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Pfälzer Bote für Stadt und Land (26) — 1891

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Nr. 171 - Nr. 180 (31. Juli - 11. August)
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7



ꝓreie vierteljaͤhrlich

Bezantw Nedalteur:
gulius YJeder in Heidelberg.

Br. 17




Beſtellungen


Auguſt u. September werden jetzt ſchon bei ſämmt-
lichen Poſtanſtalten, bei unſeren Trägerinnen, ſowie in
unſerer Expedition peidelberg, Zwingerſtraße?
entgegengenommen.

Berlag des „Pfälzer Bote.“



ein und . Dasfelbe!

„Ich bin der Anfang und das Ende,“ ſpricht der
Herr und der Aufang und das Ende der menſchlichen
Geſchichie iſt der Glaube an ihn.

Mit dem erſten Schritte, den das erſte Menſcheu-
paar von ihm hinweg machte der Gottezverachtung
zu, begann die Mühfal des Lebens, die Arbeit und
ihre Frucht, das Eigenthum, die Ungleichheit, die
Zwiſchen
Lain und Abel tauchte zum erſten Male die ſoziale
Frage auf, und Kain löſte ſie im Blute ſeines

ruders.

Aber Kain war kein Proletarier und Abel kein
Bourgeois', und doch haͤßte Kain ſeinen Bruder,
der ihın nichts zu Leide gethan, und lechzte danach,
ihn zu tödten.

Warum?

„Unſer Herz iſt nicht ruhig, bis e& ruhet in Dir !”
Jagt die heilige Schrift, und das iſt der letzte Grund

er ſozialen Frage.

Es gibt mehr Beneidenswerthes, als das Eigen-
thum Beneidenswerih iſt die Schönheit, beneidens-
werth die Klugheit, beneidenswerth jeder aͤußere und
innere Vorzug Der Zwieſpalt der Menſchheit hat
nicht angefangen des Eigenthums wegen und er wird
nicht enden des Eigenthuͤms wegen, ſondern der Zwie-
ſpalt der Menſchheit fing an, als der Menſch daͤnach
ſtrebte, Gott gleich zu fein, und er wird erſt enden,
wenn er ſich in Demuth zu den Füßen Gottes lagert.

Die ſoziale Frage hatte und hat vielerlei Geſtal-
ten. Sie erſcheint als Sklaverei, als Unterdrückung
des Weibes, als Despotismus, als Revolution, als
Volks und als Pöbelherrſchaft und zuletzt als Anarchie.

„Ni dieu, ni maitre!“ „Keinen Gott und keinen
Herrn!“ ruft der Anarchiſt, der conſequenteſte Sohn
der Theorie des unbeſchränkten Menſchenrechts, und
die roͤlniſchen und aſiaͤtiſchen Despoten wollten nicht

Zelehrt urroͤ —

Erzählung von Gutmuth vom Walde.
6) Gaͤchdruck verboten.)

Doch. wie bringen wir jetzt der Mutter die Nachricht
bei ? O, fie hat leider, wenn auch gewiß ohne Ablicht, da
fie jtet3 fränklich war, durch ihre zu aroBe Nachlicht die
Seele des einzigen Kuaben, welcher ihr übria blieb, ver-
Wwildern lafjen. Drei Knaben trugen wir in's Grab. Dem
‚Soje wäre e3 auch vielleiht beifer geweien, er wäre als
Kind geftorben. Doch e3 {teht mir nichtzu, Ricter zu fein.“

Der Müller haͤlte wohl noch länger diejen Gedanken
Nadhgehangen, wenn nicht von draußen her Unterbrechung
gelommen wäre. €3 begann nämlich die Prophezeihung
Heinrihs hinfichtlih des SGewitter3 ſch zu erfüllen und
3war ſehr fArecklich. Aus den Ichweren, ſchwarꝛen Wolfen-
ballen, welche ſchon ſeit Stunden im Weſten Hingen, hatten
die Blige geleuchtet und die Donner dumpf gegrollt, Nun
aber erhob fich urplößlich ein Heftiger Wind, weldher die
Wolfenmafjen hinter den Bergen gleichjam Heraustrieb, {n
baß jie bald die ganze .Gegend diht und finfer bedeckten.

ebt aber ward der Sturm zum foͤrmlichen Orkan, der mit
Jelten erlebter Gemwalt daher braufte und um alle Ecken der
Mühle und des Gehöftes Heulte. E3 folgte Blig auf Blig,

Onner auf Donner. Ein wolkenbruchähnlicher Regen
ſchoß in Strömen herab. } :

„ „Mein Gott, weich' ein Wetter,“ ſchrie entſetzt die
Münerstochter. .

