Zusammenfassung
In diesem Beitrag werden Variationen lokaler Politik im Hinblick auf die Gemeinderäte in Leipzig und Dresden untersucht. Der Vergleich der beiden sächsischen Großstädte entlang der klassischen Parlamentsfunktionen zeigt, dass feste oder wechselnde Mehrheiten im Stadtrat Einfluss auf die Funktionsausübung der kommunalen Akteure haben. Wechselnde Mehrheiten ermöglichen eine breitere Beteiligung aller Ratsfraktionen an der Legislativfunktion, die Kontrollfunktion kann in diesem System hingegen weniger in Form eines Mitregierens wahrgenommen werden. Demgegenüber befördert ein System fester Mehrheiten die Herausbildung eines Dualismus von Mehrheit und Opposition.
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Notes
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Ich danke Astrid Lorenz, Dorothee Riese und Hendrik Träger für die fachliche und Luise Brauer und Birgit Pollex für die persönliche Unterstützung.
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In diesem Beitrag wird mit Praxis die faktische Ausgestaltung formeller Regeln in den Kommunalverfassungen bezeichnet, die (im Unterschied zu den originären Regelungen der Kommunalverfassung) von lokalen Akteuren selbst geschaffen wird. Auf die Praxistheorie, die mit dem practice turn in den Sozialwissenschaften zunehmend Anwendung findet, wird hier nicht eingegangen.
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Die Begriffe Gemeinderat und Stadtrat werden in der Folge synonym gebraucht.
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Zudem nehmen Stadträte repräsentative Aufgaben wahr, wie dies auch Parlamentarier tun, worauf in diesem Beitrag allerdings nicht detailliert eingegangen werden kann.
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Dies trifft vor allem auf das Parteiensystem seit 2009 zu (in diesem Jahr wirkten bundes- und landespolitische Entwicklungen auf das Parteiensystem ein), weitgehend gilt es aber auch für die Phase seit 1990. Hinsichtlich der elektoralen Stärke unterscheiden sich die Parteien auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene, was für diese Untersuchung allerdings nicht weiter relevant ist.
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Die Beschränkung auf die Haushaltsfestlegung erfolgt mit Verweis auf die zentrale Bedeutung dieser Abstimmung für die Möglichkeiten politischer Gestaltung. Zudem bestätigen auch die befragten Experten die hohe Relevanz der Haushalte und Haushaltsberatungen.
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Diese Zuordnungen greifen vor allem auf die theoretischen Überlegungen von Algasinger et al. (2004) zurück. Einschränkend muss hierzu allerdings festgehalten werden, dass es für die Entwicklung einer tragfähigen Typologie und eines Instrumentariums für die Analyse von parlamentarischen Anfragen noch weiterer empirischer Forschung und konzeptioneller Vorschläge bedarf.
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Auf eine ausführliche Darstellung der Entstehung des Leipziger Modells muss hier verzichtet werden. Oliver D’Antonio (2015) hat diesbezüglich eine umfassende Analyse vorgelegt, die die historischen Momente der frühen 1990er Jahre einbindet.
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Die Wahlergebnisse können über das Amt für Statistik und Wahlen der Stadt Leipzig abgerufen werden unter http://www.leipzig.de/buergerservice-und-verwaltung/wahlen-in-leipzig/ oder über das Landesamt für Statistik Sachsen unter http://www.statistik.sachsen.de/wpr_neu/pkg_s10_nav.prc_index?p_anw_kz=BM15 (Zugegriffen am 04.11.2015).
- 10.
Die Sitzungsprotokolle und Ratsbeschlüsse können unter Angabe des jeweiligen Sitzungsdatums über das Ratsinformationssystem der Stadt Leipzig unter http://notes.leipzig.de/eris/eris.nsf eingesehen werden. (Zugegriffen am 04.11.2015).
- 11.
Die Ratssitzung zum Beschluss des Haushaltes fand am 03.03.2011 statt.
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Die Verlaufs- und Beschlussprotokolle geben die Entscheidungen wieder mit den Bezeichnungen ‚mit großer Mehrheit‘, ‚mit Mehrheit‘ oder ‚einstimmig angenommen/abgelehnt‘. Bei nicht eindeutig zu erkennenden Mehrheitsverhältnissen wird eine Auszählung vorgenommen. Welche Fraktionen wie abgestimmt haben, wird nicht aufgeführt.
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Die Abstimmungen der Haushalte 2012 und 2013 werden hier nicht explizit dargestellt, da sie vergleichbare Ergebnisse zeigen.
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Die Anfragen können über das Ratsinformationssystem der Stadt Leipzig unter http://notes.leipzig.de/eris/eris.nsf eingesehen werden.
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Dies bezieht sich darauf, dass der Leipziger Oberbürgermeister SPD-Mitglied ist.
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Die Daten und Wahlergebnisse können unter http://www.dresden.de/de/rathaus/politik/wahlen.php abgerufen werden oder über das Landesamt für Statistik Sachsen unter http://www.statistik.sachsen.de/wpr_neu/pkg_s10_nav.prc_index?p_anw_kz=BM15 (Zugegriffen am 04.11.2015).
- 17.
Die Protokolle und Beschlüsse der Sitzungen können unter Angabe des Sitzungsdatums über das Ratsinformationssystems der Stadt Dresden unter http://ratsinfo.dresden.de/infobi.php.eingesehen werden (Zugegriffen am 04.11.2015).
- 18.
Dresdener Stadtrat will Haushalt beschließen (Dresdner Neue Nachrichten), Zugriff über http://www.dnn-online.de/dresden/web/regional/politik/detail/-/specific/Dresdner-Stadtrat-will-Haushalt-beschliessen-Abstimmung-mit-Spannung-erwartet-2600848524 (Zugegriffen am 12.12.2014).
- 19.
Die Anfragen können über das Ratsinformationssystem der Stadt Dresden unter http://ratsinfo.dresden.de/ag0041.php?__cwpnr=1&__cselect=0& eingesehen werden (Zugegriffen am 04.11.2015).
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Im vorliegenden Beitrag wurde die Haushaltssetzung der Städte untersucht. In anderen Politikfeldern wären durchaus andere Effekte institutioneller Praxen möglich. Dies stellt einen Anknüpfungspunkt für weitere Untersuchungen dar.
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Zu beachten ist hierbei, dass im Fallbeispiel Leipzig die SPD auch den Oberbürgermeister stellt, worauf im weiteren Verlauf noch eingegangen wird.
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Eine These, auf die hier jedoch nicht weiter eingegangen werden kann.
Literatur
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Pollex, J. (2017). Variationen institutioneller Praxen und ihre Effekte auf die Funktionsausübung von Stadträten – Leipzig und Dresden im Vergleich. In: Barbehön, M., Münch, S. (eds) Variationen des Städtischen – Variationen lokaler Politik. Stadtforschung aktuell. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-13394-8_9
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