Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 27.1915/​1916

DOI Artikel:
Schürmeyer, Walter: Die Bibliothek J. H. Jeidels
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4828#0116

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DIE BIBLIOTHEK J. H. JEIDELS

DIE Kunstgewerbebibliothek zu Frankfurt a. M. hat
durch die Leihgabe der Bibliothek des 1902 ver-
storbenen Herrn J. H. Jeidels einen erfreulichen
Zuwachs an fachwissenschaftlichen Büchern erfahren1).
Jeidels war Besitzer einer nicht unbedeutenden Sammlung
von Erzeugnissen der Edelschmiedekunst. Bedeutender
aber als die Kunstsammlung war seine Bücherei, die er
sich zum Studium seiner Sammlungsgegenstände anlegte.
Diese mag anfangs den Charakter einer kleinen Hand-
bibliothek gehabt haben. Mit der Zeit aber wurde aus
dem Nebenzweck ein Selbstzweck. Das Wachsen der
Bücherei rief den Wunsch wach, eine nach Möglichkeit
lückenlose Fachbibliothek der Edelschmiedekunst zu sam-
meln. Ein fachkundiger Gelehrter und ein erfahrener Buch-
händler unterstützten den Plan. Und so entstand eine
Büchersammlung, die einen Mittelweg zwischen der
Studienbibliothek eines Gelehrten und der Büchersamm-
lung eines Bibliophilen innehält. Die ungestörte Ein-
heitlichkeit des Gegenstandes verleiht ihr eine harmonische
Geschlossenheit.

Das Ideal des Besitzers war die restlose Vollstän-
digkeit. Erreicht hat er dieses Ideal naturgemäß nicht.
Aber sehr nahe ist er ihm doch gekommen. Und in dieser
Vollständigkeit steckt die größte Bedeutung der Bibliothek.
Besonders für das Ansehen der Kunstgewerbebibliothek,
deren Charakter als wissenschaftliches Studieninstitut durch
sie gesteigert wird.

Es ist unmöglich, auch nur annähernd ein Bild von
dem bunten Vielerlei des Inhalts zu geben. Es sollen nur
die Hauptgesichtspunkte, unter denen gesammelt wurde,
angedeutet und durch einige Einzelheiten schärfer um-
rissen werden.

Das Nächstliegende war natürlich, die bibliographi-
schen und jene allgemeinen kunstgeschichtlichen Werke zu
beschaffen, die sich eingehender mit der Edelschmiede-
kunst befassen. Sie sind zu allgemein bekannt, um noch
einmal genannt werden zu müssen. Daß die in Frage
kommenden Fachzeitschriften nicht fehlen, versteht sich
von selbst. Viel Material enthalten die in- und auslän-
dischen Zeitschriften für christliche Kunst, denn im Mittel-
alter, aber auch noch im 17. und 18. Jahrhundert waren
die kirchlichen Institute die häufigsten Auftraggeber der
Goldschmiede, die in dem hl. Eligius ihren Schutzpatron
sahen. Seine vita war in zahlreichen Handschriften und
Drucken verbreitet. Sie findet sich auch in dieser Biblio-
thek in mehreren Ausgaben. Eine Handschrift: »Das Leben
des hl. Eligius nach dem lateinischen Originale des hl.
Andoenus, Erzbischof von Rouen, auf das pünktlichste ab-
geschrieben und in die deutsche Sprache übersetzt von
Johann Samuel Vigitill, Goldarbeiter. Nürnberg in Jahre
Christi 1774«, ist sauber, in lateinischer und deutscher
Sprache nebeneinander, für den Gebrauch der Zunft-
genossen geschrieben. Das lateinische Original, nach der
Vorrede ein schöner mittelalterlicher Kodex, wurde später
von der Zunft verkauft, da die Handwerksmeister ihn doch
nicht lesen konnten. Seitdem ist er verschollen. — Ich zitiere

noch einige ältere Druckausgaben nach BerghöffersSchrift2):
Die erste Ausgabe der vita findet sich bei Surius, de pro-
batis sanctorum historiis. Vol. 6. Cöln 1581. Besser die
Ausgabe bei d'Achery, Specilegium veterum aliquod scrip-
torum. Bd. 2. Paris 1723. Bemerkenswert ist noch die
Schrift von Levesque, La vie et les sermons de Saint-Eloy
evesque de Noyon. Paris 1693.

