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Was Meinen wir Eigentlich, Wenn wir Sagen ‘Gott Sandte Seinen Sohn…’?

Für Christian Maurer*

Published online by Cambridge University Press:  05 February 2009

Extract

Chr. Maurer hat schon 1965, ‘aus der Anfechtung unserer Zeit heraus’ (S.3), dazu aufgerufen, angesichts einer ‘in der Sache begründeten Freiheit (der neutestamentlichen Zeugen), in historischer und methodologischer Hinsicht so unbekümmert zu reden’ (S.12), der ‘uns bedrängenden theo-logischen Wahrheitsfrage’ (S.11) ‘vor (uns) selbt und vor andern … in ehr-licher Weise Rede und Antwort zu stehen’ (S.8). Wenn ‘in diesem Jesus Gott selbst gehandelt hat’, dann ist er ‘von alien Mythen …, aber auch von allem, was Menschen sich unter dem letzten “Sein” vorstellen, so zu unter-scheiden wie der Schöpfer von der Schöpfung’(S. 12), und doch soil ‘dieses Geschehen denkbar sauber erarbeitet, sprachlich klar formuliert und verstandlich weitergegeben werden’ (S. 16). Darum reden die neutestamentlichen Zeugen ‘missverständlich’ und ‘nehmen die sich darbietenden unpassenden oder doch nur halbwegs passenden Bilder, Redewendungen und Vorstellungen auf’, ‘aber sie machen zugleich durchsichtig, wie missverständlich all ihr Reden notwendigerweise sein muss’ (S. 17). Damit ist das Programm umschrieben, das ich hier anhand der Redewendung ‘Gott sandte seinen Sohn, damit (er die Welt rette)’ in Gal 4. 4–5; Rom 8. 3; Joh 3. 16,17; 1 Joh 4. 9 bedenken möchte.

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Copyright © Cambridge University Press 1991

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References

1 Wahrheit und Wahrhaftigkeit – ein Grundproblem kritischer Theologie, 1966 (ThEH 128).

2 Die ‘Verantwortlichkeit des Menschen’ als sein ‘Mitwissen mit Gott’ hat er im Begriff der συνείδησις hervorgehoben (ThWNT VII 914–16).

3 Chr. Maurer, , Brief an die Galater, 1943Google Scholar (Proph) hat dazu schon die Verbindung zu Gal 3.13 festgestellt (97,124).

4 Eine kürzere englische Version wird in Faith and History: Essays in Honor of Paul W. Meyer (Scholars' Press) erscheinen. Nach dem Gespräch an der EKK-Tagung, dem ich vieles verdanke, habe ich das dort Gesagte nochmals neu konzipiert.

5 Αποστέλλειν etwa 44 + 12 mal, έξαποστέλλειν 9 + 3 mal.

6 Пέμπειν. Or Sib 3 ist jüdisch (Charlesworth, J. H., The OT Pseudepigrapha, Garden City NY: Doubleday, 1983, 355–7)Google Scholar. Philo Migr 22 setzt άποστέλλειν (von Josef) χειροτονεῖν gleich.

7 Αγγελος, καιάσκοπος, κῆρυξ (Epictetus, Diss. Ill 22.69).

8 Ibidem 23.46; IV 8.31; I 24.6 άποστέλλειν; III 22.56, 59 καταπέμπειν.

9 Jedenfalls kannte er die ‘Galilaer’ (Diss. IV 7.6) und schreibt von dem, der ‘die Geisteshaltung eines Getauften annimmt’, als einem ‘wahren Juden’ (II 9.20). Es ist also nicht unmöglich, dass er gewisse jüdische oder christliche Redewendungen kannte. Doch vgl. unten 3.2.

10 Plutarch, , Demetrius 10 (englisch bei Grant, F. C. ed., Hellenistic Religions, New York: Liberal Arts Press, 1953, 64–5); Inschrift von Halicarnass (CAGIBM IV nr. 894).Google Scholar

11 In der oft zitierten Inschrift von Priene (OGIS II 458.3336)Google Scholar: ‘Die Vorsehung hat Augustus geschaffen … für uns und unsere Nachkommenschaft.’ Die dazwischen stehende entscheidende Wendung ‘indem sie den Retter schenkte (oder sogar: sandte?)’ ist reine Konjektur für eine Textlücke! Sie wird häufig mitzitiert, als stünde sie da. Freilich hat sie Parallelen in andern Texten.

12 Διαλλακτής (Alex.Fort. 6, 329c: Er glaubte, von Gott zu kommen als … Führer und Mittler für alle [Nationen oder Menschen]).

13 ThWNT V 828 (G. Delling), vgl. die Texte bei Grant (a.a.O. Anm. 10) 63–9 (Demetrius und Ptolemaeus Epiphanes), ferner Vergil Ecl. 4. 49: ‘geliebtes Kind der Götter, grosser Sprössling Jupiters’, für Aegypten: Norden, E., Die Geburt des Kindes (Leipzig: Teubner, 1924) 75–6.Google Scholar

14 15 (άποστέλλειν) + 3 (ἐξαποστέλλειν) mal, 3 + 0 mal, 3 + 0 mal, 0 + 1 mal. Beachtenswert sind Tob 12. 14–15: ‘Gott sandte mich … Ich bin (ἐγώ είμι) Rafael’ und Weish 9. 10,17 (s.u. 3.1).

