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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 10
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Rohde, Alfred: Der Elfenbeinschnitzer Joachim Henne, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0513

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Der Elfenbeinschnitzer Joachim Henne
Mit 18 Abbildungen auf 6 Tafeln und 2 Textabbildungen Von ALFRED ROHDE-Hamburg
I. Joachim Henne in Hamburg (1663 —1665)
ES ist schwer, den Lebenswegen der Künstler des 17. Jahrhunderts nachzu-
spüren; meist sind es ruhelose Gestalten, die plötzlich da auftreten, wo
ihnen Aufträge winken, die ebenso schnell verschwinden, um an anderer Stelle
wieder aufzutauchen, wir suchen sie bald im Inlande, bald im Auslande, bald
an diesem Hofe, bald an jenem. Kleine Zufälligkeiten — ein Ehekonsens,
Kindtaufen, Prozesse u. a. — ermöglichen es uns manchmal, sie auf einige
Jahre oder Jahrzehnte urkundlich festzulegen, andere Jahre oder Jahrzehnte
bleiben für uns im Dunkel, bis auch sie durch einen Zufallsfund erhellt werden.
Ein solcher ruheloser, nie ganz seßhafter Künstler scheint der Elfenbein-
schnitzer Joachim Henne gewesen zu sein. Er ist in der kunsthistorischen
Literatur nicht ganz unbekannt. Scherer1 bildet ein Berliner Relief (Abb. 1)
von ihm ab und erwähnt ein zweites (Abb. 2) im Kaiser-Friedrich-Museum.
Das war aber auch alles. Das eine Relief ist auf der Rückseite signiert und
trägt die Jahreszahl 1663. Beide Reliefs sind auch bei Voege2 und bei Voll-
bach3 abgebildet und beschrieben. Urkundlich wußte man nur noch durch
einen Berliner Adreßkalender aus dem Jahre 17074, daß Henne „Hofporträt-
maler in Miniaturen“ gewesen ist und zum Personalbestand der Akademie
jener Zeit gehörte, und dazu kommt ergänzend allenfalls die kurze Notiz bei
Nicolai5: „Joachim Henne, ein Bildnismaler in Miniatur, auch Wachsbos-
sierer und Elfenbeinschneider im Kleinen. Er überreichte 1702 dem Könige des
Kronprinzen Bildniß in Miniatur und ward darauf zum Hofminiaturmaler mit
200 Rthl. Gehalt ernennet.“ Auf dieser Notiz fußen auch die Angaben in den
älteren Künstlerlexiken. Henne tritt uns hier meistens entgegen als der Minia-
turmaler vom Anfang des 18. Jahrhunderts.
Die beiden erwähnten und abgebildeten Elfenbeine (Abb. 1 und 2) sind in
ihrer künstlerischen Fassung so verwandt und stehen, worauf Scherer hin-
weist, so deutlich unter dem Einfluß der Bildnisse eines Philippe de Cham-
paigne und Rigaud, daß auch das unbezeichnete (Abb. 2) dem Henne zuzu-
schreiben ist. Nun trägt das erste auf der Rückseite die Signatur: „HAMB
Anno 1663 Die igAug. Joachim Hennen Fecit.“ Soll das HAMB einen Sinn
haben, so kann es sich nur auf Hamburg beziehen. Ein nicht signiertes Por-
trät (Abb. 4) eines Kavaliers in der modischen Tracht stofflicher Überfülle des
beginnenden Barockzeitalters, das alter Besitz des Museums für Kunst und Ge-
werbe in Hamburg ist, und das aus altem Hamburger Familienbesitz stammt,
reiht sich ohne Schwierigkeiten in den durch die Berliner Reliefs eindeutig
festgelegten Porträtstil des Meisters ein; in seiner Feinheit, die sich dem Kava-
liermäßigen des Dargestellten anpaßt, ragt es über die anderen beiden Bildnisse
noch hinaus. Die Heraushebung des Bildnisses durch einen architektonischen
Hintergrund angedeuteter Bauwerke und Säulen lehnt sich auch hier an fran-
1 Scherer, Elfenbeinplastik seit der Renaissance, Leipzig, S.104/105.
2 (Voege), Beschreibung der Bildwerke der christlichen Epochen. 2. Auflage, Die Elfen-
beinbildwerke, Taf. 45, Nr. 202 u. 205.
3 Vollbach, Die Elfenbeinbildwerke, Bd. I der Bildwerke des Deutschen Museums,
Berlin 1923. S. 74.
4 Mueller, Die Königliche Akademie der Künste zu Berlin. Berlin 1896. S. 83.
0 Nicolai, Nachrichten von den Baumeistern usw. Berlin und Stettin. S. 1786, S. 92.

Der Cicerone, XVII. Jahrg., Heft ic

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