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Licensed Unlicensed Requires Authentication Published by De Gruyter (A) February 11, 2021

Alt sein und mangelhaft sein oder: Vom Vorteil des Nachteils

  • Andreas Brenner

    Dr. phil. Professor für Philosophie an der Universität Basel und der Fachhochschule Nordwestschweiz in Basel; Arbeitsschwerpunkte: Angewandte Ethik, insb. Bio-, Umwelt- und Wirtschaftsethik, sowie Leibphänomenologie.

From the journal Paragrana

Abstract

Die Bezeichnung „alt“ hat sich zu einem Wertbegriff negativer Konnotation gewandelt, so dass er synonym für alle möglichen Defizienzen bzw. als Chiffre für Defizienz schlechthin steht. Alt zu sein ist nun nicht länger eine Sache der Jahre, sondern von (verloren gegangenen) Qualitäten. Positiv ist daran, dass (fast wieder alles) möglich ist, negativ ist, dass gerade deshalb auch (fast) wieder alles ermöglicht werden muss. Denn der Alte ist selber schuld und will er es nicht bleiben, muss er etwas daran ändern. Die Krankschreibung des Alters ruft seine Behandlung hervor, was nichts anders bedeutet als dass das Alter, das als Krankheit begriffen wird, kuriert werden muss, wobei die Kur nicht in seiner Heilung, sondern in seiner Überwindung, d.h. seiner Abschaffung besteht. Das Anti-Aging verfolgt eine radikale Abkehr vom Menschen, wie wir ihn kennen. Gerade am Alter lässt sich aber zeigen, dass der Mensch mit Mängeln leben kann, häufig trotz seiner Mängel glücklich wird und mit ihnen sogar seinen Frieden macht.

About the author

Andreas Brenner

Dr. phil. Professor für Philosophie an der Universität Basel und der Fachhochschule Nordwestschweiz in Basel; Arbeitsschwerpunkte: Angewandte Ethik, insb. Bio-, Umwelt- und Wirtschaftsethik, sowie Leibphänomenologie.

Literatur

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Published Online: 2021-02-11
Published in Print: 2020-12-16

© 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 1.6.2024 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/para-2020-0030/html
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