem Vatikanarchiv überließ, bereits ein Teil seiner Selbstdarstellung. Im Anhang zu ihrem Beitrag liefert die Autorin ein Inventar des Nachlasses. Mit dem wichtigsten Werk Pastors, seiner Papstgeschichte, setzen sich die Autoren des dritten Abschnittes auseinander. Nach Jacques Verger öffnete er sich zwar den Erfordernissen der gelehrten Geschichte, aber er habe sich trotz zahlreicher erschlossener Dokumente veralteten historischen Methoden zugewandt, ideologischen, antiprotestantischen Vorurteilen gehuldigt und lediglich sein Ziel verfolgt, das Papsttums zu glorifizieren. Für Volker Leppin suchte Pastor Rankes Stilisierung eines genialen Luthers zu widerlegen, wobei er aber z. T. in das andere Extrem verfiel und die Reformation als „sogenannte“ bezeichnete und dem Reformator vorwarf, die Kirche zu einem Zweig der Verwaltung degradiert zu haben. Dabei habe Pastor die Notwendigkeit einer Reform der katholischen Kirche gesehen und auf das Versagen des Papsttums hingewiesen. aber Papst Hadrian VI. als den wahren Reformator bezeichnet. Anfänglich lehnte er, der sich in seiner Papstgeschichte auch mit der Kunst auseinandersetzte, die Renaissance und ihren Rückgriff auf die Antike als zu sinnlich und verweltlicht ab. Erst mit der Rezeption des Barocks in Rom lernte er, Kunstwerke aus ihrer Zeit zu erfassen. Er beschäftigte sich mit dem Denkmalschutz und kritisierte die Modernisierungspläne für Rom, die die historische Substanz zerstöre (Wolfgang Augustyn). In der vierten Abteilung setzen sich die Autoren mit der Rezeption von Pastors Papstgeschichte in Frankreich (Olivier Poncet), der englischsprachigen Welt (Thomas O’Connor), in Italien (Paolo Vian) und Spanien (Ludwig Vones) auseinander. Obwohl Pastor als österreichischer Gesandter von 1920 bis 1928 tätig war, widmet sich diesem Thema kein eigener Beitrag; nur Sohn und Gottsmann erwähnen es en passant, letzterer führt zumindest die wichtigsten Materien seiner Tätigkeiten an, Südtirol und den Kampf gegen die Ansprüche des Deutschen Reichs auf die Anima. Wahrscheinlich ist dieses Manko auf die Absicht der beiden Hg. zurückzuführen, wie in dem Bd. über Kardinal Franz Ehrle (QFIAB 99 [2019], S. 552 f.), die wissenschaftliche Tätigkeit in den Vordergrund zu stellen. Sie haben es den deutschsprachigen Autoren überlassen, entweder in der neuen oder alten Orthographie zu publizieren, eigentlich eine Selbstverständlichkeit, da das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 14. Juli 1998 dies jeder Person außerhalb von Schulen und Behörden zubilligt. Der Aufsatzbd. wird durch ein Personen- und ein Ortsregister erschlossen; für die Beiträge liegen Zusammenfassungen in Deutsch, Französisch und Englisch vor.

Franz-Josef Kos

Ulrich Wyrwa, Come si crea l’antisemitismo. La stampa cattolica italiana fra Otto e Novecento: Mantova, Milano, Venezia, Florenz (Giuntina) 2020, 95 S., ISBN 978-88-8057-827-7, € 12.

Anders als die Judenverfolgung des italienischen Faschismus ist der Antisemitismus im liberalen Italien jahrzehntelang von der Historiographie weitgehend vernachlässigt worden. Im häufig idealisierten italienischen Kontext kam der katholischen Kirche seit dem 19. Jh. eine zentrale Rolle in der Herausbildung einer neuen antisemitischen Sprache zu, die sich von einem traditionellen, religiös geprägten Antijudaismus merklich ablöste. Auf diese Entwicklung konzentriert sich Ulrich Wyrwa, ausgewiesener Experte der Geschichte des Antisemitismus, im vorliegenden Werk. Es handelt sich um drei ins Italienische übersetzte Studien des Historikers, die anhand der katholischen Presse in Mantua, Mailand und Venedig die Relevanz des lokalen Klerus für den Antisemitismus im frühen italienischen Einheitsstaat verdeutlichen. Im Mittelpunkt steht die Frage nach der Beziehung zwischen religiösen christlichen Faktoren und weltlichen Kräften für die Entwicklung des modernen Antisemitismus in Italien. Die wichtigste Quellengrundlage bilden zeitgenössische katholische Zeitschriften der drei ausgewählten norditalienischen Städte. Nach einem einleitenden Abschnitt, der zentrale Tendenzen der Geschichtsschreibung zum Antisemitismus im 19. und 20. Jh. kenntnisreich skizziert, behandelt die erste Fallstudie antisemitische Agitation zu Beginn des 20. Jh. in Mantua. In keiner anderen italienischen Stadt, so der Autor, entstand zu jener Zeit ein derart vehementer Antisemitismus politisch-katholischer Ausrichtung. Während die katholische Kirche in den ersten Jahrzehnten des italienischen Einheitsstaats aufgrund ihrer Selbstausschließung von der Nation als Faktor der politischen Kultur ausschied, betraten mit den Kommunalwahlen in Mantua von 1903 Katholiken erstmals die städtische politische Arena. Der Vf. weist nach, dass die zeitgleiche Entstehung einer antisemitischen Liga in der lombardischen Stadt mit den politischen Ereignissen in unmittelbarer Beziehung stand. Die Wahlkampagne des Priesters Don Venanzio Bini erhielt aufgrund des explizit antisemitischen Programms seiner Tageszeitung „Il Cittadino di Mantova“ an Stoßkraft: Es war die Geburtsstunde des Antisemitismus als politischer Bewegung im liberalen Italien. Die zweite Fallstudie wendet sich dem Mailänder Kontext zu. Die Gründung der antisemitischen Zeitschrift „L’Osservatore Cattolico“ im Jahr 1864 erläutert Wyrwa als direkten Angriff des von Rom geförderten intransigenten Katholizismus auf den zeitgenössischen Liberalismus. Dieser konnte sowohl in der bürgerlichen Gesellschaft der lombardischen Metropole als auch in Teilen des Mailänder Klerus Fuß fassen. Unter der Leitung des konservativen Geistlichen Davide Albertario, der die Verbindung traditionell antijudaistischer Vorurteile, v. a. Ritualmordbeschuldigungen, mit säkularen antisemitischen Motiven aus dem europäischen Diskurs schürte, wurde die Zeitschrift zu einer Waffe gegen den Laizismus und die Modernität des jungen Einheitsstaats, den die emanzipierten, sozial aufgestiegenen Mailänder Juden und Jüdinnen in eklatanter Weise zu verkörpern schienen. Die Untersuchung antisemitischer Propaganda in der katholischen Presse Venedigs rundet das Werk ab. Der Fokus liegt auf der 1867 gegründeten Zeitschrift „Il Veneto Cattolico“, die seit 1884 unter dem Namen „La Difesa“ erschien. Die Entstehung antisemitischer Bewegungen in Europa wurde von venezianischen Katholiken aufmerksam beobachtet, antisemitische Diskurse des Habsburgerreichs, Deutschlands und Frankreichs bereitwillig rezipiert und in zahlreichen Zeitschriftenbeiträgen verarbeitet. Dennoch konnte der Antisemitismus des venezianischen Klerus sich in der vorwiegend liberal geprägten politischen Kultur der Serenissima nicht etablieren, was der Autor als Zeichen für die grundsätzliche soziale Schwäche der katholischen Kirche in den ersten Jahrzehnten nach der Eingliederung Venedigs in den italienischen Einheitsstaat interpretiert. Die Stärke des Werks liegt insbesondere in der kompetenten Verbindung historischer Diskursanalyse mit der Untersuchung sozialer Felder, Konflikte und Akteurinnen und Akteuren. Bewusst richtet der Vf. den Blick auf thematisch weniger behandelte urbane Kontexte jenseits des bereits intensiv erforschten Zentrums der katholischen Kirche in Rom. Biographien von Vertretern des lokalen katholischen Klerus werden ebenso behandelt wie soziale und kulturelle Charakteristika der jeweiligen jüdischen Gemeinden. Hervorzuheben ist die transnationale Perspektive, welche die enge Verflechtung des antisemitischen Diskurses in Italien mit antisemitischen Motiven und Vorfällen in anderen Ländern verdeutlicht und Antisemitismus als europäisches Phänomen sichtbar macht. Wyrwas Studie unterstreicht die ungebrochene Notwendigkeit, antijüdische Diskurse und Praktiken als soziale, von Personen abhängige Entwicklungen zu erkennen, um antisemitischen Tendenzen auch in den heutigen europäischen Gesellschaften frühzeitig entgegenwirken zu können.

Ruth Nattermann

Carolin Kosuch (Ed.), Anarchism and the Avant-Garde. Radical Arts and Politics in Perspective, Leiden-Boston (Brill) 2020 (Avant-Garde Critical Studies 38), XIII, 280 S., ISBN 978-90-04-41041-1, € 130.

Der auf eine Tagung am DHI Rom im September 2016 zurückgehende Sammelbd. setzt sich zum Ziel, zwei Begriffe, zwei Bewegungen in Perspektive zu setzen, deren symbiotische Beziehung oft als gegeben angesehen wird: Anarchismus und die Avantgarde. Beide gingen gegen Ende des 19. Jh. als radikale Reaktion auf die Moderne hervor, sträubten sich gegen die bürgerliche Gesellschaft und suchten den Bruch durch experimentelle Praktiken, denen ein neues Bewusstsein zugrunde lag. Die persönlichen, textuellen und visuellen Bezüge zwischen Schlüsselfiguren beider Bewegungen sind gut belegt. Seit Renato Poggiolis klassischer Studie von 1962 – auf die sich viele der Beitragenden ausdrücklich beziehen – hält sich das Narrativ einer ursprünglichen Parallelität und anschließendem Auseinanderdriften der politischen und künstlerischen Avantgarde, wobei erstere insbesondere durch den gewissermaßen anti-politischen Anarchismus zum Ausdruck kam, ihr genauso wie der artistischen Avantgarde die Abschaffung der Kunst als Institution vorschwebte. Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnhaft, die Verhältnisbestimmung in erster Linie historisch anzugehen. Dieser Ansatz wird im zu besprechenden Bd. konsequent verfolgt, wenngleich sein großer Reiz darin liegt, Historikerinnen, Geographen, Kunsthistoriker, Literaturwissenschaftler und Vertreterinnen der jüdischen Studien zusammenzubringen. Um die Vielschichtigkeit beider Begriffe zu fassen, schlägt die Hg. Carolin Kosuch in ihrer Einleitung eine Pluralisierung von sowohl Anarchismen als auch Avantgarden vor. Die Beiträge des Bd. setzen dieses Programm terminologischen Aufbrechens um, indem sie einzelne Bewegungen stichprobenartig in den Blick nehmen und in Beziehung setzen: Auf Seite der Avantgarde wird das Verhältnis von Symbolismus (Richard Shryock), Fauvismus (Patricia Leighten), Dadaismus (Daniela Padularosa) und Dekadenz (David Weir) zum Anarchismus diskutiert. Aus dem Blickwinkel des Anarchismus werden Syndikalismus (Constance Bantman), der vermeintliche Widerspruch eines „theokratischen Anarchismus“ (Gabriele Guerra) und Élisée Reclus’ geographischer Anarchismus (Federico Ferretti) in ihrer Beziehung zur Avantgarde untersucht. Schließlich beleuchten gemeinsame Problemstellungen die Wahlverwandtschaft von Anarchismus und Avantgarde, so die Debatte um die Zensur von Oscar Wildes Grabmonument (Mark Antliff), Zeitlichkeitsvorstellungen (Carolin Kosuch) oder Bildung (Piotr Laskowski). Als – wenig überraschendes – Resultat kommt dabei kein einheitliches Bild der Wechselwirkung beider Strömungen hervor, sondern eine komplexe Konstellation, die verschiedene Interpretationen zulässt und die, auch wenn Frankreich und das Schweizer Exil im Mittelpunkt stehen, weitreichende transnationale Verbindungen und die Bedeutung anti-imperialer Kritik aufzeigt. Wieweit die bewusst offene Gliederung in drei mit „Frictions“, „Fractions“ und „Focal Points“ überschriebene Teile als Orientierung hilfreich ist, mag fraglich sein. Fest steht jedoch, dass der Verzicht auf eine scharfe Trennlinie zwischen politischem und künstlerischem Ausdruck die Dynamik und multidirektionale Beeinflussung zwischen beiden Polen widerspiegelt – ohne aber diese vorauszusetzen: die Hg. und die von ihr ausgesuchten Beiträge wissen um die Grenzen dieses Austausches, einseitige Einflüsse und unabhängige Entwicklungen. Die Kunst politischen Zielen unterzuordnen und auf ihre propagandistische Nützlichkeit zu reduzieren, ist so nie aufgegangen. Genauso unmöglich war es, sie komplett apolitisch zu halten. Statt die Dominanz eines Aspektes über den anderen anzunehmen, wirft die in diesem Bd. eingenommene relationale Perspektive neues Licht auf alte Fragen: in welchem Verhältnis steht eine Bewegung, welche die Autonomie des (entfremdeten) Individuums zum Ausgangspunkt nimmt, zu ihrem parallelen Anspruch, einen gesellschaftlichen Umbruch zu bewirken, mitunter durch die Mobilisierung der Massen? Welche Temporalitäten liegen dem zugrunde, und wie wird mit dem Widerspruch zwischen nostalgisch-primitivistischem Verweis auf die Vergangenheit und einer Zukunftsausrichtung (entweder als Niedergang, Neuaufbruch oder beides) umgegangen? Wie schlägt sich das auf ästhetischer Ebene nieder, und wie können naturalistischer Realismus und neue Formen der Abstraktion innerhalb einer gleichen Bewegung koexistieren? Sind der schöpferische und der destruktive Impetus, die Suche nach Harmonien und die antagonistische Positionierung der Revolutionärin letztlich vereinbar? Von solchen Fragen ausgehend wirbelt der Bd. gängige Vorstellungen zu Anarchismus und Avantgarde durcheinander und liefert anregende Denkanstöße, die nicht zuletzt durch eine sorgfältige Bildauswahl unterstützt werden.

Pascale Siegrist

Immacolata Amodeo/Bettina Vogel-Walther (Hg.), Kunst wird Macht. D’Annunzio und Wagner, Stuttgart (Franz Steiner) 2020 (Impulse. Villa Vigoni im Gespräch), 126 pp., ISBN 978-3-515-12231-3, € 36.

Il volume, uscito per la collana „Impulse. Villa Vigoni im Gespräch“ e curato da Immacolata Amodeo e Bettina Vogel-Walter, nasce con l’intento di raccogliere i contributi presentati in occasione del convegno „Bayreuth italiana. Richard Wagner e Gabriele D’Annunzio“, tenutosi presso Villa Vigoni dal 22 al 24 settembre 2017. L’arte che si fa potere è la tesi che attraversa e interseca le tematiche trattate nei saggi dedicati al controverso rapporto tra Wagner e D’Annunzio, due artisti che meglio e più di altri con le loro opere e le loro controverse vicende biografiche offrono spunti e riflessioni sugli ardui e spinosi attraversamenti tra politica e cultura a cavallo tra Ottocento e Novecento. La riflessione attorno a questi due grandi interpreti e alla loro sovrabbondante personalità prende avvio con le significative pagine che Bettina Vogel-Walter dedica al rinnovato concetto di genio e di intellettuale. Un saggio, il suo, che, oltre ad aprire la prima sezione del volume dedicata agli intellettuali e alla comunicazione, fin dal titolo si pone la domanda se gli artisti abbiano o meno influenza sulla politica e se i geni e gli intellettuali o le star dell’epoca contemporanea siano profeti e se sì, che tipo di profeti. Profeti senza Absender, senza mittente, ovvero senza quell’imprimatur divino che caratterizza la figura cristiana dell’apostolo ma eccedenti e sconfinanti nell’ambito insidioso e sfidante del politico. Il simbolico è invece il punto di partenza del saggio di Jan Claas van Treeck, che pone sotto la lente d’ingrandimento il concetto di Gesamtkunstwerk e di medialità tanto nell’opera di Wagner quanto in quella di D’Annunzio. Van Treeck mostra come il Festspielhaus di Bayreuth sia il luogo dell’immanenza in cui il trascendere simbolico dell’arte si fa visibile agli occhi eccitati degli spettatori tramite la medialità fisica della messa in scena. Diversamente, il poeta italiano apporta un essenziale scostamento della prospettiva tracciata sul costrutto teorico dell’opera d’arte totale wagneriana facendosi protagonista di una Selbstpoetik che fa del quotidiano il palcoscenico prediletto della sua opera d’arte. La seconda parte del volume accoglie saggi che si pongono l’obbiettivo di dimostrare l’esistenza di una singolare quanto coerente triangolazione nel rapporto Wagner-D’Annunzio che coinvolge la Francia, la quale gioca da terzo vertice in uno scambio culturale che ha nel simbolismo lo spunto iniziale del confronto ideale tra il musicista tedesco e il poeta italiano. Proprio Bernard Dieterle approfondisce il tema e ricorda come D’Annunzio giunse a Wagner durante il suo periodo napoletano – e le frequentazioni di casa van Westerhout – degli anni 1891–1893 attraverso la lettura della traduzione francese del testo di „Tristan und Isolde“. La Francia è protagonista anche negli stessi progetti teatrali di D’Annunzio che, come analizza con attenzione il saggio di Adriana Guarnieri Corazzol, intendeva costruire un Teatro di Festa sulle sponde del laziale Lago Albano ma anche un Théâtre de Fête sulla spianata parigina del Trocadéro. Progetti rimasti tali e mai realizzati ma che evidenziano quanto D’Annunzio volesse mostrarsi come il Wagner mediterraneo rifondatore del primigenio significato greco della festa tragica. Il respiro internazionale alimentato da D’Annunzio e dall’eredità artistica di Wagner si sviluppa in intrecci trasversali tra Italia, Francia e Germania. I saggi di Maria Ida Biggi e Arnold Jacobshagen intendono approfondirli passando attraverso figure di spicco del panorama culturale europeo di inizio Novecento come la stessa Eleonora Duse, vicina agli ambienti di Bayreuth e in contatto con Cosima Wagner, e Giacomo Puccini con il quale D’Annunzio tentò una collaborazione che però si scontrò con l’annosa questione del „prima le parole o la musica“. Renzo Cresti che racconta l’impresa di D’Annunzio di portare in scena „Le martyre de Saint Sébastien“ con la musica di Claude Debussy, quasi a voler cercare un’alternativa latina al germanico „Parsifal“, e il contributo di Gabriella Rovagnati dedicato al „Rienzi“ e alla leggendaria figura del tribuno che tanto ha ispirato gli stessi Hitler e Mussolini, chiudono idealmente il sipario della seconda parte del volume e fanno allo stesso tempo da preludio a una tematica ancor oggi nebulosa e legata all’estremo nazionalismo che si sarebbe sviluppato in Germania e in Italia nei decenni delle guerre mondiali. I tre contribuiti che intendono tratteggiare i rapporti sempre più burrascosi che si andarono a instaurare tra il vate italiano e la Germania nemica durante la prima guerra mondiale e derisa dal poeta durante gli anni del Nazismo sono raccolti sotto il titolo „D’Annunzio e la Germania“. Come ben ricorda Paola Sorge, D’Annunzio non considerò mai Wagner il Meister bensì un fratello d’arte da cui trarre ispirazione, un rivoluzionario aristocratico lontano dalla grettezza dello sbeffeggiato Hitler. Molto si è detto sul nazionalismo di D’Annunzio e i suoi attacchi al nemico invasore germanico ma poco si è indagato sui nuovi scenari che invece i contributi di questa parte del volume hanno disvelato: dalla traduzione tedesca del componimento dell’„Alcyone“, „Innanzi l’alba“, di un traduttore inaspettato quale Walter Benjamin ad una riscoperta documentale che presenta il critico d’arte Henry Thode sotto la luce abbagliante e deformante del Wagnerismo di tendenza völkisch. Silvia Garinei analizza come il proprietario di Villa Cargnacco, l’originario nucleo abitativo di quello che sarà il Vittoriale dannunziano, marito di Daniela von Bülow, figlia di Cosima Wagner, abbia compartecipato tramite la sua attività di critico all’esaltazione dell’arte tedesca „purificata“ da ogni influsso mediterraneo. Tobias Reichard chiude il volume mostrando con il suo saggio quanto l’antitedesco Vate da nuovo Dioniso divenne in Germania il seduttore estetizzante, Rattenfänger, adescatore di anime alla stregua del malvagio Klingsor. Reichard sottolinea come la presa di Fiume, il volo su Vienna e la beffa di Buccari furono azioni che, pur esulando dai lavori letterari, segnarono una rottura definitiva tra il vate e la Germania che non risolve e placa l’indefinito gioco dialettico tra due artisti, Wagner e D’Annunzio, e due nazioni, Italia e Germania, che ancora molto hanno da scambiarsi e da scoprire. Questo è in definitiva il merito del volume, ricco di spunti e foriero di scoperte che rendono inesausto il pozzo ricolmo delle idee di due colonne portanti dell’arte europea.

