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Heidelberger Volksblatt (69) — 1934 (Nr. 226-299)

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Nr. 241 - Nr. 250 (18. Oktober - 29. Oktober)
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Wissenschaft und Kunst / Aus -er Welt der Frau / Sie LesMMe

Donnerstag, is. Oktober issi

üs. Zahrgang / Ar. 2«

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Der erste Schritt zur Steuerreform

SlaalssekrM Reinhard vor der presse

DRV Berlin, 17. Okt.
Staatssekretär Rhetnhardt äußerte sich
""t Mittwoch vor Vertretern der Presse über
p" im Dienstag vom Reichskabinett beschlos-
!<nen Steuergesetze. Er ging dabei zunächst aus
»i«
Einkommensteuer
bei der die Kinderermäßigung wesentlich
**höht worden sind. Sie betragen 15 v. H. für
Kind, 35 v. H. für zwei Kinder, 55 v. H.
^r drei Kinder, 75 v. H. für vier Kinder, 95
H. für fünf Kinder und 100 v. H. für sechs
Kinder. Diese Kinderermäßigungen werden im
Gegensatz zur bisherigen Regelung auf Antrag
"uch für Kinder bis zum vollendeten 25. Jahr
bewährt, solange die Kinder für einen Beruf
ausgebildet werden, und zwar auch dann, wenn
ste nicht zum Haushalt des Steuerpflichtigen
gehören. Auch der steuerfreie Einkommensteil
uird die Steuersätze sind im Zusammenhang
"Pt der größeren Berücksichtigung des Fami-
penstandes neu gestaltet worden. Bei der

Das Steueranpassungsgesetz
das bereits am Mittwoch im Reichsgesetzblatt
erscheint, enthält fünf Gruppen von Vor-
schriften: ,
1. Allgemeines Steuerrecht,
2. verfahrensrechtliche Vorschriften,
3. Aenderungen des Volksverratsgesetzes und
damit zusammenhängender Rechtgebiete,
4. Vorschriften auf dem Gebiete des Fi-
nanzausgleiches und
5. Vorschriften über die Vermögenssteuer
für das Rechnungsjahr 1935.
Einer der Mängel im bisherigen Steuer-
recht war, daß gleiche Gegenstände in den ver-
schiedenen Gesetzen begrifflich verschieden be-
handelt wurden. Dieser Mangel ist bei der
Neugestaltung beseitigt worden! Die wesent-
lichsten Grundbegriffe und Grundsätze, die für
die Besteuerung allgemein maßgebend sind und
die bisher in jedem Gesetz gesondert und in
verschiedener Sprache dargestellt waren, sind

einheitlich in das Steueranpassungsgesetz ausge-
nommen worden. Im Rahmen des Steueran-
passungsgesetzes wird nach Schlutz eines jeden
Jahres, erstmalig im Frühjahr 1936, eine Liste
der säumigen Steuerzahler aufgelegt werden.
Es liegt daher noch mehr als bisher im Inte-
resse eines jeden Steuerpflichtigen, seine Steu-
ern möglichst pünktlich zu entrichten, zumal in
die erste Liste bereits diejenigen säumigen
Steuerzahler ausgenommen werden, die im 1-
Januar 1935 mit Steuerzahlungen aus der
Zeit vor dem 1. Januar 1935 rückständig wa-
ren.
Die neuen Steuergesetze stellen, so schloß
Staatssekretär Rheinhardt, nicht bereits die
Neugestaltung des gesamten deutschen Steuer-
wesens dar. Sie sind nur der erste Ab-
schnitt aus dem Wege zur Neugestaltung des
gesamten deutschen Steuerwesens. Eine weiter-
gehende Neugestaltung wird erst tm Zuge
der Reichsreform durchgeführt werden
können.
(Weitere Einzelheiten über die neuen Gesetze
siehe Seite 2.)

