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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 21
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Brosch, L.: Die moderne Kunstgallerie
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Paris: Internat. Holzschnittausstellung 1902
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Venedig:
Die moderne Kunitgallerie.

Von L. Broſch, Venedig.

ie moderne Kunſtgallerie, welche dieſer Tage

im Palazzo Peſaro am Canal Grande eröffnet

wurde, iſt gerade nicht glücklich untergebracht.
Der Palaſt eignete ſich für alle andern Zwecke beſſer, als
zur Aufſtellung von Kunſtwerken, die, faſt insgeſammt ſchlecht
beleuchtet, nicht zu voller Geltung gelangen. Die Zahl
von Bildern, Skulpturen und Radirungen beträgt 115. Eine
kurz gedrängte Rundſchau erfolge hier, denn es bietet gewiß
auch Intereſſe, zu erfahren, wo Kunſtwerke, die zumeiſt
im letzten Jahrzehnt entſtanden ſind, bleibende Unterkunft
gefunden haben.

Don der deutſchen Kunſt anfangend, muß ich leider
mit einer traurigen Erinnerung beginnen. Sie ſei dem
Wiener Maler David Moſé geweibt, in deſſen Herzen zeit-
lebens ein tiefer Schmerz ſeine Stätte hatte, den er mit
großer Einfachheit auf die Leinwand zu zaubern verſtand.
Man weiß, daß er ſich ſelbſt kürzlich ein tragiſches Ende
bereitet hat. Seine „Bohéme“, das Triptychon „Zer-
trümmerte Hoffnung“, das die Kunſtgallerie erworben,
zählt zu ſeinen beſten Arbeiten. Wie viel Innigkeit und
Ehrlichkeit in Moſés Kunſtſtreben lag, dies ausführlicher
zu begründen, iſt nicht hier der Platz. Zu erwähnen ſind
ferner Leibls leuchtendes Bildniß eines blaſſen Mannes in
Vorderanſicht mit wirrem blonden Haar; Liebermanns
„Spitzenmacherinnen“, die, ſchlecht gehängt, nicht recht zur
Geltung kommen. Weiter „Die heilige Nacht“ und „Der
Abend eines Feſttags“ von Dettmann, wo ein kräftiger
Arbeiter in eine von Sonnenſtrahlen glitzernd beleuchtete
Landſchaft geſtellt iſt. Opplers ſuggeſtives Bild „Erinne-
rungen“, fein und wirkſam in Ton wie Stimmung, wirkt
in dem Saal, wo es zwiſchen unbedeutenden Machwerken
hängt, wie ein vornehmer Akkord. Sauters paſtos gemalte
Porträtgruppe darf nicht übergangen werden, wie auch
Zügels kühn verkürztes Ochſenpaar und Höckers reizvolles
Stück: Ein im Gras ſitzendes Mädchen in Schwarz, vom
Abendroth beleuchtet. Mit Hölzels düſter geſtimmter Land-
ſchaft ſeien unſere flüchtigen Bemerkungen über deutſche
Kunft hier abgeſchloſſen.

Unter den Engländern begegnen uns Brangwyns be-


durch zwei ſehr gelungene impreſſioniſtiſche Stücke ver-
treten; Hardy Dudleys „Betende Alte“ im Profil iſt un-
gemein kräftig, wie von einem alten Holländer modellirt;
H. Smiths braune Hengſte in einer Winterlandſchaft ſind
famos breit hingepinſelt. Sonſt ſind von Tandſchaften er-
wähnenswerth: Milnes blühende Pfirſichbäume, ein Bild
von lyriſcher Empfindung, A. E. Waltons paſtos aufgeſetzte
Abendſtimmung und A. Eaſts durch Schönheit und Sauber-
keit der Töne feſſelnde Zzenerie. Wenn ich die „Fuß-
waſchung“ von Simon, der nicht nur durch manuelle Technik
brillirt, ſondern auch gehaltreich iſt, dann Besnards im
Freilicht zart wirkendes Aktſtück namhaft mache, ſo glaube
ich von den Franzoſen das Beſte erwähnt zu haben. Don
Ruſſen ſind zwei große Stücke vorhanden: Maliavines
„Lachen“ und Schereſchewkys ſibiriſche Gefangenenſzene, in
welcher mehr Werth auf Stimmung, als auf plaſtiſche
Durcharbeitung gelegt iſt. Don Meiſtern anderer Länder

ſind der Däne Ancher mit einem Fiſcherbilde, der Belgier
F. Khnopff mit einer myſtiſch verträumten Frauengeſtalt,
der Norweger F. Thaulow mit einer Flußlandſchaft, in der
die Behandlung der Waſſerparthien beſonders anerkennens-
werth iſt, hervorzuheben.