Andrea Camparsi

Lynn Catterson (Ed.), Florence, Berlin and Beyond. Late Nineteenth-Century Art Markets and their Social Networks, Boston-Leiden (Brill) 2020 (Studies in the History of Collecting & Art Markets 9), XXIV, 572 pp., ill., ISBN 978-90-04-41990-2, € 145.

Questo volume edito da Lynn Catterson ricostruisce le intricate relazioni sociali che influenzarono il mercato dell’arte europeo e americano tra fine Ottocento e primo Novecento grazie ad un accurato lavoro su fonti di archivio italiane, tedesche e americane. Da arazzi a Madonne botticelliane, i contributi si concentrano sullo studio e sulla commercializzazione di arte italiana rinascimentale e barocca da parte di agenti quali lo storico dell’arte tedesco Wilhelm von Bode (1845–1929) e il mercante d’arte fiorentino Stefano Bardini (1836–1922). Coi suoi contributi più interessanti questo volume elucida l’importanza dello storico dell’arte nel legittimare l’attività del mercante, soprattutto in relazione all’autenticità delle opere d’arte, riflette però anche sulla dipendenza dell’accademico dal mercato agli albori dell’istituzionalizzazione della storia dell’arte come disciplina accademica. Fulvia Zaninelli cita Lionello Venturi sul mercato come „momento sospensivo della storia esterna dell’opera d’arte“ prima di introdurre l’esempio di Alessandro Contini Bonacossi (1878–1955) e Wilhelm Bode. Zaninelli esplora l’importanza dell’autentificazione dell’opera d’arte per la relazione tra mercante e studioso illustrando anche l’influenza curatoriale di Bode sull’allestimento della galleria commerciale. Gabriella Cilmi analizza la relazione tra Stefano Bardini e i plutocrati francesi Nélie e Édoaurd André, delineando il ruolo di Bardini nella costituzione della loro prima collezione. Il contributo tratteggia questa collaborazione e mette anche in luce l’influenza di Bardini sulla presentazione della collezione degli André, offrendo un esempio opposto, ma complementare alle riflessioni di Zaninelli. Cilmi analizza anche gli effetti delle norme italiane sul controllo delle esportazioni. L’articolo di Paola Cordera sulla collezione Spitzer illustra l’importanza dell’iniziativa privata a sostegno dei grandi musei tedeschi, tematizzando anche le mire espansionistiche di queste istituzioni con un interessante inciso sulle somiglianze tra Germania Guglielmina e Terza Repubblica francese. Cordera offre una terza prospettiva sulla presentazione delle opere d’arte. Al centro dello studio di Jeremy Howard è la relazione tra la collezionista americana Isabella Stewart Gardner e il suo ex compagno di studi Bernard Berenson. Howard racconta le peripezie della Madonna dell’Eucarestia che arriverà alla Gardner nel 1901 dopo essere stata trafugata dall’Italia da Colnaghi e Deprez. Howard analizza le leggi a difesa del patrimonio in Italia, completando una discussione iniziata già da Gabriella Cilmi. Impostando l’episodio come il canto del cigno nella relazione tra l’Italia, il mercato londinese e quello americano, Howard offre una prospettiva storica che manca ad altri contributi. Oltre a scambi intellettuali e commerciali improntati tanto alla collaborazione transnazionale quanto alla concorrenza personale, emergono da questo studio anche protagonisti dimenticati. Virginia Napoleone tratta del mercato romano attraverso uno studio strutturato oltre che su Bode e Bardini, sul praghese „romanizzato“ Ludwig Pollak e sul meno conosciuto Attilio Simonetti (1843–1925). Paul Tucker ricostruisce la vita anglo-italiana di Fairfax Murray, e il suo ruolo di cliente, consulente e associato degli Agnew’s tra il il 1886 e il 1918. Gli arazzi Barberini sono al centro del contributo di Denise M. Budd che ricorda il reticente marchand amateur Charles Mather Ffoulke. Eliot W. Rowlands presenta invece l’attività italiana di Harold Woodbury Parsons tra il 1917 e il 1919, il solo contributo che menzioni la Prima Guerra Mondiale. Il contributo finale di Lynn Catterson riprende le fila del libro, ricordando i 6000 contatti e 300 collaboratori registrati nelle carte di Bardini. Catterson parla giustamente di una entità societaria informale riferendosi a queste tracce dell’attività del fiorentino. Particolarmente interessanti sono le osservazioni sulla relazione tra Wilhelm Bode e il curatore del Metropolitan Museum of Art Wilhelm Valentiner. Fu Valentiner a far sì che l’affinità del marchio Bardini e del metodo tedesco di fare storia dell’arte proliferassero in pubblicazioni e istituzioni americane. Catterson enfatizza anche come il lavoro dello storico dell’arte Allan Marquard sul corpus dei Della Robbia – affrontato nel volume da Kerri A. Pfister – venne codificato proprio grazie alle relazioni di Bode. Nonostante l’aggettivo „globale“ compaia nel volume, bisogna ricordare che il mondo in questione è limitato a transazioni e relazioni europee e transatlantiche. Questo volume offre una serie di micro-storie metodologicamente e tematicamente molto tradizionali incentrate sul canone artistico italiano. I networks ricostruiti qualitativamente in questo volume sono un’importante illustrazione dei meccanismi dietro al funzionamento di questo segmento del mercato dell’arte a cavallo di due secoli.

Maddalena Alvi

Alessandra Tarquini, La sinistra italiana e gli ebrei. Socialismo, sionismo e antisemitismo dal 1892 al 1992, Bologna (Mulino) 2019 (Le vie della civiltà), 309 S., ISBN 978-88-15-28568-3, € 22.

Die Beziehung der italienischen Linken zur „jüdischen Frage“, zu Antisemitismus und Zionismus hat eine lange, keineswegs unproblematische Geschichte. Aufgrund der traditionell starken Beteiligung jüdischer Akteure und Akteurinnen in linken Politiker- und Intellektuellenkreisen sind die Ambivalenzen dieses Verhältnisses jedoch in der öffentlichen Meinung wie auch in der Geschichtsschreibung vielfach unterschätzt worden. Latent vorhandene antizionistische Tendenzen etwa, die bereits in den Schriften von Karl Marx und Cesare Lombroso anzutreffen sind, führten 1917 zur Ablehnung der Balfour Declaration durch den PSI und beeinflussten noch nach Ende des Zweiten Weltkrieges weite Teile der italienischen Linken in ihrer Wahrnehmung des 1948 entstandenen israelischen Staates. Im vorliegenden Werk richtet die Historikerin Alessandra Tarquini aus einer Langzeitperspektive den Blick auf die Ursprünge, Kontinuitäten und Veränderungen dieser spannungsreichen Beziehungsgeschichte. Das Ziel der Vf. besteht darin, die betreffenden Relationen seit der Gründung des PSI im Jahr 1892 bis zur Krise der sogenannten „Ersten Republik“ genau einhundert Jahre später zu rekonstruieren. Die Studie stützt sich auf eine breite Quellenbasis, insbesondere Parteiorgane, politische Schriften und Dokumente, Selbstzeugnisse sowie Publikationen zeitgenössischer Politiker und Intellektueller. Die Protagonisten und Protagonistinnen der Untersuchung sind Männer und Frauen der „großen Familie“ des Sozialismus marxistischen Ursprungs: Sozialisten und Sozialistinnen, Sozialdemokraten und -demokratinnen, Liberalsozialisten und -sozialistinnen und Kommunisten und Kommunistinnen. In sechs chronologisch angeordneten Kapiteln entfaltet die Vf. die Thematik. Der erste Abschnitt behandelt die Entwicklung der wichtigsten Theorien hinsichtlich Antisemitismus und Zionismus im liberalen Italien, wobei der Fokus auf der antizionistischen Positionierung der Zweiten Internationalen liegt. Das zweite Kapitel behandelt die „Unzulänglichkeiten“ der italienischen Linken während der faschistischen Diktatur, deren repressive Maßnahmen Sozialisten und Sozialistinnen sowie Kommunisten und Kommunistinnen in den Untergrund und ins Exil trieben und ein entschlossenes Vorgehen gegen die italienische Rassengesetzgebung und die Shoah verhinderten. Die folgenden vier Kapitel konzentrieren sich auf den Zeitraum seit der Gründung des Staates Israel 1948 bis zur politischen und geistigen Umbruchphase Ende der 1980er Jahre. Anhand zentraler Ereignisse und Diskurse untersucht Tarquini die zunehmende Brisanz des arabisch-israelischen Konfliktes innerhalb der italienischen Öffentlichkeit und seinen nachhaltigen Einfluss auf die Beziehungen zwischen Anhängern des marxistisch geprägten Sozialismus und jüdischen Akteuren und Akteurinnen. Während mit dem Eichmann-Prozess 1961 in Italien und weltweit eine neue Phase der Reflexion über Antisemitismus und Shoah begann und Organe wie „Unità“ und „Avanti“ sich endlich auch Themen wie den Deportationen aus Rom zuwandten, wurde doch gleichzeitig die Verfolgung der italienischen Juden von der Presse des linken politischen Spektrums in erster Linie als Machwerk des faschistischen deutsch-italienischen Bündnisses dargestellt. Was die Haltung der italienischen Linken gegenüber Israel angeht, so trugen der Jom-Kippur-Krieg 1973 und vor allem der Libanonkrieg 1982 in Teilen des kommunistischen Lagers nicht nur zur entschiedenen Ablehnung der israelischen Politik, sondern auch zur Entstehung antijüdischer Stereotype bis hin zur Verbindung antizionistischer mit antisemitischen Vorurteilen bei. Ein Wendepunkt ereignete sich Ende der 1980er Jahre sowohl durch den historiographischen Wandel im Zuge des 50. Jahrestags der Rassengesetzgebung als auch durch die Transformation des PCI in PDS, der auf einen Dialog zwischen dem italienischen wie europäischen Sozialismus und Israel hinarbeitete. Mit ihrer differenziert argumentierenden, profunden Analyse wirft Tarquini neues Licht auf die Kontinuitäten und Brüche eines komplizierten politischen wie kulturellen Verhältnisses, dessen Problematik sie bis auf die Zweite Sozialistische Internationale zurückführt. Jedoch formten und veränderten nicht nur Theorien, sondern vor allem auch konkrete gesamtpolitische Entwicklungen wie der Ost-West-Konflikt und das Ende des Kalten Krieges die Positionierungen linker Gruppierungen und Individuen in Italien, wie die Vf. anhand der durchaus wechselvollen Beziehungen zum israelischen Staat auf überzeugende Weise verdeutlicht. Die charakteristische innere Ambivalenz der Thematik zeigt sich darin, dass eine gewisse „Intoleranz gegenüber der jüdischen Minderheit dem kulturellen Horizont [der italienischen Linken] keineswegs fremd ist“ (S. 292), so Tarquinis kritisches Fazit. Gleichzeitig ist nicht von der Hand zu weisen, dass der italienische wie der europäische Sozialismus insgesamt von Juden und Jüdinnen entscheidend geprägt wurde und aufgrund seiner transnationalen Ausdehnung gerade in Zeiten antisemitischer Verfolgung einen bedeutenden politischen wie intellektuellen Fluchtraum darstellte.

Ruth Nattermann

Stefania Bartoloni (a cura di), Attraversando il tempo. Centoventi anni dell’Unione femminile nazionale (1899–2019), Roma (Viella) 2019 (Collana dell’Unione Femminile Nazionale 1), 220 S., Abb., ISBN 978-88-3313-121-4, € 26.

Pünktlich zum einhundertzwanzigsten Jubiläum der bedeutendsten Frauenvereinigung des vereinten Italien, der 1899 in Mailand gegründeten Unione Femminile Nazionale (UFN), hat die Historikerin Stefania Bartoloni einen Sammelbd. vorgelegt, dessen Beiträge die vielfältigen sozialen, politischen und kulturellen Aktivitäten der UFN exemplarisch nachzeichnen. Sie geben Einblick in die wechselvolle Geschichte der im Zuge der Rassengesetzgebung 1938 gewaltsam aufgelösten und nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs unter veränderten Umständen wiederaufgebauten Organisation, die noch heute an ihrem Entstehungsort des Mailänder Corso di Porta Nuova ansässig ist. Die betont weltliche, von Protagonistinnen jüdischer Herkunft stark geprägte feministische Vereinigung lieferte entscheidende Impulse für soziale wie rechtliche Reformen und formte den transnationalen Charakter der frühen italienischen Frauenbewegung. Im Mittelpunkt dieses ersten Bd. der neugegründeten Schriftenreihe der UFN stehen ausgewählte Akteurinnen und Initiativen der Organisation seit ihren Anfängen bis in die 1970er Jahre. Bartolonis fundierte Einleitung gibt einen Überblick über die Entwicklung der Organisation im Laufe ihres einhundertzwanzigjährigen Bestehens. Die ursprünglichen, weit gefassten Ziele der dem zeitgenössischen Sozialismus nahestehenden UFN im Sinne gesellschaftlicher Erneuerung sowie der „materiellen und moralischen Förderung“ von Frauen wurden innerhalb der sich wandelnden gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen kontinuierlich aufrechterhalten. Der seit Beginn der 1990er Jahre von der Historikerin Annarita Buttafuoco maßgeblich initiierte Aufbau des Archivs schuf die Basis für die Bedeutung der Mailänder Einrichtung als Zentrum historischer Forschung. Die ersten drei Beiträge des Bd. richten den Fokus auf relevante Tätigkeitsbereiche der frühen UFN und verdeutlichen ihr Konzept eines „praktischen Feminismus“. Laura Schettini behandelt das 1900 gegründete Komitee „contro la tratta“, in dem Pionierinnen der UFN den organisierten Kampf gegen den Frauen- und Mädchenhandel in Italien verankerten und gleichzeitig auf transnationaler Ebene vernetzten. Stefania Bartoloni widmet sich dem Thema der Arbeit als Weg zur Frauenemanzipation. Sie untersucht die seit Beginn des zwanzigsten Jh. von Akteurinnen der UFN vorangetriebene Professionalisierung und Verweltlichung des Krankenschwesterberufs, die jedoch erst im Zusammenhang mit dem Ersten Weltkrieg realisiert werden konnten. Der Beitrag von Simone Colafranceschi thematisiert das soziale Projekt der Cooperativa cucine popolari e ristoratori economici, das 1917 für bedürftige Menschen, insbesondere Arbeiter und Arbeiterinnen, auf Initiative der Stadt Mailand eingerichtet und von der UFN bis 1963 geleitet wurde. Im Mittelpunkt der folgenden Artikel stehen Protagonistinnen der Frauenvereinigung. Auf der Grundlage unveröffentlichter Egodokumente der Schwestern Adele und Bianca Cevi, seit Ende der 1920er Jahre Mitarbeiterinnen der UFN, entwirft Fiorella Imprenti ein eindrucksvolles Porträt der Biographien und des antifaschistischen Engagements der beiden gelehrten Frauen innerhalb ihrer familiären und politischen Netzwerke. Patrizia Montani konzentriert sich auf die 1953 von der damaligen Vizepräsidentin der UFN, Maria Giovanardi Metz, gegründete Scuola dei genitori, die an die reformpädagogischen Aktivitäten der Pionierinnen anknüpfte und Erziehung als demokratisches Projekt auffasste. Mit der Journalistin Anna Del Bo Boffino, ihrer Rezeption und Verarbeitung des gesellschaftlichen Wandels von Sexualität und Körperbildern seit Ende der 1960er Jahre beschäftigt sich der Beitrag von Alessandra Gissi, während Paola Stelliferi den parlamentarisch ausgetragenen Kampf der Politikerin Tullia Carettoni Romagnoli gegen sexuelle Diskriminierung und Gewalt in den 1970er Jahren kenntnisreich analysiert. Der Anhang besteht aus einer von Eleonora Cirant und Donata Diamanti zusammengestellten Auswahl von Schriften und Fotografien des Archivs der UFN. Der Sammelbd. bietet ein vielschichtiges Bild der Entwicklungen der UFN zwischen liberaler Ära, Faschismus und Nachkriegszeit, welche die Brüche und Veränderungen der italienischen Frauenbewegung insgesamt widerspiegeln. Die auf weitgehend unveröffentlichten Quellen beruhenden Beiträge verdeutlichen das Potential des umfangreichen Organisationsarchivs und unterstreichen die kontinuierliche Wiedererfindung einer Tradition innerhalb unterschiedlicher historischer Epochen und gesellschaftspolitischer Kontexte. Sie bilden eine konstruktive Grundlage für die weitere Erforschung der UFN, deren Gesamtgeschichte bis heute ein Desiderat darstellt.