Biirgersteuer
!ind ebenfalls Kinderermäßigungen eingeführt
Morden. Ferner ist bei diöser Steuer die Frei-
btenze von 120 auf 130 v. H. des allgemeinen
^ohlfahrtsunterstützungssatzes erhöht worden.
Diese Maßnahmen bedeuten einen ersten Schritt
Zum Abbau dieser Steuer, über deren endgül-
pges Schicksal bei der Neugestaltung des Fi-
nanzausgleiches im Rahmen der Reichsreform
entschiede werden soll.
Bei der
, Vermögenssteuer
^nd für natürliche Personen in Zukunft Frei-
"eträge vorgesehen, und zwar bleiben für den
Steuerpflichtigen selbst, für seine Ehefrau und
jedes minderjährige Kind je 10 000 RM
steuerfrei.
Auch hei der
Erbschaftssteuer
» Freibetrag eingeführt worden, der für
Kinder 30 000 RM und für Enkel 10 000 RM
beträgt. Diese Beträge bleiben auf jeden Fall
erbschaftssteuerfrei, auch wenn der gesamte
Mrbschaftsbetrag die Freigrenze übersteigt.
Dem Kampfe um die Verminderung der Ar-
beitslosigkeit dienen zwei weitere neue Steuer-
Maßnahmen, die Abschreibungfür kurz-
obige Gegenstände des gewerblichen
"ber landwirtschaftlichen Anlagekapitals sowie
b'° einheitliche Festsetzung der

Umsatzsteuer
inr Vinnengroßhandel auf v. H. Bei der
ersten Maßnahme handelt es sich um eine Er-
Sänzung des Gesetzes über Steuerfreiheit für
Ersatzbeschaffungen vom i. Juni 1933. Danach
arfen buchführende Gewerbetreibende und
Landwirte auf Grund Les neuen Gesetzes Auf-
wendungen für Gegenstände des gewerblichen
"ber landwirtschaftlichen Anlagekapitals, de-
„betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer" in
°rr siegel nicht fünf Jahre übersteigt, bereits
"n Jahre der Anschaffung oder Herstellung voll
Gewinn absetzen. Die Aufwendungen für
berartige Gegenstände können bereits vom
Gewinn des Jahres 1934 voll abgesetzt werden,
wenn die Anschaffung oder Herstellung bis zum
Schluß des Wirtschaftsjahres 1934 erfolgt. Die
Neuregelung der Umsatzsteuer beseitigt die bis-
sige Benaipteiligung der lagerhaltcnden
sbrotzhaMer, iodatz in Zukunft eine angemes-
s'be Lagerhaltung ermöglichst wird, die nicht
dem Großhändler, sondern vor allem auch
Jtwustrie v.'.n Nutzen ist. Ferner bedeutet
b'» Reureg« üng der'Umsatzbesteuerung des
ein? sehr wesentliche Vereinsa-
mung h-x He.v.rttung, da in Zukunft zwischen
gb i-aee: und Lieferungen ohne La-
"pcht mehr unterschieden zu werden braucht

Normale Lage in Spanien

Gegen Tendenznachrichien
Der spanischeKonsulin Mannheim
teilt mit:
Im Hinblick auf die Beharrlichkeit, mit der
durch telefonisch ins Ausland gemachte Mit-
teilungen falsche Nachrichten über die Lage
in Spanien in Umlauf gesetzt werden mit der
offensichtlichen Absicht, Spanien zu schädigen,
hat die Regierung der spanischen Republik be-
schlossen, bis aus weiteres keine telefonischen
Nachrichten mehr zu übermitteln und nur die
anderen Wege für Nachrichten offen zu lassen.
Die spanische Regierung wird dem Auslande
wahrheitsgetreue Nachrichten über die Lage in
Spanien unmittelbar durch Radio und durch
ihre diplomatischen Vertretungen zugehen lassen.
— Die Lage in Spanien ist wieder
ganz normal.
„Mer alles das Vaterland"
DNB Madrid, 17. Okt.
Die Rechtszeitung „Jnformaciones"
fordert unter der Ueberschrift „Was man in
Spanien hat machen können!" alle, die noch an-
ständig denken, auf, sich unter der einen Fahne

