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Die Kunst-Halle — 2.1896/​1897

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Nummer 5
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Seidl, Arthur: Dresdner Kunstbrief
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Berger, Rud.: Münchener Kunstschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.63305#0088

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72

Die Run st-Halle.

Nr. 5

wie es scheint, auch nicht ohne skrupellose Plagiate an Er-
rungenschaften der großen Berliner Konkurrenz geblieben
ist, guten Gewissens auch als einen Erfolg bezeichnen! So
aber kann es doch unmöglich als ein Lrfreuniß für die
Denkmal setzende Stadt, deren Ehrenbürger es hier würdig
zu verewigen galt, empfunden werden, wenn überhaupt gar
kein erster Preis unter so auffallend viel Bewerbern ver-
geben werden durfte und der zweite zwar einem sächsischen
Künstler (Malter Stein in Leipzig) zufiel, unter den zu-
erkannten dritten und vierten Auszeichnungen aber nur ein
einziges Mal noch die Dresdner Kunst vertreten war.
Die künstlerische sowohl, als vor Allem die nationale Er- ,
quickung fehlt in der ganzen Versammlung so ziemlich voll-
ständig. Das Beste wäre es daher ohne Zweifel, ein völlig
neues Ausschreiben, womöglich mit etwas weniger gebun-
dener Marschroute und einer vortheilhasteren Platzbestim-
mung, zn erlassen; denn man wird mit keinem der ge-
krönten Entwürfe, und nun fchon gar nicht mit einer Kom-
bination aus mehreren zusammen sonderlich Glück machen.
Mas uns in all' unserem heutigen Denkmalwesen so drin-
gend von Nöthen ist, es wäre ein Freimachen von der her-
kömmlichen Monumentschablone mit Sockel und Standbild,
ein produktives Hinausstrebeu einmal über das abgestan-
dene architektonische Schema hinaus zu neuer, modern-be-
redter, germanischem Eigen-Styl zumeist entnommener
Formensprache. wir müssen uns zu willkürlich-freieren,
organisch aus der zu gestaltenden Idee erschauten, nicht kon-
ventionell zusammengesetzten, sinnvollen Gebilden besreien,
phantasievoll wieder selbständig und persönlich denken. In
diesem Sinne erscheint der Rolands-Gedanke, den Prof.
Eornel. Gurlitt im „Dresd. Anz." aus diesem Anlasse aus-
führlich entwickelt und begründet hat, als gar nicht so un-
eben. Aber kein Mensch außer all' dem Künstlervolk, der
sich da ausschwänge zu einer genialen Anschauung, zu einer
wirklich fruchtbaren Betrachtung der Kunstdinge und Kunst-
aufgaben aus einem breiteren Kulturzusammenhang und
historischen Bewußtsein heraus.
kkeber Segantini, den in Berlin bereits bekannten,
hier zu Lande allerdings (durch Gutbier sun.) setzt zum
ersten Male eingeführten, Meister der Alpenwelt des En-
gadin nut seiner absonderlichen von Keinem noch abgeguckten
Malweise brauchen wir uns an dieser Stelle wohl nicht
näher mehr auszulassen. Dian vermißt in der hiesigen
Kollektion allerdings wohl manches seiner Merke, die von
dem angehenden Phantasiemaler in ihm Kunde geben
könnten; doch läßt sich immerhin sagen, daß die hier dankens-
werther Meise an einem Orte vereinigten Gelgemälde
und Zeichnungen ein in: ganzen angemessenes, in Einzel-
heiten sogar hochbefriedigendes Gesannntbild seines bis-
herigen Lebenswerkes ergeben, von William Strang
dagegen, dem genialen schottischen Zeichner, dessen reizvolle
feine Silberstift-Studienbilder vor Allem lebhaft, schon ihrer
Apartheit wegen, anziehen, mit dessen derber, an altenglische
Brutalitäten und die Hogarth'sche Groteske anklingender
Radirungs-Art sich aber nicht Jeder ohne Weiteres wird
besreunden können — von ihm erscheinen zum allerersten
Male überhaupt auf dem Festlande eine Reihe von Gel-
bildern, welche die Themata Landschaft, Sittenschilderung
und Phantasietraum im Besonderen pflegen und im ersteren
Theil sogar mehrmals von tiefer, zwingender Gesammt-
stimmung sind, im klebrigen jedoch nur selten über den be-

rüchtigten Dunstschleier der Schotten-Schule hinaus zu pi-
kanteren und freisinnigeren Farbenwirkungen fortschreiten.
l)r. Arth. Seidl.