15 Weish 18.15 zeigt freilich, wie nahe die Personifikation liegt: ‘Da sprang Dein allmächtig Wort vom Himmel … wie ein wilder Krieger.’

16 Fragmenta Pseudepigraphorum, ed. A. M. Denis, Leyden: Brill, 1970, 211.5Google Scholar: Eusebius Praep.Ev. IX 29.8.

17 Ibidem 217–21 (VIII 10.1–17).

18 Ich übernehme weithin die Übersetzung in: Werke, ed. I. Heinemann, Breslau: Marcus, 1929.

19 Alle Belegstellen (in englischer Übersetzung) bei E. Schweizer, ‘Slaves of the Elements and Worshippers of Angels: Gal 4.3,9 and Col 2.8,18,20’, JBL 107 (1988) 461 und 465. Die oben genannte Stelle ist ein weiterer Beleg für diese Vorstellung und ist den dort genannten noch ergänzend zuzufügen.

20 Is. et Os. 55 (373 cd).

21 Ibidem 53–9 (372–375), cf. Quaest.Conv. 8.2–3 (719e).

22 Leipzig 1881, pp. 20–4Google Scholar (meine Übersetzung).

23 ταῦτα δὲγέντο μὲν ουδέποτε, ἔστι δὲ ἀεί. Kαὶ ὁ μὲν πρῦτα τà όρᾷ ό δὲ δεύτερα λέγει(Pseudo-Sallustus [Salustus philosophus], De diis et mundo 4.9 [CUFr, 1960] – ich verdanke die Stelle H.-J. Klauck).

24 Vgl. Schweizer, , ‘Slaves’ (Anm. 19) 456–64 (Texte).Google Scholar

25 Extrem wird das sichtbar in abgeschliffenen Redewendungen. Wer ‘Ach herje!’ ausruft, denkt nicht mehr an den Herrn Jesus, der eigentlich damit angerufen wird. Wer das Sprichwort zitiert ‘Aller Segen kommt von oben’, denkt meistens nicht mehr an einen ‘oben’ über der Erde lokalisierbaren Himmel.

26 “Εδωκεν kann mit ὰπέστειλεν (V.I7) wechseln, wie auch Joh 14. 16/26 (mit Bezug auf den Parakleten) zeigt.

27 Vgl. Schweizer, E., ‘Zum religionsgeschichtlichen Hintergrund der “Sendungsfor-mel” Gal 4,4f; Röm 8,3f; Joh 3,16f; 1 Joh 4,9’Google Scholar, ZNW 57 (1966) 199210Google Scholar, auch in: ders., Beiträge zur Theologie des NT (Zürich: Zwingliverlag, 1970) 8395Google Scholar, ferner Vollenweider, S., Freiheit als neue Schöpfung (FRLANT 147, 1989)Google Scholar 302 f., 359 f. und besonders zu Röm 8. 3: C. Breytenbach, Versöhnung (WMANT 60, 1989) 159–65Google Scholar, 213 f., der zwar dort nur den Stellvertretungsgedanken konzediert, ihn aber auch auf ‘das Kreuzesgeschehen’ bezieht und sachlich als Sühne versteht (164).

28 Zum urchristlichen Topos vom Tun des Jüngers, in dem sich das Tun Jesu fortsetzt (Lk 10. 16 u.s.w.), vgl. Chr. Dietzfelbinger, ‘Die grösseren Werke (Joh 14. 12 f.)’,NTS 35 (1989) 2930.Google Scholar

29 Hier innerhalb eines Q-Zusammenhangs, der auch in Mt 18. 7, 15, 21–22 erscheinende Worte enthält.

30 Dass die bei Matthäus fehlende kleine Perikope vom fremden Exorzisten (Mk 9. 38–40) nicht in den alten Zusammenhang gehört, zeigt sich vielleicht darin, dass die Wendung ‘in meinem Namen’ (Mk 9. 37 par. Mt 18. 5) in Mk 9. 41 (par. Mt 10. 42) auf-genommen wird in der Form ‘im Namen eurer Zugehörigkeit zu Christus’ (bzw. ‘eines Jüngers’). Es fragt sich also, ob Mt 18. 5–6 noch einen alten Zusammenhang kennt, den Markus nach Einschub von V. 38–40 redaktionell unterbrochen, oder ob umgekehrt Matthuäs ‘einen dieser Kleinen’ erst auf die Kinder bezogen hat, weil die beiden Worte schon nahe zusammenstanden.

31 Mt 21. 39 stellt die Reihenfolge von ‘Töten’ und ‘Hinauswerfen’ urn, weil er damit auf die Kreuzigung Jesu ausserhalb der Mauern Jerusalems anspielt, und Lk 20. 11–12 lassen die von Markus erzählte Tötung der Knechte durch die Weinbergpächter weg, um die Einzigartigkeit des Todes Jesu als des Sohns stärker hervorzuheben.

