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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 2.1922

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Heft 5 (November 1922)
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Koerner, A.: "Der Historiker des Zeichenunterrichts"
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Ein Vorstellungskünstler
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https://doi.org/10.11588/diglit.21684#0121

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2Z6

künsrlerischen Strömnngen der Gegenwart". 2. „Natur--
gebilvs unv Kunstprovukt. Anregung zu künstlerischer
Naturbeobachtung unv naturgeschichtlichen KunststuVken".
Z. „Wanvlungen unv Wege Ves gebunvenen Jeichnens".
Mit Spannung vürsen wir Vem Erscheinen Visser letzten
Werke entgegensehen.

2kicht unerwahnt soll bleiben, Vaß Th. Wunderlich
auch Vke sührenve Kraft bei ver voin Verein zur Förve-
rung Ves Zekchenunterrichts 1n ver provinz Branvenburg
unternommenen tzerausgabe Ves vreibändlgen „Lehrbuches
für Ven Unterricht im frcken Jeichnen an allgemein
btlvenven Lehranstalten'' gewesen isk.

AufopfernSe Fürsorge unv innigste Llebe bewahrte Vcr
Verblichene Ver von ihm ins Leben gerufenen „Ver-
einigung für Zeichen- unv Kunstunterrichk" Ves
Berliner Lehrervereins, Vie auf Grund seiner Zöjährigen
großzügigen Führung in Vauernder Blüte stanv. HunVerte
von Vorträgen, denen Vie Versammelten mkt höchstem

Interesse lauschken, hat er in Ven Vrek DuhenV Iahren
gehalten, Vazu zahllose Berichte erstattet unv tausende
von Buchbesprechungen zu Gehor gebracht. Die „päda-
gogische Zeitung", Vie „Kreide", Vie /Oeutsche Schule",
„Kunst unv IugenV", »Schauen unv Schassen', Vas »3en-
tralblatt für Erziehung und Unterricht" u. a. sinv beredte
Zeugen sür Vie geravezu übermenschliche Tatkrast des
gottbegnadeten Kollegen, durch Veffen intensive Wirksam-
keit Vle „Deutsche Lehrerbücherek" austeroröentlich
bereichert worven ist. Kaum eine anvere Bibliothek Vürfte
einer so umfassenden Zeichcnliteratur sich erfreuen können.
Wunderlichs Taten beweisen, vast er im Flelhe sich von
niemanv übertreffen lietz. Mit Bewunderung wird man
vernehmen, Vatz ver Verstorbene ein ViertelsahrhunVert
lang nebenamtlich auch an ver 6. stävtischen Fortbilvungs-
schule für Iünglinge unterrichtet unv ehrenamtlich in
Armen-,Waisen- unv Steuerangelegenhekten sekne Bürger-
pfikcht revlich erfüllt hat. A. Körner.

Ein Vorftellungskünstler

(Aus Honore DaunUer, Lithographien, herausg

DaumierS Kunst ist als Ganzes nichts anveres als be-
wustte unv planmästige Gestaltung ekner IVee. Deshalb
ist Daumker als Künsiler auch Eppreffionisk. Denn Ex-
preffionismus beveutet: Die Menschen und Dinge um-
formen im Sinne einer 2vee. Weil aber dles Vas Wesen
unv Gesetz Ves Expreffionismus ist, varum sinv Vie Dinge,
wie sie der Expreffionist, in Viesem Falle Daumler, var-
stellt, nicht so wie sie in Wahrheit sinv, sonvern wie er
sie wünscht und braucht. OVer genauer: Es sinv Sym-
bole. Damit ist LeVoch beileibe nicht gesagt, dafi fle un-
wahr würven. 2m Gegenteil. Gerave Veshalb strotzen sie
von Wahrheit, sinv konzentrierte Wahrheit. Daumier ist
Vie höchste Steigerung Ves Goetheschen Gedankens, vaß
«Wenn Künskler von Ver ZZatur rsven, fle, ohne sich's be-
wutzt zu werden, immer die 2dee subkntellkgieren." Das
heitzt also: Daumier malt sozusagen nur Vurch seine gei-
stkgen unv gar nicht durch seine leiblichen Augen. Dau-
miers Sehen ist seherisch. Er sieht alles an Ven Menschen
und Dingen unv alles zugleich, nicht bloß Einzelheiten,
nicht bloß Momente, sonvern ihre Gesehe unv ihre aanze
Wesenheit. UnV er gibt stets Vie Summe, d. h. Vie Syn-
these Ves Gesehenen. 2m einzelnen Moment gibt er Vte
Vergangenheit, Vie Gegenwart und vie Logik Ver Zukunst.
Natürlich geschieht Vas ganz unbewußt. Was Vie heutkgen
Expreffionisten in ihrer Mehrzahl zumekst mit Vem Ver-
stande malen, Vas malt er als Genie ganz naiv, ohne
jeöes programm.