Ruth Nattermann

Peter Hersche, Max Weber, die Ökologie und der Katholizismus, Basel (Schwabe Verlag) 2021, 202 S., Abb., ISBN 978-3-7965-4274-9, € 45.

Max Weber, die Ökonomie und der Protestantismus, das ist in der weltweiten Weberforschung ein Dauerbrenner. Den Klassiker der modernen Sozial- und Kulturwissenschaften jedoch gegen den Strich auf „Ökologie und Katholizismus“ zu prüfen, das ist originell und verspricht eine neue Lesart. Peter Hersche, emeritierter Historiker der Universität Bern, Experte für Max Weber in Rom und für das katholische Barockzeitalter, ist unzufrieden mit einem älteren und abgegriffenen Narrativ, das Weber als „Bannerträger“ einer europäischen Fortschrittsmoderne und als „Theoretiker der abendländischen Rationalisierung“ feiert. Würdige man Webers „Stellung zum Katholizismus“ und seine Offenheit zur „ökologischen Frage im weitesten Sinn“, so lasse sich zeigen, dass er „keineswegs ein unkritischer Apologet des Fortschritts gewesen ist“. Das ist die einführende These, ähnlich der, die Wilhelm Hennis schon 1987 in „Max Webers Fragestellung“ variantenreich entwickelt hatte. Hennis kommt allerdings in Hersches Buch selbst im Literaturverzeichnis nicht vor. Folgen wir seinem neuerlichen Anlauf. Wieviel an einem Zivilisationskritiker, katholisch inspiriert und ökologisch sensibel, steckt in Weber? Dazu gibt es sechs Kapitel, die thematisch, nicht werkbiographisch angeordnet sind. Das erste Kapitel ist „Heilung und Neubeginn in Rom“ gewidmet. Gemeint sind Heilung von der schweren psychosomatischen Krankheit, die Weber seit 1899 völlig arbeitsunfähig machte und Gesundung im südlichen Klima suchen ließ. Und kreativer Neubeginn 1903 als Privatgelehrter, nach definitiver Entlassung aus dem badischen Staatsdienst. Fast ein Jahr verbrachte Weber in Rom. Aus den „dürftigen Quellen“ liest Hersche eine fortschreitende physische und psychische Genesung durch „Tapetenwechsel“ heraus, erkennbar an unbändiger Entdeckungsfreude und neuem Wissensdurst. Hersche schließt daraus sehr direkt auf eine Öffnung zu den „Ideen der Lebensreform“, da diese sich der „Gesundung des vom zivilisatorischen Fortschritt gebeutelten Organismus verschrieben habe“. Das zweite Kapitel, „Zivilisationskritik, Landschaftsschutz und Ökologie“, springt denn auch sofort mit Beobachtungen zu Webers Großstadt- und Landschaftsbildern vor zu seinem letzten Lebensjahrzehnt. Die Metropole Berlin sei ein „ekelhafter Ort“, schrieb Weber 1918; die „Großstadt-Mechanik“ mochte er nicht ertragen, abgesehen vom „katholischen Barock“ Wiens und Münchens. Und in München lebte Else, seine geliebte Muse, der er sich bei Kriegsende völlig irrational unterwarf, – Webers sichtbarster Aufstand gegen alle „Entzauberung der Welt“. Das dritte Kapitel heißt folgerichtig „Lebensreform und erotische Bewegung“. Weber rang mit Alkohol- und Nikotinmissbrauch, auch das machte ihn neugierig auf die Lebensreformbewegung. Von einer Annäherung an deren großes Ziel eines dritten Weges jenseits von Kapitalismus und Kommunismus wird man bei Weber allerdings nicht sprechen können. Für die erotische Lebensführung konstatiert Hersche im Einklang mit der Forschung eine große Widersprüchlichkeit. Kulturell votierte Weber für die bürgerliche Moral der Einehe, persönlich dispensierte er sich davon. Das vierte Kapitel ist überschrieben „Vom Kulturprotestantismus über Italien zum Kulturkatholizismus“. Eine solche Bewegung weg vom liberal-protestantischen Kulturkämpfer hin zu einem kulturkatholischen Habitus geben die Quellenbefunde jedoch nicht zu erkennen. Gleichwohl hält Hersche ein Gerücht bei Webers Tod, er wäre vielleicht noch „Katholik geworden“, für nicht „ganz abwegig“. Deshalb spielt Kapitel fünf die gewagte These ein, „Rom eine größere Bedeutung“ für die „Protestantische Ethik“ zuzuschreiben als sogar der USA-Reise. Zugestehen muss Hersche jedoch, dass dem Text sowohl in der Erstfassung von 1904/1905 als auch in der Überarbeitung von 1920 Belege „kaum zu entnehmen“ sind. Das für sich gut zu lesende Kapitel sechs kontrastiert überzeugend die katholische mit der protestantischen Konfessionskultur im Europa des Barockzeitalters, entfernt sich aber von Weber. Könnte Weber in seinem Hunger nach Wirklichkeit heute studieren, wie zum Beispiel evangelikal-kapitalistischer „Geist“ im Bolsonaro-Brasilien Raubbau an der Natur betreibt, wäre er dann katholischer und ökologischer geworden? So vermutet es Hersche in seinem Fazit. Denn der Meisterdenker der Ambivalenzen westlicher Moderne hätte im Verlauf des 20. Jh. immer stärker betont, dass „der Fortschritt seine zwei Seiten hat“ und einen Schutzwall gegen die Zerstörungswut asketischer und anderer Leistungsethiker errichtet. Aber das müsse „Spekulation“ bleiben. Für seine Weber-Quellen fußt Hersche auf der „24-bändigen kritischen Werkausgabe“, wie er eingangs schreibt. Hier ist anzumerken, dass die in Webers 100. Todesjahr 2020 abgeschlossene Max-Weber-Gesamtausgabe (MWG) mit 47 Bänden doppelt so umfangreich ist.

Gangolf Hübinger

Angelo D’Orsi, L’intellettuale antifascista. Ritratto di Leone Ginzburg, Milano (Neri Pozza) 2019 (Bloom 166), 447 S., ISBN 978-88-545-1903-9, € 19.

Ein „unglücklicher Held“, ein moralischer und intellektueller Gigant, dessen unerschöpfliche Neugier und Interesse an seinen Mitmenschen seinesgleichen suchte, ein „Erreger“ und Anstifter im besten Sinne, der zeitlebens andere zu kultureller und politischer Aktivität anspornte und dessen Wirken in der Mitgründung des Einaudi-Verlags kulminierte – es erstaunt, dass das Leben einer Person, die derartige Zuschreibungen hervorruft, noch nicht Gegenstand einer umfassenden biographischen Studie gewesen ist. Und doch trifft es auf Leone Ginzburg zu. Angelo D’Orsi hat sich nun endlich daran gemacht, dieses Desiderat zu beheben. In seiner über mehrere Jahrzehnte gereiften Studie, zu der ihn Norberto Bobbio immer ermunterte, hat er eine Vielzahl an Quellen zusammengetragen, diese in den neuesten Forschungskontext eingeordnet und ein – trotz gelegentlicher Redundanzen – elegant geschriebenes „Porträt“ Ginzburgs entstehen lassen. Ein zwanzigseitiger Anhang zeitgenössischer Fotos und Dokumente, umfassende Endnoten, eine ausführliche Bibliographie und ein detailliertes Namensregister lassen in forschungstechnischer Hinsicht kaum Wünsche offen. In zwölf Kapiteln behandelt Angelo D’Orsi das lediglich knapp 35 Jahre währende, aber überaus ereignis- und inhaltsreiche Leben seines Protagonisten. Angefangen von der kosmopolitischen Kindheit und Jugend des 1909 im ukrainischen Odessa in eine bürgerliche jüdische Familie geborenen Ginzburgs bis zu seinem Tod unter nicht endgültig geklärten Umständen 1944 im römischen Gefängnis Regina Coeli unter deutscher Besatzung einschließlich Verhören mit Folter und Kieferbruch leuchtet der Autor viele Facetten dieser bewegten Biographie aus. Zugleich stellt das Buch deutlich mehr als nur ein Porträt Leone Ginzburgs dar. Es zeichnet vielmehr auch ein lebendiges Bild des intellektuellen Turin der Zwischenkriegszeit, wohl noch vor Florenz eine Hochburg anti- bzw. afaschistischer Resilienz im Italien unter der Regierung Mussolinis. Überdies erzählt es die Gründungsgeschichte des Einaudi-Verlags. Dabei treten zahlreiche wichtige Wegbegleiter wie Norberto Bobbio, Giulio Einaudi oder Cesare Pavese in Erscheinung, aber auch starke Frauen wie Ginzburgs Schwester Marussia und – ab Mitte der 1930er Jahre – seine künftige Frau Natalia Levi. Immer wieder ist auch die Rede von den Personen, die Leone Ginzburg entscheidend in seinem Denken und Handeln beeinflusst haben. Dazu zählen neben Augusto Monti und Benedetto Croce vor allem Piero Gobetti, Carlo Rosselli und Antonio Gramsci. Obwohl auch Ginzburg wie die drei Letztgenannten als antifaschistischer „Märtyrer“ noch vor dem Kriegsende in Haft verstarb, hat Ginzburg in Italien nach 1945 nie dieselbe Aufmerksamkeit und Wertschätzung erfahren; weder Institute noch Zeitschriften sind nach ihm benannt worden. Dies mag einerseits mit den relativ wenigen hinterlassenen Schriften Leone Ginzburgs zusammenhängen, der Organisation und Vernetzung eigenen Publikationen vorzog. Andererseits stach er auch durch seine dreifache Identität – russisch, italienisch, jüdisch – hervor und sah sich selbst erst in dem Moment zu antifaschistischem politischen Handeln legitimiert, als er 1931 italienischer Staatsbürger wurde. Einzigartig machte ihn jedoch seine Handlung 1934/1935, als Privatdozent für Slawistik an der Universität Turin den Treueid auf das faschistische Regime zu verweigern und damit auf eine glänzende akademische Karriere zu verzichten. Sein verbleibendes Lebensjahrzehnt war denn auch geprägt von ständiger Überwachung, Verhaftungen und Verbannung in die Abruzzen. Obwohl er nach dem Sturz Mussolinis wieder voll in das operative Geschäft des Einaudi-Verlags einsteigen und sogar eine römische Niederlassung eröffnen konnte, setzte er sich mit seiner politischen Untergrundarbeit gegen die nationalsozialistische Besatzung Mittel- und Norditaliens einschließlich Roms sofort erneut großen Gefahren für Leib und Leben aus. Insgesamt ist Angelo D’Orsi ein faszinierendes, gut lesbares und mehr als überfälliges Porträt der intellektuellen Ausnahmeerscheinung Leone Ginzburgs gelungen. Ginzburg verband in seinem viel zu kurzen Leben Politik und Kultur, Freiheit und Autonomie, Humanismus und Moral in einzigartiger Weise. Der Kontrast zwischen Autorität und Einfluss auf seine Mitlebenden und dem, was nach seinem Tod davon übrigblieb, bleibt allerdings evident. Dabei könnte er als eine der leuchtendsten Persönlichkeiten des italienischen Antifaschismus auch heute noch Halt und Orientierung mit seinen liberalen, demokratischen und republikanischen Prinzipien bieten. Uns daran mit der ersten umfassenden Biographie Leone Ginzburgs erinnert zu haben, ist ein großes Verdienst des Autors.

Jens Späth

Andrea Di Michele, Soldaten zwischen zwei Uniformen. Österreichische Italiener im Ersten Weltkrieg, Wien-Köln-Weimar (Böhlau) 2018 (Schriftenreihe des Österreichischen Historischen Instituts in Rom 4), 245 S., ISBN 978-3-205-23283-4, € 35.

Im Ersten Weltkrieg geriet beinahe ein Drittel der von der Habsburgermonarchie mobilisierten Soldaten in Kriegsgefangenschaft, die meisten davon in Russland und viele schon in den ersten Kriegswochen. Von den über 110 000 mobilisierten „Österreichischen Italienern“, die hauptsächlich im Kronland Galizien gegen die Armee des Zaren kämpften, gerieten mindestens 30 000 in russische Kriegsgefangenschaft, worauf sie zum Instrument der politischen Interessen der Kriegsparteien Russland, Italien, Österreich-Ungarn und Serbien wurden. Diese Konflikte und die Folgen, die sie für die Kriegsgefangenen hatten, werden vom Vf. durch die Auswertung von Quellen aus dem Österreichischen Staatsarchiv in Wien, dem Zentralen Staatsarchiv in Rom, dem Historisch-Diplomatischen Archiv des italienischen Außenministeriums in Rom und weiterer italienischer Archive sehr anschaulich rekonstruiert. Obwohl die Zuspitzung des Nationalitätenkonflikts in der Habsburgermonarchie um die Wende vom 19. auf das 20. Jh. auch die italienische Bevölkerung im Trentino, in Julisch Venetien, dem Friaul, Istrien und Dalmatien erfasste, war im Wesentlichen nur ein begrenzter Kreis aus dem städtischen Bürgertum für die Abspaltung der „unerlösten Gebiete“ („terre irredenti“) von Österreich. Die Mehrheit der „Österreichischen Italiener“ betrachtete sich nicht als „Irredentisten“, sondern eher als „austriacanti“, was oft nichts mit Nation, sondern mit anderen Identifikationsmustern wie Land, Tal oder Region zu tun hatte. Die Stadt Triest erwies dem ermordeten Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand und seiner Gemahlin am 2. Juli 1914 die letzte Ehre, die Mobilisierung der Soldaten und Reservisten erfolgte ohne Probleme. Trotzdem begegnete die Militärverwaltung der Habsburgermonarchie den als unverlässlich eingeschätzten Nationalitäten mit großem Misstrauen, das sich gegenüber den „Österreichischen Italienern“ nach dem Kriegseintritt des Königreichs Italien noch steigerte. Über die verhängnisvollen Folgen der durch kaiserliche Dekrete errichteten „Kriegsdiktatur“ (S. 68) urteilt der Vf.: „Das politische Handeln der Militärkommandos sollte sich als völlig kontraproduktiv erweisen, weil es zum destabilisierenden Faktor im politischen und nationalen Gefüge der Monarchie wurde und letztlich vielleicht entscheidend zu deren endgültigem Zerfall beitrug.“ (S. 69 f.) Dennoch blieben viele „Österreichische Italiener“, Soldaten wie Zivilisten, bis Kriegsende kaisertreu. Um den Bruch zwischen Italien und Österreich-Ungarn zu vertiefen, bot der Zar im Oktober 1914 der italienischen Regierung an, den in Galizien gefangen genommenen „Österreichischen Italienern“ die Ausreise nach Italien zu gestatten. Damals scheiterte das an der italienischen Neutralitätspolitik, nach dem Kriegseintritt Italiens drängten italienische Militärmissionen die Gefangenen dazu, für Italien Position zu beziehen. Dennoch blieb der Standpunkt der italienischen Regierung uneinheitlich. Das lag an der Einschätzung der Kriegsgefangenen, denen man die Läuterung zu überzeugten Reichsitalienern nicht einfach abnahm, aber auch an politischen Konflikten mit Serbien über die mehrsprachige östliche Adria und an den Schwierigkeiten des Transports. Nach den revolutionären Umstürzen in Russland befürchtete die italienische Regierung, die Kriegsgefangenen seien vom Bolschewismus infiziert. Die Behörden der Habsburgermonarchie wirkten durch die Briefzensur auf die Gefangenen ein, die sich darüber klar sein mussten, dass ein Übergehen zum Feind schwerwiegende Konsequenzen für sie und ihre Familien haben musste – jedenfalls solange die Niederlage Österreich-Ungarns noch nicht feststand. Dazu kamen die oft kaum erträglichen Lebensumstände in russischer Kriegsgefangenschaft, so dass die Entscheidung für Österreich oder für Italien häufig nicht primär vom „Irredenta-Mythos“, sondern von praktischen Erwägungen bestimmt war. Zwischen September 1916 und April 1920 wurden etwa 10 000 Kriegsgefangene auf Schiffstransporten nach Italien gebracht. Ein Teil musste die Reise in Russlands fernem Osten unterbrechen, weil Italien dort aus den ehemaligen Kriegsgefangenen ein Expeditionskorps für den russischen Bürgerkrieg auf Seiten der „Weißen“ formierte, um sich vor aller Welt als Großmacht zu profilieren. Die meisten „Österreichischen Italiener“ kehrten nach dem Kriegsaustritt Russlands auf dem Landweg in die Habsburgermonarchie zurück. Den vom Vf. hervorragend recherchierten Quellen, darunter die Memoiren von Kriegsgefangenen, ließen sich vielleicht noch die interessanten Erinnerungen des k. k. Reserveoffiziers Oscar Ebner von Ebenthal (nach der Anerkennung seines Adelsprädikats im Königreich Italien: Oscar Ebner de Ebenthall) aus Triest an den Krieg und die russische Kriegsgefangenschaft hinzufügen, die man unter dem Titel seines Buches „SOS Europa“ (1930) nicht vermuten würde.

Michael Thöndl

Blaz Torkar/Miha Kuhr, Die letzte Schlacht am Isonzo 1917, aus dem Slowenischen übersetzt von Michael Kulnik, Ljubljana-Wien (Hermagoras-Verlag) 2020, 304 S., Abb., ISBN 978-3-7086-1086-3, € 32.

