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BY 4.0 license Open Access Published by De Gruyter June 12, 2021

Schuldig bei Verdacht? Prüfstrategien in Beschuldigtenvernehmungen

Guilty by suspicion? Test strategies in suspect interviews
  • Lennart May EMAIL logo , Annemarie Stein , Thomas E. Gundlach and Renate Volbert

Abstract

Die vorliegende Studie untersucht, ob in Beschuldigtenvernehmungen eine positive Prüfstrategie angewendet wird, die bei uneindeutiger Beweislage aufgrund einer strukturbedingten Schuldannahme schuldverzerrend sein kann und wie einer solchen entgegengewirkt werden kann. Hierzu lasen Studierende einer Polizeihochschule (N = 73) eine Fallvignette zu einem Einbruchsdelikt und sollten, a) Fragen zur Vorbereitung der Beschuldigtenvernehmung selbst formulieren und b) geeignete Fragen aus einem Fragenkatalog auswählen. Die Instruktion für die Teilnehmenden wurde dabei variiert: Sie sollten die Beschuldigtenvernehmung entweder ohne nähere Instruktion vorbereiten (offen-instruierte Bedingung) oder wurden explizit aufgefordert herauszufinden, ob der zu Vernehmende schuldig (schuldig-instruierte Bedingung) bzw. ob er unschuldig ist (unschuldig-instruierte Bedingung). Die aus dem Fragenkatalog ausgewählten Fragen waren in der unschuldig-instruierten Bedingung eher unschuldsverzerrt, während in den anderen beiden Instruktionsbedingungen ergebnisoffene Fragen präferiert wurden. Die drei Instruktionsbedingungen unterschieden sich jedoch nicht signifikant voneinander. Sollten die Teilnehmer selbst Fragen formulieren, fand sich in allen drei Bedingungen eine Tendenz in Richtung schuldverzerrter Fragen; zwischen den drei Instruktionsbedingungen traten wiederum keine signifikanten Unterschiede auf. Die bloße Instruktion, die Unschuld des Beschuldigten zu prüfen, schwächte die schuldverzerrende Tendenz bei der eigenständigen Fragenformulierung also nicht bedeutsam ab.

Abstract

This study examines whether a positive test strategy is implemented in suspect interviews. This strategy can result in a guilt-bias in cases with ambiguous evidence due to a structural assumption of guilt. Furthermore, this study examines how such an assumption of guilt can be counteracted. Students from a police academy (N = 73) read a case vignette of a burglary and in order to prepare the suspect interview they were asked to formulate questions and select questions from a list. Participants’ instructions varied between three conditions: They were either asked to prepare the suspect interview without further instruction (open-instructed condition) or they were explicitly asked to find out whether the suspect was guilty (guilty-instructed condition) or innocent (innocent-instructed condition). In the innocent-instructed condition, participants preferred innocent-biased questions from the provided list, whereas the participants in the other two conditions preferred open-ended questions; however, the three conditions did not differ significantly. When participants formulated questions, a tendency toward guilt-biased questions was found for all three conditions; again, the three conditions did not differ significantly. The simple instruction to test the innocence of the suspect did not significantly reduce the guilt-bias when formulating questions.

1 Einleitung

Die Vernehmung eines Beschuldigten zielt laut § 136 (2) StPO darauf ab, ihm die Gelegenheit zu geben, »die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geltend zu machen«. Daneben ist die Sachverhaltsaufklärung ein oft benanntes polizeiliches Ziel der Beschuldigtenvernehmung (z. B. Mohr, Schimpel & Schröer 2006), was sich so aus den gesetzlichen Vorschriften zur Beschuldigtenvernehmung allerdings nicht unmittelbar ableitet (Eisenberg 2017). Gleichwohl ergibt sich aus der staatsanwaltschaftlichen Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung (§ 160 [1] StPO) und den polizeilichen Aufgaben im Ermittlungsverfahren (§ 163 [1] StPO), dass die »Behörden und Beamten des Polizeidienstes [...] Straftaten zu erforschen« haben. Schließlich ist die Wahrheitserforschung nicht nur gerichtliche (siehe § 244 StPO), sondern gesamte kriminalistische Aufgabe (Walder u. a. 2020). Beide Vernehmungsziele legen in jedem Fall nahe, dass Polizisten Beschuldigtenvernehmungen ergebnisoffen führen und sowohl entlastende als auch belastende Informationen sammeln sollen. Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach, ob dies ohne weiteres möglich ist oder ob Beschuldigtenvernehmungen strukturbedingt eine Schuldverzerrung innewohnt, die eine ergebnisoffene Befragung erschwert.

1.1 Prüfen einer Verdachtshypothese

In Ermittlungsverfahren müssen Polizisten zahlreiche Entscheidungen treffen. Beispielsweise müssen sie entscheiden, welche Informationen zur Ermittlung eines Sachverhalts zu sammeln und wie die gewonnenen Informationen einzuschätzen sind. Informationsverarbeitungs- und Entscheidungsprozesse sind in der Psychologie ausführlich untersucht worden. Dabei zeigte sich, dass menschliche Informationsverarbeitungsprozesse unter bestimmten Bedingungen anfällig für Fehler und Verzerrungen sind (z. B. Tversky & Kahneman 1973; Nickerson 1998). Forschungsarbeiten fanden außerdem, dass solche Verzerrungen auch in Ermittlungen und allgemein in forensischen Kontexten relevant sind und in Fehlverurteilungen münden können (z. B. Kassin, Dror & Kukucka 2013; Oswald & Wyler 2018).

Der Prozess des Prüfens einer Verdachtshypothese gegen einen Beschuldigten in Ermittlungsverfahren kann mit den fünf Stufen des sozialen Hypothesentestens nach Trope und Liberman (1996) veranschaulicht werden: (1) Formulierung der Verdachtshypothese (z. B. »Person A hat den Einbruch begangen«), (2) Ableiten von Regeln zur Prüfung der Hypothese (z. B. »Wenn Person A schuldig ist, dann hat sie kein Alibi für die Tatzeit«), (3) Informationssuche durch Ermittlungen (z. B. Vernehmung des Beschuldigten), (4) Bewertung der Informationen (Identifikation, Kategorisierung und Interpretation; z. B. »Der Beschuldigte hat angegeben, dass er zum Tatzeitpunkt alleine zu Hause war, was niemand bestätigen kann. Er hat somit kein Alibi für die Tatzeit, was die Verdachtshypothese unterstützt«) und (5) schlussfolgernde Einschätzung der Verdachtshypothese auf Grundlage aller gesammelten Ermittlungserkenntnisse (z. B. »Person A hat den Einbruch begangen«).

