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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Heilbut, Emil: Altes, ewig Neues
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0055

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Z8

AlteF, ewig Oeue^^

von vermal! Iselferich

/^in wenig mehr als hundert Jahre sind seit der Zeit
verstrichen, die unsre beiden Bilder auf Seite 36, 37
und 39 wieder heraufführen. In den Tagen, da die inter-
nationale Ausstellung zu München ihre Pforten schließt, ist
es vielleicht nicht ohne Interesse, einen Blick auf diese
Nachbildungen von Kupferstichen zu werfen, von denen
der eine den Pariser Salon von 1785, der andre die
Ausstellung der Londoner Royal Academy von 1787
zum Gegenstände hat; und es ist ebenso kurzweilig, den
Unterschied zwischen damals und heute ins Auge zu
fassen, als auch den wahrznnchmen, der zwischen den
beiden vergangenen Ausstellungen besteht. Imposant
sind die Säle von Paris und von London, und es fehlt
nicht an einem Gefühle dafür, daß diese Zeit, das aus-
gehende achtzehnte Jahrhundert, noch nicht außerhalb
jenes Zusammenhanges mit der besten Zeit der Kunst
steht, den wir später verloren haben. Es fehlen die
großen und leidlich gut gemalten Bilder diesen beiden
Ausstellungen noch nicht; diese großen, leidlich gut ge-
malten Bilder, welche Produkte der akademischen Er-
ziehung und Ausbildung im Malen sind und zu deren
System das Auftreten der Carstens und Cornelius mit
ihrem tiefcrgründenden Einfachheitssinne und ihrem ge-
ringen Maß an Geschicklichkeit im Technischen in so
großem Kontrast stand. Wir erblicken theatralisch be-
wegte Scenen auf der Ausstellung im Salon du Louvre
von 1785, und vor diesen Bildern, die ins Große dis-
poniert sind und deren starke Anzahl frappiert, bewegen
sich in lustwandelnden Gruppen von einer gewissen
Grandezza die Besucher des Tages.

*) Tie diesen Aufsatz schmückenden beiden Illustrationen
entnahmen wir mit gütigem Erlauben dcs Autors, I)r. Georg
Hirth, dessen kulturhistorischem Bilderbuch, das vor Kurzem
mit dem 6. Bande beendigt wurde. (72 Lieferungen ä M. 2.75,
«> Bände broschiert L 60 M., gebunden 35 M.: München, G.
Hirths Kunsthandlung.) Da wir ans dieses Werk schon während
seines Erscheinens im 23. Heste dcs 2. Jahrgangs gebührend
hingewicsen haben, so erübrigt uns hier nur nachdrücklichst
auf das vollendete Werk alle Kunstliebhaber hinzu-
weisen. Aus dem ungeheueren Jllustrativnsschatze, den die
Künstler dreier Jahrhunderte (1500—1800 uns hinterlassen
haben, sind von dem bekannten kunstverständigen Herrn vr. Hirth,
dem wir schon eine ganze Reihe kunstwissenschaftliche Publi-
kationen der verschiedensten Art (Formcnschatz, deutsches Zimmer,
Liebhabcrbibliothek aller Illustratoren, Meisterholzschnitte rc. rc
verdanke», die markantesten Blätter ausgewählt und photo-
mechanisch originalgetreu reproduziert worden. So kann man
wirklich sagen, daß das Kulturhistorische Bilderbuch ein Kupfer
stichkabinett in nuce ist, und zwar wohlgeordnet, mit Registern
und Repertorium bestens versehen. Wie großen Nutzen Herr
Dr. Hirth mit diesem nun vollendeten Unternehmen gestiftet hat,
läßt sich kaum ermessen. Wohl gibt es viele, die an den alten
Illustratoren ihre Freude haben, schwierig aber war es, das
Material in den Kupferstichkabinettcn zusammen zu bringen. Hier
nun setzt Hirths Kulturhistorisches Bilderbuch ein. Ein Jahr-
zehnt lang hat der Herausgeber die wertvollsten Sammlungen
perlnstriert und den kolossalen Stoff in immer engere und engere
Kreise ziehend, auf jenen Kern reduziert, als den sich das farbige
Kulturgeschichtliche Bilderbuch präsentiert. In dem Atelier des
Malers, in dem Studierzimmer des Historikers, in der Haus-
bibliothek der kunstsinnigen Familie, an allen diesen Trten wird
das „Hauskupferstichkabinett" die besten Dienste Ihn».