Anders als der etwas reißerisch anmutende Titel nahelegen könnte, bekennen sich die Vf. des Bd. dazu, eine „militärisch-wissenschaftliche Monografie“ vorzulegen. Zugleich verweisen sie darauf, „dass die 12. Offensive am Isonzo für die militärische Zunft sehr bedeutend“ sei, was sich u. a. daran zeige, „dass immer mehr ausländische Militärdelegationen das Isonzogebiet besuchen“ (S. 10). Staff Rides nennen sich Exkursionen ins Gelände, die Aufschluss über den Ablauf historischer Schlachten geben sollen. Ziel der Wanderungen ist der nördliche Teil eines Pfades entlang der 90 km langen vormaligen Isonzofront, vom „Rombon bis zum Meer“, wie man schon 1915–1917 sagte. Wenn einerseits das „Wunder von Karfreit“, der „Durchbruch von Flitsch und Tolmein“, die „12. Isonzoschlacht“, die „Operation Waffentreue“ oder auch einfach „Caporetto“ Themen dieses Buches sind – nur wenige militärische Unternehmungen sind mit einer solchen Vielfalt an Namen bedacht worden –, so verwundert doch die Verengung der Sicht auf die Truppen der Mittelmächte, das deutsche Alpenkorps und das Württembergische Gebirgsbataillon, vor allem aber auf Erwin Rommel, „den bekannten deutschen Heerführer“ (ebd.). Rommel, im Oktober 1917 ein ehrgeiziger und befähigter Leutnant des Gebirgsbataillons, verdient offenbar mehr Erwähnungen als der italienische General Luigi Capello, Chef der zweiten Armee und heimlicher Konkurrent Luigi Cadornas als Generalstabschef des Kgl. Heeres. Den Vf. geht es nicht um die „Schlacht“ in ihrer Gesamtheit, sondern um die gezielten Vorstöße von Gebirgstruppen, die relativ unabhängig von den Befehlshabern auf Divisions- und Armeeebene („Auftragstaktik“) überforderte italienische Einheiten umzingelten, überraschten und gefangen nahmen. Man kennt solche Coups aus der Literatur über das Ende des Regio Esercito nach dem 8. September 1943. Manchmal schwingt bei der Darstellung das Stereotyp vom Italiener als „schlechtem Soldaten“ mit. Dabei könnte man auch im Zusammenhang mit „Vittorio Veneto“ Situationen aufzählen, in denen Angehörige der k.u.k. Streitkräfte von den neu formierten Truppen des Generals Diaz auf ähnliche Weise überrumpelt wurden. Nicht alles an diesem Buch verdient Tadel: die Analyse einzelner Operationen, das Kartenmaterial und vor allem die Fotos vom Schauplatz möchte man nicht missen. Dazu gehören auch präzise Ortskenntnisse der Autoren über das obere und mittlere Isonzotal, die Übergangszone zwischen dem alpinen Raum und dem Mittelgebirge auf dem westlichen Flussufer. Der geografischen und inhaltlichen Einengung steht allerdings eine grenzenlose Weite des Horizonts bei der Einordnung des operativen Hintergrunds von „Caporetto“ gegenüber. Friedrich II. von Preußen, Moltke und Schlieffen werden heraufbeschworen, historische Fakten immer wieder im Lichte von Handbüchern der slowenischen Streitkräfte, NATO-Richtlinien und Reglements der US Army interpretiert, kurzum: Gegenwart und Vergangenheit erscheinen auf analytisch schwer nachvollziehbare Weise miteinander vermengt.

Rolf Wörsdörfer

Monica Cioli/Maurizio Ricciardi/Pierangelo Schiera (Eds.), Traces of Modernism. Art and Politics from the First World War to Totalitarianism, Berlin (Campus-Verlag) 2019, 222 pp., ISBN 978-3-593-51030-9, € 49.

Occorre dire subito che questo libro non si presenta come un „semplice“ volume che raccoglie contributi diversi, più o meno uniti da un filo rosso dato loro dai curatori, e che sia frutto di un’occasione specifica (convegno o workshop). Va invece sottolineato il carattere fortemente innovatore e coeso dei suoi contributi, tutti tesi a illuminare, pur da prospettive disciplinari diverse, lo stesso modello storico-concettuale, ovvero quello che il volume definisce „modernism“ (e per il quale, va aggiunto, non sarebbe guastata una precisazione terminologica che chiarisse il diverso significato che il termine assume in contesti anglofoni, germanofoni, o italofoni: il modernism insomma, non si sovrappone omogeneamente e senza residui alla Moderne, o alla modernità). Il volume approfondisce inoltre l’impatto che tale struttura concettuale ha avuto sull’individuo che vive all’interno di essa, soggetto in senso sociologico, filosofico, giuridico, politico e culturale che vive il suo ruolo in quell’orizzonte di senso articolandosi, in particolare nella prima metà del Novecento, in quella specifica issue tra estetica e politica che non è solo una forma di estetizzazione della politica o di politicizzazione dell’arte, ma anzitutto la feconda e sistematica interpolazione dei due piani, che danno luogo alla peculiare costituzione politica del moderno tra crisi della sovranità e nuove costellazioni „totali“ di rappresentazione. L’uomo che emerge insomma da questo volume ricchissimo di spunti e di prospettive è l’„uomo nuovo“ delle avanguardie, ma anche l’uomo delle nuove, totalizzanti agenzie di senso che nella prima metà del XX secolo impongono al soggetto un impianto di significato globale – un progetto, in altri termini, che intende riformulare radicalmente gli assi concettuali entro cui si era strutturato l’uomo e lo Stato nell’Ottocento. Il volume infatti sottolinea, con ampiezza di vedute e di riferimenti, il carattere „epocale“ del Novecento modernista, al cui centro non sono più le virtù private e pubbliche dell’individuo libero tipiche del secolo precedente, ma le luci e le ombre di una figura che attraversa un paesaggio connotato, oltre che da una sistematica percezione della crisi in atto, da una altrettanto sistematica interrelazione tra vita e politica, che le strutture statuali ottocentesche avrebbero giudicato semplicemente inconcepibile. In tal modo il volume offre al lettore interessato e allo specialista preziose indicazioni interpretative – declinate in termini di storia delle istituzioni, delle mentalità, storia sociale, ma anche secondo linee di storia della cultura, dell’arte, dell’architettura, intellettuale – che tentano di dare conto di un profilo estremamente complesso e sfaccettato. Si va così da riflessioni molto acute sulla natura filosofico-politica del soggetto moderno, tra autoaffermazione e autonegazione (Pierangelo Schiera), a riletture globalmente stimolanti della forma-Stato in quanto macchina, colta da un punto di vista di elevazione della massa a soggetto politico di fronte alla incipiente crisi della sovranità (Maurizio Ricciardi), all’antitesi tra ideologia e utopia che attraversa le istituzioni storico-artistiche, prese nella crisi di questo modernism e nei conseguenti tentativi estetico-politici di ricostruzione a partire dalla centralità accordata alla macchina, in particolare nelle avanguardie storiche (Monica Cioli). Il volume è in effetti costellato di questi fecondi attraversamenti tra piani diversi del discorso analitico, come la felice sovrapposizione di rappresentazione artistica e rappresentanza politica, che sta proprio ad indicare questa sistematica interpolazione tra estetica e politica che scandisce il moderno del primo XX secolo. Un incrocio che corrisponde problematicamente a quello – che davvero costituisce il „basso continuo“ di praticamente tutti i contributi – del rapporto tra percezione della crisi e tentativi globali di un suo superamento: sia che esso si dia nelle forme spengleriane dell’Untergang, o in quelle sociologiche del rapporto tra ideologia e utopia (nel senso di Mannheim), che in quelle politico-economiche dell’economia di piano, o della riorganizzazione del lavoro taylorista (come nel contributo di Roberta Ferrari), o della metaforica dell’„uomo nuovo“ applicata alle arti e al corpo sociale e politico uscito dalla prima catastrofe bellica (Éric Michaud): linee interpretative, cioè, che deliberatamente intersecano, su un piano per così dire psico-istituzionale (di percezione psicologica delle strutture dominanti del proprio tempo), il fattore-crisi con il fattore-risoluzione (che spesso prende coloriture trascendenti, per non dire redentive), cercando vie d’uscita nell’Ordine, nell’Altro (come nella ricognizione transculturale e postcoloniale avant la lettre di Francescomaria Tedesco), o in quella che Monica Cioli chiama „tecnopolitica“. Proprio a partire da questa „situazione“ storico-spirituale diventa dunque possibile, in conclusione, ripercorrere in maniera molto fruttuosa le modalità storiche che hanno assunto i diversi tentativi di superamento della crisi e le sue implicazioni sul vivere comune e sulla percezione del mondo, i cui effetti ovviamente non possono non prolungarsi sino a noi.

Gabriele Guerra

Stefan Samerski, Deutschland und der Heilige Stuhl. Diplomatische Beziehungen 1920–1945, Münster (Aschendorff) 2019, 270 S., Abb., ISBN 978-3-402-13402-3, € 24,80.

Das Verhältnis des Deutschen Reichs zum Heiligen Stuhl war sowohl von Friktionen als auch von gegenseitiger Zusammenarbeit geprägt. Stefan Samerski untersucht sie zur Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus mit einer kleinen Rückschau in die Zeit des Kaiserreichs und einem Ausblick in die junge Bundesrepublik. Der Autor beginnt mit dem Eklat, den Bismarck hervorrief, als er 1872 Kardinal Hohenlohe-Schillingsfürst ohne das übliche Agrément zum preußischen Gesandten ernennen wollte. Die Ablehnung durch den Heiligen Stuhl führte zur Vakanz während des Kulturkampfes. Erst nach dessen Beendigung ernannte der Reichskanzler einen neuen Gesandten – die bayerische Gesandtschaft war die ganze Zeit besetzt. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, den der preußische und der bayerische Gesandte im Schweizer Exil verbrachten, wurde der preußische, Diego von Bergen, der Ende 1919 nach Rom zurückgekehrt war, 1920 zum Botschafter ernannt. Das Deutsche Reich nach 1918 versprach sich von den Beziehungen zur Kurie eine Vermittlung bei den Alliierten und eine Lockerung der Versailler Friedensbedingungen. Als die diplomatischen Bemühungen – die Kurie war zunächst von der monarchischen Vorstellung von Außenpolitik als Geheimdiplomatie mit einem geräuschlosen Vorgehen geprägt – scheiterten, setzte sie auf karitative Hilfe für das vom Hunger bedrohte Deutschland. Der Heilige Stuhl befürwortete bei der Ruhrbesetzung und bei der Reparationsfrage einen Ausgleich. Damit verließ er z. T. seine sonst bewahrte Neutralitätsoption. Allerdings gab es auch Tiefpunkte, so das Konkordat mit Polen, da damit die Diözesangrenzen an die neuen Landesgrenzen angeglichen wurden, was nicht im deutschen Interesse war. Die Beziehungen wurden von Persönlichkeiten geprägt: In Rom durch den Geistlichen Konsultor Steinmann – die Stelle an der Deutschen Botschaft war neu geschaffen worden – und in Deutschland durch den in München residierenden Nuntius Eugenio Pacelli, der über gute Kontakte zu Erzberger und Kaas verfügte. In vielen Fällen liefen die Verhandlungen eher über den Nuntius in München und ab 1925 in Berlin, als Pacelli für das ganze Reich zuständig wurde. Von Berlin aus verhandelte er für die Kurie in wichtigen europäischen Fragen – Samerski untersucht vornehmlich das Verhältnis zur Sowjetunion. Die Wahl Achille Rattis zum Papst, Pius XI., hatte es verschlechtert, da dieser vorher Nuntius in Polen gewesen war, und die sowjetische Regierung bestrebt war, alle Religionen zu unterdrücken und deren Kirchengüter einzuziehen. In die Verhandlungen war z. T. auch Steinmann einbezogen. Aber die Politik war auf vatikanischer Seite auf Illusionen aufgebaut und zudem chancenlos, als das wichtigste Argument für erträgliche Beziehungen, eine diplomatische Anerkennung des Sowjetreichs durch den Heiligen Stuhl, durch die der anderen Staaten ausgehebelt wurde. Mit dem Weggang Pacellis aus Deutschland und seine Ernennung zum Kardinalstaatssekretär verlagerte sich der Schwerpunkt der Beziehungen nach Rom und Botschafter von Bergen war wieder stärker einbezogen. Dieser wurde aber 1933 bei den Konkordatsverhandlungen ausgeschaltet, da die deutsche Regierung den Zentrumspolitiker und Vizekanzler Franz von Papen nach Rom entsandte, um das in vielen Punkten bereits fast vollständig fertige Projekt – die Anfänge lagen in den 20er Jahren – zu beenden. Die Kurie setzte mit dem Konkordat auf das Recht und erwartete vom nationalsozialistischen Deutschland, es werde sich daran halten, was sich erneut als Illusion erwies. Letztlich reduzierte sich damit immer stärker die Bedeutung des Vertrages. Während Pius XI. noch mit der Enzyklika „Mit brennender Sorge“ eindeutig seine Neuträlitätshaltung aufgab, kehrte Pius XII. wieder zu ihr zurück. Er scheute eine eindeutige Verurteilung des Nationalsozialismus, einerseits weil er in ihr eine Gefährdung für die prekäre Lage der Katholiken in Deutschland, aber auch in den besetzten Gebieten während des Zweiten Weltkriegs sah, andererseits weil Interventionen in konkreten Fällen nur geringe Erfolge für die Menschen brachten. Zudem betrachtete er das Deutsche Reich als Bollwerk gegen den Kommunismus. Nach dem Ende des Kriegs setzte sich der Heilige Stuhl für eine gute Behandlung der Besiegten ein und lehnte vor allem die Kollektivschuldthese der Alliierten ab. Samerski bietet eine lesenswerte Überblicksdarstellung über die Beziehungen des Deutschen Reichs zum Heiligen Stuhl. Es ist allerdings die Frage, ob er dabei nicht zu wenig die bayerische Gesandtschaft berücksichtigt, da einerseits der Gesandte von Ritter gegenüber Botschafter von Bergen den Vorteil hatte katholisch zu sein und so über Kontakte verfügte, die neben den offiziellen die Beziehungen vertiefte, und er anderseits neben reichsdeutschen Interessen auch spezifisch bayerische verfolgte.

Franz-Josef Kos

Alessandro Bellino, Il Vaticano e Hitler. Santa Sede, Chiesa tedesca e nazismo (1922–1939), prefazione di Agostino Giovagnoli, Milano (Guerini e Associati) 2018 (Contemporanea), 346 pp., ISBN 978-88-6250-748-6, € 28.

Il volume di Alessandro Bellino, dottore di ricerca in Storia contemporanea presso l’Università cattolica di Milano, intende gettare nuova luce sulla questione tanto discussa dei rapporti tra Chiesa e nazismo. Limitata al periodo prebellico, l’indagine è basata sulla documentazione vaticana (archivi della Segreteria di Stato, delle Nunziature apostoliche, della Congregazione per la Dottrina della Fede, della Congregazione per l’Educazione cattolica) e su altri fondi romani (Archivio della Compagnia di Gesù, carte Hudal presso il Pontificio Istituto Santa Maria dell’Anima) e tedeschi (Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes). Dopo aver ricostruito, nel primo capitolo, l’evoluzione del dibattito storiografico attorno a questa tematica dal 1945 in poi, l’autore affronta, nei capitoli successivi, le diverse questioni legate ad essa e sull’interpretazione delle quali si è divisa questa stessa storiografia: l’atteggiamento della Chiesa di fronte all’ascesa e alla presa del potere del nazismo, il ruolo delle associazioni cattoliche, della stampa e della scuola confessionale, i processi contro il clero e gli ordini religiosi, la Chiesa e la dottrina nazista, la Chiesa e il nazismo nel panorama internazionale. L’analisi dettagliata e solidamente documentata di alcune vicende poco note (come il caso Vassallo di Torregrossa, dal nome dell’ex nunzio a Monaco accusato di trasferimenti illeciti di denaro dal regime e „rimpatriato“ dalla Santa Sede) o spesso trascurate (come il caso Mundelein, dal nome del cardinale arcivescovo antinazista di Chicago apostrofato da Hitler e difeso dai cardinali della Congregazione per gli Affari ecclesiastici straordinari) è molto apprezzabile. Lungi, però, dal limitarsi alla ricostruzione dei fatti, l’autore cerca, come spetta allo storico di professione, di proporre una sua interpretazione, fortemente debitrice, nel suo caso, verso una certa storiografia tedesca pronta a sottolineare, se non la resistenza (Widerstand), almeno il non adeguamento (Nicht-Anpassung) e la „lealtà limitata“ della Chiesa cattolica nei confronti del regime hitleriano. Per qualificare l’autonomia associativa e organizzativa del cattolicesimo tedesco, egli non esita a coniare il termine di „anazismo“ „che talvolta sconfinò, cautamente, in antinazismo“ (p. 195). Tre acquisizioni cardine della storiografia recente riguardanti l’atteggiamento della Santa Sede vengono messe in discussione: la presunta opposizione, nelle valutazioni vaticani, tra un’ala moderata (conservatrice) e una ala radicale (neopagana) del nazionalsocialismo; la presunta contrapposizione tra la fermezza dottrinale del Sant’Uffizio e la prudenza diplomatica della Segreteria di Stato; la presunta divergenza di vedute tra l’ultimo Pio XI e il suo segretario di Stato, il card. Pacelli, il futuro Pio XII, ritenuto il vero ispiratore della politica vaticana nei confronti della Germania. Il ruolo del controverso nunzio a Berlino, Cesare Orsenigo, i cui rapporti sono giudicati „piuttosto confusi e contradittori“ (p. 129), esce, al contrario, fortemente „ridimensionato“ dal volume. „C’è insomma un crescendo dell’opposizione vaticana al nazismo, parallela agli sviluppi sempre più tragici del regime hitleriano, di cui Pacelli è stato certamente uno degli artefici“, riassume Agostino Giovagnoli nella sua prefazione. Questa sana e benvenuta impresa di revisione interpretativa potrà tuttavia apparire talvolta un po’ forzata (in particolare sulla questione dell’antisemitismo relativamente poco trattata) e non sempre scevra di preoccupazioni di tipo apologetico.

Philippe Chenaux

Luigi Sturzo, Über italienischen Faschismus und Totalitarismus, hg. und eingeleitet von Uwe Backes und Günther Heydemann, unter Mitarbeit von Giovanni de Ghantuz Cubbe und Annett Zingler, Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 2018 (Wege der Totalitarismusforschung), 291 S., ISBN 978-3-525-31050-2, € 60.

