Aktuelle Neurologie 2006; 33 - P289
DOI: 10.1055/s-2006-953115

Gestörte Fehlerverarbeitung bei thalamischen Läsionen

S. Seifert 1, D.Y. von Cramon 1, M. Ullsperger 1
  • 1Leipzig

Für zielgerichtetes Handeln sind ständige Handlungsüberwachung und die Detektion eigener Fehler erforderlich. Bisherige elektrophysiologische und hämodynamische Studien konzentrierten sich auf die Rolle des posterioren frontomedianen Kortex bei der Evaluation eigener Handlungen. Patientenstudien zu Läsionen des lateralen frontalen Kortex und der Basalganglien legen nahe, dass die frontostriatothalamischen Schleifen für die Handlungsüberwachung von entscheidender Bedeutung sind. Diese Hypothese wird in der vorliegenden Studie mittels elektrophysiologischer Untersuchungen an Patienten mit Thalamus-Läsionen getestet.

Wir untersuchten 15 Patienten (mittleres Alter 42,0) mit isolierten fokalen Läsionen des Thalamus und 15 Kontrollpersonen (mittleres Alter 41,2) mittels ereigniskorrelierter Potentiale (EKP) in einem adaptiven Flankierreizparadigma. Die Versuchspersonen waren instruiert, bemerkte eigene Fehler durch Tastendruck anzuzeigen. In den reaktionsbezogenen EKPs fand sich bei der Kontrollgruppe in fehlerhaften Versuchsdurchgängen eine error-related negativity (ERN) als Korrelat der Fehlerverarbeitung. Dagegen zeigte sich eine signifikante Reduktion der ERN in der Patientengruppe. Außerdem zeigten die Patienten signifikant seltener ihre Fehler an. Anatomischen Studien an Primaten legen nahe, dass die pars oralis des Nucleus ventrolateralis thalami in den für die Handlungsüberwachung relevanten posterioren frontomedianen Kortex projiziert. Übereinstimmend damit ergab eine Subgruppenuntersuchung, dass Patienten, deren Läsion den anterioren Anteil der ventrolateralen Kerngruppe betraf (n=6), keine ERN zeigten, während andere thalamische Läsionen (n=9) nur zu einer leichten ERN-Reduktion führten.

Diese Befunde unterstützen die Hypothese, dass die frontostriatothalamischen Schleifen essentiell für die Handlungsüberwachung sind. Die Studie zeigt weiterhin, dass die ERN ein geeigneter und bei Patienten leicht zu erhebender Marker zur Untersuchung der funktionellen Integrität des Handlungsüberwachungssystems ist.