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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Hann, Peter.: Eine New Yorker Privatgalerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0299

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2Z2

Gine Wew-Worrkev Wvwcltgcrcevie
von p. Lann (Ncw-L)ork)

as Mnrnwrschlosz des „Kaufmcmn-Prinzen" Stewart in
der fünften Avenue, der Millionärftraße von New-
Iork, das den Beschauer trotz der italienischcn Heiterkeit
feiner Formen feit jeher wie ein Mansoleum angemutet —
so leblos lag es da mit seinen geschlossenen Fenstern, her-
abgelassenen Vorhängen und verriegelten Thnren — öffnete
sich vor knrzem nach dem Ableben der Witwe und gab
seine farbenprächtigen Gefangenen frei, die, von keinem
kunstfreudigen Auge gesehen und gcwürdigt — lange
Jahre in vden verdunkelten Gemächcrn ein Dornröschen-
leben geführt hattcn. Besäßen Bildcr und Statnen
eine Stimmc, so würden sie dieselbe vielleicht gegen die
Eigensucht erheben, die sie hinter Mauer und Riegel
bcgräbt, statt sie — dem Bolke oder wenigstens den Jün-
gern der Knnst zngänglich — ihre lichtbringcnde Mission
erfüllen zu lasseu.
Gegen Stcwart nnd seine gleichgesinnte Fran Ehe-
liebste gehalten, erscheint der Schnittwarenhändler aus
Philadelphia, der bckanntlich vor kurzem den „Christus
vor Pilatus" angckauft, um ihn zur Ansicht für seine
Lkunden im Geschäfte anszustellcn, der ideale Beschützer
der Kunst, selbst wcnn ihn nur die Absicht geleitet, ein
noch nie dagewesenes Aushängeschild für seinen Laden zn
gewinnen.
Streng und unerbittlich ivnrde das Publikum von
dem Besuch der Stewarr-Galerie ausgeschlosscn. Ein son-
derbarer Mäccn, der Mann mit Stnndenglas nnd Hippc,
mußte eingreifen, uni sie ihm zugünglich zu machen. Nicht
etwa für immer! Jn wenigen Tagen sollte der Hammer
des Versteigerers die Knaus und Meissonniers, die Achen-
backis und Bonhenrs in alle Winde zersticben lassen. Die
Stadt New Iork hatte nnt Bcstimmtheit erwartet, zum
Erben der Lkunstschätze eingesetzt zu werden. Waren doch
die Eigentümer derselben ohne direkte Nachkommenschaft;
besitzt doch vielleicht nirgends in der Welt die moderne
Abänderung des dioblesse oblige — „Neichtum ver-
pflichtet" — eine sv allgemein anerkannte Geltung wie in
den Vereinigten Staaten. Kaum einer der begüterten
Männer ist aus dem Leben geschieden, ohne durch eine
gemeinnützige Stiftung seinem Nanien ein ehrenvolles Ge-
denken gesichcrt zu haben. Der Staat thut nichts für die
Kunst, wenn man nicht etwa den berüchtigten Zoll aus
Krinstwerke (der ihn erst vor kurzem sür Rembrandts
Doreur 12,000 Dollars Einfuhrzvll erheben ließ, damit,
wie die amerikanische Presse spotiend bemerkte, die einge-
borenen Rembrandts vor Konkurrenz geschützt würden),
als Ausfluß des Mäccnatentums betrachten will.
Alle öffentlichen Kunslsammlungeii führen ihre Anlage
und Bereicheruug auf den Patriotismus wohlhabender
Privatleute znrück. Daß in der Bundeshauptstadt
Washington eine wcrtvolle Bildergalerie den aus alleu
Richtungen des weiten Staatengebietes znströmendeii Be-
suchern offensteht, verdankt nian dem chrwürdigen Cor-
coran, der trotz seines hohen Alters mit dem Eifer eines
Jünglings alles Edle und Schvne zu fordern weiß, sich
den andern erhabenen Greisen unserer Zeit würdig gesellt
und — das volle Widerspiel des New-Iorker Millionärs,
der sich bei Lebzeiten gern mit dem Epitheton der Medici
schmückte und doch nur ein gewöhnlicher Krämer blieb —

