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Kunstwart und Kulturwart — 32,3.1919

DOI Heft:
Heft 17 (1. Juniheft 1919)
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Avenarius, Ferdinand: Pfingsten
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https://doi.org/10.11588/diglit.14423#0196

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Pfingsten

^^v^-er vor diesem tzeft wieder einmal Herrn Walther den ewig Iungen
H Ndurchs frühlinglachende deutsche Land singen sieht, wie schwer wird es
dem, die Bitterkeit niederzuzwingen! Dein Bozen, sogar dein Vogel--
weidhof stehn jetzt unter wälscher Hut — was sticht nicht von bieser Vor--
stellung allein schon marternd durch alle Nerven! Und wie viele andere
Gedanken noch schmerzen jetzt oder sind schon so schmerzübermüdet, daß
Tausende und weiß Gott nicht die schlechtesten am liebsten mit Lenaus
Rappen „in den See schlendern" möchten. „Die ganze Welt ist wund
und weh." Für den Schwerleidenden ist sie das ja gerade im Frühling
doppelt, oder wenigstens: die Welt macht ihm ihn selber erst recht wund
und weh, wenn sie nicht mit ihm zu trauern scheint, wie im Herbste, sondern
fremd uni ihn jubelt.

Aber Bitterkeit können wir jetzt am wenigsten brauchen. Keine Stimmung
der Anlust können wir jetzt brauchen, weder eine, die erschlafft, noch eine,
die Gefühle und Gedanken überreizt. Was wir jetzt für uns annehmen,
muß fruchtbar machen. Auch Schmerz macht fruchtbar — wenn er aufklärt,
wenn er läutert und wenn er erzieht, solchen Schmerz dürfen wir jetzt gewiß
nicht scheuen, her mit ihm, uird wenn er die Wrrnden wie mit glühendem
Eisen ausbrennt. Dann aber: Freude macht fruchtbar, wenn's die echte
ist, die unsere seelische Kraft nicht „zerstreut", nein, die „sammelt", was
von Quellkraft im Boden rinnt. Solcherlei Freude kor.rmt wieder aus
der besten Arbeit, die stets auch ein Rmgraben im eigenen Ich ist, sie kommt
aus dem Sich-Äberwinden, aus dem Schaffen und aus dem Genusse an
eigner Kraft. Es muß also die Erkenntnis dabei sein: du bist uoch was
Rechtes. Selbstachtung setzt sie voraus, wenn sich's um einen Einzelnen
handelt, und wenn sichs um ein Volk handelt: Achtung fürs eigne Volk.

Darum war es das Allerbedenklichste in dieser Zeit, daß unsre deutsche
Selbstachtung ins Wanken geriet. Eben das zu erreichen, war das letzte
Ziel des Suggerierkrieges, als man uns mit Haß und Verachtung ein-
kreiste, — das wäre seine Höchstleistung gewesen, uns schließlich sogar noch


Iuniheft ,StS (XXXN. ,7)
 
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