1 Einleitung

In den letzten Jahren beobachten wir international eine besondere Art der Demokratiegefährdung: die Infragestellung der Demokratie in Wahlen. In Brasilien, Israel, Italien, Polen, Ungarn, den USA und jüngst in Finnland hat dies sogar dazu geführt, dass Parteien, die die repräsentative Demokratie in Frage stellen, Regierungsverantwortung übernehmen und manchmal gar die Regierungschefin oder den Regierungschef stellen. Gleichzeitig werden auch in Deutschland die lautstarken Proteste von Kritiker*innen der Corona-Maßnahmen und zuletzt auch der Gegner*innen der deutschen Ukraine-Politik als Zeichen zunehmender Unzufriedenheit mit der Demokratie und eines Vertrauensverlusts staatlicher Institutionen interpretiert und die AfD klettert in Umfragen auf bisher unerreichte Zustimmungswerte. Vor diesem Hintergrund liefert der niedersächsische Demokratie-Monitor (NDM) 2021 im Vergleich zur NDM-Erhebung von 2019 einen interessanten Befund: Zwar nahm auch in Niedersachsen die Zahl derjenigen, die sich unzufrieden mit dem Zustand der Demokratie zeigen, während der Corona-Pandemie zu; gleichzeitig aber stieg auch der Anteil der Zufriedenen deutlich an. Dieses Auseinanderdriften der Demokratiezufriedenheit nehmen wir zum Anlass, die Determinanten der Systemunterstützung in Niedersachsen genauer zu analysieren. Im Zentrum unserer Analyse steht die Frage, ob outputorientierte Performanzbewertungen einen Effekt auf die Systemunterstützung haben. Als Spezialfall eines Policy-Outputs betrachten wir die Zufriedenheit mit den Corona-Maßnahmen der Bundes- und der Landesregierung im zweiten Jahr der Pandemie. Vor dem Hintergrund des zunehmenden Einflusses der AfD auch in Niedersachsen analysieren wir darüber hinaus, ob populistische Einstellungen einen messbar negativen Effekt auf die Systemunterstützung haben. Zudem untersuchen wir, ob sich im föderalen System der Bundesrepublik ein Mehrebenen-Effekt beobachten lässt, ob also die Zufriedenheit mit den Corona-Maßnahmen von Bundes- und Landesregierung unterschiedliche Effekte auf die Systemunterstützung hat und ob Bundes- und Landesregierung in unterschiedlicher Weise von diesen Effekten betroffen sind.

Um diese Fragen zu beantworten, stützen wir uns auf zwei zentrale Annahmen, die in der Literatur zur Systemunterstützung vertreten werden: die Wahlgewinner*innen- und die Policy-Feedback-Hypothese. Wir untersuchen also erstens, ob Wähler*innen, die die letzte Wahl gewonnen haben, das politische System stärker unterstützen als die Verlierer*innen. Dieser höheren Zufriedenheit, so argumentieren wir, liegt eine Orientierung der Wähler*innen an Politikergebnissen zu Grunde. Die Gewinner*innen der Wahl sind als Unterstützer*innen der Regierungsparteien zufriedener mit dem politischen Programm der Regierung und deren Policy-Output als die Unterstützer*innen der Oppositionsparteien. Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie leiten wir die zweite Annahme zur Systemunterstützung aus der Literatur zu den politischen Folgen größerer Krisen wie Umweltkatastrophen ab. Wir gehen davon aus, dass die Zufriedenheit mit den Krisen-Maßnahmen einen besonderen Fall der Output-Zufriedenheit darstellt und argumentieren analog zur Policy Feedback-Literatur, dass sich die Zufriedenheit mit der Krisenpolitik der Regierung positiv auf die Systemunterstützung auswirkt. Sowohl die Unterstützer*innen- als auch die Policy-Feedback-Hypothese erweitern wir um die Aspekte AfD-Unterstützung sowie Populismus. Erstens bietet die AfD den Unzufriedenen in Deutschland und Niedersachsen seit Jahren eine politische Heimat. Zweitens hat sich im Zuge der Corona-Krise eine Gruppe von Menschen herauskristallisiert, die nicht anerkennt, dass es sich bei der Pandemie um einen externen Schock handelt. Diese Menschen sind vielmehr davon überzeugt, dass die Corona-Krise der Versuch sei, die Ausbeutung des „Volkes“ durch die politische Elite zu verschleiern. Auch diese Menschen, so kann man annehmen, unterstützen das politische System in geringerem Maße als der Rest der Bevölkerung. Da solche Verschwörungserzählungen populistische Einstellungen nahelegen und in Deutschland insbesondere die AfD diesen Thesen eine Bühne geboten hat, gehen wir davon aus, dass Populismus und Unterstützung für die AfD einen negativen Effekt auf die Systemunterstützung haben. Schließlich berücksichtigen wir, dass das föderale System der Bundesrepublik auch während der Corona-Pandemie vom Zusammenspiel der Bundes- und der Landesebene geprägt war und analysieren, ob es Unterschiede bei der Bewertung dieser beiden Ebenen gibt und wie sie sich auswirken.

Im folgenden Abschnitt stellen wir zunächst die theoretischen Grundlagen dieses Beitrags dar und beleuchten sie im Kontext des aktuellen Forschungsstandes zur Systemunterstützung und präsentieren die oben bereits angerissenen Hypothesen. Danach widmen wir uns der empirischen Analyse. Wir beginnen mit einer Beschreibung unseres Erhebungsinstruments, begründen die Auswahl unserer abhängigen Variablen „Demokratiezufriedenheit“ und „Vertrauen in Bundes- und Landesregierung“ und präsentieren eine deskriptive Darstellung der hier verwendeten abhängigen und unabhängigen Variablen. Im Anschluss prüfen wir unsere Hypothesen mit Hilfe von Regressionsanalysen. Unser Beitrag schließt mit einer Diskussion der zentralen Ergebnisse der Analyse.

2 Determinanten der Systemunterstützung

Ausgangspunkt der meisten empirischen Arbeiten zur Systemunterstützung ist Eastons (1953, 1975) Unterscheidung spezifischer und diffuser Unterstützung. Während Eastons Arbeit stark systemtheoretisch geprägt war, wird Systemunterstützung heute stärker sozialpsychologisch aufgefasst und auf politische Einstellungen bezogen. Dies führt zu einer Interpretation von diffuser Unterstützung im Sinne von wertorientierter, prinzipieller Unterstützung für die Demokratie als Regierungsform und spezifischer leistungs- bzw. outputorientierter Unterstützung. Dabei lassen sich spezifische und diffuse Systemunterstützung als Extrempole eines Kontinuums verstehen (Norris 2011, S. 24). Die spezifischste Form der Unterstützung wäre demnach die Bewertung der Arbeit einzelner politischer Akteure, die stark von der jeweils wahrgenommenen Performanz der handelnden Personen geprägt ist, sich an den Ergebnissen der politischen Arbeit dieser Akteure orientiert und daher kurzfristigen Schwankungen unterworfen sein kann. Der entgegengesetzte Pol dieses Kontinuums, die diffuse Unterstützung, bezieht sich auf tief verwurzelte und damit stabile (anti‑)demokratische Prinzipien und fundamentale Werte der Bürger*innen. Die besondere Relevanz der Unterstützung des politischen Systems ergibt sich allerdings nicht aus individueller (Un‑)Zufriedenheit einzelner Bürger*innen oder deren (Miss‑)Trauen, sondern aus den möglichen kollektiven Folgen einer mangelnden Unterstützung auf Systemebene. Eine breite Unterstützung wird als notwendige Voraussetzung für die Stabilität politischer Systeme angesehen (Lipset 1959). Dass dieser Zusammenhang tatsächlich existiert, lässt sich auch empirisch zeigen (Claassen 2020).

