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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 16.1925

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1. Heft
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Gori, Gino Paolo: Einführung zu "Maschinenangst" von Ruggero Vasari
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https://doi.org/10.11588/diglit.47215#0009

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MONATSSCHRIFT/HERAUSGEBER: HERWARTH WALDEN


Einführung zu „Maschinenangst“
von Ruggero Vasari
„Maschinenangst“ ist ein starker italienischer
Versuch zur Befreiung vom Romantizismus.
Ein Werk, geschaffen von einem, der schein-
bar in einem dem unsern völlig fernen Zeit-
alter leben wird, in einer Zukunft der revo-
lutionierten Technik, der vollkommen neuen
lyrischen Ausdrucksform und des wahrhaft
schöpferischen Geistes, Jene Kunstgriffe,
deren sich auch erprobte Dichter gerne be-
dienen, wird man hier vergebens suchen,
„Menschenkraft gewappnet mit Stolz“
schreibt Vittorio Orazi, wenn er den Vorwurf
des Stücks behandelt, „ins Jenseits von Gut
und Böse hinüberreichend, mit einem leiden-
schaftlichen Hang zur Teilung des Selbst, die
außerhalb ihrer inneren Realität ein höheres
Ich konstruiert hat und die nun zum Gipfel
emporstrebt, bis sie durch die Ereignisse von
der Vergeblichkeit des Kampfs, der Unwirk-
lichkeit ihres Idols, des Unvermögens ihrer
Kraft belehrt, der eigenen Chimäre besiegt
zum Opfer fällt,“
Im Kampf um die Verwirklichung seines eige-
nen Imperativs (der nicht mehr das Ibsensche
„Sei Du selbst“ ist, sondern „Sei mehr als Du
selbst“) unterliegt der Mensch, und mit ihm
stürzt sein Traum, der so wundervoll unwirk-
liche: so spiegelt sich im Blut des Opfers nur
der unbestimmte Umriß einer wesenlosen
Wolke,
Ein persönliches Temperament, hat der Dich-
ter Vasari die ganze Kraft seiner Phantasie
für eine dramatische Konstruktion eingesetzt,
deren Synthese in der Hauptsache mental und
nicht formal ist. Eine Synthese, die reichen
Stoff für die szenische Realisierung bietet,
wenn sie von einem harmonischen und ihm
wesensgleichen Temperament unternommen
wird.

Das Problem der inneren Einheit zwischen
Bühnenbild und dramatischem Vorgang ist
heute mit Schwierigkeiten geladen. Eine
Richtung, von Gordon Craigh ausgehend,
will, daß die Kunst des Bühnenbildners sich
unabhängig äußere, eine andere gemäßigtere
Richtung möchte Bühnenbild und Drama ohne
künstliche Zwischenschaltungen untereinan-
der verschmelzen. Diese letzte Richtung fin-
det ihre hervorragendsten Vertreter in Rein-
hardt und Appia, Der Futurismus, zu dem
Vasari als künstlerische Persönlichkeit rech-
net, neigt mehr zur Autonomie des Bühnen-
bildes.
Maschinenangst ist ein in dieser Beziehung
charakteristisches Stück, weil es nicht nur
den Gedanken des Futurismus modifiziert,
sondern auch ein reiches Material für die
bühnenbildliche Darstellung bietet, zu der der
Autor ein chromatisches Orchesterkommen-
tar von Linien und Massen erfand.
Der Vorwurf des Stückes ist der folgende:
In der radiotelegraphischen Kabine einer
Welt außerhalb von Zeit und Wirklichkeit
wird das Nahen einer Flotte von Luftschiffen
angezeigt. Sie bringt die Frauen. Landes-
verwiesen durch die neue mechanisierte
Menschheit (die, um herrschen zu können, sie
auf einen andern Planeten verbannt hat),
schicken sie nun eine Abgesandte, Lipa, die
aber mit Verachtung abgewiesen wird. Kein
Paktieren zwischen der neuen Rasse und der
Frau, die die heroische Mannheit erniedrigt.
Aber die Abgesandte wird als Geisel zurück-
behalten, Tonkir, den Uebermenschen, den
Schöpfer des neuen mechanischen Kosmos,
versucht sie: er soll zu einem normalen Leben
zurückkehren, aus dem Uebermenschen wie-
der zum Menschen werden; die Natur läßt
sich nicht ungestraft bekämpfen, der Lebens-
instinkt nicht ohne schweren Schaden unter-
drücken. Tonkir zögert, — aber als die Frau
dann weggebracht worden ist, erscheinen ihm


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