Die Einbeziehung einer Alternativhypothese macht einen wesentlichen Unterschied zwischen diagnostischem und pseudodiagnostischem Testvorgehen aus (Doherty et al. 1979; Trope & Libermann 1996). Beim diagnostischen Vorgehen werden – wie bei einem wissenschaftlichen Vorgehen – neben der Verdachtshypothese explizit auch Alternativhypothesen formuliert. Daran anknüpfend wird aktiv nach Informationen gesucht, mit der die Verdachtshypothese und Alternativhypothesen geprüft werden können. Dabei wird die Diagnostizität von Informationen berücksichtigt: Eine Information besitzt eine hohe Diagnostizität, wenn sie ausschließlich mit der Verdachtshypothese zu vereinbaren ist (bzw. ausschließlich mit der Unschuldshypothese). Dagegen weist eine Information eine geringe Diagnostizität auf, wenn sie mit der Verdachtshypothese und der Unschuldshypothese zu vereinbaren ist.

Allgemein können Vernehmende eine Verdachtshypothese prüfen, indem sie Informationen zur Bestätigung der Verdachtshypothese (positive Prüfstrategie) oder Informationen zu deren Widerlegung suchen (negative Prüfstrategie; Klayman & Ha 1987; vom Schemm, Dreger & Köhnken 2008). Bei der positiven Prüfstrategie werden Informationen gesammelt, die gemäß der eigenen Annahme erwartet werden (z. B. bei Schuldannahme: finanzielle Probleme vor Tatzeitpunkt und nicht anders erklärbare finanzielle Mittel nach dem Tatzeitpunkt). Die Anwendung einer positiven Prüfstrategie setzt nicht voraus, dass man sich bereits auf die zu prüfende Annahme festgelegt hat; Menschen neigen zu einer positiven Prüfstrategie, wenn sie die Aufgabe erhalten, eine bestimmte Annahme zu überprüfen (Snyder & Swann 1978). Allerdings führt eine positive Prüfstrategie nicht zwangsläufig zur Bestätigung der Verdachtshypothese: Die Ausgangshypothese wird nämlich normalerweise fallengelassen, wenn eindeutig der Verdachtshypothese widersprechende Informationen bekannt werden (z. B. wenn der Beschuldigte zum Tatzeitpunkt von einer Videokamera an einem anderen Ort erfasst wurde). Auch bei einer positiven Prüfstrategie ist eine Verdachtshypothese also falsifizierbar.

Eine riskante Konstellation ergibt sich nun bei Vorliegen von uneindeutigen Informationen. Dies sind Informationen, die mit der Verdachtshypothese und der Unschuldshypothese ähnlich gut in Einklang zu bringen sind und daher eine geringe Diagnostizität aufweisen. Bei positiver Prüfung solch uneindeutiger Informationen besteht die Tendenz, dass die Verdachtshypothese bestätigt wird. Dieses Risiko besteht insbesondere, wenn bei der Informationsbewertung nur eine Hypothese fokussiert und nicht explizit Alternativerklärungen einbezogen werden. So ist beispielsweise die Angabe eines Beschuldigten, er sei zum nächtlichen Tatzeitpunkt alleine zu Hause gewesen, mit der Verdachtshypothese vereinbar, weil es sich um eine falsche, nicht widerlegbare Behauptung handeln könnte. Würde man eine beliebige Auswahl von Personen fragen, würde zumindest unter den alleinlebenden Befragten vermutlich aber ein hoher Anteil eine ähnliche Antwort geben. Bei einem solchen Vorgehen besteht somit die Gefahr falscher Schlussfolgerungen, wenn keine die Verdachtshypothese eindeutig widerlegenden Informationen vorhanden sind. Allerdings gibt es in manchen Fallkonstellationen kaum Informationen zur Widerlegung der Verdachtshypothese. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn länger zurückliegende Tathandlungen sich zeitlich nicht mehr genau lokalisieren lassen, keine Zeugen zugegen waren und keine Spuren festzustellen waren.

Eine positive Prüfstrategie kann somit in einem bestätigenden/konfirmatorischen Prüfvorgehen münden, das auch als Bestätigungsverzerrung bezeichnet wird (sog. confirmation bias). Bestätigungsverzerrungen beschreiben die Tendenz, dass (a) vorwiegend Informationen zur Bestätigung der Ausgangshypothese gesucht und (b) uneindeutige Informationen im Sinne der Ausgangshypothese interpretiert und alternative Erklärungen ignoriert werden (z. B. Ask & Fahsing 2018; Nickerson 1998). Die Gefahr von Bestätigungsverzerrungen dürfte besonders groß sein, wenn mehrere ausschließlich uneindeutige Informationen vorliegen und positiv geprüft werden. Bei konfirmatorisch geführten Ermittlungen suchen Ermittler nun nach Informationen, die die Verdachtshypothese unterstützen, und vernachlässigen die Suche nach hypotheseninkonsistenten Informationen (Ask & Fahsing 2018). Außerdem neigen sie dazu, uneindeutige Informationen als Bekräftigung der Verdachtshypothese einzuschätzen und Alternativerklärungen zu ignorieren (für Experimente zur Bestätigungsverzerrung in Ermittlungen siehe bspw. Ask & Granhag 2005; Eerland & Rassin 2012; Rassin, Eerland & Kujpers 2010).