Da sowohl international (Fuchs und Roller 2018) als auch in Niedersachsen (Schenke et al. 2021: 33–36) und selbst in autokratischen Systemen (Norris 2011, Kap. 5) die prinzipielle Unterstützung für die Demokratie als Regierungsform auf einem sehr hohen Niveau liegt, lassen sich für diese diffuse Systemunterstützung nur schwer Einflussfaktoren identifizieren. Wir konzentrieren uns im Folgenden daher auf die spezifische Unterstützung. Diese ist, so zeigt es eine ganze Reihe von Studien, die Singh und Mayne (2023) systematisch ausgewertet haben, maßgeblich geprägt von der Frage, ob ein*e Befragte*r zu den Gewinner*innen oder Verlierer*innen der letzten Wahl gehört. Sie schlussfolgern, dass „the impact of voting for winning parties on SWD […] is among the most well-established relationships in comparative political behavior research“. Daneben identifizieren sie die ideologische Nähe und die Übereinstimmung von Policy-Positionen zwischen den Bürger*innen, Politiker*innen und Parteien als wirkmächtige Einflussfaktoren der Systemunterstützung. All dies sind schlussendlich Faktoren, die in der einen oder anderen Weise politisch-inhaltlicher Natur sind, so dass wir festhalten können, dass spezifische Systemunterstützung ihre Wurzeln in den Policy-Präferenzen der Bürger*innen und der Hoffnung auf deren Realisierung hat. Daher sollten – auch wenn es selbst unter denjenigen, die die Wahl verloren haben, im Idealfall ein Fundament von Systemunterstützung gibt (Esaiasson 2011) und Verlierer*innen, die davon ausgehen können, zu einem späteren Zeitpunkt einmal zu den potenziellen Gewinner*innen zu gehören, sich zu einem „losers’ consent“ (Anderson et al. 2005) bereitfinden – die Gewinner*innen der letzten Wahl zufriedener sein als die Verlierer*innen. Dass sich diese Zufriedenheit vor allem aus Policy-Präferenzen und der (zumindest langfristigen) Hoffnung auf deren Erfüllung speist, zeigt sich auch in einer Analyse von Singh et al. (2011), die demonstrieren, dass die höhere Zufriedenheit der Gewinner*innen an der Regierungsbeteiligung der gewählten Partei hängt, nicht aber an deren Stimmen- oder Sitzzuwächsen. Mit Blick auf die Systemunterstützung in Niedersachsen und die beobachteten Niveauunterschiede bedeutet dies, dass diese sich mit Hilfe der Unterstützung der Regierungs- und Oppositionsparteien erklären lassen sollte. Diese Annahme halten wir in einer ersten Hypothese fest:

Regierungs-Unterstützer*innen-Hypothese (H1)

Unterstützer*innen der Regierungsparteien unterstützen das politische System in höherem Maße als Unterstützer*innen der Oppositionsparteien.


Bei der Diskussion um Unterstützer*innen von Regierungs- und Oppositionsparteien ist allerdings zu berücksichtigen, dass mit der AfD eine Partei die politische Bühne betreten hat, deren Anhänger*innenFootnote 1 sich aktuell noch nicht zu den potenziellen zukünftigen Gewinner*innen rechnen dürfen, da die anderen Parteien eine Zusammenarbeit und erst recht eine Koalition mit dieser Partei ausgeschlossen haben. Eine Regierungsbeteiligung der AfD erscheint daher unrealistisch. Die Neigung der AfD-Anhänger*innen – zumindest derjenigen, die die Partei nicht aus Protest, sondern aus inhaltlicher Überzeugung gewählt haben – zu einem „losers consent“ dürfte daher relativ gering ausgeprägt sein. Hinzu kommt, dass der AfD als rechtspopulistischer Partei eine besondere Rolle zukommt. Populismus verstehen wir hier in der Tradition von Mudde (2004, 2017) als eine moralisch aufgeladene Kombination aus einfacher Volkszentrierung und Anti-Establishmenthaltung. Den handelnden Eliten werden dabei eigennützige Motive unterstellt, die sie in einen Gegensatz zum „wahren“ Volk bringt. Populismus ist dabei nicht zwangsläufig demokratiefeindlich und auch nicht mit einer spezifischen Großideologie verbunden.

Populismus ist aber Ausdruck einer eher diffusen Unzufriedenheit mit dem politischen System und die AfD bietet Populist*innen, die dem politischen System besonders kritisch gegenüberstehen, eine Heimat. Die systemkritische Grundhaltung der Populist*innen zeigt sich in international vergleichenden Studien (Bowler et al. 2017) sowie in Analysen zu einzelnen europäischen Ländern (siehe z. B. Hooghe und Dassonneville 2018). Diese Rolle übernimmt in Deutschland die AfD. Als eine Partei mit rechtspopulistischer bis rechtsextremer Programmatik sind Anti-Immigrationseinstellung sowie Nativismus die Haupttriebfedern ihrer Wähler*innen (Arzheimer und Berning 2019; Schulte-Cloos 2022). Die Demokratieunzufriedenheit ist aber eine weitere „substanzielle Klammer der AfD-Wählerschaft“ (Bieber et al. 2018, S. 455). Dies gilt auch in Niedersachsen: im NDM 2019 gaben 58 % der Wähler*innen der AfD an, eher oder sehr unzufrieden mit dem Zustand der Demokratie zu sein (Marg et al. 2019). Auch wenn bisher ungeklärt ist, ob der Einzug rechtspopulistischer Parteien in die Parlamente eine „spiral of distrust“ (Hooghe und Dassonneville 2018) in Gang setzt und die Unzufriedenheit mit der Demokratie verstärkt oder vielmehr dazu beiträgt, dass die Unzufriedenen dank ihrer neu gewonnenen politischen Repräsentation nun zufriedener sind als vor dem Einzug der Rechtspopulisten (Reinl und Schäfer 2020), gehen wir davon aus, dass die Anhänger*innen der AfD und Befragte mit populistischen Einstellungen das politische System in geringerem Maße unterstützen als der Rest der Bevölkerung.

Populismus-Hypothese (H2)

Befragte mit stärker populistischen Einstellungen unterstützen das politische System in geringerem Maße als Befragte mit weniger populistischen Einstellungen.

2.1 Demokratiezufriedenheit in der Corona-Pandemie

Wenn der Effekt der Unterstützung für Regierungs- und Oppositionsparteien auf die Systemunterstützung vor allem auf die Outputorientierung der spezifischen Unterstützung zurückzuführen ist, sollte eine Analyse der Systemunterstützung in Deutschland und Niedersachsen im Jahr 2021 die Krisenerfahrungen der Bürger*innen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie berücksichtigen. Die Reaktionen der Politik auf die Corona-Krise sind als ein Spezialfall eines Policy-Outputs mit sehr weitreichenden Folgen für das Alltagsleben der Bevölkerung zu verstehen. Daher gilt es zu untersuchen, ob diese Krise einen Einfluss auf die Bewertungen des politischen Systems durch die Bürger*innen hat. Wenn die politischen Maßnahmen der Regierung zur Eindämmung der Krise die Systemunterstützung der Bürger*innen prägen, hätten wir es mit einem sogenannten Policy Feedback zu tun.

