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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 44.1919

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Duve, Helmuth: Die Kunst im Dienste der Volksbildung
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https://doi.org/10.11588/diglit.9120#0284

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DIE KUNST IM DIENSTE DER VOLKSBILDUNG.

VON HELMUTH DU VE—PREETZ.

Die Zeit stellt ungeheure Aufgaben. Während
die Vergangenheit unter Volksbildung die
Vermittlungdes elementaren, praktisch verwert-
baren Wissens verstand, also ein sachlich tech-
nisches Ziel ins Auge faßte, obliegt der Gegen-
wart die weit darüber hinausgehende Aufgabe
einer künstlerischen Erziehung des Volkes,
die der augenblickliche Zustand geistiger Ver-
elendung gebieterisch fordert.

Wir können nur etwas erreichen, wenn wir
alles einsetzen und uns nicht mit unzulänglichem
Behelf bescheiden. Es handelt sich darum,
zwischen Mensch und Führer, zwischen Volk
und Menschheit, zwischen dem Zeitlichen und
dem Ewigen innige symbiotische Beziehungen
anzubahnen, die auf wechselseitiges Geben
und Nehmen sich gründen. Die Brücke von
Mensch zu Mensch ist das Geistige, wie es
hinsichtlich seiner unendlichen Tiefe in der
reinen Religiosität, hinsichtlich seiner Weite
in lebendiger Kunst sichtbar wird. Diese Brücke
trutzt allen Stürmen der Zeit. Über sie hin
führt der Richtweg wahrer Kultur.

Höchstes Ziel der Volksbildung wird es immer
sein, Religion und Kunst die Zentralstellung
im Lebenskreis der Menschheit zu sichern,
damit sich an den Taten der genialen Geister,
an der Liebesmacht des Seelischen selbst, die
im Volk verborgenen Kräfte entzünden, damit
alle völkischen, politischen, wirtschaftlichen und

menschlichen Gegensätze überbrückt werden:
durch die Seele. Noch hat sie sich in ihrer
Allgewalt nicht offenbart. Aber auch ihre
Stunde wird schlagen.

Außer der freiwillig zu leistenden Arbeit der
in Stadt und Land sich bildenden Gemein-
schaften haben Kommune und Staat die prak-
tischen Vorbedingungen zu erfüllen, die eine
kulturelle Hebung der ihrer Obhut anvertrauten
Menschen ermöglichen. Was das Rathaus in
verwaltungstechnischer, die Kirchein religiöser,
die Schule in praktisch wissenschaftlicher Hin-
sicht bedeutet, das wird das künftige Volks-
haus in künstlerisch ethischer Hinsicht sein.
Hier ist der Ort, wo die vielen sehnsüchtig Su-
chenden, abseits von der grauen Alltäglichkeit,
Ruhe und Erbauung im Geiste der Kunst fin-
den, wo sie mit den großen Menschheitsaposteln
der Vergangenheit und Gegenwart Zwiesprache
halten können. Die Ausgestaltung dieser Volks-
häuser wird zwar, je nach Größe und Leistungs-
fähigkeit der betreffenden Gemeinschaft, immer
verschieden sein. Und das ist gut so. Aller
Schematismus wäre des hohen Zweckes un-
würdig. Eins aber steht fest: Hier darf nur
höchstes Streben seine Heimstätte haben.

Den größten Raum beansprucht ein würdig
ausgestatteter Saal, der der Kunst zum Tempel
dient und zur Belehrung über höchste Fragen
des Lebens allen Wahrheitsuchern offen steht.
 
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