32 Lukas fügt den Stammbaum Jesu erst in 3. 23–38 ein. Er merkt auch nicht oder merkt es jedenfalls nicht an, dass Jesus darin die zwölfte Generationenwoche beginnt.

33 In p63 A u.s.w. steht auch in Joh 3.16,17 ‘sein Sohn’.

34 Dazu vgl. Anm. 26, zu πέμπειν: C. Mercer, ‘ΑПОΣTEΛΛΕΙΝ and ΠΕΜΠΕΙΝ in John’, NTS 36 (1990) 619–24.

35 Ausgeschlossen ist das natürlich im Verständnis des Paulus oder Johannes. Die von Paulus zitierte Formel in Röm 1. 3–4 spricht freilich im Sinn von Ps 2. 7 von einer Einsetzung des Davididen zum ‘Sohn Gottes’ an Ostern, und Apg 13. 33 klingt das ebenfalls nach. Aber dass ein von Geburt an dazu Berufener durch Gottes Einsetzung zu seinem Sohn wird, oder dass die in der Auferstehung erfolgte Erhöhung Ps 2. 7 erfüllt, macht den Begriff ‘Sohn’ als Hoheitsbezeichnung klar. Das ist doch sehr anders als die Aussage ‘Gott sandte seinen Sohn’, so dass auch für die vorpaulinische und vorjohanneische Wendung schwerlich eine solche Verbindung anzunehmen ist. Paulus selbst korrigiert in Röm 1. 3 durch die Vorordnung von ‘über seinen Sohn’ die folgende Formel und sichert sie gegen das Missverständnis, als wäre Jesus erst an Ostern zum Gottessohn geworden. Johannes weist die Sicht Jesu als des messianischen Königs in 6. 15 scharf ab und setzt selbstverständlich eine andere Christologie voraus (1. 18; 3. 16–18; 8. 58 u.s.w.). Ganz anders als bei den Propheten fehlt übrigens auch bei Jesus jeder Hinweis darauf, dass er von sich aus unfähig wäre, den Gottesauftrag zu erfüllen (s.o. 1.1).

36 Vgl. Sölle, D., Stellvertretung (Stuttgart: Kreuzverlag, 1965) 166–8, 175, 190.Google Scholar

37 Dafür gilt die Zurückhaltung von Dunn, J. G. D., Christology in the Making (London: SCM, 1980) 194–5, 258Google Scholar, zurecht, wenn auch Phil 2. 6–7 und Joh 8. 58 nach meiner Meinung deutlich weiterführen; vgl. die Diskussion, in Christology and Exegesis, ed. Jewett, R. (Semeia 30,1985) 74,102, 108–11 und bei E. Schweizer: TRE XVI681.Google Scholar

38 Auch bei Alexander Polyhistor und Josephus nachweisbar (Text bei Schweizer, E., ‘Slaves’ [Anm. 19] 458, 462 [korrigiere hier ‘posterity’ statt ‘prosperity’]).Google Scholar

39 S.o. 2.4 mit Anm. 19.

40 Vgl. dazu Meyer, P. W., ‘The This-Worldliness of the NT’, PSB 2 n.ser. (1979) 217–31.Google Scholar

41 Op Mund 24 setzt ihn auch mit Platos idealem Kosmos gleich.

42 Sie ist bei Philo Tochter Gottes (Fug Invent 50–52) und mit dem Logos identisch (Leg All I 43 parallel zu Conf Ling 146).

43 Vgl. die Perfektform ‘Er ist auferweckt worden’ neben dem Aorist ‘Er starb’ in 1 Kor 15. 3–4!

44 Thyen, H., ‘Johannesevangelium’, TRE 17 220–1.Google Scholar

45 Maurer, , Wahrheit (Anm. 1) 15.Google Scholar

46 Insofern ist das Ereignis der Kreuzigung zwar ‘mundane’, aber nicht ‘profane’ (weltlich im Sinn der Diesseitigkeit, aber nicht des Geschiedenseins von Gott): Meyer, ‘This-Worldliness’ (Anm. 40) 221a, 227ab.

47 Maurer, , Brief (Anm. 3) 97Google Scholar verwendet das Bild von dem, der ins tiefste Turmverliess geht, urn die Gefangenen zu befreien, oder (123–4) von Jesus, der in die gleichen Schuhe hineinsteht wie die Juden, so dass Gott innerhalb der Mauern bei ihnen selbst ist.

48 Maurer, , Wahrheit (Anm. 1) 1820Google Scholar stellt die Frage hinsichtlich der Auferstehung Jesu, ob es sich um eine ‘endgültige und zugleich alle Welt ergreifende Tat Gottes’ handelt, bei der ‘die mythische Redeweise … auf den Gott hinzielt, der nicht von dieser Welt, sondern der ganz Andere ist’. Vgl. Schweizer, , TRE XVI 724–5.Google Scholar

49 Jüngel, E., Gottes Sein ist im Werden, Tübingen: Mohr, 1965.Google Scholar