Von einem Policy Feedback spricht man immer dann, wenn die Implementation eines politischen Programms dazu führt, dass sich die Einstellungen und Verhaltensweisen der Bevölkerung ändern und dies wiederum einen Einfluss auf zukünftige Policies hat (für eine Übersicht siehe Campbell 2012). Die Policy Feedback-Literatur zeigt, dass politische Maßnahmen, die als Reaktion auf größere Krisen implementiert wurden, die Unterstützung der Bürger*innen für das politische System maßgeblich beeinflussen können. So steigt die Unterstützung für die*den Staatschef*in, wenn die Bürger*innen das Gefühl haben, dass staatliche Maßnahmen tatsächlich helfen, eine Krise in den Griff zu bekommen oder zumindest Linderung verschaffen (Bechtel und Hainmueller 2011; Healy und Malhotra 2009). Und selbst wenn Wähler*innen eher kurzfristige Hilfszahlungen als langfristige Investitionen in Krisenprävention belohnen (Healy und Malhotra 2009), sind die positiven elektoralen Effekte aus Hilfsprogrammen durchaus langfristiger Natur und dauern über mehr als eine Legislaturperiode hinweg an (Bechtel und Hainmueller 2011). Im Zuge der Corona Krise finden Bol et al. (2021) Hinweise auf ein Policy Feedback. Dies legen auch Studien nahe, die zeigen, dass ideologische Momente als Determinanten der Regierungsbewertung nach einer ersten Phase der überparteilichen Unterstützung wieder wichtiger werden (Johansson et al. 2021). Kurzfristig prägen also eher emotionale, langfristig dann aber stärker inhaltliche und ideologische Aspekte die Bewertung einer Regierung in Krisenzeiten. Daher erwarten wir auch in Niedersachsen im zweiten Jahr der Corona-Krise einen Effekt der Zufriedenheit mit den Corona-Maßnahmen auf die Systemunterstützung. Dies führt zur

Policy-Feedback-Hypothese (H3)

Unzufriedenheit mit den Corona-Maßnahmen der Regierungen hat einen negativen Effekt auf die Systemunterstützung.


Wenn wir darüber hinaus die Überlegungen, die wir oben zum Zusammenhang zwischen der Unterstützung für rechtspopulistische Parteien und der Systemunterstützung angestellt haben, auf die Corona-Maßnahmen beziehen, zeigt sich ein Paradox, mit dem diese Parteien konfrontiert sind. Einerseits befürworten sie zwar grundsätzlich ein autoritäres Durchgreifen der Regierungen, anderseits stellen sie aber die Sinnhaftigkeit der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie in populistischer Art und Weise in Frage. Dabei bezweifeln sie die Schwere der Corona-Pandemie und vertreten antielitistische Positionen (Rovira Kaltwasser und Taggart 2022). Damit hat die Corona-Krise das Potenzial, als Katalysator für eine Abnahme der Systemunterstützung unter Populist*innen zu wirken.

Auch in Niedersachsen erwarten wir einen Effekt populistischer Einstellungen, da die AfD als prominenteste Vertreterin dieser Bevölkerungsgruppe nur ganz zu Beginn der Corona-Pandemie autoritäre Einstellungen mit Forderungen nach einem härteren Durchgreifen des Staates bedient hat, diese Strategie aber sehr bald zu Gunsten eines offen populistischen Kurses aufgegeben hat. In der Folge hat sie die Corona-Maßnahmen der Bundes- und Landesregierungen konsequent abgelehnt, deren Politik als autoritäre Gefahr für die Freiheitsrechte verurteilt und die Kompetenz der wissenschaftlichen Berater*innen in antielitistischer Weise in Frage gestellt (Lehmann und Zehnter 2022). Zudem hat die Partei die zum Teil offen systemfeindlichen Demonstrationen gegen die Corona-Politik unterstützt und so auch Corona-Leugnern eine Plattform geboten. Die Straßenproteste gegen die Corona-Politik waren in Deutschland stark geprägt von Kritik an Eliten und Experten, die vor einem vermeintlichen Abgleiten des Staates in eine autoritäre „Corona-Diktatur“Footnote 2 warnte. Daher, so unsere Annahme, unterstützen die Populist*innen und die AfD-Anhänger*innen unter den Kritiker*innen der Corona-Politik das politische System der Bundesrepublik in besonders geringem Maße. Diese Überlegungen führen zu folgenden Ergänzungen der Policy Feedback-Hypothese:

Modifizierte Policy-Feedback-Hypothese (H3a)

Der negative Effekt der Unzufriedenheit mit den Corona-Maßnahmen der Regierungen auf die Systemunterstützung ist für Befragte mit stärker populistischen Einstellungen stärker ausgeprägt als für Befragte mit weniger starken populistischen Einstellungen.


Schließlich ergänzen wir unsere Policy-Feedback-Hypothese um einen Mehrebeneneffekt. Mehrebenensysteme, wie sie für föderale Staaten und die EU kennzeichnend sind, finden in Eastons Diskussion der Systemunterstützung keine Berücksichtigung. Dennoch sollte nicht übersehen werden, dass das Handeln in Mehrebenensystemen eine Vertrauensressource sein kann. So ist international – z. B. im Zuge der Gelbwestenbewegung in Frankreich (Ford und Jennings 2020, S. 308)Footnote 3 –, aber auch in Deutschland (Reiser et al. 2023), eine Abnahme des Vertrauens in die Entscheidungsträger*innen in den Hauptstädten zu beobachten, während die Akteure auf den subnationalen und regionalen Ebenen vergleichsweise besser bewertet werden. Dies gilt auch für Niedersachsen: im NDM 2019 geben 62 % der Befragten an, der Landesregierung stark oder eher zu vertrauen, während nur 52 % der Bundesregierung Vertrauen schenken. Reiser et al. (2023, S. 68) erklären dieses Phänomen für Thüringen mit der „Bekanntheit der Akteure“ und den größeren „Einflussmöglichkeiten der Bürger:innen“ auf den niedrigeren Ebenen im Föderalstaat. In diesem Zusammenhang stellte die Pandemie den deutschen Föderalismus vor eine besondere Belastungsprobe. Auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes agierten Bundes- wie Landesregierungen in intensiven Abstimmungsprozessen. Die Exekutive stand unter besondere Beobachtung (Marschall 2020) wobei dies aufgrund der Entscheidungsdauer im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz in den Medien häufig als ineffizient dargestellt wurde. Aufgrund der besonderen medialen Aufmerksamkeit für das Handeln der verschiedenen Regierungsebenen während der Corona-Krise gehen wir davon aus, dass das höhere Grundvertrauen in die Landesebene auch im Rahmen der Pandemie zum Tragen gekommen ist.

Mehrebenen-Hypothese (H4)

Der negative Effekt des Populismus auf die Systemunterstützung wird (auch bei Unzufriedenheit mit der Corona-Politik der Bundesregierung) bei Zufriedenheit mit der Corona-Politik der Landesregierung abgemildert.