Die Präferenz einer positiven Prüfstrategie und das Ausblenden von Alternativerklärungen können als allgemeine kognitive Informationsverarbeitungsprozesse betrachtet werden. Bei Vorliegen bestimmter motivationaler Aspekte können diese Prozesse zu besonders ausgeprägten Bestätigungsverzerrungen und Bestätigungsfehlern führen. Wenn eine Person von ihrer Annahme besonders überzeugt ist und/oder ein hoher Erfolgsdruck mit der Bestätigung der Annahme verbunden ist, kann passieren, dass nicht nur uneindeutige Information im Sinne der Ausgangshypothese interpretiert, sondern auch entgegenstehende Information ignoriert oder sogar uminterpretiert wird (Nickerson 1998; Schulz-Hardt & Köhnken 2000; Trope & Liberman 1996). Oswald und Wyler (2018) diskutieren, dass solche Bestätigungsverzerrungen mit einem ganzen Bündel von Heuristiken verbunden sind, die von der Anwendung der positiven Prüfstrategie bis zum Einsatz von Strategien der völligen Immunisierung gegen der eigenen Annahme widersprechenden Informationen reichen. Diese Denkweise wird auch als »Tunnelblick« beschrieben (Findley & Scott 2006) und ist als wesentlicher Hintergrund für Justizirrtümer und falsche Verurteilungen zu betrachten (z. B. Gould et al. 2014). Die kriminalistische Fachliteratur fordert zunehmend, für diese Problematik nicht nur in Bezug auf die Fehlermöglichkeiten zu sensibilisieren, sondern auch Denk- und Handlungsstrategien aufzuzeigen (z. B. Dowling & Gundlach 2019; Walder u. a. 2020).

1.2 Schuldannahme und schuldverzerrendes Prüfen

Empirische Untersuchungen zeigen, dass eine induzierte Schuldannahme die Prozesse des Hypothesentestens in Richtung Schuldverzerrung beeinflussen. So fanden Kassin, Goldstein und Savitsky (2003) in simulierten Vernehmungen, dass studentische Befragende mit einer induzierten Schuldvoreinstellung (a) mehr schuldverzerrte Fragen zur Vorbereitung einer Beschuldigtenvernehmung auswählten, (b) mehr geständnisorientierte Vernehmungstaktiken bei der Befragung von unschuldigen Beschuldigten zu einem simulierten Diebstahl anwendeten und (c) mehr Geständnisdruck auf die Beschuldigten ausübten als studentische Befragende ohne eine solche Schuldvoreinstellung. Auch Hill, Memon und McGeorge (2008) zeigten, dass studentische Vernehmende mit einer Schuldvoreinstellung mehr schuldverzerrte Fragen formulierten als studentische Vernehmende ohne eine solche Voreinstellung. Narchet, Meissner und Russano (2011) fanden zudem, dass sich die induzierten Schuldvoreinstellungen signifikant negativer auf die Vernehmung von Unschuldigen als auf die Vernehmung von Schuldigen auswirkten (d. h. starkes geständnisorientiertes Vorgehen bei Unschuldigen, das zu falschen Geständnissen führte). Eine weitere Studie zeigte, dass uneindeutige Beweise umso belastender eingeschätzt wurden und die abschließende Schuldeinschätzung umso höher ausfiel, je ausgeprägter die ursprüngliche Schuldüberzeugung der Teilnehmenden war (Charman, Kavetski & Hirn Mueller 2017). Effekte von Voreinstellungen wurden auch bei der Beurteilung von Fingerabdrücken (Dror, Charlton & Péron 2006) bzw. DNA-Ergebnissen durch Experten nachgewiesen (Dror & Hampikian 2011; vgl. auch Cooper & Meterko 2019).

In den referierten Studien mit Befragungskontext wurde die Voreinstellung bei den Versuchsteilnehmern durch variierende Basisratenangaben (bspw. vier von fünf Beschuldigten haben die Tat begangen vs. einer von fünf Beschuldigten hat die Tat begangen; Kassin et al. 2003) oder durch Informationen über Verdachtsmomente manipuliert (Behauptung einer DNA-Übereinstimmung mit dem Beschuldigten vs. keine DNA-Übereinstimmung mit dem Beschuldigten vs. nicht aussagekräftiges DNA-Ergebnis; Charman et al. 2017). Dadurch war es möglich den Effekt der Voreinstellung auf die Kognitionen und das Verhalten des Vernehmers zu untersuchen. Volbert und May (2016) argumentieren, dass reale Beschuldigtenvernehmungen bereits aus strukturellen Gründen eine Tendenz zur Schuldverzerrung aufweisen (vgl. auch Fahsing 2016; Volbert & Böhm 2008): Während in den oben zitierten Studien eine Schuldannahme eigens induziert wurde, stellt ein gewisses Maß an Schuldannahme einen inhärenten Faktor in polizeilichen Vernehmungssituationen dar (vgl. auch Kassin 2015). Diese Annahme gründet darin, dass jemand erst als Beschuldigter vernommen wird, wenn entsprechende Verdachtsmomente gegen ihn vorliegen. Bestreitet der Beschuldigte im Rahmen der Vernehmung den Tatvorwurf, führt diese Einlassung ohne Vorbringen explizit entlastender Fakten nicht bereits zu einer Revidierung der Schuldannahme beim Vernehmenden. Dies scheint begründet, denn auch ein substantieller Anteil Schuldiger bestreitet einen Tatvorwurf (z. B. Volbert et al. 2019). Allerdings hat das auch zur Folge, dass sich ein Unschuldiger in einer Vernehmung mit einem Befragenden konfrontiert sieht, der eine gewisse Schuldannahme hat und diese durch ein bloßes Bestreiten des Tatvorwurfs auch nicht verwirft. Sind die Vernehmenden sich dieser strukturell bedingten Schuldverzerrungstendenz nicht bewusst, besteht bei uneindeutiger Beweislage daher immanent die Gefahr, dass Vernehmende ein Zurückweisen des Tatvorwurfs als unzutreffendes Leugnen interpretieren und die Schuldannahme eine Tendenz zur Selbstbestätigung entwickelt. Diese Tendenz reflektiert insofern nicht notwendigerweise eine fehlerhafte frühzeitige Festlegung. Wie oben beschrieben resultiert sie vielmehr bei positiver Prüfstrategie und fehlender Formulierung von Alternativhypothesen aus allgemeinen Informationsverarbeitungstendenzen (bzw. Bestätigungsverzerrungen).

