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Der Kunstmarkt: Halbmonatsschrift für den gesamten Kunsthandel — 1.1925

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Hans, W.: Hans Baldung-Griens Krönung Mariae und Albrecht Dürers Heller-Altar
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https://doi.org/10.11588/diglit.48678#0005
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DER KUNSTMARKT

HANS BALDUNG-GRIENS KRÖNUNG MARIAE
UND ALBRECHT DÜRERS HELLER - ALT AR.
Von DR. W. HANS
Lange, allzulange Zeit kannte die zünftige Kunstgeschichte nur zwei Sterne erster Ordnung am Himmel der
deutschen Renaissancemalerei: Albrecht Dürer und Hans Holbein. Bis man ihnen den Schöpfer des Isenheimer
Altars, Mathias Grünewald als ebenbürtige mit mindestens der gleichen Helligkeit leuchtende Größe zur Seite
stellte. Diesem Dreigestirn aber als vierten Hans Baldung-Grien anzureihen, weigert man sich auch heute noch mit
Unrecht, läßt ihn vielmehr zumeist als einen Gefolgsmann Dürers von dessen Glanze überstrahlen.
Gewiß steht Baldung dem nur um 5 Jahre älteren Meister Albrecht zeitlich und künstlerisch besonders nahe,
beide waren freundschaftlich miteinander verbunden, sich gegenseitig schätzend und ehrend. Aber Baldung-
Grien hat auch mancherlei verwandte Züge mit dem Dürer doch recht fernstehenden Kolmarer Meister, und
vor allem; Er ist niemals Schüler, Nachfolger Dürers gewesen, er ist kein Epigone, sondern eine ganz selbständige
künstlerische Persönlichkeit von durchaus individuellem Charakter. Auch was er von Dürer übernimmt, gestaltet
er schöpferisch um und verschmilzt es mit seinem eigenen Wesen,
Erscheint Dürer besonders stark von Martin Schongauer beeinflußt, den er auf seiner Gesellenfahrt ins
Elsaß aufsuchen wollte, aber nicht mehr unter den Lebenden traf, so übten dieser und seine Schule auf den
bei Straßburg geborenen Baldung-Grien sicher gleichfalls nachhaltigste Wirkung aus. So verband Dürer und
Baldung-Grien schon die gemeinsame künstlerische Herkunft, als dieser um 1505 nach Nürnberg kam, wie mancher
andere von Dürers Größe magnetisch angezogen und festgehalten. Die persönliche Freundschaft der beiden
verbürgt die Tatsache, daß Dürer auf seine niederländische Reise Holzschnitte des ,,Grien-Hans“ mitnahm, sie
dort zu verkaufen, und daß nach Dürers Tod eine seiner Locken Baldung-Grien übersandt wurde, in dessen Nach-
laß sie sich noch fand — heute eine Rarität der Wiener Akademie, Dürer wurde für den damals Ende der 20
Stehenden das erste große künstlerische Erlebnis, das ihm wahrscheinlich bis 1509 an Nürnberg fesselte, wo damals
ein reicher Kranz junger künstlerischer Kräfte sich um Dürer als Mittelpunkt scharte.
Es waren die Jahre, in denen Dürer die Früchte seiner zweiten italienischen Reise pflückte, von Venedig
zurückgekehrt die reichen Anregungen und Förderungen, die seine Kunst dort erfahren hatte, nun in einer
Reihe großzügiger Kompositionen in einem ganz neuen in Deutschland bisher noch nicht gesehenen Stil nieder-
legte. Zu ihnen gehört der nach jahrelanger sorgfältigster Arbeit — es sind uns 19 Skizzen zu Einzelfiguren er-
halten — 1509 vollendete Heller-Altar, Das erste große kirchliche Monumentalwerk Dürers, das ganz im Geiste
der Hoch-Renaissance konzipiert ist. Von dem Frankfurter Patrizier Jakob Heller für die dortige Dominikaner-
kirche bestellt, kam es später nach München, ging dort im 18. Jahrhundert verloren und ist uns nur durch eine
Kopie erhalten, die in Frankfurt das Original ersetzen mußte. Das Mittelbild stellt die Himmelfahrt und
Krönung der Maria in einer gewaltigen Gesamtkomposition dar, von Wölfflin mit Recht als „brillanteste Frucht“
der italienischen Reise bezeichnet.
Kein Wunder, daß ein solches Werk auf den jüngeren Meister Baldung, der es entstehen sah, ja vielleicht
daran mitarbeitete, von überwältigender Wirkung war, unter der er noch stand, als ihn ein ähnlicher Auftrag
1512 nach treiburg i. Br. führte. 1516 vollendete er dort den Hochaltar, der heute noch im Chor des Münsters
steht, und schuf damit sein Hauptwerk, Eine Schöpfung, die sich Dürers Altarbild durchaus an die Seite stellen
darf. Wie bei diesem stellt das Mittelbild des Flügelaltars die Krönung der Maria dar. Ein Vergleich der beiden
in der Entstehung nur wenige Jahre auseinanderliegenden Gemälde ist daher höchst lohnend und reizvoll.
Sicher, ohne Dürers Vorbild ist Baldungs Werk nicht denkbar, wäre es ein anderes geworden, als es ist. Die
Aehnlichkeit springt in die Augen. Aber doch kann nirgends von direkter Entlehnung, weder im Stofflichen
noch im Formalen, gesprochen werden, Ueberall hat Baldung-Grien selbständig mit den Problemen gerungen,
hat sich mit ihnen zuweilen in gleichem, zuweilen in entgegengesetztem Sinne auseinandergesetzt, hat eigene
Lösungen gefunden, hat nirgends seine künstlerische Eigenart der Dürers untergeordnet.
Dürer gibt die Himmelfahrt und die Krönung zusammen auf einem Bilde und versucht die beiden Vor-
gänge zu einer künstlerischen Einheit zusammenzuschweißen, indem er die um das leere Grab Marias gereihten
Apostel verwundert, ergriffen, andächtig, zu der mild herablächelnden Maria emporstarren läßt. So gewann er
die Möglichkeit zu einer reichen Fülle von Bewegungen und Gegenbewegungen, kunstvollen Ueberschneidungen
und Verkürzungen ganz im Sinne der neuen italienischen Kunst. Das Auseinanderfallen in eine deutlich von-
einander geschiedene himmlische und irdische Szene vermochte er freilich doch nicht ganz zu vermeiden. Die
Verbindung ist mehr gedanklich als formal. Baldung-Grien beschränkt sich in dem Mittelbild seines Altarwerkes
ganz auf die Darstellung der Krönung nach der seit Schongauer etwa geläufigen Tradition. Maria in der Mitte

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