die Deutsche Literatur
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Ehrfurcht und Revolte in Grillparzers historischen Dramen "Ein treuer Diener seines Herrn“ und "Ein Bruderzwist in Habsburg“
Kontrastive Betrachtung der Dramenkonfiguration
MASATO IKUTA
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1982 Volume 68 Pages 56-67

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Abstract

In dieser Arbeit möchte ich unter Berücksichtigung der zweischichtigen Dramenkonfiguration, der privaten und öffentlichen Ebene, die Wesenszüge der historischen Dramen Grillparzers erörtern. Dabei liegt das Schwergewicht mehr auf der privat-individuellen als auf der öffentlich-politischen Figurenkonstellation. Das Ziel meiner Arbeit ist auch, die Korrelation zwischen Werk und Leben Grillparzers zu untersuchen und im Vergleich der obengenannten Werke den Prozeß literarischer Reife bei Grillparzer zu verfolgen.
In der öffentlich-politischen Figurenkonstellation sind den Hauptgestalten, Bancbanus und Rudolf II., die Aufgabe und Rolle auferlegt, die Staatsordnung ordnung aufrechtzuerhalten. Die Wesensart der beiden, die einerseits bei der Durchsetzung ihrr Pflihten mangelnde Kompetenz aufweisen (dessen sind sie sich bewußt), andererseits sich dem alleingroßen Gott sub specie aeternitatis ergeben, bezeichnen wir mit Recht als Lebensstil der barock-christlichen (katholischen) Tradition, und im Zusammenhang damit auch den des Biedermeiers. Typische Merkmale dafür sind die Ehrfurcht vor Gott bei Rudolf II. und die Pflichttreue bei Bancbanus.
Bei der Figurenkonstellation auf der privat-individuellen Ebene geht es um einen seelischen Konflikt, der sich im wesentlichen zuerst zwischen Mann und Frau (Otto von Meran und Erny in "Ein treuer Diener seines Herrn“, Don Cäsar und Lukretia in "Ein Bruderzwist in Habsburg“) abspielt, dann auf die öffentlich-politische Konstellation mittelbar Einfluß ausübt. Die beiden, Otto und Don Cäsar, sehen von ihrem subjektiven Standpunkt aus in Erny und Lukretia ein Idealbild. Während es jedoch Otto weniger auf die Realisierung des Idealbildes von Erny als auf deren Gunst ankommt, richtet sich Don Cäsars Wunsch "als einzige Leidenschaft“ nur darauf, "zu wissen, was Lukretia ist, nicht, was sie scheint.“ Außerdem sieht Otto in Erny einmal ein Idealbild, einmal "schöne Sünde“ dagegen hängt die Räson d'être des perversen Idealisten Don Cäsar von der Realisierung seines Idealbies ab. Als Don Cäsar nicht mehr daran glauben kann, daß in Lukretia "alle Reinheit, Unschuld und Tugend vereint“ sei, erschießt er sie im Wahn, macht seinem "Widerspiel von Sein und Schein“ (Baumann) ein Ende und wünicht sich dann nur noch den Tod.
In dieser willk¨rlichen Wahl eines Idealbildes spiegelt sich unmittelbar Grillparzers persönliche Stellung zur Frau wider: "Von dem Augenblicke an als der theilnehmende Gegenstand nicht mehr haarscharf in die Umrisse passen wollte, die ich bei der ersten Annäherung voraussetzend gezogen hatte, warf ihn auch mein Gefühl als ein Fremdartiges so unwiderruflich aus, daß...; "(aus Grillparzers Tagebüchern) Einmal meint Grillparzer, daß man die Geschichte seiner inneren Zustände, falls sie niedehrieben würde, wohl als "die Krankheitsgeschichte eines Wahnsinnigen“ bezeichnen würde.
In diesem Zusammenhang bezieht er sich manchmal auf hypochondrische Symptome, unter denen er in der damaligen Bedrängnis ("Geistesdruck“) zu leiden meinte. Auf der einen Seite hätte ihn seine Hypochondrie, die er selbst verurteilte, in Bezug auf seine dichterische Tätigkeit bestimmt daran gehindert, neue Inhalte in seine konzipierten Werke einzubeziehen und diese zu vollenden. Auf der anderen Seite hat, glaube ich, diese Hypochondrie dazu beigetragen, Figuren zu schaffen, die das widersprüchliche, rätselhafte Leben entlarven. Denn Rudolf II. und Don Cäsar, die vom Erkenntnisdrang besessen sind und immer wieder "über das Wesen der Dinge grübeln“, sind ja von Hypochondrie angehaucht.

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