2n Vem UmstanVe, Vaß Daumier Expreffionkst im
tkessien und echtesten Sinne Ves Wortes isi, findet man
auch allekn Ven Schlüffel für ekne an sich gewitz ersiaun-
llche Tatsache, Vie von Ven meisten seiner Bkographien
überfehen wirv: es gibk von Daumiers HanV gar keine
Studien nach Ver Natur, und er hat wahrscheinlich nicht
einmal am Begknne seines Kunskstuviums Virekte Stuvken
nach Ver Batur gemacht. Daumier konnte tatsächlich nlcht
nach Ver Batur zeichnen. Sein künsilerisches Schaffen ist
reinste Refiexion. Er schöpst alle Dinge, ob Mensch, Tier,
LanVschaft over StrahenbilS, aus Ver Tiefe seines Gemü-
tes — nachvem Ver früher gewonnene Eindruck der Wirk-
lkchkeit Vort von seincm Geist und seiner Seele verarbeitet
worde» ift. UnV nur Slese aus Ver 2vee gezeugte mensch-
liche, tierische oder landschaftliche Formel vermag er zu
ZZapier oder auf Vke LeinwanV zu bringen. Das Modell
sehlt lm Augenblick Ver künstlerischen produktion voll-

geben von E.Fuchs. Verlag A.Langen, München)

ständlg. Was er gibt, ist „alles aus Ven überströmenven
inneren Gewalten und nichts aus Ven Modellen" heraus-
geholt. Darnach scheint seine spätere in zahlrekchen Kart-
katuren betätigte Opposition gegen Ven Naturalismus kn
Ver Kunst, ver nach sekner Meinung bloß Vle Natur ko-
piere, schon instlnktiv begrünvet gewesen zu sein. Daumker
schaut bekm Arbeiten nur in sich hknckn und reproduziert
nur Vas, was sein Wünschen kn seiner Seele bereits ge-
formt hatte. Das allein schreibt er ab, und nicht Vke
Ratur: seine eigene Form gewordene persönlichkeit. Weil
Viese aber kongruent mtt Ven Wünschen unv vem Drängen
seiner Zckt ist, Varum ist er so groß. Denn es ist Ver
Lebenswklle ciner ganzen Klaffe, Ves zur Herrschast drängen-
ven Bürgertums, was sich khm zu künftlerischem Ausvruck
Vrängt. Daumier lst ein Visionär, ein zeichnenver Dichter,
unv zwar, wie schon hker gesagk sein mag, ekn Vramati-
scher Dichter: ein moderner bürgerlicher Shakespeare.

Daß Daumier Vie Fähkgkelt, vor Ver ZZatur zu arbeiten,
völlig abging, ja, Vaß ihn Vas Modell bei Ver provuk-
tion geradezu hinverte, Veffen war er sich selbsi vollkommen
bcwußt. Gustav Geoffroy führt kn ekner Stuvie über
Daumier Vafür Vas solgenve bezeichnende Beispkel an.
Es war in ValmanVois, wohkn Daumker in Ven sechziger
Iahren übergefledclt war unv wo auch sein FreunV, Ver
Radierer Geoffroy-Dechaume, wohnte. Die beiden waren
Rachbarn. Eines Tages, als Geoffroy gerade eine Hartle
Kegel spielte, erschien plöhlich Daumier mit rotem Kopfe
unter Ver Türe unv sprach: „Meln licber Geoffroy, ich
weiß nlcht mehr, wie man eine Ente macht, unv ich
brauche eine für meinen Stein. Zeig mlr Voch Enten."
— „Das isi sehr einfach," errlärte Geoffroy, „komm Voch
mit zum Dorfgraben." Der Graben, in Vem sich eine
Menge Enten tummelken, war nlcht weit vom Hause.
Llber eine kleine Brücke gebeugt, betrachtete Daumker lange
Vas in Ver Sonne glänzenve GesieVer Ver Tiere, ihre
runven Köpfe, Vie eckigen Schnäbel unv ihre munteren
Bewegungen. Rach einer Weile sagte sein Freund: „Willst
Vu nicht ekn Rotizbuch unv elnen Bleistksi? Du kannst
Vlr ja eins kleine Skizze machen." Aber Daumier schüt-
telte lachelnv Ven Kopf unv sagtc: „Danke schön, Geoffroy,-
Vu welßt Voch, Vaß ich nicht nach Ver Natur zeichnen
kann." Das Bilv der Enten wurve nur in sein Gevacht-
nlS eingegraben. Acht Tage später aber erschien !m Eha-
rivari ein Bilv Daumiers, auf Vem Enten mit einer
 
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