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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

DOI Heft:
Heft 15 (1. Maiheft 1905)
DOI Artikel:
Kühnemann, Eugen: Zum 9. Mai 1905
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0150

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Turn 9. 1905

Der 9- Mai OOo mit seiner Schillerfeier bedeutet für den Kunst-
wart noch in besonderem Sinne einen großen Tag. Er ist dem Manne
geweiht, der die Jdee, für welche diese Blätter kämpsen, ganz eigent-
lich geschafsen hat, die Jdee der wahrhastigen künstlerischen Kultur
und ihrer Unentbehrlichkeit für das Leben. Auf der höchsten Höhe
unserer geistigen Geschichte spricht Schiller den Gedanken der ästheti-
schen Erziehung des Menschen als das rechte Losungswort der Epoche
aus. So zeigt er uns, wie ties dieser Gedanke zusammenhängt mit
dem Besten unserer nationalen Begabung. Die größten Männer der-
deutschen Geistesgeschichte hinterließen ihn uns als den Ausdruck ihrer
tiefsten, herrschenden Ueberzeugung.

Der Ausdehnung nach scheint die Feier großartig genug zu wer-
den und nahezu überall auf dem Erdenrund die Deutschen zu be-
rühren und zu sammeln. Schon merkt man ihre Wirkung. Bei denen,
die sich künstlerisch und geistig in einem gewissen Gegensatze zu Schiller
gesühlt haben, tritt eine leise Wandlung ein. Auch sie versichern ihre
Liebe zu Schiller. Von der Verehrung für seine hohe und reine
Mannesgestalt will niemand sich ausschließen. Nur manchen Beson-
derheiten seiner künstlerischen Art gilt noch der Widerspruch der
Gegner. Es würde schon etwas Großes sein, wenn die Deutschen sich
im Schillerjahr zusammenfänden in der gemeinsamen Freude an seiner
menschlichen Hoheit. Freilich liegt in dem allgemeinen Eifer auch eine
gewisse Gefahr. Die Feier wird etwas Lautes und Lärmendes haben;
nicht alle werden die stille Sammlung finden. Jn dem Gedanken an
Schiller sollte man nicht zusammenkommen, ohne im Tiefsten und
Besten aufgerüttelt zu werden. Es hat keinen Sinn, wenn in zahl-
losen Reden das abgeblaßte Herkömmliche Bild mit hergebrachten
Phrasen wieder aufgefrischt wird. Mit dem Namen Schiller verträgt
sich schlechterdings nicht ein allgemeines Fest der Philister. Auch soll
es nicht eine Feier ausschließlich für Schüler oder Philologen sein
und ebensowenig allein eine solche für Künstler, sondern ein rechtee
Fest für das Leben. Die großen Forderungen, die in seiner Lebens-
arbeit liegen, sollen herantreten an uns alle. Das Bild des Menschen
Schiller gehört zu den besten Gütern unserer Nation.

„Für Sie", hat Wilhelm von Humboldt einmal an ihn geschrieben,
„braucht man das Schicksal nur um Leben zu bitten. Did Kraft und
Jugend sind Jhnen von selbst gewiß!" Die unausgesetzte Kraft zu immer
höherer Entwicklung gibt dem Schillerschen Dasein seinen erstaunlichen

tz rNaiheft l905 tt3
 
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