Sehen Sie den Beau, der, den Hut und Stock in
der Hand, die Beine gekreuzt, durch sein Glas von weit-
her die Bilder der ihm gegenüberliegenden Wand be-
trachtet; diese Gruppe von Sprechenden, mehrere Paare
von Cavalieren mit ihren Damen. Es redet ein Herr
in einen eifrig Vorwärtswollenden ein, lebhafte Ausrufe
scheinen in einer dahinter folgenden Gruppe zu fallen,
und es ist ein Zeigen der Bilder und ein Interesse für
sie überall in den über die Breite des stattlichen Saales
in nicht zu großer Menge hinverteilten Gruppen. Wir
sehen auch einen Rezensenten, der stillsteht und zurück-
gebeugt im Kataloge liest, und in der Ecke hinten einen
Betrachter des Publikums; Kinder an der Hand ihrer
Mütter werden bereits in den Knnstsaal mitgenommen,
und der Galcriediener steht schon in jener Gelassenheit,
welche die Folge der Nichtüberanstrengung ist, an der
Thür wie ein Galeriediener der heutigen Zeit, doch ist
er, als ein Pförtner dcs Louvre, mit Hellebarde und
Stab ansgestattct. Die Darstellungen des klassischen
Altertums dominieren an der Wand, und ein gewisser
geheimer Rapport, eine Art Ähnlichkeit ist zwischen den
etwas deklamierenden und etwas gezierten Parisern, die
sie ansehen, und den Bildern an der Wand, deren an-
gebliche Personen Griechen und Römer sind. Dcs Louis
David Überlieferung der Schwerter an die drei Horatier
dominiert an der Wand, es war auch der Erfolg des
Salons, sein meistbesprochencs Gemälde; aber es mangeln
Szenen nicht, die milder mit dem Altertum um-
springen, auch nicht ganz die idyllischen Familienszenen
und Gemälden, die man heute als „leichter" verkäuflich
bezeichnen würde; was Landschaften anlangt, so sehen
wir auch in ihnen das etwas pathetische Element ge-
pflegt, und wenn wir ans dem einen Bilde Tempclbauten
zu erkennen glauben, stürzen auf der benachbarten Lein-
wand die Wogen des Meeres mit weißem Schaum an
den Strand, in felsiger Gegend steigt ein Leuchttnrm
ans und von dem Hellen Horizont hebt sich ein Drei-
master ab, ganz wie es Joseph Vernet, der berühmte
Marinemaler und Ahn dcs Horace Vernet, des schlechten
Schlachtenmalers, in zahlreichen Bildern vorgeführt hat.

Eine weit einheitlicher, stimmungsvoller, geschlossener
vorgcführte Gesellschaft in einer Kunstausstellung schildert
das Blatt, welches sich mit dem Londoner Salon be-
schäftigt. Der Saal ist voller, und mit offenbar mehr
Liebe znm Genrchaften und zu kurzweiligen Momenten
ist der Zeichner bestrebt gewesen, sämtliche Personen, die
hier verweilen, nicht nur bei aller Stattlichkeit der Zahl
sorglich durch Modellierung und Helldunkel anscinander-
znhalten, vielmehr auch sic individuell leben zu lassen,
und so gibt er im Kleinen ein Abbild vom Unterschiede
englischer und französischer Knnstbegabnng, indem der
Engländer kurzweiliger charakterisiert, der Franzose mit
Sinn fürs Ganze indessen verallgemeinert. Gleichzeitig
aber sehen wir hier auch die englische Kunst im besten
Lichte: denn was den Stich betrifft, hatte der sich in
Zeiten, in denen die englische Malerei nur von Wenigen
ausgezeichnet ausgeübt ward, einer vortrefflichen
 
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