In dieser Anthologie werden erstmals die verstreuten Schriften des Autors zum Totalitarismus in einem Bd. in deutscher Sprache gebündelt. Obwohl sich Sturzo (1871–1959) mit seiner katholischen und zugleich liberal-demokratischen Fundierung schon sehr früh als Exponent des italienischen Antifaschismus profiliert hatte, wurden seine Beiträge zum Totalitarismuskonzept nicht in dem Umfang rezipiert, wie dies bei anderen zeitgenössischen Autoren der Fall war. So war lange Zeit die Meinung vorherrschend, der liberale Journalist und Politiker Giovanni Amendola habe in einem Aufsatz vom Mai 1923 erstmals das Adjektiv „totalitär“ verwendet. Die Hg. konnten hingegen in Erinnerung rufen, dass Sturzo dies schon im Dezember 1922 getan hatte. Der Autor schrieb damals von einem „totalitäre[n] Konzept des Staates“ (S. 57), das er freilich noch nicht in einen direkten Bezug zum Faschismus gesetzt hatte. Es ging ihm um die Kritik an „einer Überbewertung des Staates“ (ebd.), die die Form „der Verehrung einer neuen Gottheit“ (ebd.) angenommen habe. Damit kritisierte Sturzo den philosophischen Rationalismus, was der Tradition der antimodernistischen katholischen Staatskritik entsprach. Zu Beginn ihrer Anthologie rekonstruieren die Hg. den Lebensweg dieses standhaften und tiefgläubigen sizilianischen Priesters, der in Rom an der päpstlichen Universität Gregoriana zum Doktor der Theologie promovierte und soziale Fragen in den Mittelpunkt seines politischen Engagements stellte. 1919, nachdem der Widerstand des Papstes gegen die Gründung einer katholischen Partei in Italien geschwunden war, rief Sturzo den Partito Popolare Italiano (PPI) ins Leben. Schon vor dem Ersten Weltkrieg war Sturzos sozialpolitisches Engagement bei der Mehrheit des Klerus auf Ablehnung gestoßen; nun durchkreuzte er mit seiner Fundamentalopposition gegen den Faschismus die Pläne Pius’ XI., mit Mussolini ein Konkordat abzuschließen. So war auch dem Papst daran gelegen, dass der nach dem faschistischen Attentat auf den sozialistischen Abgeordneten Giacomo Matteotti seines Lebens nicht mehr sichere Sturzo am 25. Oktober 1924 – ausgestattet mit einem Pass des Vatikanstaates – ins Exil nach London und später in die USA ging, bis er im August 1946 wieder nach Italien zurückkehrte. Die in der Anthologie versammelten Schriften verdeutlichen, dass Sturzo „schon während des Aufkommens des Faschismus und dann im Exil einer der ersten und tiefgründigsten Analytiker der faschistischen Bewegung und ihrer totalitären Zielsetzungen und Praktiken“ (S. 7) geworden ist. Dabei hat er sowohl Thesen zum italienischen Faschismus als auch zu dem sich entfaltenden Ansatz der Totalitarismusforschung entwickelt, die Faschismus und Bolschewismus respektive Kommunismus, sowie später auch den Nationalsozialismus unter den gemeinsamen Oberbegriff des Totalitarismus gefasst hat. In dem Text „Der Faschismus an der Macht: Der Marsch auf Rom“ (1926) charakterisierte Sturzo Mussolini als „Improvisator“, der – gewissermaßen im Sinne Machiavellis – ohne die Skrupel jener handle, „die von einer Idee überzeugt sind und Angst haben, ihr untreu zu werden“ (S. 232). Demnach wären nicht politische Ideologien, sondern Machtstrukturen der harte Kern des Faschismus. Die ungebrochene Akzeptanz dieser Auffassung wird z. B. deutlich, wenn Wolfgang Schieder heute die These von der persönlichen Diktatur Mussolinis und der ihr „nachgelagerten Ideologie“ vertritt. In seiner Schrift „Der totalitäre Staat“ (1938) hob Sturzo vier Merkmale hervor, die für die „drei große[n] totalitäre[n] Staaten“ (S. 273) charakteristisch seien und sie von herkömmlichen Nationalstaaten unterscheiden: 1) eine extrem zentralisierte Verwaltung einschließlich einer politischen Polizei, die alle Gegner zu vernichten trachte, seien es die Oppositionsparteien (Italien) oder darüber hinaus die adligen und bürgerlichen Klassen (Russland) bzw. die jüdische Rasse (Deutschland); 2) eine Militarisierung der Gesellschaft; 3) ein staatliches Bildungsmonopol, das die Tendenz habe, eine politische Religion zu produzieren: „Lenin verfügt heute über ein beeindruckendes Mausoleum, für die Russen ist er ein weltlicher Mohammed geworden. Mussolini und Hitler … werden als Heilige angesehen, und ihre Worte werden wie die Worte von Propheten betrachtet“ (S. 277); 4) eine staatlich gelenkte Wirtschaft, die in Italien experimentelle, ein gewisses Gleichgewicht der Klassen erhaltende Formen angenommen habe; Russland habe eine kommunistische und Deutschland eine staatssozialistische Variante entwickelt, wobei der nationalsozialistische Staat „das private Kapital zu seinem eigenen Nutzen“ (S. 278) knechte. Insgesamt haben die Hg. 21 Texte Sturzos publiziert, die nicht zuletzt einen instruktiven Einblick in die Entstehungszeit des Totalitarismuskonzepts geben.

Michael Thöndl

Bernard Ardura (a cura di), I Patti Lateranensi. In occasione del XC anniversario (1929–2019), Città del Vaticano (Libreria Editrice Vaticana) 2019 (Pontificato Comitato di Scienze Storiche), 111 S., ISBN 978-88-266-0309-4, € 15.

Das Bändchen vereinigt die Beiträge einer vom Päpstlichen Komitee für Geschichtswissenschaft 2019 veranstalteten Tavola rotonda anlässlich des 90. Jahrestages der Unterzeichnung der Lateranverträge. Die Referate würdigen die am 11. Februar 1929 zwischen dem Heiligen Stuhl und dem italienischen Staat abgeschlossenen Vereinbarungen (v. a. Staatsvertrag und Konkordat), mit denen die seit 1870 schwelende „römische Frage“ beendet wurde, in ihrer historischen, völkerrechtlichen und rechtsgeschichtlichen Bedeutung und spüren auch den historischen Entwicklungs- und Rezeptionslinien nach, für die insbesondere die Übernahme der Lateranverträge in Art. 7 der italienischen Verfassung von 1948 und die Revision des Konkordats von 1984 („Trattato di Villa Madama“) stehen. Dabei kommt, dem Anlass gemäß, durchweg die Hochschätzung dieser vertraglichen Meilensteine zum Ausdruck, die das Verhältnis der römisch-katholischen Kirche in ihrer territorialen Position auf der italienischen Halbinsel, im und zum Staat Italien, nach den unversöhnlich scheinenden Auseinandersetzungen des 19. Jh. zukunftsweisend regelten. Aus wissenschaftlicher Perspektive bringen die Beiträge wenig Neues, abgesehen vielleicht von der kleinen Studie von Vincenzo Buonomo über das Verhältnis des Heiligen Stuhls zum Völkerbund in den Jahren vor und nach dem Abschluss der Lateranverträge (S. 41–78). Anhand einiger Fallbeispiele wird hier, unter Benutzung von Dokumenten aus dem Archiv des Völkerbunds, gezeigt, wie es der Heilige Stuhl schon vor den Lateranverträgen (also in der Zeit der offenen „römischen Frage“ und des durch den Verlust des Kirchenstaates undefinierten völkerrechtlichen Status) verstand, sich als diplomatischer Akteur zum Völkerbund in Beziehung zu setzen und die durch diese neuartige internationale politische Organisationsform eröffneten Chancen des „Multilateralismus“ zu nützen. Roberto Regoli stellt sich die Frage, warum es seit der Öffnung der Akten zum Pontifikat Pius’ XI. so zahlreiche Forschungen zu den unterschiedlichsten Aspekten dieser Phase, kaum jedoch zu den Lateranverträgen gegeben habe, und erläutert in einem Plädoyer für Staatsvertrags- und Konkordatsforschung, warum sich dies ändern sollte. Matteo Nacci steuert Überlegungen zur „Rechtskultur“ der Lateranverträge bei, die er aus einer Betrachtung der „prä-konziliatorischen“ Phase entwickelt, und Giuseppe Dalla Torre zeichnet den Weg von den Lateranverträgen über die Verfassungsgebung von 1947/1948 bis zum „Villa-Madama“-Vertrag von 1984 nach. Diese Referate sind gerahmt von einer kurzen Einführung des Komitee-Präsidenten Bernard Ardura und einem Schlusswort von Kardinal Giovanni Battista Re. Der die Thematik etwas von außerhalb des päpstlichen Komitees für Geschichtswissenschaft betrachtende Historiker vermisst eine eingehendere Auseinandersetzung mit der Faschismus-Gretchenfrage. Zwar zitiert Ardura einige scharfsinnige Bemerkungen des 1929 noch eher nachgeordneten späteren Kardinalstaatssekretärs Domenico Tardini dazu. Insgesamt aber bleibt der Mann auf der anderen Seite des Tisches, Benito Mussolini, in dem Bändchen etwas unterbelichtet. Die mit seiner Person verbundene Problematik wird definitorisch geregelt: zu beachten sei, dass die Lateranverträge mit einem „Staat“ abgeschlossen wurden, nicht jedoch mit einem „bestimmten politischen Regime“. Die „Kontinuität des Staates gegenüber den wechselnden politischen Regimen“, sei der Aspekt, auf den es ankomme (S. 14).

Thomas Brechenmacher

Domenico Tardini, Diario di un cardinale (1936–1944). La Chiesa negli anni delle ideologie nazifascista e comunista, a cura di Sergio Pagano, Cinisello Balsamo (Edizioni San Paolo) 2020, XLI, 244 S., Abb., ISBN 978-88-922-2158-1, € 20.

2020 veröffentlichte Sergio Pagano erhaltene Teile des privaten Tagebuchs von Domenico Tardini (1888–1961), der über Jahrzehnte den Päpsten Pius XI. und Pius XII. diente, 1953 Pro-Staatssekretär für Außerordentliche Kirchliche Angelegenheiten und 1958 schließlich Kardinalstaatssekretär wurde. Die veröffentlichten Teile umfassen nur die Jahre 1935 bis 1944 und fallen damit in die Zeit, bevor Tardini den Höhepunkt seines Einflusses erreichte. Vielleicht bieten die Aufzeichnungen aber auch gerade deshalb eine relativ unverstellte Perspektive auf innerkirchliche Angelegenheiten und ermöglichen der Leserin bzw. dem Leser so einen Blick hinter die Kulissen der Pontifikate von Pius XI. und Pius XII. inmitten des weltgeschichtlichen Geschehens. Die nun vorgelegte Edition wurde auf höchstem wissenschaftlichen Standard aufgearbeitet: Eine Fülle von Fußnoten und Hintergrundinformationen ermöglichen den Leserinnen und Lesern die oft schwierige Einordnung der einzelnen Einträge Tardinis. Insgesamt gewinnt man über Tardini den Eindruck eines sehr gewissenhaften und bescheidenen Mannes, der in den großen politischen Herausforderungen seiner Zeit jedoch nicht immer den nötigen Weitblick besaß. Im Vordergrund des gegenwärtigen historiographischen Diskurses steht natürlich die Frage nach der Beziehung der Kirche zur faschistischen und nationalsozialistischen Politik in Italien und Deutschland. Einerseits zeigte sich hier Tardini, der Hitler einmal als „motorisierten Attila“ bezeichnete, als eindeutiger Gegner der Diktaturen in Europa. Andererseits aber muss auffallen, wie sehr die politischen Interessen des Vatikans den Blick auf die Lage in Europa verengten. So findet sich zum Beispiel auch bei Tardini der katholisch-konservative Tenor, Nationalsozialismus und Kommunismus in ihrer Gefährlichkeit gleichzusetzen: „Sotto l’aspetto ideologico sono ugualmente falsi e perniciosi il comunismo e il nazismo. Tutt’e due materialisti, tutt’e due antireligiosi, tutt’e due distruttori dei più elementari diritti della persona umana, tutt’e due avversari implacabili della S. Sede … Mi sono domandato sovente quale dei due tra comunismo e nazismo è peggiore per la Chiesa, e non trovo altra risposta: tutti e due!“ Das Tagebuch Tardinis ist vor allem für ein besseres Verständnis der vatikanischen Politik in den 1930er Jahren relevant. Es enthält u. a. Anmerkungen über die Entstehung und die geheime Verbreitung der Enzyklika „Mit brennender Sorge“, aber auch Bemerkungen zu den Verhandlungen mit dem Regime Mussolinis. Insbesondere bei dem geplanten Verbot von Ehen zwischen „Ariern“ und „Nicht-Ariern“ in Italien erhielt sich die Kirche einen klar oppositionellen Standpunkt. Dennoch fällt gerade bei diesem Thema auf, wie sehr Tardini und andere kirchliche Entscheidungsträger den politischen Konflikt auf die Definition von Christentum reduzierten und dabei weit größere Trends des europäischen Antisemitimus ignorierten. Nicht zuletzt irritiert aus heutiger Sicht dabei auch die Selbstverständlichkeit, mit der Tardini Begriffe wie „Arier“, „Nicht-Arier“ oder „ebrei battezzati“ auch im privaten Rahmen gebrauchte. Insgesamt erfährt man leider nur relativ wenig darüber, wie die katholische Kirche auf den Rassismus und den Antisemitismus in Italien und Deutschland konkret reagierte. Tatsächlich findet sich für die Zeit zwischen Mai 1940 und Juni 1944 kein einziger Eintrag in dieser Tagebuchedition. Dadurch erfährt der Leser also nichts über den Beginn des Holocausts, die deutsche Besatzung Italiens oder die Deportation der römischen Juden. Während Historiker, die von dieser Edition neue und unerwartete Einblicke über die Rolle des Vatikans im Zweiten Weltkrieg erwarten, vielleicht eher enttäuscht werden könnten, bleiben Tardinis Aufzeichnungen doch eine wichtige Quelle für die Erforschung der Vorkriegszeit. „Im Herz der vatikanischen Diplomatie“ konnte Tardini einige Beobachtungen der Nachwelt erhalten, die vor allem die letzten Jahre und Monate der Amtszeit Piusʼ XI. in einem neuen Licht erscheinen lassen. Einerseits wird die vielleicht oftmals unterschätzte Abneigung Papst Piusʼ XI. gegenüber Mussolini deutlich („un pilatone e un villanzone“). Andererseits erscheint Pius XI. hier auch als humorvoller Privatmann, dessen geistige Leistungsfähigkeit ihn jedoch ausgerechnet in einer weltpolitischen Entscheidungszeit zu verlassen drohte. Tardini, der seinen Papst tief bewunderte und so gut es ging unterstützte, schildert hier etwa Anekdoten, wonach Pius XI. diplomatische Noten mit Artikeln des „Osservatore Romano“ verwechselte, und zeichnet so oft auch ein sehr privates Bild eines immer schwächer werdenden Papstes. Letztlich sind es somit weniger die politischen Enthüllungen, die dieses Tagebuch in sich birgt, sondern eher die tief menschlichen Darstellungen des vatikanischen Alltags, welche diesem Dokument seine Bedeutung verleihen. Wie nun die Person Tardinis vor dem Hintergrund der weit größeren Weltpolitik zu beurteilen ist, wird erst der Abgleich mit anderen und v. a. den neu zugänglichen Quellen aus den Vatikanischen Archiven zeigen können.

Simon Unger-Alvi

David Bidussa, La misura del potere. Pio XII e i totalitarismi tra il 1932 e il 1948, Milano (Solferino) 2020 (Saggi), 265 S., ISBN 978-88-282-0425-1, € 17.

Giuliana Chamedes, A Twentieth-century Crusade. The Vatican’s Battle to Remake Christian Europe, Cambridge, MA-London (Harvard University Press) 2019, 432 S., ISBN 978-0-674-98342-7, € 36.