Diel Unbedeutendes, von dem ſchon jetzt kein Menſch
Notiz nimmt, hat ſich an italieniſchen Werken ein-
geſchlichen. Favretto, der berühmte venezianiſche Genre-
maler, iſt mit vier ganz unbedeutenden Werken vertreten.
Dagegen hat Ettore Tito ein ſchönes Lagunenbild, in dem
die Luft förmlich vibrirt, aufzuweiſen. Segelnde Boote
malt Fragiacomo mit ſchönem Erfolg; auch G. Ciardi er-
ſcheint mit einem ſeiner beſten Stücke: einem ganz einſam
gelegenen Dorfe, in deſſen Hintergrund ſpärliche Sonnen-
flecken glitzern. Laurenti ſetzt drei weibliche Akte kühn in
eine zart getönte Wieſe.

Unter den Badirungen iſt manches Gute vorhanden,
3. B. von Leibl, Klinger, Vogeler, Zorn und dem diſtin-
guirten Chahine. Statuetten giebt es von Meunier, Van
der Stappen, Troubetzkoy, eine Böcklinbüſte von Cifariello
und Bodins Abguß „Die Bürger von Calais“, welches
Stück ſeltſamer Weiſe mit einer dünnen Wachspattina
überzogen wurde, was dem Werke nicht zum Vortheil ge-
reicht. Aus den knappen Anführungen dürfte wohl ſchon
hervorgehen, daß die moderne Kunſtgallerie Venedigs einen
wenig planvollen Eindruck gewährt. Bei künftigen Ein-
käufen ſollte man mehr auf die künſtleriſche Qualität ſehen,
nicht perſönliche Geſchmackswünſche vorwalten laſſen, deren
Ueberwucherung der guten Abſicht, die übrigens auch diesmal
nicht zu verkennen iſt, nur Gefahr bringen könnte.

%
Paris;
Internat.

ohl ſelten hat eine Ausſtellung ſoviel des

Holzschnitfausstellung I002.
ẽ7* Intereſſanten geboten wie die obige, und
ſelten hat auch eine Ausſtellung eine ſo große

Spanne Zeit umſchloſſen. Vom 14. Jahrhundert an bis
auf unſere jüngſte Zeit ſehen wir die Werke der alten
Holzſchnittkunſt aneinandergereiht, hier von ſachkundiger
Hand geordnet uns vorgeführt. Ein gewaltiges Stück
Uulturarbeit liegt in dieſen Drucken.

Die Ausſtellung war der Ueberſicht halber in eine retro-
ſpektive und eine moderne getheilt, von denen die erſtere
in den oberen Sälen der Ecole des beaus arts, die letztere in
den unteren Sälen aufgeſtellt war. Ein Katalog diente als
Führer. Der retroſpektive Theil bot dem Sammler und Kenner
genug des Intereſſanten und Schönen. Die Muſeen und
Sammlungen hatten manch ſonſt ſorgſam behüteten Schatz


ſchätzen wußten. Frankreich hatte die meiſten Anſtrengungen
gemacht, ein möglichſt vollkommenes Bild ſeines alten Holz-
ſchnittes zu geben. Schon das 14. Jahrhundert zeigte viel
Sehenswerthes, vor allem jenen in letzter Zeit ſo viel
umſtrittenen Schnitt von Mäcon, den Henri Bouchot vom
Pariſer Kupferſtich-⸗,nuſeum für den älteſten Holzſchnitt er-
klärt — welcher alſo noch um beinahe 100 Jahre älter ſein
 
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