Aktuelle Neurologie 2008; 35 - V68
DOI: 10.1055/s-0028-1086490

Krankheitskosten der neuromuskulären Erkrankungen in Deutschland

K Schepelmann 1, Y Winter 1, A Spottke 1, I Dodel 1, D Claus 1, C Grothe 1, R Schröder 1, D Heuß 1, S Vielhaber 1, V Mylius 1, R Kiefer 1, B Schrank 1, R Dodel 1
  • 1Marburg, Stuttgart, Bonn, Darmstadt, Erlangen, Magdeburg, Münster, Wiesbaden

Ziel: Neuromuskuläre Erkrankungen (NME) stellen eine erhebliche Belastung für die Betroffenen und ihren Angehörigen, aber auch für das Sozialsystem dar. Im deutschsprachigen Raum stehen bislang keine gesundheitsökonomischen Evaluationen dieser Erkrankungsgruppe zur Verfügung. Ziel dieser multizentrischen Studie war die Erhebung der direkten und indirekten Krankheitskosten verschiedener NME in Deutschland.

Methoden und Patienten: Eingeschossen wurden 76 Patienten mit den Diagnosen amyotrophe Lateralsklerose (ALS, n=26), Myasthenia gravis (MSG, n=35) oder fazioskapulohumerale Muskeldystrophie (FSHD, n=18). Die Rekrutierung erfolgte in den neurologischen Ambulanzen der Philipps-Universität Marburg, Universität Münster, Universität Bonn, Universität Nürnberg, Universität Magdeburg, und neurologischen Kliniken in Darmstadt und Wiesbaden. Die Kostendaten wurden als „bottom-up“ Ansatz mittels einer Patientenbefragung erhoben. Die Kostenbetrachtung wurde aus gesellschaftlicher Perspektive vorgenommen. Es wurden die Preise des Untersuchungsjahres (2003) berücksichtigt. Die direkten Kosten bestanden aus Ausgaben der Kostenträger (Gesetzliche Krankenversicherung und Pflegeversicherung) und Eigenleistungen der Patienten. Die indirekten Kosten entstanden durch Produktivitätsverlust der Patienten und ihrer Angehörigen wurden mit dem Humankapitalansatz ermittelt. Da Kostendaten schief verteilt sind, wurde eine Bootstrap-Analyse durchgeführt.

Ergebnisse: Die gesamte Jahreskosten der NME aus der gesellschaftlichen Perspektive betrugen EUR 32560±44270 pro Patient. Die jährlichen Krankheitskosten bei Patienten mit ALS (EUR 54940±57190) waren signifikant höher als bei Patienten mit FSH (EUR 18040±20780, p<0,01) und MSG (EUR 14530±17160, p<0,01). Indirekte Kosten der NMS (EUR 21190±38890) waren 1,9fach höher als direkte Kosten (EUR 11370±12650) und machten 65% der Gesamtkosten aus. Direkte Kosten wurden zu 94% von den Kostenträgern übernommen. Der größte Anteil der direkten Kosten entfiel auf stationäre Behandlungen (43%) und Medikamente (25%). Die jährlichen Zuzahlungen der Patienten beliefen sich auf EUR 670±2860. Der Produktivitätsverlust der pflegenden Angehörigen betrug EUR 15410±34010.

Schlussfolgerung: Die Krankheitskoten der NME in Deutschland sind beträchtlich und sind sowohl mit höhen Ausgaben der Kostenträger als auch mit erheblichem Produktivitätsverlust der Patienten und pflegenden Angehörigen verbunden.