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Kurpfälzer Jahrbuch: ein Volksbuch über heimatliche Geschichtsforschung, das künstlerische, geistige und wirtschaftliche Leben des Gebietes der einstigen Kurpfalz — 4.1928

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Reitz, Leopold: Der Kurfürst wird kurios kuriert
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https://doi.org/10.11588/diglit.29785#0015

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Der Kurfürst wird kurios kuriert

Von Leopold Reitz- Neustadt a. d. H.

Die Strahen zum Mannheimer Schloß sind gesperrt, ein Glacis des
Schweigens ist ihm vorgelagert. Was ist?

Der sommerliche Park steht verdutzt wie nach einem Maifrost, die
Wasserkünste haben sich müd gespielt und schlafen; am Wachportal kein
Trommelwirbel tost mehr auf, der sonst den festlichen Tumult bereitete für
das Erscheinen hoher Würden; die Posten, die ehdem sich beim hinge-
klirrten Tritt um Grenadierlänge höher ins Kriegerische aufgepslanzt
spürten, kommen sich in Ungenagelten degradiert vor und haben ein flaues
Gefühl, als mühten sie barfüßig gehen. Derödet find die Hallen und die
Galerien, die Spiegelsäle sind erblindet, wie mit Flor beschlagen; Lapeten,
goldgewirkt, sind grauer Sack geworden und die Heidengötter auf den
Wandgemälden fühlen mit einem Male ihre splitternackte Heiterkeit vor
den saueren Mienen der Schranzen als unschicklich: diese aber duckeln
noch tiefer und gehen ersoffen im Trübsinn. Ia, was ist denn geschehen?

Antwort: Der liebe Gott ist krank.-Der liebe Gott?

Nun, aber schiergar ist es so; nämlich der Kurfürst ist erkrankt und der
ist doch beinah der liebe Gott, zum wenigsten hat es der erlauchte
Württemberger Vetter dieserweise herausgesagt: „Ein Regent ist das
wahre Ebenbild Gottes, er hat das Recht, nach Herzenslust Gutes und
Döses zu tun". So ist es auch. Wenn der Kurfürst fröhlich sein will, das
muh man ihm lassen, dann wird dem ganzen Land dasLachen anbefohlen,
jedermann darf sich den Guten antun, und es wird eigens schönes Wetter
proklamiert; aber wenn er schlechter Laune ist oder gar krank, so tut er's
auch nicht billiger als um die Anteilnahme seines ganzen Fürstenreiches;
denn des Regenten Wohl und Wehe ist oberstes Gesetz. Krank! Kann
es Schlimmeres für ihn geben, der keinen Schmerz und kein Verblühen an-
erkennen will und bisher von Anmut und hellen Künsten beglückt den
heiteren Lag hat hingenossen!

Krank! Also darum hängt die Schlohfahne trist wie ein Tränen-
tüchlein, darum sind die Lieblingsfrauen verstohen und ihre Veize ver-
waist und sinnlos geworden, deshalb schneuzen sich die Hofdamen so be-
trübt, mon Oieu, das letzte Vouge auf den Lippen verblaht, die Kavaliere
haben gelangweilte Gesichter; denn zu flirten wäre Vlasphemie. Wenn
der Obristhofmarschall dem Großhofmeister eine Prise anbietet, liegt darin
— hatzi — eine symbolische Vedeutung, den Schmerz gemeinsam zu
zu tragen, stumm und ohne Klage. Der Hofpoet fitzt nägelkauend über
dem Entwurf eines Poems, das auf den Hofstaat wie geriebener Meer-
rettich wirken soll, der Hospfarrer und die sieben Kapläne sind über den
Strapazen des Gebets für Seine Durchlaucht zu Gerippen abgemagert;
Bratenmeister und Spickmeister gehen mit Gabel und Tranchiermesser
aufeinander los, weil sie vom Küchenchef zur Derzweiflung gebracht sind,

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