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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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19. Heft
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Biermann, Georg: Die Neuerwerbungen für die königl. Nationalgalerie: Zur Ausstellung in der Akademie der Künste in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0772

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DIE NEUERWERBUNGEN FÜR DIE KÖNIGL.

NHTIONÄLGÄLERIE / ZUR AUSSTELLUNG IN
DER AKADEMIE DER KÜNSTE IN BERLIN

Mit 12 Abbildungen, davon 2 auf einer Tafel1 Von GEORG BIERMÄNN

Seit zwei Jahren ift Ludwig Jufti als der Nachfolger Hugo von Tfchudis Leiter
der Berliner Nationalgalerie, aber nur feiten hat in diefer Zeit die Öffent-
lichkeit etwas von der Tätigkeit des neuen Direktors gehört. Hin und wieder wurde
eine Nachricht laut von durchgreifenden baulichen Veränderungen, denen die Sammlung
unterzogen wird und von einer damit verbundenen Neuaufteilung ihrer Schäle. Erft
kürzlich hörte man von der Überführung zahlreicher Schlachtenbilder aus dem Beftande
der Nationalgalerie ins Zeughaus und dann kam die überrafchende Mitteilung von der
wichtigen Leihgabe der Sammlung Bernt Grönvold, die Jufti auf eine Reihe von Jahren
hinaus für feine Galerie gefichert hat. Das waren indes alles nur fehr fpärliche Nach-
richten, die eher die Neugier auf die wirklichen Leitungen und die Arbeit des neuen
Direktors fteigern als befriedigen konnten. Wer Jufti nach feiner früheren Tätigkeit
her einzufchäßen wußte, fühlte, daß eines Tages doch eine große Überrafchung kommen
mußte, daß diefer Mann, der vor Jahren als Leiter des Städelfchen Inftitutes dank
feiner Energie die Entwicklung diefes Mufeums in neue Bahnen gelenkt hatte, auch
auf dem fchwierigen Poften als Nachfolger v. Tfchudis feiner eingeborenen Initiative
folgen und mit einem Programm an die Öffentlichkeit treten würde, das eben fo fehr
den fchwierigen, einmal gegebenen Verhältniffen wie der befonderen kunftgefchichtlichen
Aufgabe Rechnung tragen follte, die die Beftimmung diefer Sammlung in fich fchließt.

Man darf getroft fagen, Jufti tat recht daran, wenn er fo fpät erft die Öffent-
lichkeit über feine Tätigkeit unterrichtet; denn erft jeßt, wo die Neuerwerbungen
der leßten zwei Jahre zu einer wahrhaft impofanten Ausftellung in der Akademie ver-
einigt find, kann er diefe Schäße als die Verkörperung feines Programms vorftellen;
erft in der Gefchloffenheit des hier Gezeigten werden einem die Richtlinien klar, denen
er als verantwortlicher Leiter zunächft zu folgen gefonnen ift. Er fpricht fich felbft in
dem Vorwort zum Katalog unzweideutig darüber aus: „Die ausgeftellten Objekte find
zum größeren Teil Zeichnungen — obwohl nicht einmal alle Ankäufe auf diefem Ge-
biete ausgeftellt find. Die Bedeutung der Zeichnungen für unfere Galerie kommt darin
zum Ausdruck; denn wer die deutfche Kunft des 19. Jahrhunderts kennen lernen will,
muß die Zeichnungen kennen: In ihnen erft offenbart fich bei vielen Meiftern das
Feinfte und Leßte ihrer Kunft . . Gilt diefer Saß in einer gewiffen Verallgemeine-
rung überhaupt von jeder künftlerifchen Produktion, weil der Blick in die Werkftatt
der Hand und der Gedanken einem das Erfte und Leßte erfchließt, fo ganz befonders
von den oft verkannten Meiftern der Nazarenergruppe und den Klaffiziften, die im
Großen oft trocken und unerträglich, im Kleinen von einer Lebensfülle und Modernität
find, die uns nach nahezu hundert Jahren wunderfam berührt. Das foll im Einzelnen
noch belegt werden. Jufti weift ferner auf die günftigen Gelegenheiten hin, die der
Markt von 1910 und 1911 gerade für den Erwerb der Zeichnungen bot (die wich-
tigfte Occafion die Verweigerung Lanna) und auf die empfindliche Lücke, die die Be-
fände der Nationalgalerie gerade nach diefer Seite hin aufzuweifen hatten. Und er

1 Die Abbildungen zu diefem Äuffaß wurden, wo anders nichts vermerkt, nach Photographien
von Julius Bard-Berlin gefertigt. Die Reduktion des herrlichen Stückes von Schinkel (Äbb. 3)
erfolgte durch ein telephonifches Mißverftändnis, das bei der Schnelligkeit, mit der Photos und
Klifdiees hergeftellt werden mußten, entfchuldigt fein mag. Die Red.

Der Cicerone, III. Jahrg., 19. Heft. 56

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