3 Systemunterstützung in Niedersachsen

Im Folgenden konzentrieren wir unsere Untersuchung der Systemunterstützung auf Niedersachsen. Neben dem grundsätzlichen Interesse an Regionalstudien, das sich in einer wachsenden Zahl an Länder-Monitoren manifestiert, sprechen seine Größe als zweitgrößtes Flächenland der Bundesrepublik und die ähnliche Färbung der Bundes- und Landesregierung im Untersuchungszeitraum für diesen Fokus. Während auf Bundesebene eine CDU-geführte große Koalition regierte, war es auf Landesebene eine von der SPD geführte große Koalition. Potenzielle Bewertungsunterschiede von Bundes- und Landespolitik, die wir im Zuge der folgenden Untersuchung in den Blick nehmen werden, werden entsprechend weniger auf unterschiedliche Parteipräferenzen, denn auf eine unterschiedliche Bewertung der einzelnen politischen Ebenen zurückzuführen sein. Vor dem Hintergrund der Corona-Politik und populistischer Einstellungen ist Niedersachsen darüber hinaus ein interessanter Fall, da sich hier populistische Einstellungen bisher in Grenzen hielten. Zudem gilt die niedersächsische Bevölkerung im Bundesländervergleich als eher staatstragend. Schließlich konnte die AfD in Niedersachsen nur geringe Wahlerfolge verbuchen, im Landesparlament hatte die AfD auf Grund interner Querelen zeitweilig sogar den Fraktionsstatus verloren.Footnote 4 Erst bei der Landtagswahl im Oktober 2022 konnte die Partei auch in Niedersachsen reüssieren.

3.1 Datenbasis und Methode

Im Folgenden wenden wir uns nun der Überprüfung der oben formulierten Hypothesen zu. Die Untersuchung der Systemunterstützung in Niedersachsen basiert auf Umfragedaten des Niedersächsischen Demokratie-Monitors (NDM) 2021 (Schenke et al. 2021). Die quantitative Umfrage des NDM ging erstmals 2019 ins Feld (Marg et al. 2019) und wird im Rhythmus von zwei Jahren erhoben. In den Jahren ohne Umfrage werden ergänzend qualitative Vertiefungsstudien auf der Basis von Fokusgruppeninterviews durchgeführt (Schenke et al. 2020). Im hier im Fokus stehenden NDM 2021 wurden in den quantitativen Untersuchungen 1001 zufällig ausgewählte deutschsprachige Bürger*innen ab 16 Jahren mit Wohnsitz in Niedersachsen in einer CATI-Erhebung befragt. Die Befragten wurden zwischen dem 30. April und 13. Juni 2021 kontaktiert, 70 % der Interviews wurden über das Festnetz und 30 % über Mobilfunk durchgeführt. In den folgenden Analysen werden Abweichungen der Stichprobe gegenüber der amtlichen Statistik – soweit nicht anders angegeben – durch Gewichtung nach Alter, Geschlecht und Schulbildung ausgeglichen (Schenke et al. 2021, S. 7). Da Personen unterschiedlicher Bildung, unterschiedlichen Alters und Geschlechts in vielen Studien unterschiedliche politische Einstellungen zeigen, berücksichtigen wir diese Variablen in allen folgenden Regressionsmodellen als Kontrollgrößen, führen sie in den Analysen aber nicht explizit auf, da sie nicht Gegenstand unseres Forschungsinteresse sind. Sie werden nur im tabellarischen Anhang berichtet. Alle Variablen haben wir so kodiert, dass niedrige Werte jeweils für ein geringes und hohe Werte für ein hohes Maß an Zufriedenheit, Vertrauen oder Zustimmung stehen. Sie sind, um Lesbarkeit und Vergleiche zu erleichtern, zudem jeweils so skaliert, dass sie einen Wertbereich von 0 bis 1 annehmen. Die Items, die in diesen Modellen herangezogen werden, sind – so wie die Regressionsmodelle selbst – im Online-Anhang vollständig dokumentiert.

3.2 Systemunterstützung in Niedersachsen und ihre Determinanten

Systemunterstützung operationalisieren wir in den folgenden Analysen mit Hilfe von drei Variablen, der Demokratiezufriedenheit, dem Vertrauen in die Bundesregierung sowie dem Vertrauen in die Landesregierung. Dabei ist die Demokratiezufriedenheit ein Maß, das – wie oben beschrieben – in hohem Maße geprägt ist von den Präferenzen der Bürger*innen und deren Erfüllung durch die Politik. Das Item neigt daher, wie bereits Linde und Ekman (2003) gezeigt haben, stark dem Pol der spezifischen Unterstützung zu. Diese Outputorientierung wird durch die meistverwendete Formulierung des Items, die nach der Zufriedenheit mit dem „Funktionieren der Demokratie“ fragt, noch verstärkt. Im NDM verwenden wir dagegen eine Formulierung, die von Politikergebnissen etwas stärker abstrahiert. Wir fragen nach der Zufriedenheit mit dem „Zustand der Demokratie in der Bundesrepublik“. Diese Formulierung sollte dafür sorgen, dass das Item eher in der Mitte des von Norris (2011) präsentierten Kontinuums zwischen spezifischer und diffuser Systemunterstützung angesiedelt ist. Zwei weitere abhängige Variablen, die wir zur Operationalisierung der Systemunterstützung heranziehen, sind das Vertrauen in Bundes- und Landesregierung. Das Vertrauen der Bürger*innen in Institutionen wie Regierungen, Parlamente oder Gerichte lässt sich konzeptionell noch deutlicher dem Pol der spezifischen Systemunterstützung zuordnen als die Demokratiezufriedenheit (Norris 2011). Hier sollte also die Outputorientierung nochmals stärker hervortreten als im Fall der Demokratiezufriedenheit. Da wir mit der Zufriedenheit mit den Corona-Maßnahmen einen ganz konkreten Output in den Blick nehmen und weil ein Fokus unserer Analysen die Systemunterstützung über verschiedene Ebenen des Mehrebenensystem hinweg analysieren wird, erscheinen uns die Fragen nach dem Vertrauen in Bundes- und Landesregierung geeignet für die folgenden Analysen.

Werte zur Demokratiezufriedenheit in Niedersachsen können wir auf der Grundlage des NDM für zwei Zeitpunkte (2019 und 2021) berichten. Ein Blick auf die Zahlen der beiden quantitativen Erhebungen des Niedersächsischen Demokratie-Monitors 2019 (erhoben vor Ausbruch der Pandemie) und 2021 (erhoben Frühjahr/Sommer während der Pandemie), zeigt eine auf den ersten Blick wenig überraschende Entwicklung, die der in den Medien kolportierten LageFootnote 5 entspricht: während der Pandemie ist die mittlere Demokratiezufriedenheit unserer Befragten in Niedersachsen von 0,61 auf 0,58 Punkte auf unser von 0 bis 1 reichenden Skala gesunken. Allerdings zeigen sich bei genauerem Hinsehen zwei interessante Details, die dieser Mittelwert verdeckt. So ist erstens die teils/teils Kategorie im Jahr 2019 deutlich seltener angegeben worden (siehe Abb. 1). Zweitens beobachten wir Zuwächse sowohl bei den sehr und eher unzufriedenen Befragten als auch bei den eher zufriedenen. Die Unentschiedenheit nimmt also ab, aber nicht ausschließlich zu Gunsten der Unzufriedenheit, wie der sinkende Mittelwert suggerieren mag. Vielmehr beobachten wir ein Auseinanderdriften der Demokratiezufriedenheit mit einem größer werdenden Pol der Unzufriedenen, denen eine ebenfalls wachsende Gruppe zufriedener Bürger*innen gegenübersteht. Auch wenn die Gruppe derer, die sich als „sehr zufrieden“ bezeichnen, im Vergleich zu 2019 leicht abnimmt, so ist dennoch festzuhalten, dass sich in beiden Jahren mehr als die Hälfte der Befragten zufrieden mit dem Funktionieren der Demokratie in Deutschland zeigt.