RöglihH zuckte ein Blitzſtrahl durch die Süfte fo bell
und grell, ſei ringsum ANes mit Feuer gefüllt; ein
TOreklicher Donner rollte diejem Blike nach, Srkauſtötze
Wiederholten ſich kurz nacheinander, welche das Haus in
einen @rundfeiten erzittern machten. Man hHörte, wie im
hohen Garten und ferneren Walde krachend die Bäume zu
Boden ftürzten. — Die LisbethH war zur Mutter geeilt.

eter und Heinrich ſchlugen ein Kreuz und beteten. Jür
den Augenblic war alles Elend im plößliden Schred ver-
geffen. € jchien nun, al3 habe das Unwetter ſich mit dem
leßten gewaltigen Stoße fih auszgetobt; Ddenn der Regen
Noß fanfter, der Sturm leate fich/ und die Donner grollten,
ſich verziehend, in der Ferne, —












— Sedelherg, Freitog, den 3L Iuli 100





nur Herrn, ſondern auch Goͤtter ſein Da ſieht man,
wie die Extreme ſich berühren und wo ſie ſich be-
rühren: nämlich in dem gottentfremdeten Herzen des
Menſchen. — —

Der Menſch iſt ein einiges, untheilbares Weſen:
können ſeine Leidenſchaften, ſeine Thaten mehr als
einen Urgrund haben?

Eine ſchönere, eine tiefere, eine wahrere Erklärung
von der Entſtehung des Uebels in der Welt iſt nir-
gends zu finden, als in der bibliſchen Geſchichte.

Die Menſchen wollten „Gott gleich ſein,“ und
darum wurden ſie aus dem Paradieſe verſtoßen.

Nun ſagen uns die Sozialdemokraten: „Wenn
aller Beſitz gemeinſam iſt, wird das Paradies auf
Erden ſein! D nein!

Wenn aller Beſitz auf Erden gleich wäre, ſo wären
noch nicht alle Menſchen gleich, und wenn alle Men-
ſchen gleich wären, ſo würden ſie ungleich ſein wollen,
denn nicht das Streben, ſeinem Bruder gleich zu ſein,
iſt der letzte Wunſch des natürlichen Menſchen, ſondern
ihm ungleich zu fein, über ihn erhaben zu ſein, ſein
Herr und ſein Gott zu ſein.

Gerade wenn der Beſitz gleich iſt, werden andere,
böſere, unerſättlichere Gelüſte das Herz des Menſchen
in Flammen ſetzen; der eine, vertriebene böſe Geiſt
* mit ſieben andern wiederkehren, die ärger ſind,
als er.

Hört man denn nicht jetzt ſchon den Flügelſchlag
dieſer kommenden böſen Geiſter? Strebt die Sozial-
demokratie nicht jetzt ſchon auch nach einer andern
Gleichheit, als der des Eſſens und Trinkens und ſich
Kleidens? Strebt ſie nicht jetzt ſchon nach der Gleich-
heit in der Wolluſt?

Und wie lange würde man ſich hierin mit der
Gleichheit begnügen, wie lange würde es dauern, bis
durch das Weib abermals das Paradies verloren
ginge und vor ſeinen Pforten der Brudermord wieder
anhöbe?

Die Sozialdemokraten thun ſehr weiſe daran, ihr
Zukunftsparadies unbeſchrieben zu laſſen. Im erſten
Paradies lebten die wilden Thiere friedlich mit dem
Menſchen und unter einander zuſammen, ſo lange der
Menſch noch ſich damit zufrieden gab, das Kind Got-
tes zu ſein, aber als er ohne Gott leben wollte, da
erwaͤchte die unbändige, blutgierige Natur in dem
Löwen und dem Tiger und in ſeinem Herzen. Er
wollte Gott gleich ſein, aber der ihm dieſen Wunſch
einflüſterte war der Teufel.

