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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 26.1932

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Passarge, Walter: Zum Stilproblem in der Bildenden Kunst
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Flechtner, Hans Joachim: Das Berufsproblem in der Dichtung
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https://doi.org/10.11588/diglit.14167#0188
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BEMERKUNGEN.

Persönlichkeitsbewußtsein, das als solches von der Haltung der Gemeinschaft deutlich
abgehoben ist.

So tritt neben die übrigen Elemente das Element des Ausdrucks — wie denn auch
Geiger neben die formalen und imitativen Qualitäten des Kunstwerks die „psychisch-
vitalen" stellt. „Über das bloß Sinnlich-Anschauliche hinaus gehören die vitalen und
seelischen Momente zum Wesen der ästhetischen Gegenstände, ja sie bilden den
eigentlichen Kern der ästhetischen Welt. Seelisch-vitale Momente vor allem sind es,
die der Künstler herausarbeitet, wenn er das Wesen der Gegenstände darstellt"34).

Der Stil eines Werkes der darstellenden Kunst gliedert sich also in Material-
stil, Formstil, Darstellungsstil und Ausdrucksstil. Diese vier Arten des Stiles be-
wegen sich zwischen zwei Polen, die in dem Urgegensatz aller Formgebung über-
haupt begründet sind: in dem Gegensatz von Bindung und Lösung, von Gesetz und
Freiheit. Bindung an die Eigenart des Werkstoffs, Bindung an die Ordnungsgesetze
der formalen Gestaltung, Bindung an die idealtypischen Grundformen der Natur als
Ausdruck einer übernatürlichen, all-gültigen Ordnung, Bindung an eine überpersonale
geistige Haltung — das ist die eine Seite. Und die andere: freies Spiel mit den
materialen Gegebenheiten, freie, organisch-gelöste formale Gestaltung, natürlich-in-
dividuelle Darstellung der sinnlichen Erscheinungswelt und seelische Differenzierung.
Damit sind freilich erst die Möglichkeiten einer Stilbildung gegeben, diese vier kon-
stitutiven Elemente bilden gewissermaßen den „Möglichkeitsstil". Erst durch das
Zusammenwirken dieses Möglichkeitsstils mit den äußeren stilbestimmenden Fakto-
ren: den geographisch-klimatischen, den soziologischen, den geistig-kulturellen und
den personalen entsteht wirklicher Stil.

Das Berufsproblem in der Dichtung.

Von Hans-Joachim Flechtner.

I.

Alle dichterischen Stoffe und Probleme erwachsen aus einer bestimmten Lebens-
lage, in der der dichterische „Held" sich befindet. Aber schon auf den ersten Blick
macht sich hierbei eine Zweigliederung bemerkbar: die allgemeine Lebenslage des
Menschen — und sein Beruf, sein Arbeitsfeld. Es handelt sich bei dieser Gliederung
wie bei allen theoretischen Analysen natürlich nur um eine begriffliche Trennung,
denn praktisch besteht das Wesen des lebenden Menschen — wenn man so sagen
will — gerade in der Synthese dieser beiden Pole seiner Lebensmöglichkeiten. Der
Mensch ist schaffender und arbeitender Wille — und er ist Mensch unter Menschen.
Wie man sieht, handelt es sich nur um eine Schwerpunktsverlagerung. Kein Mensch
ist nur Schöpfer — und keiner ist nur Mitmensch. Für die Dichtung aber hat die
Gliederung eine besondere Bedeutung. Denn jede Dichtung muß, da sie organisierte
Schöpfung ist, Schwerpunkte setzen. Und damit steht sie vor der Notwendigkeit, sich
zu entscheiden. Betrachten wir die dichterischen Hauptstoffgebiete, so finden wir als
wesentlich folgende:

Der Einzelne: Die Probleme und Kämpfe, die sich im engbeschlossenen
Leben des Einzelnen erheben, die den Eremiten genau so stark treffen wie den Welt-
mann. Bestimmte Begriffe, wie Gewissen, Trieb und Laster, aber auch der „Sinn
des Lebens" usw. deuten an, worum es sich in den meisten Fällen handelt. Fragen,

3") a. a. O. S. 103.
 
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