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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 40.1929

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Koch, Alexander: Zum Beginn des vierzigsten Jahrgangs
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https://doi.org/10.11588/diglit.10701#0013

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ZUM BEGINN DES VIERZIGSTEN JAHRGANGS

Beim Eintritt der »Innen-Dekoration« in das vierzigfte Lebensjahr liegt auf
dem Gebiet moderner Wohnungs-Geftaltung eine fpannungsreiche, aber
auch höchft lebensvolle Sachlage vor. Die Auseinanderfetjung zwilchen der künft-
lerifch-behaglichen und der technilch-zweckrnäßigen Raum-GeHaltung ift mäch-
tig in Fluß gekommen. Ein Teil der modernen Raumkünftler geht zielbewußt auf
der letzteren Linie vor, alfo auf der Linie jener Form, die den Wohnraum aus-
schließlich als eine Sache der Zweckmäßigkeit, als ein Gefüge von nüchternen
Leiftungen behandelt und die daher in immer größere Nähe zur rein technifchen
Löfung gerät. Andererseits ift kraftvoll und leiflungsfähig jene Geftaltungsweife am
Werk, als deren Ziel man erkennt, den Wohnraum und feine zweckmäßigen
Dinge zu einer objektiven Welt von äfthetifchem Eigenwert zu machen.

In der Auseinandersetzung zwilchen beiden Strebens-Richtungen ftehen wir
an einem Punkt, von dem aus Folgendes gefagt werden kann: Zweifellos ift der
»funktionale« Raum mit feinen reinen Leiftungsformen und feinem technifchen
Gepräge berufen, ein wichtiges Wort bei der Geftaltung des künftigen euro-
päischen Raumtyps mitzufprechen. Wir kommen um die energilch geftellte Zweck-
frage, um die verftandesgemäße Formfindung, um das nüchterne Denken im Haus-
bau und im Wohnraum nicht mehr herum. Es liegen in diefen Tendenzen echte
Kräfte der Zeit, was befonders auch daraus zu erfehen ift, daß fie nicht nur in der
Raum-Geftaltung, fondern auch auf vielen anderen Gebieten menfchlicher Tätig-
keit im Vordringen begriffen find. Der Wohnraum der Zukunft wird zweifellos
Züge enthalten, die von diefen Einflüffen beftimmt find.

Auf der anderen Seite aber darf als feftftehend betrachtet werden, daß der
Menlch auch in einer weitgehend technifch geformten Welt ein Bedürfnis nach
objektiv (chöner Schau, nach Behagen und Kunft wert im Heim behalten wird.
Er wird das Bedürfnis nach Repräfentation, das Bedürfnis nach Dauer, Ruhe und
finnfälliger Ichöner Geftalt behalten. Er wird fich nicht ausschließlich und für alle
Zeit der Kälte der rein technilchen Form ausfegen wollen, fondern wird in der
Zone, die ihn zu allernächft umgibt — alfo im Wohnraum — menlchliche Wärme,
kultiviertes Behagen nicht milfen wollen.

Und fo ift es meine Meinung, daß die im Gang befindliche Auseinander-
setzung nicht mit einem glatten Siege der einen oder der anderen Seite endigen
wird. Sondern fie wird im Laufe der Entwicklung die beiden Geftaltungsweifen
in neuer Weife zueinanderfügen, fie wird auf höherliegender Ebene eine neue
Vereinigung, eine neue Harmonie unter ihnen ftiften.
 
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