Die Öffnung der vatikanischen Archivbestände zum Pontifikat Pius’ XII. Anfang März 2020 war von einer ungewöhnlichen internationalen Medienresonanz begleitet. Das Interesse der Öffentlichkeit kam auch durch die vorübergehende Archivschließung infolge der Corona-Pandemie nur wenige Tage später nicht zum Erliegen. Bis heute steht es im Bann der nunmehr über sechs Jahrzehnte währenden heftigen Debatten um die Rolle des Pacelli-Papstes im Zweiten Weltkrieg, insbesondere mit Blick auf die Shoah. Diese polarisieren auch die historische Forschung zwischen den Extremen der Denunziation von „Hitler’s Pope“ und der Glorifizierung als „Defensor civitatis“. Entsprechend richten sich immer wieder sensationalistisch aufgebauschte Erwartungen im Hinblick auf die neu zugänglichen Quellen auf spektakuläre Funde zur Bestätigung der einen wie der anderen Position. Angesichts der Bedeutung des Pontifikats Pius’ XII., das die Scharnierjahre des „Zeitalters der Extreme“ von 1939 bis 1958 umspannt, eröffnen die Quellenbestände des Vatikan in der Tat weit reichende Möglichkeiten für die Geschichtsschreibung. Es führt allerdings kaum weiter, sie vorrangig zur Munitionierung festgefahrener Auseinandersetzungen einzusetzen. Vielmehr tut es not, deren Grundannahmen, Fragestellungen und Kontexte zu überdenken und gegebenenfalls neu zu perspektivieren. Beide hier besprochenen Bde. geben dafür auf unterschiedliche Weise wichtige Impulse. Giuliana Chamedes’ Studie kann schon jetzt als Referenzwerk für die internationale Forschung gelten. Das Buch, das aus einer Dissertation an der Columbia University hervorgegangen ist, übertrifft die Standards eines first book in erheblichem Maß: im zugrundeliegenden vielsprachigen Quellen- und Literaturkorpus, in seinem West-, Süd- und Osteuropa sowie die USA umfassenden geographischen Horizont, in seiner konzeptionellen Klarheit, Thesenstärke sowie seiner argumentativen und stilistischen Prägnanz. Chamedes plädiert dafür, den Papst respektive den Vatikan als internationalen politischen Akteur ins Zentrum der Geschichte des 20. Jh. zu rücken und schlägt dazu eine herkömmliche Zäsuren überschreitende Periodisierung vor, die sich vom Ersten Weltkrieg über ein knappes halbes Jh. bis in die frühen 1960er Jahre erstreckt. Auch wenn ihre Geschichte im Wesentlichen von drei Pontifikaten, von Benedikt XV., Pius XI. und Pius XII., handelt, ist ihr Protagonist zweifelsohne Eugenio Pacelli, der in der Eingangspassage bei seinem Eintreffen als neu ernannter Nuntius in München im Mai 1917 auftritt und dessen (kirchen-)politisches Großprojekt in den „stormswept 1950s“ (S. 286) zunehmend brüchiger wird, wie die Autorin in den letzten Kapiteln zeigt. Als Ursprung dieses Projekts erscheint der Erste Weltkrieg. Im Zuge der „Urkatastrophe“ kristallisiert sich aus überkommenen Einstellungen und Handlungsrepertoires der Papstkirche – antimodernen Frontstellungen gegen Liberalismus, Sozialismus und Kapitalismus, in die auch antijüdische Ressentiments einfließen, einem Universalismus, der auf dem Prinzip des konfessionellen Staates fußt, der Suche nach Souveränität als moralische Autorität super partes nach dem Verlust des Kirchenstaates und dem Arrangement mit der lange Zeit abgelehnten Macht des Nationalstaats – eine neue Form eines katholischen Internationalismus heraus. Ziel der päpstlichen Agenda ist die Rückgewinnung und Verteidigung eines christlich-katholischen Europas unter dem geistlichen Führungsanspruch des Papstes, politisches Mittel dieses „Kreuzzuges“ eine in der Zwischenkriegszeit intensiv betriebene Konkordatspolitik, mobilisierende Kraft ein seit den frühen 1930er Jahren verschärfter Antikommunismus, in dem die Sowjetunion für Gottlosigkeit, das absolut Böse steht. Die „Catholic International“ der Zwischenkriegszeit habe sich zum größten und ehrgeizigsten Experiment „in cross-border anticommunist mobilization prior to the Cold War“ (S. 5) entwickelt. Als Bündnispartner habe eine neue Generation rechter ethnonationalistischer Bewegungen und Regime gedient, als Instrumente konfessionelle zivilgesellschaftliche Formationen wie die Katholische Aktion, moderne Massenmedien wie der Rundfunk und Einrichtungen wie ein 1934 ins Leben gerufenes römisches Atheismus-Sekretariat. Auch nach dem Ende des Zeiten Weltkriegs, so Chamedes, hätte sich die internationale Agenda Pius’ XII. nicht grundsätzlich geändert, obgleich sich der Vatikan in Reaktion auf die Zeichen der Zeit mit einer neuen „Sprache“ und neuen Verbündeten in den sich anbahnenden Kalten Krieg begab. Dies implizierte eine zunächst noch fragile Allianz mit den USA, die durch Schübe eines katholischen Antiamerikanismus beeinträchtigt wurde, die Kooperation mit den neuen christdemokratischen Parteien und damit ein verstärktes Einlassen auf demokratische Systeme, die Anerkennung internationaler Organisationen, insbesondere der Vereinten Nationen, sowie den Einsatz für eine christlich definierte Menschenrechtsagenda, wobei eine Antwort auf die Erfahrungen von Genozid und Vernichtungskrieg der vierziger Jahre ausblieb. Das in der Zwischenkriegszeit angeschobene „Kreuzzugs“-Projekt wurde in den letzten Jahren des Pius-Pontifikats immer mehr in Frage gestellt, gerade auch durch ein alternatives Verständnis eines „katholischen Internationalismus“, das auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil in den Vordergrund trat. Chamedes arrangiert ihr umfangreiches Material souverän im Sinne ihrer stark pointierten Thesen. Sie arbeitet dabei mit kräftigen rhetorischen Markern wie „legal revolution“ (S. 26) und „concordat revolution“ (S. 32) zur Kennzeichnung der von Kardinalstaatssekretär Pietro Gasparri und Eugenio Pacelli betriebenen Konkordatspolitik, der „revolutionären“ Wende Benedikts XV. zur Befürwortung des Prinzips der nationalen Selbstbestimmung (S. 41), der „Catholic Action revolution“ (S. 112), d. h. die unter Pius XI. verstärkt betriebene Massenmobilisierung der Laien unter klerikaler Lenkung, oder der „monumental shift“ (S. 192) der Annäherung zwischen Vatikan und den USA im Zeichen des Antikommunismus seit den späten 1930er Jahren. Solche Zuspitzungen in Verbindung mit dem scharf konturierten argumentativen Rahmen bieten Anstoß für weitergehende Forschungen, zumal auf der Grundlage der Chamedes noch nicht zugänglichen vatikanischen Quellen des Pontifikats Pius’ XII. Sie provozieren jedoch auch Nachfragen. Für ihre Grundannahme, das Papsttum als „extremely important player“ (S. 7) im 20. Jh. zu betrachten, kann sie „Zeitzeugen“ wie den CIA zitieren, der den Vatikan zusammen mit der Kommunistischen Internationale 1949 als „the two most powerful organizations for moving men to act on behalf of doctrine“ (S. 278) bezeichnete. Solche Wertungen evozieren das Bild einer übermächtigen römischen Zentralgewalt, die, bar jeglicher machtstaatlicher Ressourcen, dank ihrer geistigen Macht ein über den Globus verteiltes Kirchenvolk mit straffem Zügel lenkt – eine von den Pius-Päpsten propagierte und nicht zuletzt auch gerne von Kirchengegnern verbreitete Vorstellung. Dabei geraten Fragen nach Implikationen struktureller Schwächen des Papsttums oder nach den pluralen Dynamiken und Realitäten des Katholizismus aus dem Blick. Bei Chamedes werden innerkirchliche Spannungen tendenziell auf den Gegensatz zwischen Rom und kleinen Gruppen von katholischen Dissidenten reduziert, während Massenorganisationen katholischer Laien wie der Volksverein für das katholische Deutschland oder die Katholische Aktion als willfährige Vollstrecker des vom Vatikan propagierten antikatholischen Kreuzzugs erscheinen. Eine diplomatiegeschichtliche Studie, die weniger an Praktiken als vielmehr an Diskursen und Ideen ansetzt, eröffnet besondere Perspektiven zur Untersuchung der Deutungs- und Kulturkämpfe des 20. Jh. jenseits längst in Frage gestellter einschichtigen Säkularisierungsparadigmen, zu Überlagerungen, wechselseitiger Durchdringung und Kontaminationen religiöser und weltlicher Semantiken. Das betrifft nicht nur die durch die sakrale Aufladung beförderte Radikalisierung und Verabsolutierung politischer Konflikte, sondern auch die Folgen für die Akteure selbst, nicht zuletzt für eine religiöse Großorganisation wie die Katholische Kirche, die das Motto Pius’ X. „instaurare omnia in Christo“ im Zeitalter der Totalitarismen offensiv in den außerkirchlichen Bereich wendet. An diesem Punkt setzt ebenfalls der Essay von David Bidussa an, der sich auch als explizierter Beitrag zur Öffnung der vatikanischen Bestände des Pacelli-Pontifikats versteht. Er präsentiert erste ausgewählte Quellenfunde, verbindet die Quellenarbeit jedoch überdies mit der Erörterung von Grundfragen, die von der „klassischen“ Debatte um das Verhältnis von Katholischer Kirche, Nationalsozialismus und Juden im Zweiten Weltkrieg ausgehen, diese jedoch durch die Erweiterung des zeitlichen Horizonts von der Zwischenkriegszeit bis in die frühen Jahre des Kalten Kriegs ausweitet und auf die Problematik der Beziehungen zwischen Kirche und Macht im Zeitalter der Totalitarismen fokussiert. Bidussa wählt politische Wendepunkte und Schlüsselszenarien aus, die er auf das Verhalten des Papstes gegenüber Faschismus, Nationalsozialismus und Kommunismus hin mittels des close reading eines Mosaiks von Quellenstücken interpretiert. Es gehe nicht nur um Theologie und Glauben, sondern darum, wie sich die Kirche zu den großen kulturellen Themen der internationalen Politik positioniert und ihre Zugehörigkeiten und Identität definiert habe (S. 18) – mit diesem Statement ließe sich auch der Ansatz von Giuliana Chamedes beschreiben. Allerdings kommen in Bidussas Analyse Einstellungen und Verhalten der Kurie gegenüber dem Judentum und der päpstlichen Palästinapolitik besondere Bedeutung zu, während Chamedes hier in erster Linie auf die Verbindung von Antijudaismus und Antikommunismus in dem auch in der Kurie zirkulierenden jüdisch-bolschewistischen Verschwörungssyndrom abhebt. Beide betonen nicht nur das Schweigen des Vatikans zu Shoah und Judenverfolgung nach Kriegsende, sondern auch das Fortwirken antisemitischer Ressentiments bis in die Spitzen der Hierarchie. Bidussa verweist zu Beginn seiner Studie darauf, dass sich eine Institution nicht allein aus ihrem Eigenbild und Anspruch, sondern insbesondere aus ihrem Verhalten in Krisen- und Ausnahmesituationen heraus verstehen lasse. Für die Selbstbeschreibung der politischen Verhaltensstandards von Pius XII. zitiert er eine Rede Giovanni Battista Montinis von 1956, in der der damalige Mailänder Erzbischof die aus der päpstlichen „sovranità su tutta la Chiesa“ abgeleitete „affermazione di quei principi, da cui l’ordine internazionale deve dipendere“ bei gleichzeitigem Verzicht auf politische Präferenzen und auf die Vorgabe politischer Lösungen als Leitlinie definierte (S. 21). In seinen Schlussbemerkungen hält Bidussa als kritischen Punkt päpstlicher Diplomatie im untersuchten Zeitraum fest, wie die Rolle super partes eingebracht und wie diese Rolle mit den Herausforderungen der Zeit abgestimmt werden konnte, ein Dilemma, das sich, so der Autor, letztlich in der Frage zusammenfassen lasse „come prendere – e se prendere pubblicamente – la parola“ (S. 182). Beide hier vorgestellten Studien zeigen Wege, wie überkommene Debatten um Pius XII. konzeptionell reflektiert und fokussiert werden können. Beide plädieren für eine Erweiterung des zeitlichen Horizonts auf die Jahre vor und nach dem Zweiten Weltkrieg. Insbesondere Giuliana Chamedes macht dabei deutlich, dass die Öffnung der vatikanischen Bestände großes Forschungspotential für die Jahre ab 1945, die bislang kaum in den Blick genommenen letzten zwei Drittel des Pontifikats, verspricht, und nunmehr Papst und Katholische Kirche auf einer neuen empirischen Basis in zentrale Debatten der Nachkriegszeit, von der Geschichte des Kalten Kriegs bis zur Geschichte der Dekolonisierung, eingebracht werden können.

Martin Baumeister

Christian Fuhrmeister, Die Abteilung „Kunstschutz“ in Italien. Kunstgeschichte. Politik und Propaganda 1936–1963, Wien-Köln-Weimar (Böhlau) 2019 (Brüche und Kontinuitäten 1), 413 pp., ill., ISBN 978-3-412-22404-2, € 55.

In questo volume, versione riveduta e aggiornata della sua Habilitationsschrift, Christian Fuhrmeister ricostruisce le attività della divisione Kunstschutz delle forze armate tedesche di stanza in Italia dal patto di amicizia del 1936 fino al 1963, anno in cui si conclusero le procedure di restituzione del Central Collecting Point di Monaco. Il fine esplicito è quello di superare quel „Zäsurdenken“ che a detta dell’autore contraddistingue ancora gran parte della storiografia italo-tedesca, nonché di far luce sui legami tra l’era fascista e nazista e le „politiche del passato“ intraprese dall’Italia repubblicana e dalla Germania Federale nel secondo dopoguerra. Attraverso la dettagliata analisi di una ricca base documentale, il libro si fonda su due intenti programmatici principali: sfatare la nomea ancora alquanta diffusa del Kunstschutz come mero complice delle razzie naziste del periodo 1943–1945 e allo stesso tempo rivalutare il peso della propaganda sia nel reclutamento che nell’operato dei suoi addetti. Dal punto di vista metodologico, l’autore si ripropone di superare quella che a suo avviso è una delle più diffuse impasses della disciplina storico-artistica, ossia la preponderanza di studi incentrati sulle pubblicazioni, a favore della ricostruzione dei „Praxisfelder“, le pratiche messe in atto dagli storici dell’arte, particolarmente rilevanti in un contesto altamente politicizzato come il periodo sotto esame. Prendendo spunto dai lavori pregressi di Lutz Klinkhammer, Fuhrmeister contestualizza le vicissitudini della divisione italiana prima nel più ampio quadro delle politiche culturali perseguite dal Reich in Italia e poi nel raggio di azione europeo del Kunstschutz. Oltre ai molteplici accenni alla divisione francese, le cui operazioni sono già stato oggetto di studi approfonditi, di grande interesse risultano anche i brevi riferimenti alle esperienze in Serbia e Grecia. Qui emerge un altro dei punti di forza del volume, l’integrazione di una notevole quantità di materiale documentario raccolto in una cinquantina di archivi tra Germania, Italia, Austria, Francia, Stati Uniti, Inghilterra, Svizzera e Ucraina, che oltre a costituire un importante corpus di fonti per future ricerche attesta l’imprescindibilità di un approccio transnazionale nell’affrontare temi quali la protezione del patrimonio culturale o le restituzioni postbelliche. Il risultato è una minuziosa ricostruzione delle attività degli studiosi che prestarono servizio in Italia, spesso liquidati in blocco come puri e semplici favoreggiatori delle spoliazioni, che a tratti prende le forme di una biografia collettiva, al centro della quale si pone la questione del rapporto tra scienza e politica. Nel descrivere con dovizia di particolari gli interventi di salvaguardia del patrimonio monumentale e artistico, Fuhrmeister insiste infatti sulla componente spiccatamente politica del loro operato. Contrariamente a precedenti studi, che avevano sottolineato come il servizio prestato all’interno del Kunstschutz potesse in alcuni casi rappresentare una „nicchia“ al riparo dal fronte o perfino un’alternativa conservatrice all’ideologia nazionalsocialista, Fuhrmeister pone l’accento su quella che a suo avviso fu una differenza prima di tutto generazionale nell’assorbire e farsi promotori dei dettami propagandistici del regime nazista in teatri di guerra come l’Italia. Nonostante le varie posizioni in realtà non si autoescludano, l’autore è convincente nell’evidenziare la „dimensione fondamentalmente politica e propagandistica“ del Kunstschutz, fattosi carico della difesa del patrimonio culturale dell’Abendland, i cui stilemi e slogan furono poi ripresi e capovolti dalla propaganda alleata. Un approfondimento della funzione delle istituzioni fasciste e della Repubblica Sociale Italiana, con particolare riguardo alla questione solo accennata del presunto assoggettamento di quest’ultima, avrebbe potuto fornire ulteriori spunti riguardo alle espropriazioni di opere d’arte, intraprese già dal regime fascista a partire dall’inverno del ‘38 e intensificatesi in totale autonomia da fine ’43. Ci sono inoltre ancora gli spazi per affilare l’analisi del lascito del Kunstschutz nel processo della „materielle Vergangenheitsbewältigung“, la cui centralità viene rilevata in maniera persuasiva dall’autore ma che avrebbe beneficiato di un più attento esame, soprattutto visto che il tema dell’elaborazione del passato in Italia e Germania costituiva uno degli snodi cardine del volume. Se infatti le quantomeno parziali „politiche del passato“ giocarono un ruolo di spicco nel decretare la damnatio memoriae del Kunstschutz, è anche necessario sottolineare come l’Italia post-fascista fece delle razzie, reali o presunte, un vero e proprio cavallo di battaglia nella ricostruzione dell’identità repubblicana a scapito dei „cattivi tedeschi“. Solo così sarà possibile mettere più propriamente in risalto la portata delle Vergangenheitspolitiken italiana e tedesca nella storia del Kunstschutz. In conclusione, il volume rappresenta un notevole contributo alla storia del connubio tra arte e politica a cavallo tra fascismo e ricostruzione postbellica che speriamo possa avere ampia diffusione in Italia.

Bianca Gaudenzi

Annalisa Capristo/Giorgio Fabre, Il registro. La cacciata degli ebrei dallo Stato italiano nei protocolli della Corte dei Conti 1938–1943, prefazione di Michele Sarfatti, saggio di Adriano Prosperi, Bologna (Il Mulino) 2018 (Critica storica 3), 339 pp., ISBN 978-88-15-27982-8, € 26.

