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Die Kunst-Halle — 3.1897/​1898

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No. 19
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Meissner, Franz Hermann: Hermann Prell und die moderne Monumentalmalerei
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Gensel, Otto Walther: Die Pariser Salons
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https://doi.org/10.11588/diglit.63304#0336

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Die A u n st - H a l l e

Nr.

292

bedeutenden Werks ebenso sehr Antheil hat als am
organischen Wachsen der Arbeit; er stellte die ge-
sammte, verständnißvolle und begeisterte Kommission
des Museums in seiner einen Person vor und ließ
dem Künstler vollkommen freie Hand, so daß das
Reisen der Künstlerintention nirgends durch Einrede
gestört ward.
Der künstlerische Erfolg dieses reifen Werks, das
ebenso wie das von Hildesheim in langsamem Durch-
dringen sicher die unbedingte Rückkehr der Monu-
mentalmalerei zum Fresko zur Folge haben wird,
hatte einige Aufträge im Gefolge, deren kleinere hier
nicht interesfiren, während der größte binnen kurzem
in der diesjährigen Berliner Ausstellung vorgeführt
werden wird. Um den Söhnen der alten Römer
die Götterwelt der Edda vor Augen zu führen,
entschloß sich unser kunstsinniger Kaiser vor etwa
5 Gehren, durch prell die Wände im Festsaal der
deutschen Botschaft in Rom (Palazzo Caffarelli) mit
Riesendarstellungen vom altnordischen Iahresmythos
schmücken zu lassen, nachdem Prof. Messel, der
geniale Architekt des Wertheimschen Waarenhauses
in der Leipziger Straße, den jetzt noch sehr nüchternen
Saal einem belebenden Umbau unterzogen haben
wird. Leider hat aus Rücksichten politischer Natur
sowie der Dresdener Verpflichtung des Künstlers statt
des Fresko die stumpftönige Temperatechnik gewählt
werden müssen; auch ist dem Gesammtwerke durch ge-
rnalte Scheinarchitektur und Scheinplastik ein spürbarer
dekorativer Zug ausgeprägt worden, der dem Raum-
sinn Drells sonst widerstrebt; dafür aber entfaltete
sich besonders in den Hauptbildern, wie der Sonnengott-
Szene am Ouell bei den Schwanjungfrauen und in dem
hochdramatischen Walkürenbild, eine lebendige poetisch-
malerische Kraft, welche eine starke Spannung auf
die Zusammenwirkung aller dieser Riesenflächen in
einem Raum Hervorrufen. wir werden bei der
Ausstellung, die ein künstlerisches Ereigniß sür
Berlin sein wird, darauf zurückkommen.
Alles in Allem ist festzustellen, daß die deutsche
Kunst der Gegenwart in prell nicht nur einen aus-
gezeichneten Geschichtsmaler, sondern auch einen
Monumentalkünstler ersten Ranges besitzt, der be-
rufen scheint, das zu schaffen, was der unglückliche
Geselschap trotz allen Schönheitssinnes vergeblich
suchte, — nämlich die Ausbildung eines nationalen
Monumentalstils; denn die Bedeutung seiner Technik,
seine siegende Kenntniß des Fresko, hoher Geistes-
schwung, originelle Phantasie, Gesühlskraft, unmittel-
barer Natursinn sind bei ihm vom vornehmsten
Stilgefühl zusammengehalten, und dabei ist er von
durchsichtiger volksthümlichkeit.

Die pariser Salons.
Von Walther Gensel, Paris.

s^e^Ansere Kunstkritik ist lange in dem Wahne
befangen gewesen, daß sie an den: Streite
der Parteien unter den Künstlern theil-
nehmen müsse, Hie Naturalismus, hie
Impressionismus, hie Japan, hie Freilicht tönre es
fast noch lauter aus den Zeitschriften als aus den
Ateliers. Aber nicht der ist der beste Kunstschrift-
steller, der den Atelierjargon am besten nachspricht,
sondern derjenige, der am empfänglichsten für Kunst-
eindrücke ist und diese seine Eindrücke Anderen am
besten mitzutheilen weiß. Das beginnt man jetzt
einzusehen. Ueberdies handelt es sich ja bei allen
jenen Streitigkeiten doch schließlich nur um ober-
flächliche Dinge, nicht um das innerste Wesen der
Kunst. Das ist das höchste Kunstwerk, das — aller-
dings unter Voraussetzung der technischen Vollendung
— die tiefsten und stärksten Empfindungen in uns
auszulösen vermag. Und dafür ist es doch ganz
gleichgültig, ob es im Rembrandtschen Helldunkel
oder im Monetschen Freilicht ausgeführt, ob es ein
treuer schlichter Naturausschnitt oder ein kühnes
Phantasiegebilde ist. Wir haben nur gegen zwei
Arten von Künstlern anzukämpfen, gegen die ge-
schickten Nachahmer fremder Eigenart und gegen die,
welche ihre Gemüthsarmuth hinter blendenden tech-
nischen Effekten zu verstecken suchen.
Von diesem Standpunkte aus kann es kaum
zweifelhaft sein, welches die beiden herrlichsten
Bilder der diesjährigen Salons sind: es sind die
„heilige Genovefa" von puvis de Thavannes
und das dreitheilige Bild: ^u ?ays 6e la IVIer von
Charles Lottet; jenes die reifste, einfachste, größte
Schöpfung eines Greises, dieses die kühne, über-
raschende That eines der Jungen.
Es ist Nacht. Tiefblau und wolkenlos ist der
Himmel, und der volle Mond strahlt auf die dichte
Dächermasse des schlafenden Paris, spiegelt sich in
dem Flusse und läßt die gegenüberliegende Hügel-
kette mit den vereinzelten Landhäusern scharf hervor-
treten. Vorn eine Terrasse mit einer Balustrade,
von der rechts ein paar Stufen zu der Thüre des
einfachen steinernen Hauses hinanführen. Drinnen
im Flur brennt eine Lampe, deren röthlich-gelber
Widerschein sich mit dem weißen Mondlichte wunder-
sam mischt. An der Balustrade aber, die eine Hand
auf sie gestützt, während die andere auf dem weißen
Schleier liegt, der ihr vom Haupte auf die Schultern
herabfällt, steht die heilige Genevieve, eine Greisin,
deren hohe Gestalt aber das Alter nicht zu beugen
vermocht hat, und horcht hinaus in die Nacht. Ls
ist unmöglich Alles wiederzugeben was das Bild in
uns weckt, der einfache Rhythmus der Linien, der
wie die Melodie eines Beethovenschen Andantes
wirkt, die sanfte Harmonie der Farben, endlich die
Heilige selbst, von deren Antlitz wir fast nichts sehen
und in der doch alles liegt; mütterliche Sorge um
die belagerte Stadt und inniges vertrauen auf die
himmlischen Mächte. Ja ich meine noch mehr aus
dem Bilde herauslesen zu können. Ob der Künstler
es beabsichtigt hat, weiß ich nicht, gleichviel: Als ich
lange vor dem Bilde gesessen hatte, da vergaß ich
völlig die Heilige und ihre Geschichte, die Gestalt
da auf der Terrasse erschien mir wie das Symbol
des Alters, und ich dachte des Künstlers, der sie He^
 
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