Dies wird auch durch eine Studie von Fahsing und Ask (2013) unterstrichen, in der Ermittler von Mordkommissionen in Norwegen und England das Benennen von Verdächtigen und das Beschuldigen und Festnehmen von Personen als Ermittlungszeitpunkte bezeichneten, bei denen es zu einem Wechsel von einer offen-abwägenden Denkweise (d. h. einem Überlegungsprozess, bei dem Ermittler offen und kreativ für verschiedene Ermittlungsrichtungen sind) zu einer schuldprüfende Denkweise kommt (d. h. einem kognitiver Prozess, bei dem Ermittler eine Hypothese fokussieren, diese zu bestätigen versuchen und weniger offen sind). In Übereinstimmung damit stehen Ergebnisse einer schwedischen Studie von Lidén, Gräns und Juslin (2018). Hier lasen Polizisten eine Fallvignette, in der ein Verdächtiger entweder festgenommen worden war oder nicht. Anschließend sollten sie Fragen für die Beschuldigtenvernehmung selbst formulieren bzw. aus einem vorgegebenen Fragenkatalog wählen. Die Autoren nahmen an, dass das Auswählen von Fragen kognitiv weniger anspruchsvoll ist als Fragen selbst zu formulieren. Beim Auswählen von Fragen sollten deshalb kognitive Ressourcen zur Identifizierung von schuldverzerrten Fragen verfügbar sein. Gleichwohl entspricht das Formulieren von Fragen wohl eher der polizeilichen Praxis. Die Studie fand, dass die frei formulierten Fragen eine stärkere Schuldverzerrung aufwiesen, wenn der Beschuldigte festgenommen worden war (vs. nicht festgenommen); ein vergleichbarer Effekt zeigte sich allerdings nicht, wenn sie Fragen aus dem Fragenkatalog auswählten.

1.3 Aktuelle Studie

Die referierten Studien zeigen, dass (a) eine experimentell induzierte Schuldvoreinstellung schuldverzerrende Auswirkungen auf Vernehmungen hat und (b) bestimmte Entscheidungen in Ermittlungsverfahren eine solche Tendenz verstärken können. Der Frage, ob Beschuldigtenvernehmungen bereits per se eine schuldverzerrende Herangehensweise innewohnt, worauf die Untersuchung von Fahsing und Ask (2013) und Überlegungen von Volbert und May (2016) hinweisen, wurde bislang nicht geprüft. Die vorliegende Studie fragt, ob es bei Beschuldigtenvernehmungen per se zur Anwendung von schuldverzerrenden Prüfstrategien kommt. Sie untersucht außerdem, ob der etwaigen Anwendung einer schuldverzerrenden Prüfstrategie durch eine explizit entgegengesetzte Instruktion, die Unschuld zu prüfen, entgegengewirkt werden kann.

Zur Untersuchung dieser Fragen sollten Studienteilnehmer auf der Basis einer Fallvignette eine Beschuldigtenvernehmung vorbereiten. Dazu sollten sie Fragen frei formulieren und in einem zweiten Schritt aus einem Fragenkatalog auswählen. Die diesbezüglichen Instruktionen variierten zwischen drei Versuchsbedingungen: Die Teilnehmer sollten Fragen formulieren und auswählen (1), welche sie dem Beschuldigten stellen würden (offen-instruierte Bedingung), (2) welche sie ihm stellen würden, um herauszufinden, ob er schuldig ist (schuldig-instruierte Bedingung) bzw. (3) welche sie ihm stellen würden, um herauszufinden, ob er unschuldig ist (unschuldig-instruierte Bedingung). In Anlehnung an Untersuchungen zum sozialen Hypothesentesten (z. B. Trope & Bassok 1983) und zu kognitiven Prozessen in Ermittlungen (Lidén et al. 2018), wurde die Schuld-/Unschuldsverzerrung bzw. Offenheit mittels formulierter und ausgewählter Fragen gemessen.

Es wurde angenommen, dass die Teilnehmer in der schuldig-instruierten Bedingung und der offen-instruierten Bedingung allgemein eine schuldverzerrende Prüfstrategie anwenden (Hypothese 1a), während eine Schuldverzerrung in der unschuldig-instruierten Bedingung nicht erwartet wurde (Hypothese 1b). Diese Annahme basiert auf der Überlegung, dass eine Schuldannahme strukturell angelegt ist, so dass auch ohne besondere Instruktion, die Schuld zu prüfen, tendenziell schuldverzerrend geprüft wird. Außerdem wurde angenommen, dass durch die explizite Aufforderung, die Unschuld zu prüfen, das Ausmaß der Schuldverzerrung in der unschuldig-instruierten Bedingung geringer ausgeprägt ist als in den beiden anderen Bedingungen (Hypothese 2). Dieser Hypothese liegt zugrunde, dass generell eine Tendenz zu einer positiven Prüfstrategie besteht und aufgrund der Instruktion, die Unschuld zu prüfen, folglich Informationen erfragt werden, die man bei der Unschuldsannahme erwarten würde.

2 Methode

2.1 Stichprobe

Diese Studie umfasste 73 Bachelorstudierende einer Polizeihochschule (36 weiblich; 37 männlich), davon 23 Teilnehmer in der offen-instruierten Bedingung, 23 Teilnehmer in der schuldig-instruierten Bedingung und 27 Teilnehmer in der unschuldig-instruierten Bedingung. Der Altersdurchschnitt lag bei 27.28 Jahren (SD = 5.42; range von 18 bis 41; ein Teilnehmer ohne diesbezügliche Angabe) und die durchschnittliche polizeiliche Berufserfahrung betrug 3.21 Jahre (SD = 3.85; range von 0 bis 14). Die Teilnehmer hatten bis dahin eher selten an einer Vernehmung teilgenommen (abgefragt mittels Skala von 1 = nie bis 7 = häufig; M = 2.25, SD = 1.49, range von 1 bis 7; zwei Teilnehmer ohne diesbezügliche Angaben) bzw. selten eine Vernehmung selbst durchgeführt (abgefragt mittels Skala von 1 = nie bis 7 = häufig; M = 1.97, SD= 1.55, range von 1 bis 7). An der Datenerhebung nahmen ursprünglich 78 Studenten teil, doch ein Teilnehmer wurde aufgrund fehlender Teilnahmemotivation und vier Teilnehmer aufgrund einer unvollständigen Bearbeitung ausgeschlossen.