Zur Geschichte des Zunftwesens liegen neben neueren
Darstellungen die Urkundenbücher von jenen Städten vor,
in denen die Goldschmiedekunst in vorzüglicher Blüte
stand. Eigenartig ist eine Sammlung von über hundert
Reglements und Ordonnanzen vom 16. bis 18. Jahrhundert
aus Frankreich, Italien und Spanien. Diese waren meist
auf wenige Blätter gedruckt und hatten die Bestimmung,
in den Städten angeschlagen zu werden.

Den Mittelpunkt der Bibliothek bilden jedoch natur-
gemäß die Werke zur Geschichte der Goldschmiedekunst
und der einzelnen Künstler. Über die Funde prähistorischer
Erzeugnisse der Edelschmiedekunst geben meist neuere
Forschungen Aufschluß. Im griechischen und römischen
Altertum wird die Edelschmiedekunst vorwiegend zur Her-
stellung von Schmuckgegenständen in Anspruch genommen.
Unter ihnen bilden Ringe und Gemmen ein besonderes
Thema. Das Interesse für die antike Gemme war im
17. und 18. Jahrhundert außerordentlich lebhaft. Das macht
sich geltend in den vielen durch schöne Kupfer illustrierten
Werken über die geschnittenen Steine.

In der romanischen und gotischen Stilperiode wird die
Geschichte der Goldschmiedekunst im wesentlichen zu einer
Geschichte des Kirchengeräts. Der wachsende Reliquien-
kult forderte eine große Zahl von Behältnissen, da die
Reliquien seit 1215 nur noch gefaßt gezeigt werden durften.
Von der ungeheuren Mannigfaltigkeit der Kunstformen,
von denen nur ein geringer Bruchteil durch die folgenden
Jahrhunderte erhalten ist, geben die Heiligtumsbücher aus
dem Anfang des 16. Jahrhunderts die beste Vorstellung.
Diese Heiligtumsbücher sind gewissermaßen als illustrierte
Führer durch die Reliquienschätze großer Kirchen und
Wallfahrtskapellen zu denken. Unter ihnen besitzt wohl
das Wittenberger Heiligtumsbuch den größten Buch- und
Kunstwert. Es erschien 1509 unter dem Titel: »Dye zaigung
des hochlobwirdigen hailigthums der Stifftkirchen aller-
hailigen zu Wittenberg.« Das Titelblatt — Kurfürst Albrecht
und sein Sohn Heinrich ist von Lucas Cranach d. Ä.
gestochen und gehört zu seinen besten Stichen. Die Zeich-
nungen zu den Holzschnitten stammen vermutlich ebenfalls
von Lucas Cranach. Wenigstens erhielt er von Kurfürst
Friedrich dem Weisen den Auftrag dazu. Das Büchlein
enthält auf 44 Blättern in Kleinquartformat in 119 Holz-
schnitten die Heiligtümer der Wittenberger Kirche. Es ge-
hört zu den ersten Veröffentlichungen der Offizin von
Johann Griinenberg in Wittenberg. Die Wittenberger
Schloßkirche soll damals 5005 Reliquienpartikel besessen
haben, von denen natürlich viele mit anderen vereinigt in
einem Behältnis aufgehoben wurden. — Nicht weniger
bekannt und gesucht ist das hallische Heiligtumsbuch von

1) Leider war es dem Bibliothekar infolge seines knapp
bemessenen Urlaubs nicht;möglich, die Bibliothek sach-
gemäß zu ordnen und zu katalogisieren. Sie ist vorläufig
nach einem gedruckten alphabetischen Verzeichnis auf-
gestellt.

2) Dr. Ch. Berghöffer, Die Bibliothek Julius H. Jeidels
zu Frankfurt-M. (Frankfurt 1897, Nr. 186.) Auch als Se-
paratdruck erschienen. Ich habe mich gelegentlich auf die
Angaben Berghöffers gestützt, da die Kürze meines Urlaubs
mir nicht die Vergleichung aller Titel gestattete.

106 —
 
Annotationen