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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 16
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Brosch, L.: Venedig: IV. Internat. Kunstausstellung
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Zum Dresdner Bildhauerstreit
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0288

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250 -—Die Run st-Halle . Nx. s6

abgetönt: das Ganze sehr einfach, prima hingemalt. Talent-
voll ist Maliavine, er beweist dies durch seine knallrothen,
lachenden Bäuerinnen; mit handgroßem Pinsel und ver-
blüffender Sicherheit sind diese drallen Weiber in Lebens-
größe aus die Leinwand nur so hingeworsen.
von Schweden ist bald alles gesagt: Fjästad's Leinwand
„Schneegefilde" ist weich, doch etwas japanisch empfunden-
Aehnlich pesselbom, der einen im Abendroth intonirten See
meisterhaft wiedergiebt. von Norwegenhaben wir ein kleines
Bildchen Thaulows zu erwähnen. Dänemark ist, wie
sonst, mit Ancherschem Fischervolk, von der Sonne gestreist,
vertreten. Nicht besonders gut ist Heuer der einzige aus-
stellende Spanier Sorolla, während des Belgiers Ferd.
Knopffs mystisch angehauchtes Bildniß einer stehenden
Dame ungemein suggestiv wirkt; tüchtig ist auch die auf
einer Nauer kaltschimmernde Sonne von Tlaus. Die
Schotten haben ihre gewöhnlichen stimmungsvollen Land-
schaften, unter ihnen tritt tonangebend Lavery hervor mit
einem sicher gemalten Porträt einer Dame zu Pferde.
Auch von England ist nicht viel zu sagen: Byam
Schaws dekoratives Bild „Liebesfrüchte" ist eine erfreuliche
Schöpfung von eminent zeichnerischer Wirkung: lachende
Frauenzimmer jauchzen und springen in einer Landschaft.
Mehr konzentrirt in der Farbe ist desselben Künstlers sym-
bolisches „wo?" Ein Liebespaar, das auf märchenhaftem
Schiffe dahingleitet, während Seifenblasen, auf denen aller-
lei Episoden sich spiegeln, aus dem Wasser auftauchen.
Brangwyn zeigt mit musizirenden Jungen und lauschenden
Alten in einer Landschaft seine packende, breite Technik. —
Sargent überragt mit seinem bekannten stehenden Jungen,
der ein Sxazierstöckchen in der pand hat, vielleicht alle
hier ausstellenden Porträtisten. — Die Franzosen, die
einige vorzügliche alte Bilder von Lorot, Daubigny, Dupre
und Millet, bringen, sind auch mit Lottet und L. Simon
in ihrem eigenen Saal zu sehen. Lottet, stimmungsvoll
wie immer, zeigt uns einen Fischerhafeu, worauf die
untecgehende Sonne leuchtet, und ferner eine packend ge-
schilderte Gruppe von Bäuerinnen, die sich in ihrem
großen Schmerz trösten, während Simon mit breitester
Pinselführung zwei wuchtig wirkende Szenen aus dem
bretonischen Leben giebt.
Die Ungarn in ihrer eigenen Sektion machen nicht
den allerbesten Eindruck. Fenyes „Wittwe" ist bei aller
Stimmung mangelhaft in der Form, Pällyas mittelmäßige
Skizzen mahnen an petteukofer, Kernstock mit seinen
Männern, die flußaufwärts ein Schiff schleppen, ist ziem-
lich gut beleuchtet, während Mark, Läszlo und porovitz
im Porträt schon Bekanntes vorführen. — Der Kroate
Bukovae, der in demselben Saal seine luminösen, im
Sonnenlicht gehaltenen Akte ausstellt, hat manches Feine
in Luftton und Fleischfarbe.
Im Kabinet der Graphiker fallen die energisch im
Strich gezeichneten Porträts Zorns auf. Malerisch aufge-
faßt sind die Radirungen Edgar Lhahines (Armenier), der
mit sicherer pand elegante Pariserinnen charakterisirt: so
zählen besonders „Dame mit Kissen" und „Dolos
nisuts" zu den originellsten unter den vielen ernsten Ar-
beiten des Künstlers. Manches Andere findet sich von
Raffaeli und Rossenfosse, auch Zeichnungen von Swan,
Constantin Meunier.
Sehr interessant, speziell für Italiener, sind die Pla-
ketten- und Medaillensaminlungen von Frampton, Char-