Und immer und überall war es der Vater der
Lüge, der dem Menſchen eingab, Gott vom Throne



„Na, das war aber einmal ein Wettex! Gottlob, daß
ich nicht noch draußen war, oder gar in der Hohlichlucht.
Wie mögen da die Töne gewejen fein!“ — ſo vedete der
Heinrich, indeſſen Reter in ernſteſter Stimmung ſich zurecht
nachte unverzüglih nach Schauberg aufzubredhen. Seiner
kranken Frau berichtete er zunächſt einfach, er müſſe ſich
nach Zoſe umſehen; derfelbe ſei noch nicht erfchienen. Die
gute Mutter war tief betrübt und ſehr beſtürzt über ihren
Sohn. Sie faß auf ihrem Bette und ließ ihren heißen
Thränen ungeſſoxten Lauf, indeſſen die zarten Finger den
Roͤſenkranz imſchlangen und die zitternden Sippen leiſe
gebete ſprachen. Neben ihr ſaß, aufgelöft in Lerd und
Kummer, Lisbeth, ihre Tochter, Ihr hatte der Vater Auf»
trag ertheilt, mit dem frühen Morgen der Mutter ſchonend
Alles mitzutheilen.

4

Peter war aufgebrochen, ausgexüſtet mit feſtem Stock
und einer Laterne. Heinrich ſollte ihn begleiten bis über
die Hohlſchlucht, und dann zurückkehren und die Laterne
wieder miinehmen. Laſſen wir dieſe Beiden zunächſt einmal
wandern durch die aligemach kihl gewordene Zuli Nacht.
in welche nach dem fuͤrchtbaren Ungewitter nun wieder der
Vollmond ſeine Lichtfülle goß und die Sterne unjaghar
ſchön hineinleuchteten Sehen wir unZ jetzt um nach den
2*— des Joſe, dem Dores und Chriftoph, auch Stoffel
geheißen

Dieſe beiden Burſchen befanden ſich hei AusbruhH des
Gewitters auf dem Heimwege Man möchte ſich wundern.
daß ſie ſo frühe an die Heimkehr gedecht; aber e3 war
eben durch den Auftritt im „Grxünen Baum“ und die ſich
daxan hängenden vielfach ükertriebenen Gerüchte 10 ziem-
lich überall, in Schauberg Schreden verbreitet und das
„Bergnügen“ geſthrt woͤrden Nach dem unglüglichen
Kameraden halte ſich Dores, welcher in anderen Wirth-
ſchaften geweſen war, nicht umgeſehen, und den Stoffel,
welcher woͤniger vorfommen war und des unglücklichen Joſe
mit Kummer gedachte, gewaltjam mit fortgezertt.

So befanden ſich dieſe Beiden auf dem Heimwege,
Dores betrünken und Stoffel niht mehx ganz nüchtern.
Der Wind, welcher ſich erhoben hatte, ging heulend über






— Bruchfal, Breiten, Nedargermünd, Mosbac,
— — —

Dınd, Berlag ı. Exypedition von Gebr. Huber
in Geidelberg, Zwiugerſtraße 7.



26

— —






zu ſtoßen, denn wo Gottes Altar zerſchlagen wurde
da erhob ſich ſein eigener, blutiger Opferſtein.

„Siehe, alles dieſes will ich dir geben, wenn dır
niederfällſt und mich anbeteſt!“ ſprach er zum Hei-
lande, und er hatte doch dem Schöpfer aller Dinge
nichts zu geben! ;

Auch heute ſpricht er mit geſpaltener Zunge zu
den Völkern, die er verlocken will. Auf der einen
Seite ſagt er, die Menſchheit iſt ſo verderbt, ſo un-
fähig zum Guten, daß ſie nur mit Gewalt zur Be-
ſeitigung der Armuth und des Elends wird gezwungen
werden können, auf der andern Seite aber verſpricht
er, daß eben dieſe Menſchen Engel ſein würden, wenn
ſie auf ihn ſchwören. Sind wir denn hartherzig und
küſtern geworden, weil wir Gott gehorchten? Nein,
ſondern weil wir ihm nicht gehorchten! Und darum
liegt die Rettung nicht außer Gott, ſondern in Sott!

„Unſer Herz iſt nicht ruhig, bis e& ruhet in Dir !“

Das „Ni dieu, ni maitre!“ der Anarchie und
das „Falle nieder und bete mich an!“ des Despotis-
mus, ſie ſind Kinder ein und derſelben Mutter, der
Gottloſigkeit!