2.2 Versuchsmaterial

Das Versuchsmaterial bestand aus einer Fallvignette und einem daran anknüpfenden Fragebogen. Basierend auf realen Fällen wurde eine Fallvignette konstruiert, welche den Einbruch in ein Spielcasino und den Diebstahl von 8.000 € schilderte. Ein potentieller Beschuldigter wurde präsentiert, den insgesamt neun verschiedene Indizien belasteten (Augenzeugenbericht, Fingerabdrücke, Videoaufzeichnung, Wohnort, strafrechtliche Vorgeschichte und potentielles Motiv; für Details siehe Fallvignette im Anhang). Die Informationen waren so formuliert, dass jedes einzelne Indiz belastend oder nicht belastend interpretierbar und somit uneindeutig war. Die Fallvignette endete mit der Information, dass der Beschuldigte schriftlich zur Vernehmung geladen wurde. In dem nachfolgenden Fragebogen sollten die Teilnehmer zunächst fünf Fragen formulieren, die sie dem Beschuldigten in einer Vernehmung stellen würden. Die Instruktion zur Fragenformulierung variierte, sodass sich drei Untersuchungsbedingungen ergaben: »Formulieren Sie hier bitte 5 Fragen, die Sie dem Beschuldigten Boris Ivanov unter Berücksichtigung des aktuellen Ermittlungsstandes stellen würden.« (offen-instruiert-Bedingung); »... stellen würden, um herauszufinden, ob er schuldig ist.« (schuldig-instruiert-Bedingung); »... stellen würden, um herauszufinden, ob er unschuldig ist« (unschuldig-instruiert-Bedingung).«

Anschließend erhielten die Versuchsteilnehmer einen Katalog mit zwölf Fragen[1]. Hiervon sollten sie vier Fragen auswählen, »die sie dem Beschuldigten stellen würden« (offen-instruierte-Bedingungen), bzw. »stellen würden, um herauszufinden, ob er schuldig ist« (schuldig-instruierte-Bedingung), bzw. »unschuldig ist« (unschuldig-instruierte-Bedingung).

Im letzten Fragebogenabschnitt machten die Teilnehmer demografische Angaben und gaben Informationen zur Berufserfahrung in Jahren. Außerdem schätzten die Probanden auf siebenstufigen Likert-Skalen ihre Vernehmungserfahrung in Form der Häufigkeit der Teilnahme an Vernehmungen und eigene Durchführungen von Vernehmungen (jeweils: 1 = nie, 7 = häufig). Schließlich gaben sie an, wie motiviert sie bei der Studienteilnahme waren (1 = überhaupt nicht motiviert, 7 = sehr motiviert) und wie schwierig es war, die Studieninstruktionen zu verstehen (1 = überhaupt nicht schwer, 7 = sehr schwer).

2.3 Ablauf

Die Durchführung der Hauptstudie fand im Rahmen einer Gruppentestung an einer Polizeihochschule in Deutschland statt. Zu Beginn informierte die Versuchsleiterin die Teilnehmenden in standardisierter Form über Zweck und Ablauf der Studie. Sie legte den Versuchsteilnehmern die beschriebenen Materialien mit der Information vor, es gehe um die Entwicklung eines Vernehmungsleitfadens. Durch diese Coverstory sollte sichergestellt werden, dass die Versuchspersonen die eigentliche Fragestellung der Untersuchung nicht erkannten. Anschließend füllten alle Teilnehmer eine Einverständniserklärung zur Schweigepflicht über den Untersuchungsgegenstand gegenüber Kommilitonen, zur Freiwilligkeit der Studienteilnahme und anonymen Verwendung der Daten aus. Alle Teilnehmenden sollten das Versuchsmaterial in der vorgegebenen Reihenfolge alleine bearbeiten. Die Zuordnung zu den drei Versuchsbedingungen erfolgte randomisiert beim Austeilen der Materialien. Nach der Bearbeitung sammelte die Versuchsleiterin die Materialien ein und löste die Coverstory auf. Die Bearbeitung dauerte circa 35 Minuten.

2.4 Abhängige Variablen

Vier unabhängige Raterinnen schätzten die frei formulierten Fragen hinsichtlich ihrer Schuld-/Unschuldsverzerrung ein. Hierzu lasen sie zunächst die Fallvignette und überlegten sich verschiedene Szenarien, in denen der Beschuldigte entweder der tatsächliche Täter war oder nicht und sich daraus ergebende Fragen an den Beschuldigten. Anschließend schätzten sie die frei formulierten Fragen auf einer fünfstufigen Likert-Skala von 1 (stark schuldverzerrt; z. B. »Ist es nicht ein seltsamer Zufall, dass Ihre Fingerabdrücke ausgerechnet auf dem aufgebrochenen Automaten zu finden waren?«) über 3 (ergebnisoffen; z. B. »Wo waren Sie in der Nacht vom 14. auf den 15. Mai?«) bis 5 ein (stark unschuldsverzerrt; z. B. »Haben Sie je beim Spielen an den Automaten im Spielcasino $$$ die Schließvorrichtung der Automaten berührt?«). Die von den Versuchsteilnehmern formulierten Fragen wurden zuvor von der Versuchsleiterin durchmischt. Die Raterinnen waren somit über den generellen Studienablauf informiert, aber blind bezüglich der Zugehörigkeit der einzuschätzenden Frage zur jeweiligen Untersuchungsbedingung.

Bei allen vier Raterinnen handelte es sich um Psychologiestudentinnen im fortgeschrittenen Masterstudium (Psychologie). Sie erhielten eine Einführung in das Ratingsystem und hatten während des Ratings die Möglichkeit Rückfragen zu stellen. Die Beurteilungsübereinstimmung der vier Raterinnen war nach Cicchetti (2001) sehr gut (Intraklassenkorrelation = .806). Die Werte der Raterinnen wurden anschließend für jede Frage gemittelt. Auf dieser Basis wurde pro Versuchsperson ein Gesamtmittelwert über alle fünf Fragen errechnet, der die abhängige Variable »Prüfstrategie – Frage formulieren« darstellt.

