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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,2.1900

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Heft 23 (1. Septemberheft 1900)
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Die klassische Kunst, [1]
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7960#0420

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Eine ivcitere solche Liccnz, die sich cms der idealistischen Auffassung des
Cinquccento erklärts ist z. B. die Jugendlichkeit der Maria in Michclangelos
PietL; dahin gehören auch die Kähne anf Raffaels reichem Fischzug, die sür die
Fischer und ihr Geschäft uiel zu klein sind.

Bei Lionardos Mona Lisa macht Wölfflin auf das auffällige Fehlen der
Augenbrauen aufmerksam. „Auffällig ist das Fehlcn der Augenbrauen. Die Wöl-
bungsflächon der Augenhöhlo gehen ohne Markierung in die (überhohe) Stirn über.
Jst das eine individuolle Eigentümlichkeit? Nein. Man kann aus einer Stelle dcs
Cortigiano entnehmen, daß es bei den Frauen Mode war, sich die Brauen auszu-
reißen*. Und ebenso galt es für schön, eine ausgedehnte Stirnflüche zeigen zu
können, weshalb auch die uordcren Haupthaare geopfert wurdcn. Daher dio
ungeheure Stirn auch bei den Mädchcnbüsten des Mino und Desiderio. Die
Freude an den Hebungen und Senkungen der weißen Flüchen, dic der Meißel
im Marmor so delikat wiedcrgab, überwog alles, man eliminierte die natür-
lichen Teilungen und erweiterte das Gebiet nach oben übermäßig. Der Ge-
schmack der Mona Lisa ist hier also noch ganz quattrocentistisch. Unmittelbar
nachher änderte sich die Mode. Die Stirn wird erniedrigt, und in den kräftig
begrenzenden Augenbrauen sieht man einen wesentlichen. Vorzug. Die Kopie
der Mona Lisa in Madrid hat aus eigcnem Willen diq Brauen hinzngefügt.
Auch in Zeichnungen Lionardos, wie in dem schönen gcsenkten Face-Kopf der
Uffizien, sind sie von späterer Hand eingetragen worden." (Schluf, folgt.)

Lose Wlätler.

Lointesfc rNusehi.

Von Marie von Ebner-Eschenbach.

Vorbemerkung. Wir feiern mit dem Abdruck dieser Erzählung, sowie
des nachfolgenden Gedichtes, die den bei Gebr. Paetel in Berlin erschiencnen
„Gesammelten Schriften" der Frau Ebner - Eschenbach entnommen sind, dcn
siebsnzigsten Geburtstag der Dichtcrin. Wegen unsrer Stellung zu ihrer lite-
rarischen Erscheinung oerweisen wir auf die Würdigung von Adolf Bartels, die
gleichfalls unser vorliegendes Heft enthält.

l-

Schloß Scbenberg, z. November >882.

Die Treibjagden sind vorbei, alle Gäste abgereist. Wir langweilen uns
ivie die Möpse, und ich habe Zeit, dir zu schreiben, liebe Nesti.

Der arme Fred ist auch fort.

Er war wieder furchtbar herzig und amüsant, obwohl er ganz un-
glücklich ist.

Mir ist leid um ihn, aber ich kann ihm nicht helfen. Scin Rahn im
Gebirge trägt gar nichts, Und man lebt nicht von der Luft, die freilich dort
sehr gut scin soll.

Aber ich habe dir etwas viel Jnteressanteres zu erzählen und will dich
gleich in niilliis res vcrsetzen. Lateinisch, meine Liebe l kommt von willeu. Wo
ich das aufgeschnappt habo? — Gott weiß es. Jch bin halt schrecklich bildungs-
fähig, wie meine Gouvernante, üie arme Nagel, die ich erzogen habe, heute
noch behauptet.

* Baldassare Castiglione, U eortigiauo (>shs). Es hcißt dort (im ersten
Buch), die Männer machten es den Frauen nach mit dem Ausreißen der tzaare
(pe1ar8i 1e ci^lia e 1a. fronte).

Runstwart

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