Abb. 1
figure 1

Zufriedenheit mit dem Zustand der Demokratie in Deutschland 2019 und 2021. (Eigene Berechnung auf der Grundlage des NDM 2019 (Marg et al. 2019) und des NDM 2021 (Schenke et al. 2021). Kodierung: 0 – sehr unzufrieden; 0,25 – eher zufrieden; 0,5 – teils/teils; 0,75 – eher zufrieden; 1 – sehr zufrieden. Ungewichtete Angaben)

Blicken wir auf das Regierungsvertrauen in Niedersachsen (siehe Abb. 2), beobachten wir sehr hohe Zustimmung sowohl für die Bundes- als auch für die Landesregierung. Der Bundesregierung vertrauen 70,1 % der Befragten eher oder stark, die Landesregierung erzielt – wie schon 2019 – noch bessere Werte. Ihr vertrauen sogar 82,1 % der Befragten. Umgekehrt sind diejenigen, die der Bundes- oder Landesregierung nicht vertrauen, in der deutlichen Minderheit. Die Mittelkategorie (teils/teils) ist mit weniger als 2 % nur sehr schwach besetzt, was aber auch daran liegt, dass diese Antwortmöglichkeit im Zuge der Befragung nicht vorgelesen und nur kodiert wurde, wenn Befragte sie spontan genannt haben.

Abb. 2
figure 2

Vertrauen in Bundes- und Landesregierung 2021. (Eigene Berechnung auf der Grundlage des NDM 2021 (Schenke et al. 2021). Kodierung: 0 – vertraue überhaupt nicht; 0,25 – vertraue eher nicht; 0,5 – teils/teils; 0,75 – vertraue eher; 1 – vertraue stark)

Wenden wir uns den unabhängigen Variablen zu. Unsere Frage nach dem Vertrauen in die sechs im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien zeigt für die beiden großen Parteien ein ausgewogenes Bild (siehe Abb. 3): sowohl SPD als auch CDU genießen das Vertrauen von etwa der Hälfte der Befragten. Auffällig bei den beiden kleineren Parteien Grüne und FDP ist, dass der Anteil derjenigen, die diesen Parteien „überhaupt nicht“ vertrauen, deutlich größer ist als bei den beiden großen Parteien, auch wenn sich auch hier ein grundsätzlich noch ausgewogenes Bild zeigt. Auf deutliche Ablehnung hingegen stoßen die Linke und – insbesondere – die AfD. Während rund 40 % der Linken „eher nicht“ und deutlich mehr als 30 % „überhaupt nicht“ vertrauen, liegt der Wert der offenen Ablehnung bei der AfD bei nahezu 80 % und erreicht damit beeindruckende Ausmaße.

Abb. 3
figure 3

Parteienvertrauen 2021. (Eigene Berechnung auf der Grundlage des NDM 2021 (Schenke et al. 2021). Kodierung: 0 – vertraue überhaupt nicht; 0,25 – vertraue eher nicht; 0,5 – teils/teils; 0,75 – vertraue eher; 1 – vertraue stark. Mittelkategorie „teils/teils“ wurde nicht als Antwortoption vorgegeben sondern nur kodiert, wenn Befragte sie spontan genannt haben)

Als weitere Determinante der Systemunterstützung hatten wir in der theoretischen Diskussion populistische Einstellungen identifiziert. Zur Messung des Populismus berechnen wir einen Index. Er stellt eine reduzierte und vereinfachte Form des Messansatzes von Akkerman et al. (2014) dar und fasst die Antworten auf vier Populismus-ItemsFootnote 6 nach ihren Faktorladungen auf den gemeinsamen Faktor „Populismus“ gewichtet in einem Index zusammen. Abb. 4 stellt die Verteilung populistischer Einstellungen, gruppiert in fünf Kategorien zwischen „minimal“ und „maximal“ graphisch dar. Es zeigt sich, dass beide Randkategorien mit jeweils rund 10 % der Befragten relativ dünn besetzt sind und eine Mehrheit eher schwach ausgeprägte populistische Ansichten vertritt. Insgesamt unterstützt rund ein Drittel der Niedersächsinnen und Niedersachsen populistische Aussagen eher oder sogar stark.

Abb. 4
figure 4

Populistische Einstellungen 2021. (Eigene Berechnung auf der Grundlage des NDM 2021 (Schenke et al. 2021). Nach Faktorladungen gewichteter Index aus vier Items (siehe A8))

Schließlich nutzen wir zur Erklärung der Systemunterstützung noch die Zufriedenheit mit der Corona-Politik der Bundes- und der niedersächsischen Landesregierung (siehe Abb. 5). Hier zeigt sich, dass etwa die Hälfte der Befragten mit der Corona-Politik sowohl der Bundes- als auch der Landesregierung zufrieden ist. Bei genauerem Hinsehen stellen wir jedoch deutliche Unterschiede in der Bewertung der beiden Ebenen fest. Im Fall der Bundesregierung bleibt die Zustimmung zu deren Corona-Politik mit 46,4 % deutlich unter der 50 %-Marke, während 55 % der Befragten mit der Corona-Politik der Landesregierung zufrieden sind. Dabei sind sogar fast 9 % „sehr zufrieden“ mit der Landespolitik, während dieser Wert für die Bundesregierung bei unter 5 % verharrt. Die Corona-Politik der Landesregierung wird also deutlich besser bewertet als die des Bundes.

Abb. 5
figure 5

Zufriedenheit mit der Corona-Politik. (Eigene Berechnung auf der Grundlage des NDM 2021 (Schenke et al. 2021). Kodierung: 0 – sehr unzufrieden; 0,25 – eher zufrieden; 0,5 – teils/teils; 0,75 – eher zufrieden; 1 – sehr zufrieden. Mittelkategorie „teils/teils“ wurde nicht als Antwortoption vorgegeben sondern nur kodiert, wenn Befragte sie von sich aus genannt haben)

3.3 Zufriedene Unterstützer*innen der Regierungsparteien in Bund und Land?

Im Folgenden testen wir mit Hilfe von OLS-Regressionen, ob unsere Hypothesen durch die Daten gestützt werden. Wenden wir uns zunächst der Frage zu, ob – wie Hypothese H1 nahegelegt – die Unterstützer*innen von SPD und CDU als Trägerinnen der Regierungen in Bund und Land tatsächlich zufriedener mit dem Zustand der Demokratie sind als die Anhänger*innen der Oppositionsparteien. Abb. 6 zeigt die Regressions-Koeffizienten unserer Parteienvertrauen-Variablen. Als abhängige Variable zur Messung der Systemunterstützung verwenden wir „Demokratiezufriedenheit“.Footnote 7 Im Großen und Ganzen bestätigen sich die Annahmen der Regierungs-Unterstützer*innen-Hypothese: Anhänger*innen der Regierungsparteien SPD und CDU sind zufriedener als der Rest der Befragten, diejenigen der Oppositionsparteien FDP und Linke sind weder zufriedener noch unzufriedener. Ebenfalls den Erwartungen entspricht, dass Anhänger*innen der AfD deutlich unzufriedener mit dem Zustand der Demokratie sind als der Durchschnitt unserer Befragten. Nicht ganz ins Bild passen die Anhänger*innen der Grünen, die in Anbetracht ihres Status als Verlierer*innen sowohl der Landtagswahl 2017 als auch der Bundestagswahl 2017 eine unerwartet hohe Demokratiezufriedenheit berichten. Als einziger der hier präsentierten Befunde passt dies nicht zu den Annahmen der Regierungs-Unterstützer*innen-Hypothese H1.

