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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 15.1915/​1916

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Manzel, Ludwig: An Meyerheims Grab: Gedächtnisrede
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https://doi.org/10.11588/diglit.57056#0008

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Vie Werkstatt der Kunst.

XV, Heft

L
An Weyerkeinis Grab.
Gedächtnisrede
von Professor Ludwig Manzel, Präsident der Königlichen Akademie der Künste.

Die Kunst hab' ich geübet,
Die Kunst hab' ich geliebet,
Mein Lebelang,
Die Künste hab' ich verachtet,
Nach Schönheit nur getrachtet,
Darum wird mir nicht bang.
Diese Worte, die einst Tornelius an seinem Lebens-
abende niederschrieb, kommen mir ins Gedächtnis,
nun ich die schmerzliche Aufgabe habe, dem dahin-
geschiedenen Meister den Abschiedsgruß der Akademie
zu bringen. Auch dieses nun vollendete lange Leben
war ja von Anfang bis zu Ende ausgefüllt von
der Kunst. Du einem Alter, wo andere Kinder ihre
ersten Schreibversuche machen, war Paul Meyerheims
kleine Hand schon geübt, alles zu zeichnen, was um
ihn her war. Und was ihn umgab, war ja Kunst.
Der Vater, ein hervorragender Maler, das Haus,
in dem das Kind aufwuchs, ein Mittelpunkt aller
künstlerischen und geistigen Bestrebungen des alten
Berlin, was Wunder, daß der Knabe kein anderes
Interesse kannte als malen und zeichnen, und daß
jeder Groschen Taschengeld auf den Markt wanderte
für allerlei lebendes und totes Getier, das als Mo-
dell dienen mußte. Mit rührendem Stolze zeigte
mir der Meister noch vor kurzem Zeichnungen aus
jener Schulzeit; es sind bereits Arbeiten von einer
Vollendung, die geradezu Bewunderung erregt.
Unter des Vaters sorgsamer pflege reifte das
schöne Talent heran und als der Jüngling siebzehn-
jährig die Akademie bezog, war er bereits ein
fertiger Künstler. Denn schon ein Jahr darauf
malte er sein erstes Bild, ein vollkommen ausgereiftes
Werk, das die allgemeine Aufmerksamkeit auf ihn
lenkte.
Die Akademie verließ er zwar, ohne, wie er
selbst in seinem Lebenslauf humorvoll niederschrieb,
in irgendeiner Klasse irgendeinen Preis erhalten zu
haben, aber ein paar Zähre genügten, und dieselbe
Akademie verlieh dem erst Siebenundzwanzigjährigen
die höchste Auszeichnung, die sie zu vergeben hat.
Sie wählte ihn zu ihrem Mitglieds.
Der junge Ruhm war nur ein Sporn für den
Meister, es in ernster Arbeit zu immer höherer
Vollendung in seiner Kunst zu bringen, und rastlos
tätig schuf er jene herrlichen Werke, die uns allen
so vertraut sind, die die wände in öffentlichen Ge-
bäuden schmücken, einen Schatz unserer Galerien
bilden und in zahllosen Nachbildungen Eigentum
des deutschen Volkes geworden sind. Ihrem Ur-
heber aber sicherten sie einen ersten Platz in der
deutschen Kunst, einen Platz neben jenen beiden
Großen, mit denen ihn auch innige Freundschaft
verband, Menzel und Knaus, wenn man diese
beiden Namen nennt, nennt man als dritten im
Bunde Paul Meyerheim.

Vieseitig war seine Kunst; für diesen reichen,
klaren Geist gab es keine Beschränkung auf ein
einzelnes Gebiet, was diese nun geschlossenen
Augen erschauten, was seine Phantasie erdachte, was
seine schönheitstrunkene Künstlerseele empfand, das
formte seine leichte geschickte Hand zu herzerfreuen-
den Gebilden.
Viel zu früh für den rastlosen Mann, früher als
die meisten von uns es wissen, traf ihn jenes Leiden,
das jedem anderen Künstler den pinsel für immer
aus der Hand gezwungen hätte. Ihn hinderte es
nicht, seine geliebte Kunst weiter auszuüben, und
als ob er sich beeilen müsse, um noch alles zu sagen,
was in seinem Innern schlummerte, schien seine
Arbeitskraft sich noch zu steigern. Selbst als sein
Leiden schon so weit vorgeschritten war, daß er nur
mit tastender Hand die Farben aneinandersetzen
konnte, befähigte ihn sein großes Können immer noch,
Werke hervorzubringen, die bei den Fachgenossen
Staunen erregten.
Ja, der Altmeister Knaus hatte recht, als er
einstmals zu mir sagte: „Meyerheim ist eines der
allergrößten Talente, die ich je gekannt habe". Und
man fragt sich, was für Meisterwerke hätte der ver-
blichene noch geschaffen, wenn es ihm ein tragisches
Schicksal nicht versagt hätte. Aber was er an voll-
endetem hinterläßt, genügt, daß auch er von sich am
Abende seines Lebens sagen konnte: darum wird
mir nicht bang. Gewiß, er brauchte sich nicht zu
bangen, denn was er schuf, ist unvergänglich, und
wenn erst nach diesem unseligen Kriege, wie auf
vielen anderen Gebieten, auch in der Kunst all das
Fremde hinweggefegt wird, was nicht in unser
deutsches Volkstum gehört, und das der Verblichene
selbst oft so mannhaft in Wort und Schrift bekämpft
hat, dann wird erst Meyerheim in seiner ganzen
Bedeutung gewürdigt werden, und noch nach seinem
Tode wird er durch seine Werke ein Lehrmeister
sein für die neue deutsche Kunst.
Fast 50 Jahre war Paul Meyerheim eine Zierde
unserer Akademie und treu und redlich hat er sich
in dieser langen Zeit mit der ihm eigenen Ge-
wissenhaftigkeit all den vielen, auch den kleinsten
Aufgaben gewidmet. Durch seinen lauteren Tha-
rakter, seine vornehme, liebenswürdige Art, durch
sein menschliches Interesse für alles, was die Kol-
legen betraf, durch seine unerschöpfliche Herzensgüte,
genoß er in unserem Kreise unbegrenzte Liebe und
Verehrung. Ja, diese Herzensgüte! Anter all
seinen edlen Eigenschaften war diese wohl am mei-
sten heroortretend, und Wohlzutun war ihm ein
Lebensbedürfnis. Keiner, der bei ihm Rat und
Hilfe erbat, ging leer von dannen. Alle trüben Er-
fahrungen, die ihm so wenig wie anderen Wohl-
tätern erspart blieben, machten ihn nicht irre. Immer
 
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