Bei der abhängigen Variablen »Prüfstrategie – Frage auswählen« wurde ein gewichteter Gesamtscore gebildet. Hierzu wurden die ausgewählten Fragen, die in der Pilotstudie als stark schuldverzerrt geratet wurden (z. B. »Haben Sie den Spielautomaten an der Schließvorrichtung berührt, um ihn aufzubrechen?«) mit »1« gewichtet, die offenen Fragen (z. B. »Wie erklären Sie sich, dass wir Ihre Fingerabdrücke an der Schließvorrichtung des aufgebrochenen Automaten sichergestellt haben?«) mit »3« und die unschuldverzerrten Fragen (z. B. »Haben Sie sich beim Spiel an der Seite des Automaten angelehnt und ihn dabei in Höhe der Schließvorrichtung berührt?«) mit »5«. Die gewichtete Summe wurde anschließend relativiert durch die Anzahl der ausgewählten Fragen (4).

3 Ergebnisse

3.1 Voranalysen

Bezüglich Alter, Geschlecht, Teilnahmemotivation, Berufserfahrung sowie Vernehmungserfahrung fanden sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Untersuchungsbedingungen. Ein signifikanter Unterschied ergab sich hinsichtlich der Verständlichkeit der Instruktionen,[2] Welch-Test F(2, 37.681) = 6.786, p = .003 (hier fehlte die Angabe eines Teilnehmers). Bonferroni post-hoc Tests zeigten jedoch keine signifikanten Unterschiede zwischen der offen-instruierten (M = 1.78, SD = 1.13, n = 23), schuldig-instruierten (M = 1.14, SD = 0.35, n = 22) und unschuldig-instruierten Bedingung (M = 1.78, SD = 1,09, n = 27).

Da die abhängigen Variablen (Fragen formulieren bzw. Fragen auswählen) nicht normalverteilt waren, wurden der Wilcoxon-Einstichproben-Rangsummentest und Kruskal-Wallis-Test als non-parametrische Äquivalente zum Einstichproben-t-Test und der einfaktoriellen Varianzanalyse durchgeführt.

3.2 Verzerrungstendenzen innerhalb der jeweiligen Versuchsbedingungen

Zur Berechnung, in welchem Ausmaß die Teilnehmer innerhalb der Bedingungen schuldverzerrende, unschuldsverzerrende oder ergebnisoffene Prüfstrategien anwandten, wurde für jede der drei Bedingungen mittels Wilcoxon-Einstichproben-Rangsummentest berechnet, ob eine Abweichung vom Skalenmittelwert 3 (inhaltliche Bedeutung: ergebnisoffen) vorlag.

3.2.1 Prüfstrategie – Fragen formulieren.

Bei den selbst formulierten Fragen fanden sich entsprechend Hypothese 1 a signifikante Abweichungen in Richtung Schuldverzerrung in der schuldig-instruierten Bedingung, z = -3.967, p < .001, r = -0.827, und der offen-instruierten Bedingung, z = -4.200, p < .001, r = -0.876. Im Widerspruch zu Hypothese 1 b zeigte sich auch in der unschuldig-instruierten Bedingung eine signifikante Abweichung Richtung Schuldverzerrung, z = -4.258, p < .001, r = -0.819 (deskriptive Statistiken siehe Tabelle 1).

3.2.2 Prüfstrategie – Fragen auswählen.

Bei den ausgewählten Fragen fanden sich entgegen Hypothese 1 a keine signifikanten Abweichungen in Richtung Schuldverzerrung in der schuldig-instruierten Bedingung, z = 1.103, p = .270, r = 0.230 und der offen-instruierten Bedingung, z = 0.894, p = .371, r = 0.186. Im Einklang mit Hypothese 1 b zeigte sich in der unschuldig-instruierten Bedingung eine signifikante Abweichung Richtung Unschuldsverzerrung, z = 2.623, p = .009, r = 0.505.

Tabelle 1

Mediane, Mittelwerte und Standardabweichungen der angewendeten Prüfstrategien in den drei Bedingungen.

Prüfstrategie

Fragen formulieren
Prüfstrategie

Fragen auswählen
n
BedingungMdnMSDMdnMSD
Schuldig-instruiert3.002.610.283.003.130.4823
Offen-instruiert2.502.370.553.003.090.4723
Unschuldig-instruiert2.752.640.253.503.310.5727

3.3 Unterschiede im Ausmaß der Verzerrungstendenzen zwischen den Versuchsbedingungen

Zur Untersuchung, ob Unterschiede im Ausmaß der Anwendung von un-/schuldverzerrenden Prüfstrategien zwischen den drei Bedingungen vorlagen, wurde der Kruskal-Wallis-Test mit dem dreistufigen Faktor Instruktion (offen, schuldig, unschuldig) und den entsprechenden abhängigen Variablen durchgeführt. Im Widerspruch zu Hypothese 2 zeigte sich, dass die Instruktion keinen Einfluss auf die angewandte Prüfstrategie beim Formulieren der Fragen hatte, H(2) = 2.004, p = .367, r = 0.235; auch auf die angewandte Prüfstrategie beim Auswählen der Fragen hatten die Instruktionen keinen Einfluss, H(2) = 1.595, p = .450, r = 0.187.

4 Diskussion

Die vorliegende Studie untersuchte die Anwendung von Prüfstrategien in Beschuldigtenvernehmungen. Dafür wurden Studierende einer Polizeihochschule aufgefordert, zu einem vorgegebenen Fall mit einer uneindeutigen Beweislage Fragen für die Beschuldigtenvernehmung zu formulieren bzw. aus einem Fragenkatalog auszuwählen. Die drei Versuchsbedingungen unterschieden sich dahingehend, dass entweder eine explizite Prüfrichtung vorgegeben wurde (schuldig-instruiert bzw. unschuldig-instruiert) oder nicht (offen-instruiert). Hintergrund hierfür war die Vermutung, dass eine polizeiliche Beschuldigtenvernehmung strukturell bedingt eine schuldverzerrende Prüfstrategie begünstigt und dieser mittels der Instruktion, die Unschuld zu prüfen, entgegengewirkt werden kann.

