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Relief der Brüstung von der Lochererkapelle.

Maria mit dem Schutzmantel

am Freiburger Münster.

Von

Dr. Engelbert Krebs.

as Freiburger Liebfrauenmünster weist
unter seinem reichen Bilderschmuck in
\\<rr' | Stein, Holz und Glas nicht weniger als
«B^ä^l^v) viermal die Darstellung der sog. Mater
misericordiae, der hl. Jungfrau mit dem
Schutzmantel, auf. Über die späteste, aber schönste
dieser Figuren, die Mittelgruppe des Lochereraltars,
hat A. Poinsignon in der Zeitschrift „Schauinsland"
15 (1890), S. 17 ff. berichtet und zwei treffliche Auf-
nahmen derselben von C. Ruf ebenda veröffentlicht.
Wenn er hier sagt, dass die Behandlung dieses Stoffes
namentlich für die Skulptur sehr beliebt, ja typisch
geworden sei, so hat er damit eine Wahrheit ausge-
sprochen, die von Fr. Kempf im 18. Band derselben
Zeitschrift eingehend begründet wurde. Kempf ver-
öffentlicht hier die aus dem H.Jahrhundert stammende
Mantelmadonna vom Hauptturme und die kleinere,
kaum spätere, ähnliche Figur aus dem alten Spitalhof
sowie die von Geiges aufgenommenen Reste eines Ge-
mäldes desselben Inhalts aus der Münstervorhalle.
Zugleich beschreibt er die ebenfalls dem H.Jahrhun-
dert entstammende Schutzmantelmadonna im Tullen-
hauptfenster des südlichen Seitenschiffes und die wohl
gleichzeitige Steinfigur auf dem zweiten Pfeiler dessel-
ben Seitenschiffes. Neben die vier heute noch am alten
Platze befindlichen Darstellungen dieses sinnigen Ge-
dankens stellen sich also eine fünfte, jetzt verschwun-
dene, gemalte am Münster und eine sechste vom
alten Spitalhof. Eine monographische Behandlung der
Schutzmantelbilder existiert bis jetzt nicht. Selbst
der Versuch einer Erläuterung ihrer Herkunft wurde
kaum unternommen. Es ist bloße Vermutung, wenn

F. X. Kraus in seiner Geschichte der christlichen
Kunst1 meint, dass man in der Madonna mit dem die
Christenheit bergenden Mantel eine künstlerische
Weiterentwicklung der franziskanischen Mariendar-
stellung zu sehen habe, deren ausgebreitete Arme den
Gedanken des „Sub tuum praesidium confugimus" oder
des „Salve regina" versinnbildeten. Kempf gibt dieser
Vermutung schon eine Art historischer Begründung,
indem er auf die gleichzeitige Popularisierung des
Salve-Reginagebetes und des Typus der Mantelmadonna
hinweist. Ob aber ein innerer Zusammenhang zwi-
schen den Gedanken des Gebetes und der Idee des
Bildes tatsächlich bestanden habe, lässt auch er noch
unerwiesen. Eine Arbeit über die Mystik in Adelhausen
gab dem Verfasser dieser Zeilen unerwartet den po-
sitiven historischen Nachweis dieses Zusammenhanges
in die Hände, und ohne in ein Gebiet vorlaut ein-
zugreifen, das sein Arbeitsfeld sonst nicht ist, glaubt
er doch das, was er an literargeschichtlichen Bei-
trägen zu einer kunsthistorischen Frage findet, den
Spezialforschern auf diesem Gebiete nicht vorent-
halten zu sollen.

„Die Schutzmantelbilder reichen vermutlich in
das 13. Jahrhundert zurück", sagt Kempf', „sind aber
erst mit der Verbreitung des Rosenkranzgebetes,
des Salve-Regina und der lauretanischen Litanei zahl-
reich geworden." Soviel ich bei einer kurzen Nach-
prüfung und einigen von Kunsthistorikern einge-
zogenen Erkundigungen feststellen konnte, ist dieser
Satz in seinem ersten Teile noch nicht aus der Ver-

2. Bd. 1. Abteilung. Freiburg i. Br. 1897. S. 432f.
 
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