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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 14
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Gustav, Leopold: Münchener Brief
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Norden, J.: Berliner Kunstschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0250

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2(6

Nr.

Die Au n st-Halle

noch nicht solche Lebensfülle, wie wir dies bei Meister
Lenbach gewohnt find. Hochinteressant ist das Porträt
des Generalintendanten von Perfall, welches später eine
Perle unter dem vielen Mittelgut der Hoftheatergallerie
bilden wird. Don den: dunklen Pelzmantel hebt sich höchst
wirkungsvoll das weißbärtige kluge Gesicht ab. Auch in einen
pelz gehüllt blicken uns die durchdringenden Augen w.v.Mil-
lers an; sie beherrschen gleichsam den Saal. Trefflich ist auch
das Porträt von posfarts. Die abwägende Ruhe des
Bühnengewaltigen ist vorzüglich gegeben. Richt minder
bedeuteud find die Damenporträts. Gleich an: Eingang
„Frl. E.", eine lockige sunge Schönheit mit Rembrandthut.
Welch glückliche Lebensfreude leuchtet aus diesen: sonnigen
Mädchengesicht. Ferner „Margo Lenbach". Des Meisters
Töchterchen mit den blonden Locken hat durch die Tizian-
farbe des Gesichtchens etwas Ernstes. Auch hier sind die
Augen ungemein sprechend. Lin graziöses Köpfchen ist
„Miß Saharet" bezeichnet. Die Dame ist eine Tänzerin,
welche z. Z. viel Aufsehen macht. Ich habe sie nicht
gesehen; aber ich meine, man möchte dem Lenbachschen
Porträt schon ansehen, daß dieser kleine Kopf zu einer
graziösen, tanzfreudigen Figur gehöre. Wie ich höre, hat
Lenbach die Saharet auch tanzend fkizzirt, doch fei er von
seinen versuchen noch nicht befriedigt. Dvette Guilbert
hat Lenbach in der ihr eigenthümlichen zurückgeworfenen
Kopfhaltung gemalt; das Bild ist auch sehr interessant in
den Farben. Den Schluß bildet eine Porträtskizze der
Prinzessin Mondragone-Trabbia, ein formstrenges Profil von
herber Schönheit. — Emmy Lischke begegnen wir zum
ersten Male und die Bekanntschaft ist eine erfreuliche.
Die Landschaften der sungen Malerin bewegen sich in den
Gebieten Boecklins. Sie weiß sich aber meist selbstständig
zu halten. Lin Druidenhain, dessen Bäume von einen:
heftigen Sturm geschüttelt werden, sei besonders erwähnt.
Das ist nut einer Kraft gemalt, die bei Damen recht
selten ist. Auch das Porträt ist eine tüchtige Leistung.
Das Bild ist auch sehr fein in: Ton; Wunder nehmen
uns nur die Hände. Sie sind so oberflächlich und unindi-
viduell, wie wir sonst absolut uichts bei Emmy Lischkes
Bildern finden. Defregger ist mit dein trefflichen Kopf eines
Tyrolers vertreten und nut einen: größer:: Genrebilde:
„Eifersucht". Die halb verhaltene Leidenschaft in den:
Gesicht des Bauernburschen ist vorzüglich gegeben. Alfred
Schrötters „Kühe" sind fein in der Zeichnung und in:
Ton; in der Landschaft dachauert er nicht ohne gewisse
Sebstständigkeit. Schottische Einflüsse scheinen auf w. Bummer
eingewirkt zu haben. Sein Waldfee und ein Ackerfuhrwerk
bei beginuender Dämmerung sind seine beste Sachen. Mit
ganz besonderen Augen scheint Slewinsky zu sehen. Die
sich in seltsam verschrobener Stellung das rothe Haar
kämmende Maid hat eine seltsam gelbe Haut. Auf einen:
anderen Bilde sehen wir eine Todte mit ungeschlagenen
Augen. Auch hier ist die Lage nicht einwandsfrei. Die Still-
leben machen einen ganz verwischten Eindruck. Mn so
schmieren zu können, bedarf es einer weit größeren Sicher-
heit in: Zeichnen. Sehen wir auch noch manches Andere,
was besser fortgeblieben wäre, so fei doch mit Dergnügen
konstatirt, daß in: Kunstverein in letzter Zeit das Be-
streben herrscht, Gutes und Interessantes zu bringen.
Anter Willroiders Landschaften, meist bei denen mit etwas
düsterer Naturstimmung, sehen wir manche perle. — In
der Lu itpoldgrupp e ist nicht viel Neues dazu gekommen.
Don Lud. Gamp eine plastische Figur: „Eitelkeit". Der

