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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 55.1919/​1920 (Oktober-März)

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Nr. 22 (27. Februar 1920)
DOI Artikel:
Voss, Hermann: "Künstlergeschichte" oder "Kunstgeschichte ohne Namen"?: Entgegnung an Heinrich Wölfflin
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https://doi.org/10.11588/diglit.29588#0473

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KUNSTCHRONIK UND KUNSTMARKT

HERAUSGEBER: GUSTAV KIRSTEIN

BERLINER REDAKTION: CURT GLASER WIENER REDAKTION: HANS TIETZE

NR.22 27. FEBRUAR 1920

» KÜNSTLERGES CHICHTE «

ODER »KUNSTGESCHICHTE OHNE NAMEN«?

ENTGEGNUNG AN HEINRICH WÖLFFLIN
VON HERMANN VOSS

IN Nummer 20 der »Kunltdironik« beklagt fidi Heinridi Wolffiin, daß feine
»Kunftgefdiichtlidien Grundbegriffe« von mehreren Seiten falfdt gedeutet feien
und »mehr oder weniger offen« eine Gefahr für die »allein echte« Kunftgefchichte
genannt würden. Wolfflin bezeidinet die Gegner, gegen die fidi feine Er-
klärung wendet, nidit näher. Indeffen dedten fidi die von ihm aufgegriffenen
Gedankengänge fo auffallend mit denjenigen des Vorwortes meiner »Malerei
der Spätrenaiflance in Rom und Florenz«, daß kein Zweifel möglidt ift, auf
wen Wölfflin in erfter Linie zielt.

Idi fühle mich daher verpflichtet, über Anlaß und Abfichten der program-
matifthen Vorrede meines Buches mit Rückficht auf Wölfflins Rekriminationen
einige Auskunft zu geben.

Als ich das riefige Denkmälermaterial der römifch =florentinifchen Spät-
renaiffance zu ordnen unternahm, war idi gezwungen, mich mit einer Reihe
heute kaum noch bekannter Künftler zu befdhäftigen, die zufammen einen fehr
bedeutungsvollen Abfchnitt der Entwiddung von der Renaiflance= zur Barock-
malerei ausmachen. Mehr und mehr ergab fich bei der Betraditung ihres
Schaffens ein völlig neues Bild der gefamten Epoche. Wie ift es nun mög-
lich, daß ein wichtiger Zeitraum von etwa 80 Jahren, von wenigen und ziem-
lich zufällig herausgegriffenen Namen abgefehen, tatfächlich eine terra incognita
blieb, während über Renaiffance und Barodc, ihre Stilunterfchiede, Entwidc-
lungsmomente ufw. doch gerade in neuerer Zeit fo viel gefchrieben wurde?
Wie konnte man iiber beinahe ein Jahrhundert angeftrengten malerifdien
Schaffens intereflelos hinwegfehen, wenn man fich”gleichzeitig über das Pro-
blem: Renaiflance—Barock den weitfchweifendften Betraditungen hingab? Hier
liegt, wie man zugeben wird, eine Anomalie vor, die erklärt werden muß.
Idi finde diefe Erklärung in einer, wie mir fcheint, fpezififdi modernen Neigung
zum Verallgemeinern, zum Aufßellen von Typen, fei es von entwiddungs-
gefdiiditlicher Art, fei es von Perfönlidikeiten. Die Berückfiditigung der dem
 
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