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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2012 — 2013

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Geschichte(n) des Gulag - Realität und Fiktion: 20. bis 22. März 2012
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https://doi.org/10.11588/diglit.55656#0285
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304 | FÖRDERUNG DES WISSENSCHAFTLICHEN NACHWUCHSES

GESCHICHTE(N) DES GULAG - REALITÄT UND FIKTION
20. bis 22. März 2012
Veranstalter:
Dr. Felicitas Fischer von Weikersthal, Dr. Karoline Thaidigsmann
Wissen über die sowjetischen Zwangsarbeitslager gewinnen wir heute aus histori-
schen Archivmaterialen und Memoirentexten ebenso wie aus künstlerischen Verar-
beitungen im Bereich der Musik, der Literatur sowie der Bildenden Künste. Hinzu
kommt eine gerade in den letzten Jahren zunehmende Vereinnahmung des Gulag
durch die Populärkultur. Doch welcher Art sind die Informationen, die wir auf
diesen Wegen erhalten? Was sagen die Quellen und Darstellungen tatsächlich über
die Realität des Gulag aus und inwiefern dienen sie möglicherweise einer - auch
politisch instrumentalisierbaren — Verharmlosung oder Dämonisierung des Lager-
systems? Diese Fragen bildeten den Ausgangspunkt der zweitägigen Akademiekon-
ferenz „Geschichte(n) des Gulag — Realität und Fiktion“, die vom 20.—22. März
2012 in der Heidelberger Akademie der Wissenschaften stattfand. Zwanzig Wissen-
schaftler unterschiedlicher Disziplinen aus fünf Ländern fanden sich zusammen, um
in Vorträgen und gemeinsamen Diskussionen der Frage nachzugehen, welche
„Geschichten des Gulag“ unser heutiges Bild und Verständnis des sowjetischen
Straflagersystems prägen.
Nach dem gastlichen Einstand auf der Belletage der Akademie am Dienstag-
abend, begannen die Vorträge am Mittwochmorgen mit einer Sektion zu Archiv-
materialien und Erinnerungsliteratur als — durchaus problematische — Quellen der
Gulagforschung und mit der Frage, inwiefern diese Quellen als rivalisierende bzw.
interferierende Forschungsquellen zu betrachten sind. Die russische Historikerin
und Gulag-Spezialistin Galina Ivanova (Moskau) eröffnete die Konferenz mit einem
einführenden Überblick über den „Gulag im Spiegel der Archivdokumente“, in wel-
chem sie einen Schwerpunkt auf den „Streit um die Zahlen“ zwischen ehemaligen
Häftlingen, Dissidenten und den Archivmaterialien vertrauenden Historikern und
damit auch auf die Deutungshoheit über die Lager legte. Die Problematik hinsicht-
lich der Verlässlichkeit der Quellen vertieften der Musikwissenschaftler Friedrich
Geiger (Hamburg) und die Historikerin Felicitas Fischer von Weikersthal (Heidel-
berg). Während Friedrich Geiger der zum Teil widersprüchlichen Erinnerung ehe-
maliger Häftlinge an Musik und musikalische Erlebnisse im Lager nachspürte, schärf-
te Felicitas Fischer von Weikersthal den Blick dafür, dass Häftlingszeugnisse auch im
Geiste und als Mittel der ideologischen Propaganda verfasst wurden. Anschließend
rückte der Historiker Dan Healy (Reading/GB) mit seinem Vortrag den bislang
vernachlässigten medizingeschichtlichen Aspekt in den Fokus. Die erste Sektion
abschließend bot die Historikerin Manuela Putz (Bremen) einen Blick über die
Periode des eigentlichen Gulag hinaus in die Zeit der nachstalinistischen Lager und
stellte die These auf, dass für das Verständnis der poststalinistischen Dissidenten der
Gulag als Referenzrahmen unumgänglich sei.
 
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