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Das Formgesetz der Elegie

Von

Eduard Castle

Friedrich B e i ß n e r lehnt es in seiner „Geschichte der deutschen
Elegie" (Grundriß der germanischen Philologie 14, Berlin 1941) von
vornherein ab, eine Begriffsbestimmung der Elegie zu geben, ja er geht
so weit, die bestimmtgeformte Elegie (das Gedicht im elegischen Vers-
maß) nicht einmal von beliebig geformten Gedichten, die eine elegische
Stimmung zum Ausdruck bringen, zu unterscheiden.

Für meine Untersuchung kommen ausschließlich jene Gedichte in
Betracht, die Goethe als „Elegien" bezeichnet und mit denen er Muster
geschaffen hat, denen Schiller und Dichter der folgenden Geschlechter
nacheiferten.

Wenn Goethe in der Elegie „Hermann und Dorothea" erklärt, „daß
einst Properz ihn begeistert", so weist er selbst auf das römische Vor-
bild hin, dem er gefolgt ist. Daß die Römer die Gattung der erotischen
Elegie von den hellenistischen Dichtern Kallimachos und Philetas über-
nommen hatten, war ihm aus Properz, Ovid, Quintilian geläufig, und
worauf es in diesen kleinen Gedichten ankam, hatte er bei Ovid gelesen
(Am. I, 15):

„Battiades (i. e. Callimachus) Semper toto cantabitur orbe:
Quamvis ingenio non valet, arte valet."

Beißner hätte sich also doch fragen sollen, worin die ars, das Form-
gesetz, der Elegie besteht.

Ein Blick in jede illustrierte Geschichte der griechischen Kunst zeigt
uns zwei Möglichkeiten der-erzählenden Komposition: das fortlaufende
Band wie im Parthenonfries oder die streng symmetrische Aufgliederung
wie in den Giebelgruppen des Athenatempels zu Ägina oder des Zeus-
tempels zu Olympia.

Noch stärker wird die Aufgliederung betont, wenn man die Wand
in Parallelogramme oder Bogenfelder einteilt; wenn man bei der Rück-
wand der Skene symmetrisch um ein Mittelfeld Seitenfelder anordnet;
 
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