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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,1.1929-1930

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Heft 3 (Dezemberheft 1929)
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Tierbücher
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https://doi.org/10.11588/diglit.8887#0226

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Tierbücher

(^ie Stellung des Menschen zum Tier ist immer abhängig von der Jdee, die der
'^-^Mensch von sich selbst in sich trägt. Die innere Haltung, die ihr entspricht, ist
weitgehend nnabhängig davon, ob und welche philosophische und religiöse Weltanschan-
ung er sich darüber bildet und welche Auskunft er darüber gibt. Auf diese Jdeen
im einzelnen einzugehen, wie sie zu den verschiedenen Zeiten, sich folgend oder neben-
einander, lebendig waren, ist hier nicht der Platz. Man denke aber nur, wie für
den Christenmenschen das Tier eben nur ein kleiner Ausschnitt auS der Natur be-
dentet, von der er sich durch seine Gotteskindschaft bis in seine letzte metaphysische
Wurzel, auch noch nach dem Fall AdamS, getrennt weiß; und wie der Hindu sich
mit jeder, auch der geringsten Kreatur eins fühlt in seinem tst-t>vsia-gsi. Von den
„naturalistischen Jdeen" seien nur dem Stichwort nach genannt: der liorao sspiens
des Linne, der I'lioinins nisobine des Lamettrie, der Iiorno tsber der Positivijten,
der „dionysische Mensch" Nietzsches — die jede, wie auch alle übrigen Jdeen vom
Menschen mit dessen Wesensbestimmung die Grenzen der außermenschlichen Natur
und besonderS des Tieres, als seines nächsten Nachbars verschieden ziehen. Jn un-
serer Zeit mit besonderer Kraft wirkend, ist die panromantische Jdee vom Menschen
als „Krankheit des Lebenö", als „Sackgasse der Natur". Umgekehrt wie beim Chri-
stentum der Mensch.„rückwirkend die Natur vergeistigend ja selbst heiligend durch-
dringen kann" (vgl. den Aufsatz von Andre, S. 161!), ift für die Panromantiker der
Mensch der „verlorene Sohn" der Natur. Jn unerhört osfener Weise crklärt Theo-
dor Lessing, einer der Hauptexponenten dieser Theorie, den Kernpunkt seiner
Anthropologie: „So verfestigte sich immer mehr mein Grundgedanke, daß die Welt
des Geistes und seiner Norm nur die unentbehrliche Ersatzwelt eineö am Menschen
erkrankten Lebens sei, nur das Mittel zur Errettung einer in sich fragwürdig ge-
wordenen, nach kurzem Wachbewußtsein spurlos wieder versinkenden Gattung dnrch
Wissenschaft größenwahnsinnig gewordener Raubasten." Jn seinem Buch „Meine
Tiere" (Desterheld u. Co.) führt Th. Lessing diesen Gedankcn aus mit der Sehn-
sucht eines Menfchen, der bei den Tieren das verlorene Paradies wiedersucht. Jn
nachdenklicher Betrachtung, mit Witz und in glänzender Darstellung zeigt er den
Ausdruck ihres Treibens und ihrer Triebe. Doch bleiben dem Leser die Wegweiser
verdächtig, die er auf seiner Rückkehr zur Natur für Nachfolgende errichtet hat, wie
geistvoll und blendend er immer den „Wolf und den Hund", den „wilden und
den zahmen Esel, den Eroö und den Logos" zu konfrontieren sucht. So psycholo-
gisch verständlich gerade diese Lehre ist und so romantisch sie anmutet, die Beceit-
willigkeit, mit der sie unsere Zeit mit ihren rätselvollen Unti'efen aufgenommen hat,
erregt starke Bedenken, an ihrer Ursprünglichkeit gemessen, an den andern größeren
Lösungen dieser „Menschheitsfragen". Melleicht verschwindet, auch wieder spur-
los, mit dieser „Wissenschaft" der Größenwahnsinn der Lessingschen Raubaffen und
es stellt sich heraus, daß es doch wirkliche Menschen waren, und das von Anfang
an. So kommen dann die Affen auch wieder auf ihren Platz.

Die gleiche vitalistische Tendenz in feuilletonistischer AuSgestaltung trägt das Bänd-
chen „Katzen" von Axel Eggebrecht, mit Zeichnungen von B. F. Dolbin
(Herbert Stuffer, Berlin). Der Glanz, den diese Apotheose mit Paradoxen und geist-
reichen Übersteigerungen über alles, was Katze ist, verbreitet, mag wohl etwas
schillernd erscheinen, die flotten Zeichnungen Dolbins korrigieren das Werkchcn zu
einer Werbung, durch Unverstehen und heimliche Angst vor der unbestechlichen Di-
stanzhaltung des gleißenden Katzentieres in ihm die ungebrochene Natur zu bewun-
dern und zu lieben. Die im selben Verlag erschienenen Bände „Hunde" und „Zoo"
sind ganz getragen von der Zeichenkunst Dolbins. Er versteht es in sci'nen die Kari-
katur streifenden Bildern in wenigen nervösen Strichen, für den Künstler und für den

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