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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Schulze, Otto: Die neuere Buchausstattung
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0185

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V,e neuere Vuchgußstallung'

von Otto Schulze ("öln)

-7>ie eigentliche Buchausstattung um-
faßt: Papier, Satz, Druck, Binderei,
Vorsatzpapier und Einbanddecken. Das
eine wird oft auf Kosten des andern
vernachlässigt, und der gleissende äußere
Schein weckt noch nicht immer Vertrauen
für das Innere eines Buches — sein
geistiger Wert hier natürlich beiseite ge-
lassen.

Sehen wir uns einmal den überaus
reich bestellten Weihnachtstisch des deut-
schen Verlagsmarktes an, so entdecken
wir zuerst eitel Blitzen und Blinken von
gepreßten und beschlagenen Einband-
decken, die vielfach durch Stärke und
Mctallzierrat gewichtigen Schmuckkästchen
gleichen, aber keinem Gedanken an solide
und einem Buche zugehörige „Deckel"
Raum geben. Die Größen und Ein-
bände wachsen schür in den Himmel;
daß ein Buch, selbst ein Prachtwerk doch
immerhin noch hantiert werden soll,
scheint man zu vergessen, während man
auf der andern Seite bis ins puppenhaft
Kleine sich ve> liert. Ich komme in Ver-
legenheit, welche von beiden Größen
man an Ketten zu legen hätte, ini Sinne
der guten alten Zeit. Sobald man seinem
Bücherschrank zu thnn geben will, fühlt
man derartige Eigenmächtigkeiten der
Herren Verleger und Drucker — sind
wir darüber noch nicht hinaus, unsre
Bücher auf Salvntischen feilzubieten!

Eine besondere Empfehlungskarte
des besseren deutschen Buches scheint der
dreiseitige Goldschnitt zu sein, der Protzig,
unschön und unpraktisch zugleich ist.
Bei französischen und englischen Büchern
ist der Goldschnitt aus sehr triftigem
Grunde nur an der oberen Seite, um
das aufrechtstehende Buch vor dem Ver-
stauben zu schützen; die andern zwei
Seiten sind klar, um ein leichtes
„Blättern" zu ermöglichen, ein Ein-
reissen dagegen zu verhüten.

Erfreut sich unser Publikum bei
den deutschen Verlegern schon der wenig
schmeichelhasten Nachrede, daß es wenig
Bücher kauft und dann auch noch nur
„schlechte", so sollte der Buchbinder eigent-
lich seine Faust in der Tasche machen
- — — er kommt durchschnittlich
über Halb-Leinen und Halb-Franz
(französ. Manier: Rücken und Ecken in
Leder, die Deckel mit Buntpapier übcr-
zogen) kaum hinaus; selten ist schon ein Band nach französischer Sitte in „Ganz-Franz",
also ganz Leder. Am liebsten wird der fertige Buchhändlerband genommen: eine der
vielen Konzessionen an unsre Bequemlichkeit — daß diese Bände die Gicht im glücken
haben, ist ganz umsonst.

Daß bei der jetzigen Adressenwut oft geradezu Unglaubliches in dazu erforder-
lichen Umschlägen, Behältern und Kapseln geleistet wird, ist mir kein Räthsel, wohl
aber, daß man für einen guten Bucheinband so wenig Veiständnis und Geld hat. Fast
jede kleine Stadt hat einen tüchtigen Buchbinder, die kleinsten oft die besten, und doch
fristen gerade diese leider sehr häufig ihr Dasein durch den Erlös ihres Galanterie-

waarcn-Ladcns und den Bedarf der Schuljugend. Mir sind Auftritte an solchen Stellen

kund geworden, arg genug, bis an die Haare rot zu werden.

Und nun gar ein Einband mit Handvergoldung, Ledereinlage und punzierten

oder ziselierten Schnitt, das sind den Geldbeuteln so vieler im Kunstgewerbe wühlen-
den: hartnäckige böhmische Dörfer. Es giebt kein zweites Kunsthandwerk, das im Ver-

Tie den Aussatz schmückenden Illustrationen sind mit Ausnahme des Signets der R ichedruckerei
m vertue den ..DlUsterbtättern sür die graphischen Gewerbe-, Verlag von I. Engelhorn en Stuttgart
,. S. t<I>rn,t gütiger Gen,Heiligung des Herrn Verlegers entnommen.

i dienen und Sichbethätigen so hintenangesetzt
i wird, als die Buchbinderei. Eine ganze
Klassiker-Bibliothek, sogar mit Heine und
Lessing, in „hochfeinen" Einbänden für
30 Mark! Ich bin ein ziemlich armer Kerl,
aber ich habe doch Bücher — eine ganze
Reihe — deren Einbinden mich Pro Stück
5 bis 8 M. gekostet hat, es sind gute Halb-
franzbände, alle nur 8" und 4" groß.

Bei den meisten Buchhändlerbändcn ist
das Vorsatzpapier — Innenseiten und erstes
und letztes Blatt des Buches — von seltener
Schönheit. Metallfarben könnten noch spär-
lichere Verwendung finden; der Buchbinder
müßte auf gute Borsatzpapiere noch mehr
Wert legen, die Fabrikation ist in Deutsch-
land ans bedeutender Höhe.

Aber nun kommen gefährlichere Klippen,
sie beginnen mit dem überfüllten, einge-
zwengten Titelblatt und endigen mit dem
trocknen Worte „Ende" oder „Finis".

Signete (Buchdruckerzeichen) kennen
unsre Drucker nur vereinzelt, während jede
Zündholz- und Seifenpackung ihre Schutz-
marke trägt, manch andrer Packung mit
charakteristischer Markensicherung gar nicht
zu gedenken. Als reizendes Beispiel bei dem
Mangel an Buchdruckerzeichen sei das hier
zum Abdruck gebrachte Signet der Reichs-
druckerei in Berlin gegeben.

Sehen wir uns einen französischen Buch-
titel an, der in seiner knappen Vornehmheit
und übersichtlichen Satz manchem deutschen
Buchdrucker auch sür andre Druckarbeiten
ein leuchtendes Vorbild sein könnte, so em-
pfinden wir bei sonstiger Ehrlichkeit ein
schweres Übergewicht. Diesen Unterschied
zeigt uns jede fernere Seite, die Buchdruckerei
ist kaum noch Kunst, sie ähnelt dem elenden
Handwerk der Tageszeitungen, die in 8 bis
12 Stunden gesetzt und gedruckt sein müssen.
Mich beschleicht manchmal das Gefühl, als
hätte unbedingt am Papier gespart werden
sollen, so untypographisch, so ausgebeutet
und ausgeschlachtet erscheint die Buchseite.

Als die ersten Drucke — Inkunabeln —
die Handpresse verließen, war ihren Urhebern
der reiche Schatz an geschriebenen, mit köst-
lichem Jnitialichmuck und sarbenfrischen Mi-
niaturen durchsetzten Büchern ein lebendiger
Fingerzeig für die weitere Gestaltung und
künstlerische Auflösung der Buchseile; in
erster Zeit lediglich durch geschickten und
gut verteilten Satz, schöne Initialen und
an hervorragenden Stellen durch gesperrten
Druck. Ich erinnere nur an die tadellosen
Satzbeispiele deutscher und fremder Drucke:
so von Straßburg. Mainz, Basel, Nürn-
berg, Köln, Paris, Antwerpen, London,
Venedig u. s. w., wie solche die Reichsdruckcrei
durch ihre mustergiltige Publikation „Druck-
 
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