„lleberalles das Vaterland" zu ver-
einigen und Front zu machen gegen die jüdisch-
sozialistische Internationale, gegen das dunkle
Freimaurertum, gegen das Gold Rußlands,
gegen den brudermörderischen Separatismus und
gegen den Verrat. Alle, ob Rechtsstehende,
Linksstehende, Monarchisten oder Republikaner,
Arbeitgeber oder Arbeitnehmer werden aufge-
fordert, zum Wohle des Vaterlandes an einem
Strang zu ziehen. In eindrucksvoller Weise
werden die scheußlichen Folgen des Verrates der
letzten Tage aufgezählt und die Bilder der Ret-
ter von dem bolschewistischen Chaos veröffent-
licht. „El Debate" gibt Gerüchte wieder,
nach denen m Sama de Langreo (Asturien) von
den Aufständischen Widerlichkeiten aller Art be-
gangen, Geistliche und Nonnen er mor-
d e t sein sollen. „La Nacion" fordert, daß
all die Scheußlichkeiten und Greuel, die von den
Aufständischen an Greisen, Frauen und Kindern
inAsturien verübt worden seien, in allen Einzel-
heiten veröffentlicht werden, damit jeder die
Lehre aus diesen marxistischen Schandtaten
ziehe. Niemals könnten die gesetzlichen Stra-
fen im gerechten Verhältnis zu den Greueltatcn
stellen; allein Gott könne über diese Gemein-
heiten richten.

Südslawische Trauerseier
im Deutschen Rundfunk
DNB Berlin, 17. Okt. Von den Bei-
setzungsfeierlichkeiten für den in
Marseille ermordeten südslawisches König Ale-
xander sendet der Deutschlandsender am 18. Okt.
in der Zeit von 21.30— 22.00 Uhr einen Kör-
be r i ch t. Es werden Ausschnitte gegeben von
der Trauerseierlichkeit in der Belgrader Kathe-
drale und von der Uebersührung nach der 82 km
von Belgrad entfernt gelegenen Kirche von
Topola. Der Deutsche Rundfunk hat für diesen
Hörbericht nach Belgrad einen eigenen Sprecher
entsandt. Der Belgrader Rundfunk hat in ent-
gegenkommender Weise alles getan, um diese
Sonderberichterstattung für Deutschland ficher-
zustellen.
4-
Anläßlich der Beisetzung Seiner Majestät des
Königs Alexander!, von Jugoslawien flag-
gen am Donnerstag, dem 18. Oktober 1934, die
Gebäude der Präsidialkanzlei, der Reichskanzlei,
des Reichstags und sämtlicher Reichsministerien
Lalbmast.

Manischer Dampfer
mit is Mim gesunken
Japanischer Dampser mit 45" Mann gesunken
Tokio, 17. Okt. Wie aus Manila gemeldet
wird, ist der japanische Dampfer „Koto Marn"
aus der Fahrt von den Kadiak- nach den Köni-
gin Charlotte-Jnseln mit 45 Mann gesunken.
Proteststreik in mexikanischen Schulen
DNB Mexiko-Stadt, 17. Okt. Am Dienstag
begann in zahlreichen Schulen des Bundes-
bezirks ein Proteststreik gegen das von der Kam-
mer angenommene Gesetz auf Einführung des
sozialistischen Schulunterrichts.
Das Gesetz wird nunmehr dem Senat zugeleitet.
Von der Streikbewegung sind höhere Schulen
und Volksschulen betroffen.
Elly Beinhorn in Hollywood
Hollywood, 17. Okt. Die deutsche Fliegerin
Elly Beinhorn ist am Dienstag mittag, aus
San Diego kommend, in Hollywood eingetroffe«.