Es zeigte sich, dass das Ausmaß der Schuldverzerrung in Abhängigkeit von der Messung der Prüfstrategie unterschiedlich ausfiel: Beim Auswählen aus einem Fragenkatalog war entgegen unserer Hypothese keine schuldverzerrte Abweichung in der offen-instruierten und in der schuldig-instruierten Bedingung festzustellen. Möglicherweise verglichen die Teilnehmer hier die verschiedenen Fragevarianten des Fragenkatalogs miteinander und entschieden sich für eine ergebnisoffene Frage. Dies spricht für ein prinzipielles Bewusstsein, dass Fragen offen zu formulieren sind. In der unschuldig-instruierten Bedingung kam es beim Auswählen von Fragen zu einer unschuldsverzerrten Abweichung. Dieses Ergebnis steht mit der Hypothese in Einklang, dass bei unschuldiger Prüfinstruktion eher nach Ereignissen gefragt wird, die bei Unschuld erwartet werden (i. S. e. positiven Prüfstrategie). Zwischen den drei Instruktionsbedingungen fanden sich allerdings keine signifikanten Unterschiede der Prüfstrategie beim Auswählen aus einem Fragenkatalog. Insgesamt wählten die Teilnehmenden somit überwiegend ergebnisoffene Fragen aus, wenn ihnen ein Fragekatalog vorgelegt wurde.

Sollten die Teilnehmenden selbst Fragen formulieren, zeigte sich im Einklang mit unserer Hypothese in der schuldig-instruierten Bedingung und der offen-instruierten Bedingung eine schuldverzerrte Abweichung. Entgegen unserer Hypothese zeigte sich bei eigener Frageformulierung eine schuldverzerrte Abweichung auch in der unschuldig-instruierten Bedingung. Zwischen den drei Testinstruktionen fanden sich wiederum keine signifikanten Unterschiede. Die festgestellte Tendenz zur Schuldverzerrung bei der Formulierung eigener Fragen konnte durch eine Instruktion, die Unschuld des Beschuldigten zu prüfen, somit nicht verhindert werden.

Diese Ergebnisse stehen in Einklang mit den oben referierten Ergebnissen von Lidén et al. (2018), die ebenfalls eine Schuldverzerrung bei selbständig formulierten Fragen fanden, aber nicht beim Auswählen aus einem Fragenkatalog. Dies lässt unterschiedliche Interpretationen zu: So ist es möglich, dass die Aufforderung, selbständig Fragen zu formulieren, eine schuldunterstellende Befragungstendenz realistisch wiedergibt und dass die Präferenz ergebnisoffener, neutraler Fragen bei der Vorgabe von Fragen eher eine Antworttendenz im Sinne sozialer Erwünschtheit reflektieren. Umgekehrt könnten die Ergebnisse auch darauf verweisen, dass Vernehmende Informationen ergebnisoffen prüfen wollen, aber Schwierigkeiten haben, Frageformulierungen zu finden, die diese Offenheit auch zum Ausdruck bringen. Lidén et al. (2018) gehen von letztgenannter Möglichkeit aus und argumentieren, dass die Formulierung eigener Fragen mit höherer kognitiver Beanspruchung verbunden ist und dass eine starke kognitive Beanspruchung konfirmatorische Prozesse begünstigt.

Die Ergebnisse legen nahe, dass ein prinzipielles Wissen um eine offene Befragung bei der Formulierung eigener Fragen nicht optimal umgesetzt werden kann und eine Schuldverzerrung dabei stärker zum Tragen kommt als bei der Auswahl von Fragen. In der polizeilichen Praxis erfolgt die Vernehmungsplanung nicht durch Auswahl aus einem vorgefertigten Fragekatalog, sondern – wenn denn eine Vernehmungsplanung erfolgt – durch die Vorab-Formulierung eigener Fragen. Zu einem erheblichen Teil werden Fragen aber erst in der Vernehmungssituation formuliert. Sollten die Ergebnisse Schwierigkeiten beim Formulieren ergebnisoffener Fragen reflektieren, dürften diese aufgrund der generell stärkeren kognitiven Beanspruchung in der unmittelbaren Vernehmungssituation vermutlich noch stärker ins Gewicht fallen als in der hier durchgeführten Studie. Die Ergebnisse legen daher nahe, dass in der Ausbildung von Polizisten nicht nur angemessene Vernehmungsmethoden theoretisch vermittelt, sondern auch praktisch geübt werden sollten, damit in der tatsächlichen Vernehmungssituation offene Frageformulierungen leichter zur Verfügung stehen.

Die Studie macht deutlich, dass Vernehmende vor einer großen Herausforderung stehen. Sie sollen einer Person den Beschuldigtenstatus zuschreiben, wenn sie hinreichende Verdachtsmomente gesammelt haben. Dieser Zuschreibungsprozess setzt eine eigene Schuldüberzeugung zu einem gewissen Ausmaß voraus. Wenn sie dann allerdings den Beschuldigten vernehmen, sollen sie diese vorherigen Überlegungen möglichst ausblenden und die Beschuldigtenvernehmung ergebnisoffen durchführen. Die vorliegenden Ergebnisse legen nahe, dass den Polizeistudierenden die Notwendigkeit oder zumindest die an sie gerichtete Erwartungshaltung einer ergebnisoffenen Prüfstrategie prinzipiell bewusst ist. Bei der Formulierung eigener Fragen zeigte sich dennoch eine schuldverzerrte Tendenz, und zwar in allen drei Instruktionsbedingungen. Die simple Instruktion, herauszufinden, ob der Beschuldigte unschuldig ist, schwächte diese schuldverzerrte Tendenz also nicht bedeutsam ab.

Es sind daher weitere Untersuchungen zur Entwicklung von Strategien erforderlich, die Bestätigungsverzerrungen in Ermittlungen entgegenwirken. Fahsing, Rachlew und May (2020) fanden in einer Studie mit Polizeistudierenden, dass die explizite Aufforderung das Gegenteil zu berücksichtigen (»consider the opposite«) bei der systematischen Formulierung von Alternativhypothesen helfen kann (siehe z. B. auch Rassin 2018, für ein »pen and paper – tool«). Fahsing (2016) schlägt weiter vor, dass Ermittler zunächst systematisch alle möglichen Alternativhypothesen konkurrierend formulieren und anschließend mittels Ermittlungstechniken verifizierend und falsifizierend prüfen sollen. Zur Untersuchung dieser Überlegung wäre zum Beispiel denkbar, dass Teilnehmende vor der Frageformulierung explizit ein Szenario beschreiben, wonach der Beschuldigte unschuldig ist (im Sinne von konkreten Alternativhypothesen). Erst durch ein Falsifizieren der Alternativhypothesen (bzw. Unschuldshypothese) bliebe die Verdachtshypothese als bestmögliche Erklärung der vorliegenden Erkenntnisse bestehen bis gegenteilige Erkenntnisse auftauchen. Außerdem schlug van der Sleen (2009) vor, bei der Vernehmungsvorbereitung alle denkbaren Erklärungsvarianten eines Beschuldigten zu antizipieren, um die Wahrscheinlichkeit zu reduzieren, dass man als Vernehmer von der Schuld des Beschuldigten ausgeht.