Questo documentato studio di Annalisa Capristo e Giorgio Fabre dimostra che non tutto è stato detto sull’applicazione delle leggi razziali fasciste. Nonostante il moltiplicarsi delle ricerche nell’ultimo trentennio, ci sono ancora aspetti non marginali da approfondire e financo fonti documentarie da scoprire e valorizzare. Capristo e Fabre offrono al lettore dati preziosi sul funzionamento della macchina persecutoria fascista presentando per la prima volta i registri della Corte dei Conti relativi alla „cessazione“ e alla „liquidazione“ dei dipendenti in „pianta stabile“ dello Stato e altri soggetti assimilati, dipendenti di enti parastatali e di amministrazioni locali, che erano stati qualificati come appartenenti alla „razza ebraica“. Sapevamo, naturalmente, che la normativa antisemita aveva portato all’espulsione dei soggetti classificati come „di razza ebraica“ da tutto il pubblico impiego, non sapevamo però di preciso chi e quanti fossero, né esattamente quali ruoli ricoprissero. Parziale era altresì la nostra comprensione dei meccanismi amministrativi seguiti dall’apparato pubblico per espellerli: potevamo solo immaginare i soprusi e le forzature giuridiche che dovettero subire. Questo volume apre in questo senso degli squarci su una complessa realtà in larga misura inesplorata. Il volume offre una utile e dettagliata riproduzione dei suddetti registri, fonte preziosa che potrà tornare utile per gli studiosi in futuro, per esempio per ricostruire singole vicende biografiche. Non si tratta però di un mero elenco, che pure sarebbe stato prezioso; una ricca e dettagliata introduzione spiega il valore della fonte ed illustra le basi normative nonché l’effettivo funzionamento della macchina persecutoria. Sebbene, come giustamente osservano, il quadro non sia ancora completo – qualcuno manca ancora all’appello anche perché vari funzionari se ne andarono prima di essere cacciati – i dati raccolti propongono elementi di novità sia per quanto riguarda i numeri assoluti (sono censitivi oltre 720 casi) e la distribuzione dei perseguitati razziali nei diversi ambiti professionali, su cui ancora poco si sapeva, sia per quanto riguarda il funzionamento effettivo dei meccanismi di espulsione dal lavoro e sulle conseguenze economiche di tali procedure. Sono efficacemente inquadrati alcuni casi esemplari e sono discussi quelli che gli autori segnalano come i principali elementi di novità, tra cui i dati – sinora non disponibili – sul numero di insegnanti di scuola elementare, degli istituti d’istruzione tecnica e di quelli di avviamento professionale. Capristo e Fabre ragionano altresì sulla diversa solerzia dei vari ministeri, sottolineando la particolare „durezza e arbitrarietà“ delle azioni amministrative intraprese, per esempio, da Bottai, o la particolare cautela adottata nei confronti dei magistrati: per coloro che ricoprivano i ranghi più alti fu possibile andarsene „più o meno tranquillamente“ in pensione prima di venire espulsi. È altresì evidenziato il notevole grado di arbitrarietà nell’applicazione della normativa: se da un lato c’è una generale solerzia e una complessiva efficienza, non mancano casi eccezionali che talora sfociavano nell’aperta illegalità, come nel caso di Dante Almansi, che avrebbe dovuto essere tutelato dalle norme che sancivano l’inamovibilità dei consiglieri della Corte dei Conti. Da ultimo, sono da segnalare come interessanti e meritevoli di ulteriori approfondimenti le notazioni sugli effetti economici di quei procedimenti. Emerge, tra l’altro, la difformità di situazioni legate all’incrocio di diverse norme pensionistiche (per coloro che poterono ottenerla la pensione), giustamente i due coautori notano che la persecuzione spaccò i perseguitati in due o forse più fasce: „una piccola parte comunque rimase protetta, e un’altra fu tremendamente impoverita; in mezzo i vari segmenti di stipendiati avevano diversi tipi – molto più ridotti di prima – di disponibilità economiche“. Generalizzazioni come queste sono sempre accompagnate dalla presentazione di casi ricostruiti in modo sintetico, ma chiaro e dettagliato. Si tratta di uno spunto interessante, e che andrà ripreso in futuro. È del tutto evidente, infatti, che la comprensione degli effetti della persecuzione e delle reazioni dei perseguitati – che possono passare da oggetto a soggetto storico – non può che passare dalla scomposizione di quella compagine, ovvero da operazioni che consentano di verificare come diversi gruppi poterono rispondere a quel trauma. Tali segmentazioni possono essere, per esempio, di carattere generazionale o politico-ideologico, ma naturalmente non possono non tenere conto del dato socio-economico. Il libro in oggetto dunque presenta una fonte nuova e lo fa in modo rigoroso e preciso, rifuggendo da ogni facile retorica. È stato reso un servizio certamente utile alla comunità degli studiosi.

Guri Schwarz

Aldo Natoli, Lettere dal carcere (1939–1942). Storia corale di una famiglia antifascista, a cura di Claudio Natoli, con la collaborazione di Enzo Collotti, Roma (Viella) 2020 (La storia. Temi 72), LVI, 357 S., Abb., ISBN 978-88-3313-261-7, € 39.

Wenige Bücher können die Aufmerksamkeit des Lesers so gewinnen, dass dieser das Gefühl entwickelt, er sei dabei gewesen. Diese Briefsammlung, die eine emotionale Reise im Leben Aldo Natolis und seiner Familie darstellt, gehört zweifellos dazu. Im Dezember 1939 wurde der 26-jährige Arzt Natoli zusammen mit weiteren Genossen aus dem römischen kommunistischen Kreis von dem faschistischen Regime verhaftet, verurteilt und im Gefängnis von Civitavecchia als politischer Gefangener drei Jahre lang inhaftiert. Dem Schriftverkehr Natolis mit seiner Familie und seiner zukünftigen Ehefrau Enrica Mirella De Carolis widmet sich dieses Werk, herausgegeben von Natolis Sohn, dem Historiker Claudio. Aldo Natoli (Messina 1913 – Rom 2010) ist eine Schlüsselfigur der Geschichte der italienischen Linken: Antifaschist in den 30er Jahren, PCI-Mitglied ab 1943, später Abgeordneter und Leiter der Propagandaabteilung der Partei, seit 1956 Protagonist eines latenten Konflikts mit der Partei, aus der er 1969 „aus links“ austrat, um die Maoismus-nahe Zeitschrift „Il Manifesto“ zu gründen. Der eigentliche Kern des Werkes, also die Korrespondenz, folgt einer langen Einführung des Hg., in dem er das Leben seines Vaters bis 1939 zusammenfasst, einer testimonianza des prominenten marxistischen Historikers und Deutschlandexperten Enzo Collotti, der als Neffe Aldo Natolis (Collottis Mutter, Elsa, war die Schwester von Aldo) in erster Person die Verhaftung des Onkels miterlebte, und ein Text von Aldo Natoli selbst aus seinem Werk „Il Registro. Carcere politico di Civitavecchia 1941–43“. In seiner Einführung – die zumindest so ergiebig wie der Briefverkehr selbst ist – fokussiert sich Claudio Natoli vor allem auf Aldos kulturelle Bildung, auf seine politische Sozialisation und auf seinen Freundeskreis. Denn zu Natolis Freunden gehörten weitere zukünftige prominente Exponenten des Antifaschismus, wie etwa Giaime und Lucio Pintor, Pietro und Giorgio Amendola, Lucio und Laura Lombardo Radice. Als Sohn einer Familie der bildungsbürgerlichen piccola borghesia wurde er unter dem Faschismus politisch sozialisiert und trat Mitte der 1930er Jahre mit dem Milieu der Antifaschisten seiner Generation in Kontakt. Im Gegensatz zu den Kommunisten der ersten Generation, die den Ersten Weltkrieg und die sowjetische Revolution erlebten, näherten sich also Natoli und seine Freunde dem Marxismus und dem Kommunismus aufgrund ihres Antifaschismus und ihrer kulturellen Bildung. Letztere wird nicht nur eingehend in der Einleitung beschrieben, sondern erschließt sich auch aus den Briefen Natolis, der aus Civitavecchia sehr oft die Familie bat, ihm Bücher zukommen zu lassen. Seine kulturellen Interessen sind extrem vielfältig: Vor allem Medizin und Politikwissenschaft, aber auch Geschichte, italienische, deutsche und französische Literatur, Philosophie. Denn Natoli erlebte wie viele andere politische Gefangenen vor allem in Italien die Hafterfahrung als nahezu persönliche und intellektuelle Bildungserfahrung. Dieser Aspekt wird öfter vom Autor selbst betont, nicht ohne verblüffende Ironie: „Tre anni [er bezieht sich auf die Jahre in Civitavecchia], la durata di una borsa di studio“ schreibt er in „L’università del carcere“, dem autobiographischen Text, welcher den Briefverkehr einleitet und den Alltag in Civitavecchia darstellt. Wenn dies auf einer Seite dem Werk den Geschmack eines Bildungsromans verleiht, untermauert es auf der wissenschaftlichen Seite die historiographische These, in den faschistischen Gefängnissen habe sich die zukünftige intellektuelle und politische Elite der Republik gebildet. Nicht nur entwickelten sich die Häftlinge in geistiger und intellektueller Sicht, sondern sie knüpften langlebige Kontakte: Dies stimmt auf jeden Fall für Natoli, der in Civitavecchia mehrere andere Persönlichkeiten kennenlernte, wie zum Beispiel Vittorio Foa, ebenfalls eine Zentralfigur der italienischen Arbeiterbewegung, mit dem Natoli die Werke „Il Registro“ und „Dialogo sull’antifascismo il PCI e l’Italia repubblicana“ (siehe QFIAB 95 [2015], S. 623–625) herausgab. Aldo Natolis Briefwechsel, welcher sich in die reiche Tradition der Briefsammlungen politischer Verhafteter und Widerstandskämpfer eingliedert und jene Tradition bereichert, ist nicht nur – wie der Untertitel hervorhebt – die Geschichte einer Familie, die die furchtbare Tragödie der politischen Verfolgung erlebte, sondern die storia corale einer Generation, die während des Faschismus sich vorbereitete, Italien neu aufzubauen.

Francesco Leone

Antonio Grilli, Una legalità impossibile. RSI, giustizia e guerra civile (1943–1945), Roma (Carocci) 2018 (Biblioteca di testi e studi 1226. Studi giuridici), 277 pp., ISBN 978-88-430-9480-6, € 28.

Il volume di Antonio Grilli si inserisce nel filone degli studi sulla Repubblica sociale italiana che mirano a restituirne la fisionomia di governo dotato di capacità di autodeterminazione e, in qualche caso, di opposizione alle pretese dell’alleato nazista. Suo specifico campo di indagine è il funzionamento della giustizia, tramite cui, tra l’armistizio e la fine della guerra, l’Italia mussoliniana ha presidiato la propria sovranità difendendola, tanto da pressanti interferenze esterne, quanto dagli effetti destabilizzanti delle lotte tra poteri concorrenti nel nuovo quadro istituzionale. La tesi centrale del saggio è che nelle intenzioni di alcuni dei vertici della Repubblica sociale e, in particolare, del ministro guardasigilli Piero Pisenti, fascista della prima ora, avvocato e deputato per più legislature, „niente più che la funzione giudiziaria avrebbe potuto garantire alla RSI l’indispensabile presenza, credibilità e legittimità“ (p. 71). Amministrare una giustizia normale, a dispetto della cornice drammaticamente conflittuale e caotica, avrebbe comportato attenersi a uno scrupoloso rispetto delle regole. La legalità fascista sarebbe stata imperniata sull’osservanza di fattispecie predeterminate, di procedure formali vincolanti, di ripartizione delle competenze secondo criteri stabili e condivisi. Per ottenere questo risultato, Pisenti dovette cercare la collaborazione dei magistrati, offrendo loro protezione da pressioni esterne. Ma questa linea di condotta si scontrò rapidamente con numerosi elementi di perturbazione. Anzitutto, con le polemiche e le azioni violente dell’ala più intransigente del fascismo di Salò che vedeva negli esponenti del corpo giudiziario altrettanti imboscati, dediti a inutili scartoffie e potenziali traditori della Patria. Accanto ad essa, si collocavano, con sentimenti simili, le autorità militari d’occupazione tedesche. Questo fece sì che, in non pochi casi, „la classe giudiziaria fu vittima di arresti e detenzioni da parte delle formazioni militari e di polizia tedesche e fasciste, per motivi politici“ (p. 98). L’intenzione era colpire giudici in odore di disfattismo, ma per essere oggetto di sospetto poteva bastare aver usato carta intestata con lo stemma sabaudo o con la dizione „Re imperatore“. D’altra parte, secondo l’autore, la magistratura nel suo insieme ebbe modo di testimoniare il suo non-allineamento ideologico non prestando giuramento di fedeltà verso la RSI e adottando su determinate questioni, per esempio in materia annonaria, criteri di giudizio ispirati all’indulgenza nonostante le direttive politiche caldeggiassero una maggiore severità. Il quadro generale è quello di una „giustizia sotto assedio“ (p. 131) che doveva, perdipiù, confrontarsi con le difficoltà della guerra: bombardamenti, sedi inagibili, trasporti compromessi, archivi impraticabili. L’insieme di questi problemi pratici, peraltro, ebbe un ruolo „determinante nell’impedire il giuramento dei magistrati“ (p. 148). Le difficoltà di ordine logistico finirono per unirsi allo scarso zelo della maggioranza. Circostanza degna di nota, e rivelativa del peso funzionale dell’ordine giudiziario, è il fatto che, diversamente da quanto avveniva per altre categorie del pubblico impiego, il mancato giuramento non avrebbe comportato il collocamento a riposo. Altra variabile che concorse a rendere aleatoria l’amministrazione della giustizia fu l’operare, accanto alle Corti ordinarie, di numerose autorità giudicanti – tribunali provinciali straordinari, tribunali militari territoriali, Tribunale speciale per la difesa dello Stato – di marcata coloritura politica e con competenze spesso confusamente sovrapposte. Come se nella RSI „operassero tante giustizie quante erano le sue propaggini“ (p. 220). Nel crepuscolo della guerra, saranno queste a prevalere e sarà la logica del sospetto, della giustizia sommaria, delle rappresaglie a sostituirsi sempre più spesso alle procedure disciplinate dai Codici. „La costituzione a piacere di tribunali straordinari … era vista localmente come un ottimo mezzo per dare parvenza giuridica alla vendetta.“ (p. 250). La logica della guerra finisce, inesorabilmente, per fagocitare, il tentativo di normalizzazione avviato da Pisenti e la legalità agognata si rivela un obiettivo impossibile. Resta da chiedersi, facendo un bilancio di questo volume che si segnala per la grande chiarezza espositiva e per la capillare e rigorosa ricerca di fonti archivistiche e storiografiche, quale idea di legalità esso richiami. La ricostruzione offre, infatti, un modello di legalità che, per quanto alla fine perdente, cerca di resistere all’imbarbarimento come modello di azione ispirata al rispetto delle regole. Una legalità nonostante la barbarie, non certamente contro la barbarie. Ma al netto di ogni considerazione di ordine etico, rimane da chiedersi se, in un contesto totalitario, per definizione costruito su uno stato di eccezione permanente, la nozione di legalità intesa come stabilizzazione normativa delle aspettative di condotta non sia sempre in radice destinata ad essere poco più che un paravento formale.

Ernesto De Cristofaro

Cecilia Nubola, Faschistinnen vor Gericht. Italiens Abrechnung mit der Vergangenheit, aus dem Italienischen von Bettina Dürr, mit einer Einleitung von Nicole Kramer, Berlin-Boston (De Gruyter Oldenbourg) 2019 (Transfer), VIII, 186 S., ISBN 978-3-11-063921-6, € 29,95.

Beim Thema weibliche Täterinnen hat jeder sofort Bilder vor Augen: Ilse Koch, die „Hexe von Buchenwald“ und Gattin des Lagerkommandanten mit ihren Lampenschirmen aus Menschenhaut, oder aber Hermine Braunsteiner, die „Stute von Majdanek“, eine wegen ihrer Schläge berüchtigte KZ-Aufseherin. Beide wurden in Nachkriegsprozessen verurteilt und stecken in gewisser Weise das Feld ab, in welchem sich alle Studien zu weiblicher Täterschaft bewegen: zum einen die Frau als Funktionsträgerin, die Gewalt ausübt kraft ihres Amtes, sowie die Frau des Kommandanten oder Offiziers, die eigentlich keine Funktion hat, aber dennoch am Morden beteiligt ist. Die vorliegende Studie von Cecilia Nubola nimmt sich nun die Rolle der Faschistinnen von Salò in der blutigen Schlussphase 1943–1945 vor, und analysiert die italienischen Nachkriegsprozesse gegen sie. Die ganze Thematik weiblicher Täterschaft ist eingebettet in den Diskurs der genderhistorischen Gewaltforschung, die insbesondere in der letzten Dekade wichtige Werke hervorgebracht hat, jedoch leider hier wenig reflektiert wird. Angeführt werden könnten z. B. Wendy Lower, „Hitler’s Furies. German Women in the Nazi Killing Fields“, New York 2013, Maja Figge/Konstanze Hanitzsch/Nadine Teuber (Hg.), „Scham und Schuld. Geschlechter(sub)texte der Shoah“, Bielefeld 2010, Margit Reiter, „Die Generation danach: der Nationalsozialismus im Familiengedächtnis“, Innsbruck 2006, Ljiljana Radonic, „Die friedfertige Antisemitin? Kritische Theorie über Geschlechterverhältnis und Antisemitismus“, Frankfurt 2004 oder Ulrike Weckel, „,Bestien‘ und ‚Befehlsempfänger‘. Frauen und Männer in NS Prozessen nach 1945“, Göttingen 2003. Es geht dabei zum einen um die Frage der „Abartigkeit“, also der Nicht-Konformität mit einem Weiblichkeitsideal oder einer Erwartungsvorstellung der sie umgebenden Gesellschaft, zum anderen um die Frage einer tatsächlich stärkeren Ideologisierung weiblicher follower. Beide Aspekte haben interessanterweise dazu geführt, dass es nach dem Krieg nur wenige Prozesse gegen Frauen gegeben hat, weil auch in der Nachkriegsvorstellung weibliche Rollenstereotype virulent blieben, weibliche Grausamkeit schlecht vorstellbar war und es nur angesichts direkter Anschuldigungen oder besonders klar ermittelter Tatbeteiligung zu Prozessen kam. Zwar hat die Forschung, etwa zu weiblichen KZ-Aufseherinnen im ehemaligen Sudetenland (vgl. Alfons Adam, „Das NS-Lagersystem vor den außerordentlichen Volksgerichten der Tschechoslowakei [1945–1947]“, in: „Alliierte Prozesse und NS-Verbrechen“, Bremen 2020, S. 41–50, hier S. 45) ergeben, dass grundsätzlich weibliche Aufseherinnen eher für Strafverfahren zur Verfügung standen, da sie oft durch örtliche Arbeitsämter zwangsrekrutiert und daher auch nach dem Krieg an Ort und Stelle für die Justiz greifbar waren, während männlichen Tätern eher die Flucht gelang, dennoch kamen viele mit milden Strafen davon, wenn sie nur laut genug ihre Unschuld beteuerten, und dass man sie zum Dienst dort gepresst habe. Diese Muster finden sich nun auch im italienischen Kontext. Dem Buch vorangestellt ist ein kenntnisreicher Aufsatz von Nicole Kramer zum Thema „Ganz normale Frauen? Nationalsozialistinnen und Faschistinnen“, der das Thema absteckt. Dabei tritt bereits Kramer der bisher in der Forschung vertretenen (und auch von Nubola anhand ihrer Beispiele bestrittenen) These entgegen, der italienische Faschismus habe keine nennenswerte Frauenbeteiligung gekannt, und wenn, dann nur Mitläuferinnen und keine sogenannten „Direkttäterinnen“. Das Thema der Direkttäterinnen verweist auf Frauen, die sich bewaffnet in den Kampf begeben oder an der Tötung anderer Menschen beteiligt sind – hier reicht die Spanne von Folterungen, Erschießungen bis zu Denunziation (von Juden und Partisanen) und Raub, und damit ist auch das Problem der wissenschaftlichen Analyse umrissen: Während manche Vergehen als „durch die Kriegslage“ oder wirtschaftliche Not entschuldbar schienen (zumindest vertrat das Gericht diese Linie), muss im Fall von Folterungen oder KZ-Aufseherinnen von einer intrinsischen Motivation ausgegangen werden, die einer Erklärung bedarf. Auch hier greifen wieder geschlechter-stereotypische Erklärungsmuster. Als Motivation machten die Gerichte folgende Faktoren aus, die sich in Variationen von der Anklageschrift bis zu den späteren Gnadengesuchen durchziehen: jung, leichtlebig/Prostitution, unfähig selbständig zu entscheiden bzw. familiär vorbelastet/schwachsinnig, „Liebeshörigkeit“ zu einem Anführer, dem eigentlichen Initiator der Verbrechen. Cecilia Nubolas Studie zeigt anhand eines außergewöhnlichen Quellenkorpus, den Begnadigungsakten von 40 prominenten Faschistinnen aus dem italienischen Justizministerium, wie die Nachkriegsprozesse gegen diese Frauen abgelaufen sind, welche Strategien die Angeklagten vor Gericht vertraten, mit welchen Argumenten ein mildes oder hartes Urteil begründet wurde, und wie sie schlussendlich alle Mitte der 1950er Jahre begnadigt wurden. Besonders schockierend ist auch hier, wie in Deutschland, die politische Entscheidung zur Amnestie, die ordentliche Gerichtsverfahren zur Sühne grausamster Verbrechen mit einem Dekret quasi ad absurdum führten. Nubola zeigt anhand ihrer Fallbeispiele (die allerdings in der detailreichen Schilderung teilweise ermüden) die Bandbreite, von der Tochter des örtlichen Squadristen bis zur Hausfrau oder Musiklehrerin, die ein paar offene Rechnungen in ihrem Heimatdorf durch Denunziation begleichen möchte. Am faszinierendsten sind die Fälle des bewaffneten Kampfes und der aktiven Teilnahme an Exekutionen von Partisanen, denn anhand der Briefe aus dem Gefängnis kann Nubola zeigen, dass hier keine irregeleiteten ‚Weibchen‘ am Werk waren, sondern Akteurinnen, die ihren Platz in der faschistischen Bewegung durch „Leistung“ beanspruchen wollten – und nach dem Krieg enttäuscht ins Privatleben zurückkehrten und von der Vergangenheit träumten, ohne zu bereuen. Am Schluss führt sie die Ergebnisse der Studie zusammen, insbesondere unter der Frage, ob die Gesellschaft gerade weibliche Gewalt besonders verurteilt. Dennoch hätte man sich an manchen Stellen noch mehr kontextgeleitete Analyse gewünscht, zumal die italienischen Verhältnisse der 1940er Jahre in ihrer Komplexität den deutschen Leserinnen und Lesern wahrscheinlich nicht geläufig sein dürften. Dem Verlag ist für die Übersetzung zu danken (einziges Ärgernis hierbei ist die Übersetzung „Patrioten“, die auf Deutsch einfach zu schwammig ist, um die Opfer ausreichend zu beschreiben), die einen sehr interessanten Korpus auch für die deutschsprachige Forschung – und vergleichende Studien – zugänglich macht. So lassen sich die großen Fragen des „warum?“ vielleicht doch noch beantworten, wenn man das sample erweitert und transnationalisiert – die hier präsentierten Fälle sind zu wenig und zu heterogen, als dass man verlässliche Antworten finden könnte. Cecilia Nubola hat eine faszinierende Studie vorgelegt, die die nachfolgende Forschung inspirieren wird und reiches Material bietet.

