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Reviewed by:
  • Hugo von Hofmannsthal et le Festival de Salzbourg (1917–1929) ed. by Jean-Marie Valentin
  • Andrei Corbea-Hoisie
Jean-Marie Valentin, Hrsg., Hugo von Hofmannsthal et le Festival de Salzbourg (1917–1929). Übersetzung, Präsentation, Anmerkung von Arras: Artois Presses Université, 2020. 480 pp.

In dem umfangreichen wissenschaftlichen Werk des langjährigen Ordinarius für Germanistik an der Sorbonne (Université Paris 4) und ehemaligen Präsidenten der Internationalen Vereinigung für Germanistik Jean-Marie Valentin wurde Hofmannsthal und der Wiener Moderne bisher keinen besonderen Platz eingeräumt. Dennoch steht sein neuestes Buch, in dessen Mittelpunkt sich das facettenreiche Verhältnis des Autors von Andreas zu den von ihm, von Richard Strauss und Max Reinhardt ins Leben gerufenen Salzburger Festspielen befindet, in engster Verbindung zu Forschungsgebieten, in denen sich der französische Kultur- und Literaturwissenschaftler durch äußerst beachtenswerte Beiträge auszeichnete: Seine Untersuchungen zur Theorie und Ästhetik des Dramas und der Theaterpraxis oder zu Momenten und Figuren der Theatergeschichte im deutschen Sprachraum—vom Jesuitentheater des 16.-18. Jahrhunderts und dem Volksstück des 18.-20. Jahrhunderts bis zu Lessing, Goethe, Brecht oder Heiner Müller—bilden eine solide Grundlage für eine Unternehmung, die in ihrem Umfang und ihrer Struktur seinesgleichen nicht kennt. Es handelt sich hier vorerst um eine editorische Auswahl von Texten Hofmannsthals, die um seine Präsenz im inneren Kreis der Festspiele-Gestalter in dem ersten Jahrzehnt ihres Bestehens eine interessante Sicht auf die Wechselseitigkeit zwischen der damaligen Salzburger Programmatik und ihrer Verwirklichung bieten: Sie reichen von den Anfangskonzepten des Projekts bis zu den Kommentaren zu den Inszenierungen Max Reinhardts und den sogenannten "Wiener Briefen," Korrespondenzen für die amerikanische Zeitschrift The Dial, die bestimmt waren, einem virtuellen Übersee-Publikum das künstlerische Leben in Wien und Mitteleuropa mit all ihren "Attraktionen"—einschließlich der Salzburger Festspiele—regelmäßig darzustellen. Der Schwerpunkt des Buches liegt aber in der Aufnahme der Texte jener drei großen theatralischen Vorhaben, die [End Page 68] Hofmannsthal trachtete, zum geistigen Emblem der Salzburger Sommer werden zu lassen: Jedermann, das schon in einer ersten Fassung in Berlin 1911 gespielt wurde, Das Große Salzburger Welttheater, dessen Premiere während der Spielzeit 1922 in der Salzburger Kollegienkirche stattfand, und Xenodoxus, ein Stück, das eigentlich nie entstanden ist, wobei aber dessen Plan aus den Notizen des Dichters ziemlich präzise rekonstituiert werden kann. Gelehrte Einführungen und umfangreiche Anmerkungen zu den gesammelten Schriften begleiten diese Editionsarbeit, die, wohlgemerkt, auch die mühevolle Übersetzung aller Bestandteile ins Französische voraussetzte. Ein kulturwissenschaftlicher und (warum nicht?) translatorischer Kraftakt, den Jean-Marie Valentin mit größter Bravour meisterte!

Nicht zufällig weist der Autor auf einen seinerzeit vieldiskutierten Entwurf typologischer Periodisierung der deutschsprachigen Literatur hin, den Heinz Schlaffer in seiner Kurzen Geschichte der deutschen Literatur von 2002 (deren französische Fassung ein Vorwort von Jean-Marie Valentin enthält) erstellt hatte: Jener Epoche mit weltliterarischem Rang, die zwischen 1760–1830 sich in den norddeutschen/protestantischen Zentren Leipzig, Weimar, Jena, Berlin entfalten durfte, soll eine ebenbürtige, katholischjüdische und Österreich-zentrierte Zeitspanne (1890–1938) gefolgt haben, zu der Hofmannsthals Schaffen, wie auch die Werke von Freud, Schnitzler, Musil, Broch oder Rilke zugeordnet werden könnten. Es leuchtet aus allen literarischen und metaliterarischen Zeugnissen ein, dass Hofmannstahl sich selbst von einer gewissen Idee des kulturtragenden "Austriazismus" beflügeln ließ, als er sich im Laufe des 1. Weltkriegs für eine Rettung der Habsburger Monarchie als zivilisatorisches Bindeglied Mitteleuropas einsetzte und später, nach ihrer Auflösung, nach einer symbolischen Legitimation für die neu entstandene Republik "Deutschösterreich" suchte. Er rekurrierte darum mit einer bestimmten Hast auf das theoretische Angebot des damals jungen Germanisten Josef Nadler, der in seiner ideologisch manipulierbaren (wie sich schon sehr früh zeigte) Literaturgeschichte der deutschen Stämme und Landschaften (1918) die Vorstellung einer kulturrelevanten Spezifizität des süddeutschen "bayrisch-österreichischen Stammes" zu untermauern versuchte. Das sich unter Mozarts Schild befindende Salzburg schien Hofmannsthal allerdings schon 1916 als der ideelle Ort, an dem sich das katholisch-österreichische "Deutschtum" als Verkörperung der geistigen Synthese zwischen dem germanischen Norden und dem von italienischspanischen Modellen inspirierten Süden gegen die Konkurrenz von [End Page 69] Weimar oder Bayreuth behaupten konnte. Dabei sollten...

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