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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 26.1928

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Heft 5
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Friedländer, Max J.: Über das Expertisenwesen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7393#0197

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ÜBER DAS EXPERTISENWESEN

V O N

MAX J. FRIEDLÄNDER

Die Klagen über das Expertisenwesen mehren
sich. Ein Bild kann kaum noch verkauft
werden ohne die Zugabe eines Zettels, auf dem
irgendjemand versichert, das Bild rühre wirklich von
jenem Meister her. Viele Händler, darunter gerade
die kenntnisreichen und gewissenhaften, empfinden
diesen Gebrauch als Last und Herabwürdigung.

Wenn ein Witzbold den gegenwärtigen Zu-
stand sarkastisch geißeln wollte, könnte er nichts
Besseres erfinden als den Tatbestand, der neulich
bei Gelegenheit eines Hamburger Prozesses ans
Licht gekommen ist. Irgendwo saß ein Herr, der
sich Kunstforscher nannte, und schrieb im Stunden-
lohn Atteste für Bilder, die er nie gesehen hatte,
auch wohl im voraus für Bilder, die noch gar
nicht gemalt waren. Keine Autorität, ein gänzlich
unbekannter Name. Immerhin: die von ihm unter-
zeichnete Erklärung tat ihre Wirkung, wenn auch
nur in den Tiefen des Kunsthandels, wo jene Fäl-
schungen umgesetzt wurden.

Die Herren, die sich durch wissenschaftliche
Arbeit Autorität erworben haben, mit einigem Recht
auf diesem oder jenem Gebiet als Kenner gelten,
von denen sich angesehene Händler Atteste geben
lassen, will ich nicht mit jenem dunkeln Ehren-
mann auf eine Stufe stellen. Ich setze vielmehr
voraus, daß sie nach bestem Wissen und Gewissen
urteilen und daß sie ihre Sache verstehen. Aber
auch in dem angenommenen besten Fall hat der
Expertisenbetrieb in der Form, die er in den letzten
Jahren angenommen hat, bedenkliche Folgen, und
zwar für die Wissenschaft, der die Berührung mit
dem Geschäfte schlecht bekommt, für die Qualität
der Sammlungen, endlich für die Moral des Handels.

Wie war es früher? Wie konnte das Exper-
tisenwesen solchen Umfang und solche Bedeutung
annehmen?

Ehemals ließ sich der Sammler, auch wenn er
über eigenen Geschmack verfügte, gern von Sach-
kundigen beraten. Er stand etwa in dauernden
 
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