Schwarze Zahnen
öber Belgrad
Ein ganzes Volk an der Bahre des toten Königs
Von unserem Belgrader Korrespondenten
Belgrad, 16. Okt.
Auf dem ganzen Balkan gibt es kein nüch-
terneres Volk als die Serben. Man wird lang«
suchen können, ehe man in den Straßen Bel-
grads einen Betrunkenen findet. Diese harten,
durch jahrjehntelange Kämpfe geduldig, aber
zähe gewordenen Menschen sind schwerer an«
dem Gleichgewicht zu bringen als etwa die lei-
denschaftlichen Dalmatiner der Küste. Umso er»
schütternedr wirkt darum auf den fremden Be-
obachter die ungeheure Leidenschaftlichkeit, mit
der auch der einfachste Mann auf die Nachricht
von der Ermordung des Königs reagierte-
Belgrad ist noch keine moderne Großstadt, wie
es z. V. unzweifelhaft das Wirtschaftszentrum
des Landes, Zagreb (Agram) in Kroatien
ist. Zu dicht stehen hier in den Hauptstraßen
noch die kleinen einstöckigen Häuser und Gast-
wirtschaften neben den neuen Palästen, die in
der Nachkriegszeit mit fremdem Kapital gebaut
worden sind. Nur das Regierungsviertel mit
den prunkvollen, für die Größe des Landes ein
wenig zu imposanten Regierungsämtern, fünf
Minuten vom Hauptbahnhof entfernt, verraten
den Willen dieser Großstadt, einmal den Vor-
rang auf dem Balkan zu erringen.
Auch in diesen Trauertagen drängt'« sich am
Abend auf der Hauptstraße die Flut des jungen
Volkes, das nach der Gewohnheit aller süd-
lichen Städte sich Abend um Abend vor den
großen Cafes zu treffen pflegt. Der weitaus
größte Teil der Mädchen von Belgrad geht auch
im Sommer in Schwarz, das ihnen ausgezeichnet
steht. Jetzt gewinnt dieses Schwarz der Frauen-
welt zusammen mit den unzähligen schwarzen
Fahnen aus allen Häusern in der breiten, von
Niedrigen Bauten eingerahmten Hauptstraße fast
den düsteren Anblick einer Jugend, die zu Ehrest
ihres toten Königs Trauergewänder angelegt
hat . . .
In jeder Stunde strömen aus dem weiten
Lande die Bauern und Bäuerinnen in ihren
Festtrachten nach der Hauptstadt. 120 San-
der züge sind für dieses immer noch eisen-
bahnarme Land Mit den einspurigen Bahnen
nach der Küste und dem Süden eine ungeheure
Leistung, die der kleine Bahnhof von Belgrad
schwer zu bewältigen vermag. Sie kommen in
ihren bunten Festgewändern, um die letzten Ge-
bete in den Riten dreier Religionen für den
Verstorbene^ zu verrichten. Ein bunteres Völ-
kergemisch kann man sich kaum vorstellen: Slo-
venen und Kroaten aus dem Norden, Dalma-
tiner und Montenegriner von der Küste, Ortho-
doxe und mohammedanische Bosniaken in roten
und schwarzen Fez, Albaner aus den Grenz-
gebirgen des Südens, banaler Deutsche in ihren
bunten Trachten. Heute steht man sie alle hier
mit ihren Stickereien, seltsamen Schnabelschuhen,
goldbehangenen Miedern und Westen in den
Straßen, die etwas Russisches in ihrer Weit«
an sich haben. Es ist eines der großen Ereignisse
dieses Landes, und das Volk kommt aus den
entferntesten Orten, den entlegensten Hochtälern/
z: Fuß, in ihren kleinen Wagen, auf den Esel«
und Pferden und den Autobussen und Eisen-
bahnen nach dem Zentrum geströmt, um dann
in einer ungeheuren Prozession an dem aufge-
bahrten Monarchen unter Gebeten vorbeizu-
pilgern-
Das militärische Schauspiel der Beerdigung
verspricht diesen primitiven, sinnessreudigen
Menschen ein ganz beispielloses Erlebnis. Di«
jugoslawischen Regimenter, die Abordnungen
aus der Tschechpflowakei und aur Rumänien,
die ' 'uzöfischen, englischen und sonstigen milt-
 
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