Münchener Kunstschau.
(^)as Ei des Kolumbus! Nun scheint es auch in der
modernen Kunstentwickelung gesunden zu sein. Monate-
lang haben unsere städtischen Nationalökonomen die Köpfe
zusammengesteckt, wie der zunehmenden Konkurrenz aus
künstlerischem Gebiete ein finanzieller Ausgleich zu schaffen
wäre. Da kam ganz unerwartet die Parole: „Plakat"!
Kaum war sie ausgegeben, so war sie schon wie ein Lauf-
feuer durch die beiden Lager der Künstler und des Publi-
kums verbreitet. Lin paar glückliche Konkurrenzen thaten
das klebrige. München hat sich nun gleichfalls mit einer
reichhaltigen Ausstellung an dieser Bewegung betheiligt mit
einem Erfolge, wie er vielleicht kaum erhofft werden durfte:
die neue Plakatausstellung im Sezessionistengebäude erfreut
sich eines starken Besuches, und eine überaus lebhafte Kauf-
lust ist bereits in seinem Gefolge gewesen. Auch im übrigen
Kunsthandel sind bereits deutliche Spuren erkennbar und
selbst an den Plakatsäulen unserer Stadt beginnt sich der
Einfluß der neuen Kunstbewegung zu zeigen: kurz, das Ei
des Kolumbus scheint gefunden zu sein.
Kein Wunder, daß man bei solch überraschender Wen-
dung in Künstlerkreisen der nächsten Zukunft jetzt mit
größerer Ruhe entgegenfieht, als dies noch vor einem
halben Jahre der Fall gewesen. In den Künstlerateliers
wird rüstig gearbeitet. Freilich ist die künstlerische Aussaat
in diesem Jahre keine allzu reichliche gewesen. Hat ja doch
der Künstler in diesem nassen Sommer jedes Stündchen
Licht dem unerschöpflichen Jupiter pluvius abstehlen müssen,
kknd gerade in diesem Jahre ist die ungünstige Studienzeit
besonders fatal; denn nur ein halbes Jahr trennt noch
von der Eröffnung der „Münchener Internationalen Kunst-
ausstellung die als künstlerisches Kuriosum eine durch
den Bundesrath finanzirte Kollektivausstellung Schweizeri-
scher Künstler bringen wird.
Im „Kunstverein" ist eine künstlerisch bedeutende Woche
abgeschlossen worden: etwa zwei Dutzend durchgeführter
Studien von Egger-Lienz zu seinem großen Bilde „Ave
nach der Schlacht am Berge Isel" und dieses selbst füllten
den einen Seitensaal und ließen erkennen, daß die einzelnen
Studien nicht selten bei ihrer kkebertragung auf das große
Tableau Schaden an der Frische ihrer unmittelbaren Ent-
stehung erlitten. Im Treppenhaussaale ist der künstlerische
Nachlaß des verstorbenen Malers Eggert zur Aufstellung
gelangt und hat rasch Liebhaber gefunden. Den dritten
Saal füllten in der Hauptsache Portraits und Landschaften
von Thallmaier, der in den meisten derselben bereitsein
starkes Talent verrät. Schultze-Naumburg brachte ein
schönes Motiv aus dem Saalethal; Gehrig's Miniaturland-
schaften erinnerten an Spitzweg's beste Arbeiten; Eisele,
Hummel u. A. verstärkten mit gut empfundenen Arbeiten
den künstlerischen Erfolg der vergangenen Kunstvereins-
woche.
 
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