Kerstin von Lingen

Filippo Focardi, Nel cantiere della memoria. Fascismo, Resistenza, Shoah, Foibe, Roma (Viella) 2020 (Collana dell’Istituto Nazionale Ferruccio Parri 1), 356 pp., ISBN 978-88-331-3321-8, € 29.

Il volume di Focardi raccoglie una serie di saggi già in parte pubblicati. Il titolo riprende il concetto di costruzione della memoria pubblica, che rappresenta il focus delle ricerche dell’autore da più di venti anni. Focardi ha infatti già pubblicato libri importanti sull’argomento quali „La guerra della memoria“ (Bari-Roma 2005), e „Il cattivo tedesco e il bravo italiano“ (Bari-Roma 2013). La memoria della Seconda guerra mondiale, e in particolare del periodo 1943–1945, è tutt’ora presente, quando non centrale, nel dibattito culturale e politico italiano. Le diatribe e le ricerche scientifiche sui temi del passato hanno spesso influenzato il dibattito politico come d’altronde, sottolinea Focardi, il dibattito scientifico è stato fortemente influenzato dalle vicende della politica. La costruzione dell’Europa unita, ad esempio, non poteva prescindere da una riflessione sul ruolo della Germania nella Seconda guerra mondiale e ovviamente dal suo rapporto con l’Italia fascista. Allo stesso modo alla fine degli anni Ottanta il dibattito su una „grande riforma“ della Costituzione italiana prendeva le mosse proprio da una critica della Resistenza e dell’antifascismo da cui proprio la Costituzione era nata. Il tema è più attuale che mai, con la nascita di movimenti populistici, razzistici, xenofobi e, alle volte, dichiaratamente fascisti in tutta Europa, che partono da una lettura del passato che nega qualsiasi valore alla Resistenza (o alle resistenze europee), ed esaltano regimi che in passato hanno anche fatto „qualche errore“, ma che hanno difeso l’„identità“ europea. La nascita e lo sviluppo di queste vere e proprie distorsioni della memoria e della conoscenza è al centro di quasi tutti i capitoli del libro in questione, che è diviso in due parti: la prima ripercorre „l’alibi del ‚cattivo tedesco‘“, cioè la costruzione di quel mito secondo il quale gli italiani e il fascismo si sarebbero comportati in maniera sostanzialmente diversa rispetto ai tedeschi e al nazismo, con il risultato della totale cancellazione dei crimini di guerra commessi prima dall’Italia mussoliniana fino all’otto settembre 1943, e poi dalla Repubblica sociale italiana. La Shoah è l’esempio classico di questa rimozione: Focardi ricostruisce la genesi del mito degli italiani naturalmente buoni che avrebbero difeso gli ebrei dal mostro nazista e soprattutto lo sfruttamento di questo mito (che, come tutti i miti, ha le sue „briciole di verità“) da parte della politica. Il mito ha contribuito a far assolvere gli italiani da ogni crimine commesso dal regime fascista all’estero, col risultato che i maggiori responsabili di questi delitti non sono mai stati processati, cosa che ha avuto enormi conseguenze sulla memoria della guerra e, di nuovo, sull’identità degli italiani. La seconda parte affronta le „memorie conflittuali, riconciliate e in transizione“ italiane, dalla crisi della prima repubblica alla fine dei governi Berlusconi, un’epoca contrassegnata da una profonda lacerazione della memoria, nonché da numerosi tentativi di rivalutare il fascismo, partendo da una parte dal mito del fascismo „buono“, e dall’altra dallo screditamento della Resistenza. Negli anni novanta del secolo scorso, racconta Focardi, si è tentato di giustificare, attraverso la rilettura delle vicende legate alla guerra civile, la riscrittura della Costituzione, considerata come retaggio di un tempo e di ideologie oramai superate. La seconda parte del libro di Focardi è, in sintesi, una importante ricostruzione della storiografia e del suo influsso, o il suo utilizzo, da parte della politica alla disperata ricerca di giustificazioni ideologiche e culturali per i suoi, spesso strampalati, tentativi di costruire una nuova identità per gli italiani nell’epoca della fine delle ideologie. In conclusione si può affermare che il libro di Focardi rappresenta uno strumento indispensabile per capire il dibattito politico e storiografico italiano sul fascismo e sull’antifascismo.

Amedeo Osti Guerrazzi

Verena Kümmel, Vergangenheit begraben? Die gestohlenen Leichen Mussolinis und Pétains und der Kampf um die Erinnerung, Wien-Köln-Weimar (Böhlau) 2018, 370 S., 52 Abb., ISBN 978-3-412-51243-9, € 50.

Manche Menschen leben lange. Zuweilen erreichen sie sogar weit über ihren Tod hinaus eine große Resonanz und beschreiben damit ein Phänomen, das für viele Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens bezeugt worden ist. Kaum eine Personengruppe dürfte posthum einen derartigen Nachhall entfaltet haben wie die Diktatoren des 20. Jh. Auf eindrucksvolle Weise hat dies der Turiner Historiker Sergio Luzzatto in seiner erstmals 1998 erschienenen Studie über die öffentliche Wahrnehmung Benito Mussolinis nach seinem Ableben aufgezeigt. So blieb der tote Duce noch lange nach seiner Hinrichtung ausgesprochen lebendig, als Vorbild oder als Feindbild, aber ebenso als Gradmesser für den Wiederaufbau und die Stabilität der italienischen Nachkriegsdemokratie. Mit ihrem Buch „Vergangenheit begraben?“ knüpft Verena Kümmel an die Vorgängerstudie Luzzattos an. Sie erweitert jedoch deren Spektrum zum einen thematisch durch eine komparatistische italienisch-französische Analyse im Umgang mit den sterblichen Überresten Mussolinis und Philippe Pétains. Zum anderen bietet das Werk eine fundierte medienhistorische Analyse der Berichterstattung über die öffentliche Auseinandersetzung mit den beiden Führergestalten. Der Autorin geht es dabei in ihren eigenen Worten um „die symbolische Kommunikation über die Leichen“, einen Sachverhalt, den sie auf der Basis zahlreicher Memorial- und Augenzeugenberichte, der Berichterstattung in Zeitungen und Zeitschriften, überdies der grauen Literatur interessierter (politischer) Verbände sowie vielen Bildern systematisch rekonstruiert und auswertet. Auch wenn die Bild- und Textanalysen zuweilen etwas detailverliebt daherkommen, liest man ihre Darstellung mit Gewinn. So kann die Vf. zahlreiche wichtige Hintergründe im Umgang mit dem toten Duce und seiner erzwungenen „Wanderschaft“ bis zu seiner Translation an seinen Geburtsort Predappio im Jahr 1957 aufhellen. Gleichzeitig zeigt sie, wie ambivalent der Umgang mit dem 1945 zur Festungshaft auf der Atlantikinsel Yeu verurteilten Pétain von Beginn an ausfiel. Spätestens nach seinem Tod sechs Jahre danach mangelte es keineswegs an Fürsprechern aus höchsten Kirchenkreisen, die sich für die posthume Rehabilitation des Marschalls aussprachen. In Paris verstiegen sich einige seiner Anhänger sogar zu einer eindrucksvollen Ehrbezeugung am Grab des Unbekannten Soldaten, verbunden mit dem Hitlergruß. Noch weit dramatischer nehmen sich im Vergleich dazu die umfänglichen Schilderungen Kümmels zum Raub der Leichen Mussolinis (im Jahr 1946) und Pétains (im Jahr 1973) sowie zu den staatlichen Bemühungen aus, der Lage wieder Herr zu werden. Was die Vf. unter dem etwas sperrig anmutenden Zwischentitel „Diebstahl der Leichen als Veränderungsimpuls“ ausbreitet, bietet weit mehr als eine Räuberpistole. Denn der Leichenraub und noch weit stärker die offenkundig politisch einseitige Instrumentalisierung des geistigen Erbes von Mussolini und Pétain blieben über Jahrzehnte geradezu mit Skandalen gepflastert. Darüber hinaus zeigt die Darstellung, wie sehr das neofaschistische Milieu in Italien und die hochkonservativen Parteigänger Pétains in Frankreich immer wieder versuchten, die Deutungshoheit über die Vergangenheit ihrer Helden zu erringen. So sehr man Frau Kümmel in ihrer Deutung der Vergangenheitspolitik der extremen Rechten folgen will, erfährt man in diesem Buch zu wenig über die Grenzen der entsprechenden Vorstöße. Zuweilen kann man sich sogar des Eindrucks nicht erwehren, dass deren Verfechter durch ihr Handeln letztlich eine Selbstmarginalisierung vorantrieben. Zwar scheinen die an Jubiläumstagen nach oben schnellenden Besucherzahlen am Geburtsort Mussolinis eine ganz andere Sprache zu sprechen, aber bis in die 1990er Jahre handelte es sich eher um ein Randphänomen. Darüber hinaus deutet die komparativ angelegte Studie neben vielen Parallelen erkennbare Gegensätze zur französischen Entwicklung an. Hier wurde Pétain seit den ausgehenden 1960er Jahren einerseits auch offiziell stärker als Held des Ersten Weltkriegs gewürdigt, aber gleichzeitig nahmen die stärker kritischen Analysen des Vichy-Regimes nun ihren Anfang. Zudem rückten damals breite Teile der französischen Katholiken in einen betonten Gegensatz zum Episkopat, als es sich für eine vollständige Rehabilitierung Pétains einsetzte. Diese Vorzeichen einer Ausdifferenzierung der gesellschaftlichen Erinnerung im Zeichen einer doch stürmischen Modernisierung in Frankreich und auch in Italien werden von Frau Kümmel zu wenig beachtet. Ungeachtet dieses Einwandes bietet das Buch wichtige Einblicke im Kampf um die Erinnerung an eine Vergangenheit, die viele Mitläufer Mussolinis und Pétains nach dem Tod ihrer Helden gerne gleich mitbegraben hätten.

Christoph Cornelißen

Mario Mieli, La gaia critica. Politica e liberazione sessuale negli anni settanta. Scritti (1972–1983), a cura di Paola Mieli e Massimo Prearo, Venezia (Marsilio) 2019 (Nodi), 259 pp., ISBN 978-88-297-0028-8, € 20.

Questo volume raccoglie gli scritti minori forse del principale teorico del movimento omosessuale italiano degli anni Settanta, Mario Mieli. Nato a Milano nel 1952 da una facoltosa famiglia ebrea milanese, Mario Mieli è stato tra i fondatori del FUORI!, la più grande organizzazione del movimento omosessuale in Italia, ed è autore di un testo di carattere filosofico uscito presso Einaudi nel 1977 dal titolo „Elementi di critica omosessuale“. Partendo dalla rielaborazione della sua tesi di laurea in filosofia morale, in questo libro egli sviluppava una teoria sul carattere transessuale della sessualità umana dove cercava di conciliare Marx e il marxismo con le recenti riflessioni dei movimenti omosessuali europei. Il volume, che già all’epoca conobbe una relativa notorietà, ha ricevuto nel corso dei decenni diverse ristampe in Italia e all’estero, grazie anche all’infaticabile lavoro filologico e di mediazione culturale dello studioso Massimo Prearo. In questa antologia Massimo Prearo e la sorella dell’autore, Paola Mieli, propongono una selezione di scritti prodotti prima e dopo la pubblicazione dell’opera magna, permettendo a chi legge sia di seguire il percorso intellettuale e politico dell’autore, sia di conoscere da una speciale angolatura lo sviluppo del movimento omosessuale italiano ed europeo di cui Mario Mieli è stato attivista. Al fondo del testo è possibile apprezzare una biografia, arricchita di dettagli sul contesto familiare e culturale in cui Mario Mieli ha vissuto, che insieme alla raccolta degli scritti permette di addentrarsi nella società e nella cultura italiana degli anni Settanta. I testi riprodotti sono tratti sia da pubblicazioni periodiche meno note al grande pubblico, come le riviste „Fuori!“ e „Lambda“, quest’ultima stampata dal movimento omosessuale milanese, sia dall’archivio personale di Mario Mieli, in cui è conservato diverso materiale inedito. Sono inoltre presenti recensioni e interviste rilasciate alla televisione, dove lo scrittore venne più volte invitato per la notorietà raggiunta dopo la pubblicazione di „Elementi“. Della personalità dell’autore il testo rivela la poliedricità intellettuale e sentimentale, capace di coniugare registri alti e bassi e di attingere alla tradizione filosofica classica, in particolare quella marxista, così come alla saggistica contemporanea e alla letteratura grigia dei movimenti omosessuali europei. Il pensiero già espresso in „Elementi“ si specifica qui ulteriormente. Si chiarisce, per esempio, l’interesse per il pensiero femminista e per le donne che, a giudizio di Mario Mieli, insieme agli omosessuali e ad altri soggetti emarginati della società capitalistica patriarcale, rappresentavano allora le promotrici principali della rivoluzione sociale necessaria alla realizzazione del comunismo. Il volume riporta un dialogo sull’amore pubblicato sulla rivista femminista „Differenze“ tra Mieli e Lia Migale, protagonista del movimento femminista romano, e riprende il tema dei rapporti con le donne in diversi altri interventi. Dai racconti sulla scena del London Gay Liberation Front ai resoconti dei viaggi in Marocco, a Parigi e a Berlino, emerge il profilo ecclettico ed internazionale di Mario Mieli che, grazie anche all’educazione ricevuta in famiglia, certo non può essere considerato un intellettuale soltanto italiano. L’omosessualità come questione politica, che secondo Mieli non poteva trovare soluzione nella collaborazione con i partiti e le istituzioni, la repressione sessuale determinata dal capitalismo, il confronto con gli intellettuali francesi da cui emerge il dialogo mancato con Foucault, la fine del punk, la critica alle realtà dei movimenti, la questione israelo-palestinese e il problema del nucleare come minaccia ambientale sono solo alcuni dei temi che attraversano il volume, da cui emerge altresì l’evoluzione del rapporto di Mieli con il movimento, fortemente criticato dalla seconda metà del decennio, e poi con se stesso, grazie al racconto di esperienze vissute in diversi angoli del mondo con un registro linguistico di spietata immediatezza che non lascia nulla all’immaginazione. Con questa raccolta di scritti da oggi è possibile avvicinarsi alla figura di Mario Mieli vedendolo non più solo come una delle figure più affascinanti del movimento omosessuale italiano, come suggerito dalla sua forte esposizione mediatica, ma conoscendolo anche attraverso le pieghe della sua esistenza, sottoposta ad un ritmo incessante di cambi di scena. Solo la collaborazione della sorella, ovvero di una persona che lo ha conosciuto da vicino, e di un fine esegeta della storia dei movimenti europei lgbt+ come Massimo Prearo poteva produrre una silloge tanto accurata degli scritti di un intellettuale polivalente come Mario Mieli.

Fiammetta Balestracci

Published Online: 2021-11-10
Published in Print: 2021-11-05

© 2021, published by Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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Downloaded on 26.4.2024 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/qufiab-2021-0024/html
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