pentier und Du Bois. Aufsehen erregt Rodin mit seinen
realistischen Schöpfungen während der Italiener Lanonica
mit zarten, mystischen Büsten, bei denen man ganz die
Technik vergißt, vorzüglichen Eindruck macht; besonders
fallen sein Lhristuskopf und zwei betende Mädchen auf,
die gleich vagen Traumgestallen erscheinen. Trentacoste
bearbeitet, wie immer, den Marmor fein und geschickt,
während er bei der lebensgroßen Bronzefigur an den auch
hier ausstellenden Meunier erinnert. Unter den Fremden
sind noch Troubetzkoi, van der Etappen, dann Stucks
„Tänzerin" und „Amazone" zu erwähnen.
Um ein Schlußwort nach unserer Betrachtung dieser
vierten „Internationalen" in Venedig zu geben, weisen
wir nur noch auf zwei fatale Punkte hin: die nebensäch-
liche Bedeutung, die das Ausland dem Unternehmen
schenkt und den Mangel an künstlerischen Leistungen der
jungen heimischen Generation. Es gebricht an frischem
Nachwuchs, und es wäre dem Lande wirklich zu wünschen,
wenn eine energische Reform seiner Kunstakademien end-
lich in Angriff genommen werde, bevor dem Lande noch
weitere Schäden bereitet sein möchten.
X
Lum kleiner Wabauerstteit.
achdem kürzlich auch Max Klinger, der den vor-
H Zug hat, nicht nur ein genialer Künstler, sondern
auch ein reicher Mann zu sein, aus „idealen" Gründen sich
zu Gunsten der Auslandsdienerei des Kunsthistorikers
Dr. Treu geäußert hat, liegen jetzt noch zwei fernere Ver-
öffentlichungen in einem Leipziger und einein Dresdener
Blatte vor. Im „Drsd. I." erläßt Prof. G. Kuehl, der
verdiente Vorsitzende der Kommission für die Internationale
Kunstausstellung ts>ot, die folgende Erklärung:
„Gegen die Kommission für die Internationale Kunst-
ausstellung ist in der Geffentlichkeit der Vorwurf erhoben
worden, daß sie die ausländische Bildhauerei auf
Kosten der deutschen bevorzuge, weil eines ihrer
Mitglieder vorankäuse französischer und belgischer Bild-
werke auf der Pariser Weltausstellung gemacht und befür-
wortet habe. Unterzeichneter weist diese Anschuldigungen,
die die Zwecke und das Ansehen der Ausstellung schwer
zu schädigen geeignet sind, mit Entschiedenheit unter den:
pinweise darauf zurück, daß solche Vorankäufe allein öurch
den gesteigerten Wettbewerb aller Nationen auf der Pa-
riser Weltausstellung insbesondere um gute französische
Kunstwerke bedingt und aus diesem Grunde für die
Zwecke unserer Kunstwerke unerläßlich waren. Line
Zurücksetzung der deutschen Kunst liegt also in jenen Vor-
käufen nicht. Die Kommission weist ferner darauf hin, daß
sie ihrerseits sich von vornherein an die Stadt Dresden
mit der später wiederholten Bitte gewandt hat, für An-
käufe auf dein Gebiete der deutschen Bildhauerei das
Doppelte von dem zu bewilligen, was für die ausländische
beantragt war, daß sie also auch nach dieser Seite hin
ihre Pflicht voll erfüllt hat." Dresden, den 5. Mai t90s.
Der obige Protest gegen eine zunächst als „Anschul-
digung" bezeichnete Thatsache, die sodann voll und ganz
zugestanden wird, berührt den unbefangenen Leser doch
 
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