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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 6
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Ehrenthal, Max von: Die fürstlich Radziwillsche Rüstkammer zu Nieświeź, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0237

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6. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

221

Die fürstlich Radziwillsche Rüstkammer zu Nieswiez.
Von M. v. Ehrenthal in Dresden.
(Schluss.)


ie bereits bemerkt, sind
alle Trutzwaffen, mit
Ausnahme mehrererGe-
schützrohre, dem Zeit-
laufe zum Opfer ge-
fallen. Von 66 Ge-
schützen, die unter den
Fürsten Karl 111. Sta-
nislaus (1734 — 1790),
bez. Hieronymus III. (1758—17S7) noch inventarisiert
waren, sind nur noch 21 Rohre vorhanden, unter
denen sich aber solche von hohem Werte, wahre
Meisterwerke der Giesskunst befinden, die den Ar-
beiten der berühmtesten deutschen und italienischen
Gussmeister getrost an die Seite gestellt werden
können. Eine eingehendere Besprechung der Stücke
an dieser Stelle erscheint daher gerechtfertigt.
Die beiden ältesten der sämtlich aus Bronze
gegossenen Kanonenrohre tragen die Jahreszahl
1529, bez. 1533, daneben aber das Wappen der
Stadt Lemberg; an dem älteren ist überdies noch,
zwischen Schildzapfen und Zündloch, das Wappen
von Polen und Litthauen zu sehen. Die Länge des
ersten Rohres beträgt 2,74 m, das Kaliber 0,06 m;
die Länge des anderen 1,79 m, das Kaliber 0,045 m.
Ausser diesen beiden, dem erwähnten Wappen zu-
folge in Lemberg hergestellten Geschützrohren sind
aber noch drei andere mit demselben Stadtwappen
gekennzeichnete Stücke aufzuführen, die uns den
Namen eines dortigen Gussmeisters überliefern. Das
eine der Rohre zeigt nämlich um die Mündung
herum die Inschrift; «Lenhard here». (hier); das an-
dere die Inschrift: «Lenhardt hiere hat mich gossen»;
das dritte, von gleicher Arbeit wie die vorgenannten
mit der Jahreszahl 1541, das Monogramm C. L.
Der Name des um 1540 zu Lemberg arbeitenden
Gussmeisters deutscher Herkunft lautete daher C.Len-
hardt oder Leonhardt. Die beiden ersten Rohre
haben eine Länge von je 1,81 m und ein Kaliber
von 0,05 m; das dritte Rohr eine Länge von 1,60 m
und ein Kaliber von 0,05 m. Letzteres trägt nahe
der Mündung die polnische Inschrift: «Döbra to
obrona z kirn Pan Bög», zu deutsch: «Gut ist die
Verteidigung, mit wem Gott ist».
Doch noch ein zweiter, ebenfalls bisher un-
bekannter und noch bedeutenderer Stückgiesser
als Lenhardt ist hier vertreten: Hermann Molzer zu
Nieswiez. Aus seiner Werkstatt stammen fünf Ge-
schützrohre von künstlerisch ganz hervorragender
Arbeit, von denen wir drei in der Abbildung bringen.
Fig. 1 gleicht in seiner Gestalt einer leicht gewun-
denen korinthischen Säule, die zum Theil mit einer
Weinguirlande en relief umgeben ist, zwischen welcher

man als belebendes Element zierliche Eidechsen
wahrnimmt. Auf dem Kapitäl der Säule, das den
Kopf des Rohres bildet, befindet sich das Kreuz
von Jerusalem, womit die Waffe besonders für den
Kampf gegen die Ungläubigen, die Türken und Ta-
taren, geweiht sein sollte. Die Schildzapfen laufen
in Löwenköpfe aus; auf dem hinteren, geriffelten Teile
des Rohres, der technischer Schwierigkeiten wegen
auf der Abbildung keinen Platz finden konnte, be-
findet sich der lateinische Flexameter; «Hostem
flammiferae consumunt colla China erae, zu deutsch:
«Den Feind verzehren die Hälse der flammenspeien-
den Chimaera» —, ferner Wappen und Namen des
Nicolaus Christophorus Radziwill D. G. Olicae et
in Nieswiez Dux MDC. Am Rande des Boden-
stückes aber hat der Gussmeister seinen Namen mit
den Worten verewigt: «Mit Gottes Hilfe goss mich
Hermann Molzer zu Neswisch MDC», Die Länge des
Rohres beträgt 2,62 m, das Kaliber 0,1 m. Sonach
handelt es sich hier schon um ein grösseres Ge-
schütz, das mehr für die Verteidigung und Belage-
rung als für den Feldkrieg bestimmt war. — Fig. 2
zeigt uns eine besonders originelle Idee des
Meisters, nämlich eine geborstene ionisch-römische
Säule, die scheinbar von Stricken zusammen-
gehalten wird, die gleichzeitig auch die Henkel des
Rohres bilden. Unter dem Kapitäl, dem Kopf des
Rohres, sieht man wiederum das Kreuz von Jeru-
salem, und darunter, innerhalb eines en relief
hervortretenden Schriftbandes, die Inschrift «Mur-
mure non vano Circe quos tango profano», die in
freier Uebersetzung lautet: «Circe heisse ich und
nehme mir die zum Opfer, die meiner Stimme
nicht leerer Schall trifft». Auf der hinteren Hälfte
des Rohres sind Namen und Wappen des Fürsten
genau so wie bei Nr. 1 (wo sie auf der Abbildung
nicht sichtbar waren), angebracht. Bemerkt sei,
dass der Adler, dessen Brust das eigentliche Wappen-
schild trägt, der Familie Radziwill bei ihrer Er-
hebung in den Fürstenstand des heiligen römischen
Reiches durch Kaiser Maximilian I. 1518 verliehen
worden ist. — Fig. 3 hat wieder die Gestalt einer
korinthischen Säule, deren oberes Drittel, von dem
hier besonders stilvoll modellierten Kapitäl bis ziem-
lich an die Schildzapfen kanneliert ist; auf der Mitte
des Rohres tritt in Hochrelief eine fünfköpfige Hydra
hervor, auch die Schildzapfen laufen in Hydraköpfe
aus. Der mittelste des siebenfachen Schwanzes von
dem Ungeheuer schlingt sich um das fürstliche
Wappenschild sowie um eine Kartusche mit dem
Namen des Fürsten Nicolaus Christophorus, hier mit
der Jahreszahl MDCIX. Unterhalb des Wappens
erblickt man als Devise des Geschützes den Vers:
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