Abb. 6
figure 6

Demokratiezufriedenheit und Parteienvertrauen. (Eigene Berechnung auf der Grundlage des NDM 2021 (Schenke et al. 2021). Unstandardisierte Regressionsgewichte der Variablen „Parteienvertrauen“ (0 – vertraue überhaupt nicht; 1 – vertraue stark) mit 95 %-Konfidenzintervall. Abhängige Variable „Zufriedenheit mit dem Zustand der Demokratie“ (0 – sehr unzufrieden; 1 – sehr zufrieden). Vollständige Dokumentation des OLS-Modells siehe A2a. Ein negativer VIF-Test auf Multikollinearität ist in A2b dokumentiert)

3.4 Populistische Einstellungen und Demokratiezufriedenheit

Bisher noch nicht explizit betrachtet haben wir den Effekt populistischer Einstellungen auf die Demokratiezufriedenheit in Niedersachsen, die wir in unserer Populismus-Hypothese H2 behandeln. Unsere Annahme lautet, dass populistische Einstellungen einen negativen Effekt auf die Demokratiezufriedenheit haben. Der negative Effekt des hohen Vertrauens in die AfD als populistische Partei auf die Demokratiezufriedenheit, den wir bereits nachweisen konnten, deutet darauf hin, dass diese Annahme zutrifft. Die in Abb. 7 präsentierten Ergebnisse stützen diesen Befund, die Koeffizienten unserer Populismus-Variable sind negativ und statistisch signifikant. Dabei spielt es keine Rolle, ob wir Populismus im Basis-Modell (nicht ausgefüllter Kreis in Abb. 7) allein verwenden oder zusätzlich die Variablen zum Vertrauen in die sechs Bundestagsparteien berücksichtigen (ausgefüllte Kreise). Interessant ist, dass in diesem letztgenannten Modell der negative Effekt des Vertrauens in die AfD auf die Demokratiezufriedenheit, den wir in Abb. 6 bereits beobachtet hatten, erhalten bleibt. Zudem können wir feststellen, dass der negative Effekt des Populismus in diesem Modell zwar abnimmt, insgesamt aber ungefähr gleich stark ist, wie der Effekt des Vertrauens in die AfD. Die AfD nimmt also einen Teil der populistischen Einstellungen der Bürger*innen auf, es gibt aber auch Populismus mit negativen Wirkungen auf die Systemunterstützung jenseits der AfD. Zugleich ist die Demokratieunzufriedenheit derjenigen, die der AfD vertrauen, nicht ausschließlich von populistischen Einstellungen geprägt, sondern umfasst darüber hinaus weitere, hier nicht berücksichtigte Elemente, die die AfD erfolgreich anzusprechen vermag.

Abb. 7
figure 7

Demokratiezufriedenheit und Populismus. (Eigene Berechnung auf der Grundlage des NDM 2021 (Schenke et al. 2021). Unstandardisierte Regressionsgewichte der Variablen „Populismus“ (0 – minimal; 1 – maximal) und „Parteienvertrauen“ (0 – vertraue überhaupt nicht; 1 – vertraue stark) mit 95 %-Konfidenzintervall. Abhängige Variable „Zufriedenheit mit dem Zustand der Demokratie“ (0 – sehr unzufrieden; 1 – sehr zufrieden). Vollständige Dokumentation der OLS-Modelle siehe A3)

3.5 Policy Feedback

Wenden wir uns nun der Frage zu, ob ein potenzieller Policy-Feedback Effekt zur Erklärung der Unterstützung des politischen Systems in Niedersachsen beiträgt. Policy Feedback könnte man als eine Prüfung bezeichnen, in der die Bürger*innen abwägen, ob die Politik in der Lage war, die Folgen einer schweren Krise durch staatliches Handeln abzumildern. Die Eindämmungsmaßnahmen im Zuge der Corona-Krise betrachten wir als einen speziellen Policy-Output, von dem wir auf Grund seiner weit reichenden Folgen und seiner Umstrittenheit in der Öffentlichkeit starke Effekte auf die Systemunterstützung erwarten. Wir testen unsere Policy Feedback-Hypothese zunächst mit Hilfe der unabhängigen Variablen Zufriedenheit mit der Corona-Politik der Bundesregierung und Zufriedenheit mit der Corona-Politik der Landesregierung. Abb. 8 präsentiert die unstandardisierten Regressionskoeffizienten für den Effekt dieser beiden Variablen auf die Systemunterstützung. Da die Corona-Maßnahmen sehr konkrete Policy-Outputs darstellen und wir zudem zwischen der Zufriedenheit mit den von Bundes- und Landesregierung verhängten Pandemie-Maßnahmen unterscheiden können, nutzen wir als abhängige Variablen neben der Demokratiezufriedenheit nun auch die stärker outputorientierten und auf unterschiedliche Institutionen im Mehrebenensystem abzielende Variablen Vertrauen in Bundes- und Landesregierung. Es zeigt sich ganz grundsätzlich, dass mit der Zufriedenheit mit der Corona-Politik beider Regierungen sowohl die Demokratiezufriedenheit als auch das Regierungsvertrauen ansteigen.

Abb. 8
figure 8

Zufriedenheit mit Politikergebnissen in der Corona-Krise. (Eigene Berechnung auf der Grundlage des NDM 2021 (Schenke et al. 2021). Unstandardisierte Regressionsgewichte der Variablen „Zufriedenheit Corona-Politik Bundes‑/Landesregierung“ mit 95 %-Konfidenzintervall. Abhängige Variablen: „Zufriedenheit mit dem Zustand der Demokratie“ (0 – sehr unzufrieden; 1 – sehr zufrieden) und „Vertrauen in Bundes-“ bzw. „Landesregierung“ (0 – vertraue überhaupt nicht; 1 – vertraue stark). Vollständige Dokumentation der OLS-Regressionen siehe A4)

Lediglich die Zufriedenheit mit der Corona-Politik der Landesregierung hat keinen Effekt auf das Vertrauen in die Bundesregierung. Zugleich ist der Effekt der Zufriedenheit mit den Maßnahmen der Bundesregierung auf das Vertrauen in eben diese Regierung vergleichsweise stark, so dass die die Zuordnung der Verantwortlichkeiten zumindest im Fall der Bundesregierung eindeutig und nachvollziehbar zu sein scheint. Neben der grundsätzlichen Unterstützung für die Policy-Feedback-Hypothese werfen diese Ergebnisse bereits ein erstes Schlaglicht auf unsere Mehrebenen-Hypothese. Es zeigen sich die in dieser Hypothese als Annahme formulierten Unterschiede in der Bewertung von Bundes- und Landesregierung.

