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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 1.1907

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Heft IX (September 1907)
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Kolb, Gustav: Der Kunstunterricht auf unseren niederen Seminaren und Gymnasien
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Kolb, Gustav: Zu unseren Abbildungen
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Hahn, Robert: Zur Einführung des Reformzeichnens in der Volksschule
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https://doi.org/10.11588/diglit.31624#0118

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doch endlich unsere Arbeit die ihr gebührende Wertschätzung finden! Möchte doch endlich
auch mit der unseligen Praxis gebrochen werden, den Kunst- und Zeichenunterricht an
unseren Gymnasien in die Hancl von künstlerisch durchaus ungenügenden Lehrkräften zu
geben! Leider aber hat diese Praxis in den letzten Jahren an Boden gewonnen. G. K.

Zu unseren Abbildungen.
Unsere heutigen Abbildungen sind mit Rücksicht auf den Artikel „Der Kunst-
unterricht an unseren niederen Seminarien und Gymnasien“ der Schulpraxis eines
niederen theologischen Seminars —• Blaubeuren — entnommen. Sie zeigen, was
in solchen Anstalten geleistet werden könnte, wenn der Zeichenunterricht nicht
vielen Hemmnissen und Schwierigkeiten begegnen würde und überall von einem
tüchtigen, künstlerisch vorgebildeten Fachmann erteilt würde. Leider aber wird das
Zeichnen in diesen Lehranstalten nicht als wichtiges und für eine abgerundete
harmonische Geistesbildung notwendiges Bildungsmittel betrachtet, weshalb der Be-
such des Zeichenunterrichts freiwillig ist. Aus diesem Grund funktioniert der Musik-,
Schönschreib- und Turnlehrer meist auch als Zeichenlehrer. Musik spielt dabei die
Hauptrolle, weshalb dieses Fach bei Auswahl der Lehrkräfte den Ausschlag gibt.
Blaubeuren ist meines Wissens das einzige Seminar, das einen künstlerisch gebildeten
Zeichenlehrer besitzt. Wie notwendig es wäre, wenn die Geistlichen auch von Kunst
etwas verständen, d. h. hauptsächlich eine Empfindung für das Schöne hätten,
das lehren uns die vielen abscheulich renovierten Kirchen, die wir landauf landab
treffen und die häufig einen geradezu barbarischen Eindruck auf einen Sachver-
ständigen machen. Der Geistliche ist der natürliche Beschützer dieser Kleinodien;
er hat darum auch die Pflicht, sich dieser alten ehrwürdigen Kunstdenkmäler anzu-
nehmen und jede rohe Hand davon fernzuhalten. Aber, wie gesagt, dazu müsste
er selbst etwas davon verstehen. Archäologisches Wissen, das man sich aus Büchern
holt, genügt da freilich nicht. Empfindung für Schönheit in Kunst und Natur, das
holt man sich am ehesten durch liebevolles Studium mit dem Zeichenstift und
Pinsel in der Hand.
Das zeigen auch unsere Abbildungen 1, 2, 3 und 4, an denen ich vor allem
schätze, dass sie die individuelle Auffassung des Schülers unverfälscht zeigen.
Abbildungen 5 und 6 sind Nachbildungen von zwei jener grossen farbigen Künstler-
steinzeichnungen, die im Verlag unseres Kollegen Eugen Fischer-Stuttgart, Rosen-
bergstrasse 72, erschienen sind. Wir haben schon des öfteren auf dieses Unter-
nehmen empfehlend hingewiesen. Das Werk sollte in keiner württembergischen
Schule fehlen, wo man es mit der Pflege der Liebe zur Heimat und der künstlerischen
Betrachtung unserer Umgebung ernst nimmt. G. K.

Zur Einführung des Reformzeichnens in der Volksschule.
Aus verschiedenen Bezirken des Landes ertönen Hilferufe: durch Vorträge und Lehr-
proben auf Konferenzen und selbst durch Zeichenkurse laufe das Reformzeichnen da und
dort Gefahr, in verkehrte Bahnen geleitet zu werden. Soweit es sich um blosse Missver-
ständnisse handelt, dürfte eine Aufklärung nicht allzu schwer fallen. Mitunter hat man jedoch
den Eindruck, als handle es sich um bewusste Umbildungen, welche die betreffenden Erfin-
der für Verbesserungen halten, und hier wird auf Belehrung kaum gehört werden. Die un-
gewöhnliche Schwierigkeit, mitten aus dem alten Betrieb heraus plötzlich überzugehen zu
einem neuen, dessen Ziele und Wege ganz andere sind, wird gewiss nicht verkannt. Der
Sprung wird aber dadurch nicht erleichtert, dass man zwischen Alt und Neu zu vermitteln
sucht, wobei ja doch nur Aeud’serlichkeiten der Reform entlehnt werden, während der Geist
der alte bleibt. Man schafft damit vielmehr nur Verwirrung, sofern die widerstrebendsten
Grundsätze nebeneinander zur Geltung gelangen. Welcher Neuling — und das sind ja fast
alle — vermag in dem Chaos sich dann noch zurechtzufinden, und welcher vernünftig Denkende
kann für so etwas Halbes, Widerspruchvolles sich noch erwärmen oder gar begeistern ?!
Wozu also noch immer gerade Striche üben, wo dies doch dem klaren Grundsatz der
Reform widerspricht, in erster Linie das Interesse zu wecken! Diesem Grundsatz ist auch
nicht gedient, wenn man ein Rechteck im Verhältnis 2:3 zeichnen lässt und dieses dann für
das Bild einer Postkarte erklärt. Vom Gegenstand selbst, von der Natur muss ausgegangen
 
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