bestimmte daß seine Sammlungeu nach seinem Ableben
in den Besitz des Staates übergehen. Die Lenoxstiftung
mit ihrem prachtvollen Bibliotheksgebäude, ihrem Bildersaal
— der unter cmderem das bekannte „Milton seinen Töch-
tcrn das Verlorene Paradies diktierend" enthält — ist
das Vermächtnis eines Bürgers an die New-Iorker. Das
Metropolitan-Museum, das allerdings europäischen Hof-
nnd Staatsgalerien gpgenüber ein rührend kindliches Aus-
sehen trägt, sich aber mit der Zeit zu einer New-Iorks
würdigen Kunstsammlung emporschwingen dürfte, erhielt
zmar von der Stadtverwaltung den Grund für sein Ge-
bäude im Zentral-Park, und außerdem wird ihm ein jühr-
licher Beilrag aus dem Stadtsäckel gewährt, sür welchen
es vier Tage in der Woche dem Publikum unentgeltlich
geöffnet ist, aber die Grundlage desselben, Cesnolas
chprische Ausgrabungen, wurden von Privatleuten ange-
kauft, Bermächtnissen verdankt es seinen Besitzstand an
Bildern, Skulpturen und kleinen Kunstgegenständeii, Ge-
schenken von wahrhaft fürstlicher Freigebigkeit seine
Bereichernng. Allerdings erscheincn diese nicht immer von
strengem Kuiistgeschmack oder tiefgehender Einsicht beein-
flußt. Aber wenn ein wenig gekannter Bankier dem
Musenin als Weihnachtsgabe ein Kolossatbild wie Bioziks
„Christof ColumbuS vor Jsabella der Katholischen" mit
der Begründung spendet, daß es für Amerikaner von hi-
storischem Jnteresse sei, dann unterdrückt man etwaige
Befremden über den slavischen Fanatiker auf dem virtuos
gemalten Bilde, der allen Vorstellungen von dem großen
Genueser widerspricht, behält die Bemerkungen für sich,
daß ein Balkon eigentlich von Überfluß erscheine, so lange
die Grundmauern eines Hauses nicht errichtet sind, daß
mit dem sehr bedentenden KaufpreiS manche klaffende Lücke
im Bestand des Museums ausgefüllt werden konnte, und
hält sich an den Gemeinsinn, den regen Willen, die Kunst
in der Heimat zu fördern, die aus solch einer Gabe deut-
lich sprechen. — Aber noch Eines macht diese Gabe dem
Beobachter klar: llnaufhaltsam wie in Europa vollzog
sich auch in den Vereinigten Staaten ein Umschwung in
der Anschauung, was ösfeiitlichen, was privaten Samm-
lungen fromme: Das Geschichtsbild, das Gemülde großen
nnd strengen Stils weist man den ersteren zu, während
das Sittenbild, die Landschaft, Thierstücke und Stilllcben
von den Wänden des Wohnhauses heruntergrüßen. Herr
Stewart hätte den Kolumbus iu seinem Zimmer aufgestellt,
und wenn sich im Marmorpalast keine Wand dafür groß genug
erwiesen hätte, ihn wie einst Jvons „Genius Amerikas" mit
all' seiner Anhäufiiiig von Steriienbannern, monumentalen
Frauengestalten, geflügeltem und ungeflügeltem Gethier in
seiner Villa zum sommerlichen Hausgenossen gemacht.
Wenn eine der in jüngster Zeit angelegten Privatgalerien
zum Verkauf küme, dann würde man schwerlich Bilder
wie Vernets „Triumph Julius Cäsars" darin finden.
Freilich könnte man sich auch nicht den überwältigenden
Eindruck, den die Thusnelda im „Triumphzug des Ger-
manicus" zur Zeit der Wiener Weltausstellung anf alle
Beschauer gemacht, in New Aork beim Anblick ihrer klei-
neren Zwillingsschwester ins Gedächtnis zurückrufen, in
reiner Nachfrende diese reife Frucht von Pilotys Schöpfer-
kraft genießend. Die Stewart-Galerie ist vielleicht die
 
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