Zudem hatten wir in der modifizierten Policy-Feedback-Hypothese die Erwartung formuliert, dass insbesondere Menschen mit populistischen, elitekritischen Einstellungen die Corona-Maßnahmen der Regierungen kritischer bewerten als der Rest der Bevölkerung. Demnach sollte die Zufriedenheit mit den Maßnahmen der Regierungen bei den Befragten mit hohen Populismus-Werten einen geringeren Effekt auf die Demokratiezufriedenheit haben als im Rest der Bevölkerung. In einer ersten Annäherung an diese Annahme replizieren wir unser Policy-Feedback-Modell und ergänzen es um unseren Populismus-Index.

Zunächst zeigt sich, dass die Ergebnisse für die oben bereits betrachteten Variablen zur Zufriedenheit mit der Corona-Politik von Bundes- und Landesregierung nicht von den bereits beschriebenen Mustern abweichen (siehe Abb. 9). Die populistischen Einstellungen aber, die uns hier insbesondere interessieren, haben tatsächlich den angenommenen stark negativen Effekt auf alle drei abhängigen Variablen. Dabei lassen sich deutliche Unterschiede beobachten. So leidet das Vertrauen in die Landesregierung am wenigsten unter populistischen Einstellungen, das Vertrauen in die Bundesregierung nimmt mit zunehmendem Populismus am stärksten ab und die Demokratiezufriedenheit nimmt eine Mittelposition ein. Bemerkenswert ist neben dieser deutlichen Differenzierung das Ausmaß des Effektes im Fall des Vertrauens in die Bundesregierung. Der Anstieg unseres Populismus-Index von seinem Minimum zu seinem Maximum reduziert das Vertrauen in die Bundesregierung um etwas mehr als 0,52 Skalenpunkte und damit um mehr als die Hälfte der von 0 bis 1 reichenden Skala. Der Vertrauensverlust der Landesregierung bei den Populist*innen in Niedersachsen erscheint demgegenüber mit lediglich 0,19 Skalenpunkten eher gering. Wir beobachten also einen negativen Effekt des Populismus für alle drei abhängigen Variablen, das Ausmaß des Vertrauensverlustes bei den Populist*innen ist aber insbesondere im Fall der Bundesregierung dramatisch.

Abb. 9
figure 9

Zufriedenheit mit Politikergebnissen und Populismus. (Eigene Berechnung auf der Grundlage des NDM 03.2021 (Schenke et al. 2021). Unstandardisierte Regressionsgewichte der Variablen „Zufriedenheit Corona-Politik Bundes‑/Landesregierung“ und „Populismus“ mit 95 %-Konfidenzintervall. Abhängige Variablen: „Zufriedenheit mit dem Zustand der Demokratie“ (0 – sehr unzufrieden; 1 – sehr zufrieden) und „Vertrauen in Bundes- und Landesregierung“ (0 – vertraue überhaupt nicht; 1 – vertraue stark). Vollständige Dokumentation der OLS-Regressionen siehe A5)

Wenn wir nun ein Gesamtmodell zur spezifischen, outputorientierten Systemunterstützung betrachten, in dem wir neben den gerade diskutierten Variablen zur Zufriedenheit mit der Krisenpolitik in Bund und Land und zum Populismus auch das Vertrauen in die sechs im Bundestag vertretenen Parteien einschließen, so bestätigen sich im Großen und Ganzen die oben bereits skizzierten Muster (siehe Abb. 10). Die Anhänger*innen der Regierungsparteien SPD und CDU sowie diejenigen der Grünen sind grundsätzlich zufrieden mit dem Zustand der Demokratie und bringen den Regierungen Vertrauen gegenüber. Für Unterstützer*innen der FDP und der Linken finden sich hingegen keine signifikanten Effekte, weder für die Demokratiezufriedenheit noch für das Regierungsvertrauen. Diejenigen, die der AfD hohes Vertrauen entgegenbringen, sind deutlich unzufrieden mit dem Zustand der Demokratie, zeigen aber keine statistisch signifikanten Effekte im Fall des Vertrauens in Bundes- und Landesregierung und ähneln in diesem Punkt den etablierten Oppositionsparteien. Die Zufriedenheit mit der Corona-Politik von Bundes- und Landesregierung hat einen positiven Effekt nur für die jeweils verantwortliche Regierung, die Zuordnung von Verantwortlichkeit entspricht in diesem Gesamtmodell also eher den Erwartungen als in den oben präsentierten Untersuchungen. Darüber hinaus haben populistische Einstellungen zwar immer noch einen negativen Effekt auf die Demokratiezufriedenheit und das Vertrauen in die Bundesregierung, nicht jedoch auf das Vertrauen in die niedersächsische Landesregierung. Der oben noch beobachtete schwach negative Effekt ist nun nicht mehr signifikant. Interessant ist bei dieser Gesamtbetrachtung, dass die Anhänger*innen der SPD kein höheres Vertrauen in die Bundesregierung haben als der Rest der Bevölkerung. Dieser Effekt findet sich bei der SPD-geführten Landesregierung nicht. Auch bei den Anhänger*innen der Grünen findet sich eine bemerkenswerte Nuance: im Gesamtmodell ist ihr Vertrauen in die Landesregierung nicht signifikant höher, wohl aber ihr Vertrauen in die Bundesregierung und ihre Demokratiezufriedenheit.

Abb. 10
figure 10

Gesamtmodell. (Eigene Berechnung auf der Grundlage des NDM 03.2021 (Schenke et al. 2021). Unstandardisierte Regressionsgewichte der Variablen „Zufriedenheit Corona-Politik Bundes‑/Landesregierung“ und „Populismus“ mit 95 %-Konfidenzintervall. Abhängige Variablen: „Zufriedenheit mit dem Zustand der Demokratie“ (0 – sehr unzufrieden; 1 – sehr zufrieden) und „Vertrauen in Bundes- und Landesregierung“ (0 – vertraue überhaupt nicht; 1 – vertraue stark). Vollständige Dokumentation der OLS-Regressionen siehe A6)

Allerdings hatten wir in der modifizierten Policy-Feedback-Hypothese formuliert, dass populistischen Einstellungen den negativen Effekt von Unzufriedenheit mit den Corona-Maßnahmen auf die Systemunterstützung verstärken. Zudem postuliert die Mehrebenen-Hypothese, dass dieser negative Effekt des Populismus auf die Systemunterstützung im Fall der Landesregierung auf Grund der größeren Nähe der Bürger*innen zu dieser Institution milder sein sollte. Für eine genauere Analyse des konditionalen Effekts von Populismus und die Unterschiede für das Vertrauen in Bundes- und Landesregierung betrachten wir im Folgenden die Ergebnisse von Regressionsmodellen, in denen wir unseren Populismus-Index jeweils einzeln mit den Variablen zur Zufriedenheit mit der Corona-Politik von Bundes- und Landesregierung interagieren. Abb. 9 zeigt die aus den Interaktionsmodellen errechneten vorhergesagten Werte auf unseren jeweils von 0 bis 1 reichenden Skalen zur Demokratiezufriedenheit und zum Vertrauen in Bundes- und Landesregierung bei verschiedenen Werten auf dem Populismus-Index jeweils einzeln für diejenigen, die mit der Corona-Politik sehr zufrieden (ausgefüllte Kreise) beziehungsweise sehr unzufrieden (nicht ausgefüllte Kreise) sind. Die Ergebnisse dieser Analyse stützen die Annahmen aus H3a und H4.