Die vorliegende Studie weist einige Limitationen auf. Bereits innerhalb der Studie variierte die Einschätzung der Schuldverzerrung in Abhängigkeit davon, ob die Fragen aus einem vorgegebenen Fragenkatalog gewählt oder selbst formuliert wurden. Insofern ist nicht auszuschließen, dass sich die Frageformulierung in einer tatsächlichen Vernehmung noch einmal anders gestaltet. Um gleichzeitig die Effekte unterschiedlicher Instruktionen prüfen zu können, könnten zukünftige Studien mit simulierten Vernehmungen arbeiten. Des Weiteren war die Stichprobe relativ klein, wodurch die statistischen Tests unter einer geringen Power leiden und eine zukünftige Replikation mit deutlich umfangreicher Stichprobe erfolgen sollte. Außerdem kann lediglich spekuliert werden, ob durch die Stichprobe von Studierenden einer Polizeihochschule, das Ausmaß der Anwendung einer schuldverzerrenden Prüfstrategie unter- oder überschätzt wird. Einerseits ist denkbar, dass in realen Vernehmungen eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Fallmaterial und eine umfassendere Vorbereitung erfolgt, was eine ergebnisoffene Vernehmung fördern könnte. Jedoch ist auch möglich, dass sich potentielle schuldverzerrende Vorgehensweisen mit zunehmender Erfahrung verfestigen und sich daher mit längerer Berufserfahrung auch ausgeprägter zeigen. Zukünftige Studien könnten dieser Frage nachgehen, indem Laien und Polizisten mit variierender Erfahrung einbezogen werden. Schließlich ist die Motivation bei der Bearbeitung einer Fallvignette sicherlich nicht vergleichbar mit der einer tatsächlichen Fallbearbeitung. Einflüsse motivationaler Aspekte in Ermittlungen auf Bestätigungsverzerrungen sollten deshalb zukünftig genauer beleuchtet werden.

Die vorliegende Studie muss als ein Schritt betrachtet werden, die Prüfstrategien bei polizeilichen Beschuldigtenvernehmungen in Deutschland zu untersuchen. Internationale Forschungsarbeiten zeigen, dass Verzerrungen beim Formulieren und Prüfen von Hypothesen die Informationssammlung und -interpretation in Ermittlungen negativ beeinflussen können. Polizeiliche Ermittlungen können wiederum das nachfolgende Verfahren in entscheidender Weise prägen und schließlich in Justizirrtümern münden (z. B. Kassin et al. 2013). Deshalb wäre es wünschenswert, dass sich zukünftig weitere Untersuchungen den Prüfstrategien in Ermittlungen in Deutschland widmen und insbesondere kognitive Hilfsmittel entwickeln, die solchen Verzerrungen entgegenwirken können. Dabei kommt auch der polizeilichen Aus- und Fortbildung eine besondere Bedeutung zu. Diese darf sich nicht nur auf theoretische Wissensvermittlung beschränken, sondern sollte auch Vernehmungsübungen und -trainings anbieten.

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Anhang

Fallvignette

Im Rahmen einer Objektüberwachung bemerkten zwei Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes am Sonntagmorgen (15. Mai 2016) gegen 02:40 Uhr einen Einbruch in das »Spielcasino $$$« in der Müllerstraße in Berlin-Wedding.

Laut ihren Zeugenaussagen nahmen sie bei ihrem Eintreffen eine Person wahr, die sich widerrechtlich Zutritt zum Casino verschafft hatte und in der Folge flüchten konnte. Die Person sei männlich, ca. 180-190 cm groß und von kräftiger Statur gewesen. Er habe dunkle Kleidung getragen und sein Gesicht sei von einer Kapuze verdeckt worden. Der unbekannte Täter entwendete aus einem Automaten ca. 8.000 €, die er vermutlich in einem Rucksack mit sich führte.

An der Seite in Höhe der Schließvorrichtung und auf dem Bildschirm des aufgebrochenen Automaten fanden sich unter anderem Fingerabdrücke von Boris Ivanov. Laut POLIKS-Auskunft1 ist Herr Ivanov 28 Jahre alt, 183 cm groß, in der Sprengelstraße 35 in Berlin-Wedding gemeldet, deutscher Staatsbürger und bereits im Rahmen von Laden- und Handtaschendiebstählen polizeilich in Erscheinung getreten.

Aus den Ihnen vorliegenden polizeitaktischen Hinweisen geht hervor, dass Herr Ivanov BTM-Konsument ist (Heroin und Kokain).

Ein Angestellter des Spielcasinos erkannte Boris Ivanov in seiner Zeugenvernehmung anhand einer Wahllichtbildvorlage als Gast des Casinos wieder. Dieser Zeuge gab an, Herr Ivanov sei wiederholt im Casino gewesen, so auch am Samstagnachmittag (14. Mai 2016). An diesem Tag habe Herr Ivanov an mehreren Automaten gespielt, jedoch keinen größeren Gewinn erzielt und gegenüber dem Zeugen frustriert geäußert, er werde »sich sein Geld beim nächsten Mal schon holen«.

Auswertungen von Videoaufzeichnungen der Einbruchsnacht einer ca. 250 m vom Spielcasino entfernt gelegenen Bank ergaben, dass Boris Ivanov diese um 01:46 Uhr in Richtung des Casinos passierte.

Boris Ivanov wurde schriftlich zur heutigen Vernehmung geladen.

Online erschienen: 2021-06-12
Erschienen im Druck: 2021-06-08

© 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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Downloaded on 27.4.2024 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/mks-2021-0102/html
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