Was Kain trieb, ſeinen Bruder zu erſchlagen,
was die römiſchen Despoten trieb, eine ganze Welt
entehrt und blutbefleckt vor ſich niederzuwerfen, und
was die Verwegenen von heute treibt, Gottes Altäre,
die Throne der Fürſten die chriſtliche Geſellſchaft und
das Heiligthum der Familie umzuſtürzen, es iſt ein
und dasſelbe!

Gegen Aufgang der Sonne lag der Garten Eden
und hinter ihm öffnete ſich der Himmel, das Para-
dies der Sozialdemokratie aber liegt gegen Mitter-
nacht. Seine Pforten ſind dunkel und ſeine Grenzen
verlieren ſich in einen blutigen Schein.

Aber es iſt noch nicht da, außer in der Phantaſie,
dieſes Paradies, und es wird auch nimmer in der
Wirklichkeit erſcheinen. Die hl. Schrift erzählt uns,
daß die Menſchen ſchon einmal in den Himmel ſteigen
wollten, und daͤß Gott ſie in Verwirrung brachte und
noch mehr auf der Erde zerſtreute. Dies iſt der
zweite, babyloniſche Thurmbau, nicht klüger, als der
erſte, und ein noch groͤßerer Wirrwar wird ſchlimm-
ſtenfalls ſein Ende fein.

Man ſieht, die Gottverachtung der Alten und die
44 der Neuen, ſie zeitigt ein und das-
elbe.





Deutiches Reich.

* Berlin, 29. Juli. Wie aus unterxichteter
Quelle verlautet, wird der Kaiſer ſeine Nordlands,
die Hochfläche Dores juchte durch Sinaen und Iohlen den
hraufenden Wind zu übertönen, bis hald Donner und Blitze
ſich kreuzten
_ „Sei nun doch ruhig, Dores“, bat Stoffel, „cS$ wird
ein ſchweres Gewitter werden; da ziemt es ſich doch nicht
zu lärmen und zu johlen.”

„Hahaha, Du Dufelfrig”, lachte Dores roh ; fürchteſt
Du Dihy wie ein Kind vor dem Gewitter? Heute ih
Jakobskirmes, heute wird gefungen, und wenn auch unſer
Herragtt grollt.” . .

„Ums Bimmelswillen, Dores, läſtere Gott nicht,” flehte
Stoffel. Doch Dores hörte nicht. Er ſang und brüllte
und ſchrie wild in das Rollen des Donners und Zucken der
Blitze Hinein. Stoffel ſchwiea. Denn unterdefjen waren
ſie in die Hohlſchlucht getreten, welche in ſchrecklichex Fin-
ſterniß {tarrte. Und in dieſes ſchmarze dichte Dunkel
leuchteten die Blitze gräßlich hinein der Donner Halte vie
gewaltige Kanonenſchüſſe in den Berawänden und der
Sturm wachte entſetzliche Mufik. Immer tiefer verſentte
ſich der Fußſteig in die Schlucht hinab, und nur mit Mühe
vermocdhten die Wanderey den Pfad einzuhalten Dieſes
Tapyen und Suchen wollte dem betrunkenen Dores nicht
gefallen, denn er ſtrauchelte ein über das andere Mal.
Eben wollte er deßhalb ſeinen Mund wieder Öffnen zu
einer Läſterrede, als jener ſchon beſchriebene Blis Hernie-
derfuhr ſo hell und grell, daß die ganze Schlucht davon er
leuchtet ward. Und nun - folate der Donner, ein helles
dröhnendes Schlagen von Wand zu Wand, von ZelS 3zu
Fels; der Oxkan entfeffelte ſich in der Schlucht mit Rieſen-
gewalt: er faßte die Stämme der Eichen und Tannen in
den Kronen und Aeſten, ſo daß alle ſich beugten, viele aber
krachend zu Boden ſtürzten. Dabei goß vom Himmel herab
der Regen in Strömen als hätte alle Schleuſen desſelben
ſich xoblich gebffnet, und in wentaen Minuten ſchon walzte
der Waldbach in der Tiefe rauſchende Wogen in ſeinem ſo-
eben noch faſt trockenem Bette.

(Gortſetzung folgt.)




 
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