Grundsätzlich nehmen – wie zu erwarten war – Demokratiezufriedenheit und Vertrauen in Bundes- und Landesregierung mit zunehmendem Populismus ab (siehe Abb. 11). Analog der Annahmen der modifizierten Policy-Feedback-Hypothese zeigt sich zudem, dass populistische Einstellungen den negativen Effekt der Unzufriedenheit mit den Corona-Maßnahmen auf die Systemunterstützung tatsächlich verstärken, die Geraden für Menschen, die mit der Corona-Politik sehr unzufrieden sind, fallen in fast allen Fällen stärker ab als bei jenen, die sehr zufrieden sind. Wenden wir uns den Unterschieden zwischen Bund und Land zu. In der oberen Reihe sind die Interaktionseffekte für Populismus und Zufriedenheit mit der Corona-Politik der Bundesregierung abgetragen, in der unteren Reihe die für die Zufriedenheit mit der Corona-Politik der Landesregierung. Besonders ausgeprägt ist der Effekt auf das Vertrauen in die Bundesregierung im Fall der mit der Corona-Politik dieser Regierung Unzufriedenen (Reihe 1, Spalte 2 in Abb. 11). Im Gegensatz dazu stellen unsere Befragten der niedersächsischen Landesregierung ein gutes Zeugnis aus (Spalte 3). Zunächst sinkt das Vertrauen selbst bei denjenigen, die mit der Corona-Politik unzufrieden sind (nicht ausgefüllte Kreise), deutlich weniger stark ab als das Vertrauen dieser Menschen in die Bundesregierung (Spalte 2). Bemerkenswert ist, dass bei denjenigen, die mit der Corona-Politik der Bundes- oder Landesregierung zufrieden sind (ausgefüllte Kreise), das Vertrauen in die Landesregierung mit zunehmendem Populismus sogar ansteigt.

Abb. 11
figure 11

Demokratiezufriedenheit und Zufriedenheit mit Bundes- und Landesregierung nach Populismus bei hoher bzw. niedriger Zufriedenheit mit der Corona-Politik. (Eigene Berechnung auf der Grundlage des NDM 03.2021 (Schenke et al. 2021). Vorhergesagte Werte für die abhängigen Variablen „Zufriedenheit mit dem Zustand der Demokratie“ (Spalte 1), „Vertrauen Bundesregierung“ (Spalte 2) und „Vertrauen Landesregierung“ (Spalte 3) mit 95 %-Konfidenzintervall. Vollständige Dokumentation der OLS-Regressionen siehe A7)

Populistische Einstellungen tragen somit zu einer Verschärfung der gesellschaftlichen Kluft bei. Das gilt in besonderem Maße für das Vertrauen in die Bundesregierung, aber auch für die Demokratiezufriedenheit, die beide mit zunehmendem Populismus deutlich abschmelzen. Eine besondere Stellung hat in diesem Zusammenhang aber die niedersächsische Landesregierung. Sobald die Befragten mit den Corona-Maßnahmen der Landesregierung sehr zufrieden sind, haben populistische Einstellungen sogar einen positiven Effekt auf das Vertrauen gegenüber der Landesregierung. Auch wenn dieser Effekt sich nicht in der gemeinsamen Wirkung von Populismus und Zufriedenheit mit der Landespolitik auf die Demokratiezufriedenheit oder das Vertrauen in die Bundesregierung niederschlägt, so zeigt sich hier doch ein kleiner Rückhalt gegen das Auseinanderdriften der politischen Einstellungen im Land.

4 Diskussion

In diesem Beitrag haben wir nach den Ursachen für das Auseinanderdriften der Systemunterstützung in Niedersachsen gefragt. Dieses Phänomen beobachten wir im Niedersächsischen Demokratie-Monitor 2021, in dem sowohl der Anteil der Zufriedenen als auch derjenige der Unzufriedenen mit dem Zustand der Demokratie in der Bundesrepublik im Vergleich zum NDM 2019 ansteigt. Die Frage nach dem Zustand der Demokratie ist ein wichtiger Indikator für die Systemunterstützung und hat damit eine große Bedeutung für Aussagen zur Stabilität und Zukunftsfähigkeit der Demokratie, die insbesondere im Zuge der Corona-Pandemie immer wieder als bedroht angesehen und zum Teil offen in Frage gestellt wurde. Auf der Basis der Daten des Niedersächsischen Demokratie-Monitors (NDM) konnten wir eine Reihe von Hypothesen zu den Determinanten der Systemunterstützung überprüfen.

Erstens haben wir angenommen, dass die Unterstützer*innen der Regierungsparteien im Bund und in Niedersachsen das politische System in höherem Maße unterstützen als diejenigen der Oppositionsparteien. Hierfür finden wir nur begrenzte Evidenz. So sind die Wähler*innen der SPD als der Partei des Ministerpräsidenten zwar sehr zufrieden mit dem Zustand der Demokratie, die Wähler*innen des Juniorpartners CDU aber sind unzufriedener als diejenigen der größten Oppositionspartei im Landtag, der Grünen. Zudem finden wir Belege dafür, dass insbesondere die Wähler*innen der AfD und Menschen mit populistischen Einstellungen besonders unzufrieden sind. Werden Vertrauen in die AfD und populistische Einstellungen in einem Modell gemeinsam untersucht, bleiben die negativen Effekte beider Variablen auf die Systemunterstützung erhalten. Es gibt also über den Dunstkreis der AfD hinaus populistische Unzufriedenheit mit dem politischen System. Gleichzeitig scheint die Unterstützung für die AfD neben populistischer Elitekritik und Volkszentrierung durch weitere, hier nicht untersuchte Faktoren wie Autoritarismus oder Rechtsradikalismuis motiviert zu sein.

Darüber hinaus gehen wir der Annahme nach, dass inhaltliche Aspekte der Bewältigung der Corona-Krise die Systembewertung der Bürger*innen prägen. Unsere Policy Feedback-Hypothese besagt in diesem Zusammenhang, dass die Zufriedenheit mit den politischen Maßnahmen der Bundes- und Landesregierung zu einer höheren Demokratiezufriedenheit führt und wir finden Belege, die auf einen solchen Zusammenhang hindeuten. Dieser Zusammenhang ist jedoch maßgeblich geprägt vom Ausmaß der populistischen Einstellungen der Bürger*innen. Je stärker populistisch unsere Befragten sich im NDM äußern, desto weniger unterstützen sie das politische System der Bundesrepublik. Allerdings zeigen sich hier interessante Unterschiede in der Bewertung von Bundes- und Landesregierung, die unsere Mehrebenen-Hypothese stützen. Der negative Effekt des Populismus fällt bei Menschen, die unzufrieden mit der Corona-Politik sind, im Fall der Landesregierung deutlich geringer aus als im Fall der Bundesregierung. Bei denjenigen, die zufrieden mit der Corona-Politik sind, verschwindet der negative Effekt des Populismus auf die Bewertung der Landesregierung sogar vollständig. Populismus hat also – zumindest im Fall der niedersächsischen Landesregierung – einen etwas anderen Effekt als gedacht: Zufriedenheit mit der Corona-Politik kann in diesem Fall Populismus überlagern und ihm entgegenwirken. Warum dieser Effekt jedoch nur für die Landes- und nicht für die Bundesregierung auftritt, konnte hier nicht geklärt werden und bleibt zukünftigen Arbeiten vorbehalten.