Frauenkörper zeigt einen graziösen Rhythmus der Linien-
führung. Der Lntenmaler Franz Gäfsl bringt eine
lebenswahr gesehene Schwarzwälderin. Max Kuschl's
„Aus Dantes Unterwelt" wirkt wie eine frostige Allegorie.
Einen sehr guten Frauenkopf mit sprechenden Augen sehen
wir von Stuck in der Gallerie Heinemann. Ls steckt
viel Leben in dieser flüchtigen Skizze, die sich vortheilhaft
über die zahlreichen Stuckschen Köpfchen erhebt. Don
Wopfner: „Bodenseefischer bei Nacht." Aus graueu
Wolkenfchleiern bricht der Mond hervor, auf dem nur sanft
bewegten Wasserspiegel glitzernd.


Keifiiyep I^uyskschau.

s ist überflüssig, darüber zu philosophiren, daß mit
der Wintersaison der Reiz der intimen Ausstellungen
schwindet; auch im Künstlerhau s e. Als ein Nach-
zügler gewissermaßen erschien hier die „Zunft St. Lukas",
eine kleine Gruppe jüngerer Berliner Landschafter. Es sind
zumeist Stimmungsmaler, keine Impressionisten; sie suchen
nach Möglichkeit ihre Eindrücke künstlerisch abzuwägen.
Besonders gilt das von Earl Heßmert, dessen feine
Naturftudien auf der vorjährigen Sommerausstellung Be-
achtung fanden. Aehnliche Sachen von ihm sind auch hier
zu sehen, wie namentlich der „Dorfrühlingsabend" mit der
idyllischen Dorffriedhofsszenerie und der „Herbstabend" mit
den Kornschobern auf graubraunen: Stoppelfelde. Don
Ernst Bachl wären die dunstige Mondscheinstimmung mit
den einzelnen gelben Birken vor dunkler waldfchänke und
ein Früblingswiesenmotiv zu nennen, von Fritz Geyer eine
Dämmerungsstimmung, von Willy Brandes, der auch
tüchtige pleinairistische Feldarbeitermotive malt, abermals
ein Dorfrübling. Die Arbeiten ragen, was ehrliches Em-
pfinden und Naturvertiefung betrifit, so ziemlich alle über
das Durchfchnittsmaß hinaus. Im großen Mberlichtsaal
hängen auch Arbeiten von G. Schmitzer, Lutteroth,
Th. Wedepohl, Paul Meyerheim, Elisabeth Reuter (ein sehr
flottes und farbensicheres steiniges Strandmotiv) u. A. Im
Hinteren Saal finden wir zahlreiche Aquarelle von Her-
mann Schnee, Landschaften, Architekturen ohne nennens-
werthe (Dualitäten.
Dazwischen giebt es Kopien von Gemälden alter
Meister zu sehen; Botticelli, Tizian, Delazquez, Murillo,
Dan Dyck, Rembrandt, Franz Hals u. A. sind vertreten.
Die Delazquezbilder von Pradilla und Paczka-Wagner
waren schon einmal zu sehen. Neu für uns sind die nicht
üblen Kopien u. a. von Franz Triebsch, Hans Wahl,
Sophie Koner (Tizian). Besondere Geschicklichkeit und
staunenswerthes Anpassungsvermögen zeigt Wilhelm Beck-
mann; er hat sich in die Handschrift eines Tizian, Bordone
und Giorgione ebenso hineingefunden, wie in die der
Niederländer Lornelis de Dos, Iordaens, Rembrandt. Der
Murillo freilich läßt viel zu wünschen übrig. Fast zeit-
gemäß zu nenne:: ist Rizzis Kopie des berühmten Frühlings
von Botticelli. —
Don dem Pariser G. Roch eg rosse ist eine Aus-
stellungsmaschinerie „Die Jagd nach dem Glück" zur Zeit
im Künstler Hause zu sehen. Die riesengroße Leinewand
von ca 3ö ssi ru ist unter dein Einfluß jener Bewegung ent-
standen, die biblische Dorgänge und philosophisch-allegorische
Motive mit modernsten Figuranten zur Darstellung bringt.
Rochegrosse, der Maler historischer Sensations- oder mystisch
behandelter Wagnerstoffe glaubte diese Mode mitmachen zu
müssen. So entstand seine „Jagd nach dem GlückI die
trotz der Absurdität der Idee eine entschiedene Wirkung
nicht versagt. Am Horizont ein schwefelgelber Himmel,
darüber in: leichten Gewölk ein vorüberflatterndes Frauen-
phantom. Hinten eine Riesenstadt, Paris, in Dunst und
Fabrikrauch. Dorn jäh aufschießend eine gewaltige Feh en-
spitze und diese von unaufhaltsam aufwärts drängenden,
 
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